Was unterscheidet
die christliche Sexualerziehung?
Die Entwicklung ist in diesen bald drei Jahrzehnten
Jahren fortgeschritten - die Praxis der schulischen Sexual„erziehung“
hat sich mit der sogenannten Aids-Vorsorge noch verschärft, das
Empfinden für sittliche Grenzen ist weiter geschwunden (man denke nur
daran, dass die Kondom-Werbung seit etlichen Jahren immer wieder von
Plakatwänden usw. herunterplatzt). Ferner hat sich mit der aggressiven
Homosexuellen-Lobby und den gesetzlichen Festlegungen gegen sogenannte
Diskriminierung wegen sexueller Orientierung usw. die „Schwulen- und
Lesben-Propaganda“ in den Schulen wesentlich vermehrt (siehe auch die
ideologischen Spektakel von „Christopher-Street-Day“ und dergleichen).
Und nicht zuletzt sind auch im politischen Raum die
Vorstöße zur sexuellen Liberalisierung auch für Kinder erfolgreich
vorangetrieben worden, wenn international als sogenannte „Kinderrechte“
eingefordert werden, den Heranwachsenden den Zugang zu unbeschränkter
Sexualfreiheit, Empfängnisverhütung und Abtreibung einzuräumen, während
den Eltern jede Einflussnahme darauf verweigert wird, ja sie zu
virtuellen Feinden der Kinder erklärt werden. Ferner sind mit der Zeit
auch kirchliche Organisationen wie „Sozialdienst katholischer Frauen“
oder „Caritas“ in vermeintlich sinnvoller Vorbeugung vor Abtreibung in
Schulen tätig geworden, nicht selten kaum unterschieden von „pro
familia“ oder „Donum vitae“ mit Verhütungsinformationen, Kondom-Üben am
männlichen Geschlechtsteil usw. Und manches mehr.
Diese Entwicklungen, die – rein
innerweltlich gedacht – unaufhaltsam fortzuschreiten scheinen, sind zu
ergänzen, ebenso wie neuere Dokumente des kirchlichen Lehramtes zu
beachten sind wie das Apostolische Schreiben „Familiaris consortio“ von
1981, die „Charta der Familienrechte“ von 1983 und das Dokument des
„Päpstlichen Rates für die Familie“ von 1995.
Die Einstellungen zur sogenannten
Sexualerziehung (SE) – schulisch und außerschulisch – sind vielfältig.
Wir wollen vier Standpunkte herausstellen:
1. Die emanzipatorische „Sexualerziehung“
Sie sagt: Die Tabuisierung der Sexualität sei ein
Mittel der Unterdrückung durch die Herrschenden (Staat, Kirche) gewesen
und habe Angst und Schuldgefühle hervorgerufen. „Dem unverheirateten
Jugendlichen wird in der Regel nicht erlaubt, seine Sexualtriebe in
einer von der Gesellschaft geduldeten Art und Weise zu befriedigen“ (H.
Giese). Notwendig sei daher eine „Sexualerziehung“, die den
Jugendlichen zu einer repressionsfreien (nicht von Verboten eingeengten)
Ausübung seiner sexuellen Wünsche befähige. Der „Unfall“ einer
ungewollten Schwangerschaft könne verhütet oder gegebenenfalls durch
Abtreibung aus der Welt geschafft werden. Das Schamgefühl sei nur
anerzogen und müsse beseitigt werden.
Das ist der Standpunkt von Sexualpädagogen der
marxistischen Schule. Weniger klassenkämpferisch-politisch, aber in den
Auswirkungen nahezu gleich ist die rein hedonistische Sicht, die einfach
das Recht auf die ungehinderte scham-lose Ausübung der Lust will.
2. Die Sexualtät
verherrlichende „Sexualerziehung“
Infiziert von dieser emanzipatorischen
„Sexualerziehung“ hat sich im kirchlichen Raum eine Ideologie breit
gemacht, die von „neuen Erkenntnissen“ über das „sexuelle Wesen“ Mensch
berichtet und die Lehre der Kirche „hinterfragt“: „Aus der
offiziellen kirchlichen Sexualpädagogik sprechen Jahrhunderte
katholischer Leibfeindlichkeit"[1].
Mit Berufung auf die Hl. Schrift wird der „Leib neu entdeckt“[2],
mit Hinweis auf das Liebesgebot wird ein „neuer Zugang zur
Zärtlichkeit“[3]
gefordert. Absolute Normen hinsichtlich des geschlechtlichen Verhaltens
leugnet man; alles sei dem persönlichen Gewissen überlassen, wichtig sei
nur, dass nichts „gegen die Liebe“ geschehe.
Dagegenstehende kirchliche Aussagen werden nicht
beachtet, ja totgeschwiegen. „‚Die’ kirchliche Lehrmeinung gibt es
nämlich gar nicht“[4].
Dokumente, die dem eigenen Standpunkt dienlich sind, werden jedoch
häufig angeführt (z. B. Würzburger Synode, Hirtenbrief von 1973[5]).
3. Die Sexualerziehung
des Kompromisses
Hier treffen sich
verschiedene Ansichten. Häufig wird der pragmatische Standpunkt
vertreten: „Sexualerziehung“ in den Schulen sei nun einmal da, man könne
diesen Bereich nicht aus der Erziehung herausnehmen[6];
die biologischen Darlegungen über Geschlechtsorgane, Zeugung,
Empfängnis, Verhütung und Geburt, über „Vorstufen“ und perverse Formen
der Sexualität usw. seien selbstverständlich. Wichtig sei nur, dass
nicht indoktriniert (d. h. eine bestimmte Meinung eingetrichtert), dass
kein bloßes Faktenwissen gelehrt werden, sondern dass die SchulSE
„christlichen Wertvorstellungen“ „Rechnung trage“[7].
In diesem Sinn wurden gesetzliche Regelungen der SE befürwortet.
Man tritt für „fächerübergreifende
Sexualerziehung“ ein, um eine Überbetonung dieses Themas zu vermeiden,
oder man setzt sich für ein SE-Fach oder SE-Sonderveranstaltungen ein
(was dem Elternrecht damals zwar entgegenkam, sofern diese
Veranstaltungen freiwillig waren, was aber das Kind oft in unzumutbare
Spannungen und Diskriminierungen bringt).
Vielfach wird auch die Meinung vertreten,
angesichts unserer sexualisierten Öffentlichkeit könne eine Hilfe für
die Kinder und Jugendlichen nur in einer „vorbeugenden“ breiten
sexuellen Aufklärung bestehen.
Der entscheidende Punkt bei dieser
Kompromiss-Haltung zur „Sexualerziehung“ ist, dass man die stimulierende
Wirkung des sexuellen „Faktenwissens“ nicht sieht und glaubt, diese SE,
mit einem christlichen Werte-Mäntelchen behängt, würde schon richtig
laufen.
4. Die christliche
Sexualerziehung
Der Standpunkt der eindeutigen Lehre der
katholischen Kirche, vorgelegt vor allem durch das oberste kirchliche
Lehramt, widerspricht der offen verführerischen und die Sünde leugnenden
oder verniedlichenden Sicht der geschlechtlichen Aufklärung. Und er
widerspricht der Ansicht, die heutige „Sexualerziehung“ sei notwendig,
nur müssen sie „christlich“ garniert und gegen „Übertreibungen“
abgegrenzt sein. Die Lehre der Kirche über eine „christliche
Sexualerziehung“ lautet anders.
Der FREUNDESKREIS MARIA GORETTI e. V.
vertritt diesen kirchlichen Standpunkt, der sich so zusammenfassen
lässt:
Die Kinder und
Jugendlichen müssen durch eine ganzheitliche Erziehung zu einer
seelischen , affektiven und sittlichen Reife geführt werden, die der
GÖTTlichen Schöpfungsordnung, dem Geist JESU CHRISTI und darum auch
der Würde des Menschen entspricht[8].
Jede Sexualerziehung, die zu unnötiger
Beschäftigung mit sexuellen Dingen führt und nicht Erziehung zu
Schamhaftigkeit, Keuschheit und Selbstbeherrschung ist, ist sexuelle
Bedarfsweckung und Stimulierung (Verlockung). Eine solche
„Sexualerziehung“ ist Anleitung oder Hinführung zu sündhaftem Tun und
deshalb abzulehnen.
Sind „wissende Kinder“ geschützte Kinder?
Bei vielen, die nicht eine verführerische
„Sexualerziehung“, sondern eine wirkliche Hilfe für die Jugendlichen
wollen, steht heute die Sexualaufklärung („wertorientierte biologische
Wissensvermittlung“) im Vordergrund. „Wissende Kinder sind geschützte
Kinder“, heißt ein Schlagwort[9],
das inmitten der sexuellen Enttabuisierung unserer Gesellschaft noch
zutreffender geworden zu sein scheint. In Wirklichkeit ist dies eine
Verengung des Problems, eine völlig falsche Akzentsetzung, die in einen
Irrweg führt.
Sonst müsste ja heute, angesichts der
diesbezüglichen Wissensflut besonders der letzten vierzig Jahre eine
bedeutende sittliche Verbesserung eingetreten sein. Und dies wird wohl
niemand behaupten wollen.
Was wirklich schützt?
Obzwar der erbsündliche Mensch von CHRISTUS erlöst
wurde, blieben der menschlichen Natur die Folgen der Erbsünde, besonders
die Schwäche des Willens und eine Unordnung der Triebe. Deshalb ist es
beständige Aufgabe des Menschen, seine ungeordneten Neigungen zu
verbessern, die guten zu fördern und zu ordnen, und Gelegenheiten, die
zur Sünde führen können, nach Möglichkeit zu meiden.
Damit dies gelingen kann, ist es nötig, sich in die
Glaubenswahrheiten zu vertiefen und durch die Gnadenmittel die
Willenskraft zu stärken[10].
Papst Pius XI. betonte in seiner
Erziehungsenzyklika „Divini illius magistri“ diese große Bedeutung der
Willensstärkung: „Besonders bei den jungen Menschen entstehen die
bösen Handlungen nicht so sehr aus der intellektuellen Unwissenheit als
aus der Schwäche eines Willens, der gefährlichen Gelegenheiten
ausgesetzt und nicht von den Hilfsmitteln der Gnade unterstützt wird“[11].
Und Papst Pius XII. erklärt:
„Wir spielen hier an auf die geschlechtliche
Aufklärung, die nichts verschweigen und nichts im Dunkeln lassen will.
Liegt denn darin nicht eine schädliche Übertreibung des Wertes des
Wissens auf diesem Gebiet?“[12]
Der FREUNDESKREIS MARIA GORETTI e. V. tritt daher
seit Bestehen ein für eine Sexualerziehung[13],
die eine wirkliche Hilfe für die Heranwachsenden ist, ihre
geschlechtliche Kraft der Würde und Heilsberufung des Menschen
entsprechend zu ordnen.
Wie die Kirche lehrt, muss dabei der
Schwerpunkt auf der prägenden Kraft der Keuschheit liegen, die ein
Wesensmerkmal des „neuen Menschen“ in CHRISTUS ist.
Der Förderung und Bewahrung der Keuschheit dienen[14]
die „natürlichen Mittel“ (Wahrung des Schamgefühls, Maß im
Genuss, gesunde Ablenkungen, Meiden der Gelegenheiten zur Sünde, Zucht
der Sinne) und die Gnadenmittel (Gebet, Sakramentenempfang, Verehrung
Mariens und der Heiligen) zusammen mit der bereits genannten Stärkung
der Willenskraft.
Sind biologische Informationen nötig?
Biologische Informationen haben, wenn es um das
Triebleben des Menschen geht, nicht die gleiche Qualität wie biologische
Informationen über ein Pflanzenblatt oder über das menschliche Herz.
Besonders sexuelle Wissensvermittlung berührt tief das Persönlichste
jedes Menschen und wirkt auf den erbsündlich belasteten Menschen
aufreizend.
Je weniger allgemein und umschreibend, je mehr in
die Einzelheiten gehend und ausmalend diese sexuellen biologischen
Informationen sind, umso größer wird die Gefahr der Verlockung und
Stimulierung.
Eine gleichzeitig gegebene Wertvermittlung
(entsprechend der christlichen Ethik) kann diese innewohnende Verlockung
nur zum geringen Teil ausgleichen. Wertvermittlung spricht die Vernunft
des Menschen an, die Sexualinformation jedoch unmittelbar die
Triebkräfte.
Daher ist die „Wissensvermittlung“ auf das
„Notwendige“ in möglichst abstrakter, wenig stimulierender Form zu
beschränken. Dieses „Nötige“ wird für den Arzt einen wesentlich
größeren Bereich umfassen (es kommt auch eine Standesgnade hinzu!) als
für einen jungen Menschen, der vor der Eheschließung steht, und wiederum
enger wird der Bereich des „Nötigen“ sein für Jugendliche.
Die Päpste über biologische Informationen
Papst Pius XI. rät in „Divini illius magistri“ zu
großer Vorsicht und Behutsamkeit (Berücksichtigung aller Umstände,
individuelle Belehrung, passende Gelegenheit, Hinweis auf Standesgnade
der Erzieher). Er hebt hervor, dass man nicht auf Einzelheiten eingehen
soll, ja sagt sogar, während des Kindesalter genüge es, die natürlichen
und übernatürlichen Heilmittel der Keuschheitserziehung anzuwenden.[15]
Als Motiv dieser Vorsicht nennt der Papst die
Gefahr, dass – anstatt die sexuelle Begierde zu ordnen – diese erst
geweckt und vermehrt werde[16].
Papst Johannes Paul II. unterstrich diese
Warnung und forderte als Voraussetzung für biologisches Wissen eine
geistig-personale Reife (die im Schulkind sicher noch nicht vorliegt):
„Die rein biologische Kenntnis der mit dem Mann-
und Frausein der menschlichen Person in Zusammenhang stehenden
organischen Funktionen des Leibes vermag nur dann... hilfreich zu sein,
wenn sie mit einer entsprechenden geistigen Reife der menschlichen
Person einhergeht. Ohne das kann dieses Wissen geradezu gegenteilige
Auswirkungen haben, und das bestätigen vielfache Erfahrungen unserer
Zeit.“[17]
Zur Sexualaufklärung in der Schule
Schon das bisher Gesagte verbietet eine sexuelle
Aufklärung in der Schule und Gruppe. Dies betont Papst Pius XI. auch
ganz ausdrücklich, indem er diese „Sexualerziehung“ „unterschiedslos für
alle“ und „sogar in der Öffentlichkeit“ einen schlimmen, gefährlichen
Irrtum nennt[18].
Damit wird die „Sexualerziehung“ in der Schule
abgelehnt,
weil die unterschiedliche Reife der Kinder und ihre
individuelle Erziehung nicht berücksichtigt werden können,
weil Schamgefühl und Intimsphäre des Kindes und des
Lehrers in der Öffentlichkeit einer Klasse (dazu meist Buben und Mädchen
zusammen) geschädigt oder zerstört werden.
Bedeutung des Schamgefühls
Es gibt eine Tendenz, die die Scham verächtlich
macht, indem sie behauptet, durch die Scham würden die geschlechtlichen
Dinge böse, schlecht und hässlich erklärt[19].
Dagegen ist festzuhalten: Die Schamhaftigkeit muss unterschieden werden
vom Gefühl des Sich-Schämens wegen hässlicher Dinge oder begangener
Fehler. Sie ist eine „heilige Scheu“.
„Jede Enthüllung der
Sexualität ist die Offenbarung von etwas Intimem und Persönlichem, ja
die Einweihung eines anderen in unser eigenstes Geheimnis.“[20]
Das Schamgefühl ist also etwas Positives, es „hat die Wächteraufgabe
über die Keuschheit“ [21].
Für SE im authentisch christlichen Verständnis gilt
also:
Das Hauptgewicht liegt auf einer
ganzheitlichen „Erziehung zur Keuschheit“, die vom Kleinkind an die
Erziehung zur GOTTESliebe, zum Gebet, zur Achtung vor dem Gebot GOTTES,
zum Sakramentenempfang, zur Pflege des natürlichen Schamgefühls, zur
Willensformung, zur Opferbereitschaft und Selbstbeherrschung sein muss.
Dies geschieht in der vorgelebten Haltung der
Eltern und Erzieher („Hauskirche“, bewusste Verankerung des Lebens im
Glauben, Schamhaftigkeit in der Familie, in der Kleidung, in der
Vorsicht bezüglich Fernsehen, Illustrierte, Zeitschriften, Video,
Internet usw.). Dies geschieht in der Anleitung zum Verzicht z. B. auf
Süßigkeiten, auf Vergnügungen etc.
Dies geschieht – und zwar Tag für Tag, in vielen
kleinen Einzelschritten, gar nicht immer bewusst und betont – in der
religiösen Formung des Kindes, in der Hinführung zum Gebet auch in
Schwierigkeiten und Versuchungen, zum Bußsakrament, zur Marien- und
Heiligenverehrung. Dabei wirken die vorgelebte und im Kind geweckte
Gesamthaltung und begründende, erklärende, anspornende Worte zusammen.
Das Kind muss aus dem Verhalten der Eltern auch die
Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Entstehung neuen Lebens spüren und in
einer Haltung des Vertrauens zu den Eltern aufwachsen. (Übrigens wäre es
falsch zu meinen, durch sexuelle Aufklärung könne man sich das Vertrauen
des Kindes sichern.)
Mut, gegen den Strom zu schwimmen
Die Eltern sollen
sich von der heute propagierten Aufklärungsmanie nicht beeinträchtigen
lassen in der Überzeugung, dass der Nachdruck der Sexualerziehung auf
Selbstbeherrschung und religiöse Praxis zu legen ist[22],
weil die Natur selber im Kind die nötige Einsicht
in die Zusammenhänge im Wesentlichen nach und nach reifen lässt. Die
Erziehung zur Reinheit muss aber dieses innere Reifen begleiten und
veredeln.
Das Beispiel der Hl. Schrift, die die Kinder ja
schon im GOTTESdienst aufnehmen, zeigt die rechte Art des Sprechens an,
wenn sie von geschlechtlichen Vorgängen im Zusammenhang der
Heilsgeschichte in schamhafter und doch natürlicher
Selbstverständlichkeit spricht.[23]
Nicht festgesetzte „Stunden der Aufklärung“ sind
hilfreich, sondern aus Alltäglichkeiten kann durch Verhalten und knappes
weisendes Wort die sittliche Reife und die Einsicht des Kindes in die
Zusammenhänge organisch wachsen.[24]
Was hier an Lehraussagen in der Theorie
zusammengetragen wurde, sollen Beispiele aus der erfolgreichen
Erziehertätigkeit des hl. Don Bosco im
Anhang verdeutlichen: eine christliche Sexualerziehung, die ganz
wesentlich auf Erziehung zur Reinheit und Willensstärkung ausgerichtet
ist.
Sind die früheren Aussagen des Lehramts
noch gültig?
Viele der zitierten Aussagen von Papst Pius XI.
stammen aus dem Jahr 1929[25];
der hl. Don Bosco hat im vorletzten Jahrhundert gelebt. Besteht nicht
der Einwand zu Recht, dass durch „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“
der Anthropologie und der Theologie diese Aussagen zeitgebunden,
überholt, veraltet sind? Wird nicht allerorten behauptet, die
moralischen Normen hätten keine absolute Gültigkeit, sondern seien von
der jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Situation abhängig?[26]
(Übrigens werden unsere jungen Menschen heute
vielfach, selbst mitunter in einem verkehrten Religionsunterricht,
indoktriniert, dass sich jeder seine moralischen Normen selber suchen
und entwickeln müsse.[27])
Die Vatikanische „Kongregation für die
Glaubenslehre“ veröffentlichte im Januar 1976 die Erklärung „Persona
humana“ „zu einigen Fragen der Sexualethik“, die von Papst Paul VI.
gebilligt wurde und deren Veröffentlichung er angeordnet hat. Sie setzt
sich auch mit dem Einwand der Zeitbedingtheit der Normen auseinander:
„Gewiss haben sich
in der Geschichte der Zivilisation viele konkrete Umstände und
Bedürfnisse des menschlichen Lebens geändert und werden sich noch weiter
ändern; doch jeder Wandel in den Sitten und jede Lebensweise muss sich
innerhalb der Grenzen halten, die durch die unveränderlichen Prinzipien
gesetzt sind, welche in den konstitutiven Elementen und den wesentlichen
Beziehungen der menschlichen Person gründen; diese Elemente und
Beziehungen übersteigen die veränderlichen geschichtlichen Umstände.
Diese Grundprinzipien, die die Vernunft erkennen kann, sind enthalten im
‚ewigen, objektiven und universalen GÖTTlichen Gesetz...’. Dieses
GÖTTliche Gesetz ist für unsere Erkenntnis zugänglich.“
[28]
„Die GÖTTliche Offenbarung und, in dem ihr
eigenen Bereich, auch die philosophische Erkenntnis... weisen notwendig
auf die Existenz unveränderlicher Gesetze hin, die in die konstitutiven
Elemente der menschlichen Natur eingeschrieben sind und die allen
vernunftbegabten Wesen gleichermaßen gegeben sind...
Die Kirche bewahrt unter dem Beistand des HL.
GEISTES ununterbrochen und übermittelt ohne Irrtum die Wahrheiten der
sittlichen Ordnung und interpretiert authentisch nicht nur das
geoffenbarte positive Gesetz, sondern auch die Prinzipien der sittlichen
Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen hervorgehen und die volle
Entfaltung und die Heiligung des Menschen betreffen...“[29]
„Es gibt [auch im Bereich der Sexualethik]
Prinzipien und Normen, die die Kirche ohne Zögern stets als einen
Bestandteil ihrer Lehre übermittelt hat, wie sehr auch die Meinungen und
Sitten in der Welt zu ihnen im Gegensatz gestanden haben mögen. Diese
Prinzipien und Normen haben ihren Ursprung keineswegs in einer
bestimmten Kulturform, sondern in der Erkenntnis des Gesetzes GOTTES und
der menschlichen Natur. Deshalb können sie auch nicht unter dem Vorwand
einer neuen kulturellen Situation als überholt angesehen oder in Zweifel
gezogen werden.“[30]
„Persona humana“ befasst sich dann vor allem mit
schwerwiegenden, schon vor über drei Jahrzehnten propagierten Irrtümern
hinsichtlich vorehelichem Verkehr, Homosexualität und Masturbation
(Selbstbefriedigung) und betont ausdrücklich, dass es sich hierbei
objektiv um schwere Sünde handelt[31].
Weiter heißt es:
„Die Tugend der Keuschheit beschränkt sich aber
nicht nur auf die Vermeidung der erwähnten Verfehlungen. Sie verlangt
vielmehr, auch aufzublicken zu den hohen Zielen, die es zu erreichen
gilt. Sie ist eine Tugend, die die ganze Persönlichkeit in ihrem inneren
und äußeren Verhalten prägt.“[32]
Die Erziehungsmethode der Kirche und der Heiligen
hinsichtlich der Pflege der Keuschheit wird dann zusammengefasst[33]:
„Die Gläubigen
müssen auch in unserer Zeit, ja heute noch mehr als früher, zu den
Mitteln greifen, welche die Kirche schon immer empfohlen hat, um ein
keusches Leben zu führen:
Zucht der Sinne
und des Geistes,
Wachsamkeit und
Klugheit, um die Gelegenheiten zur Sünde zu meiden,
Wahrung des
Schamgefühls,
Maß im Genuss,
gesunde
Ablenkungen,
eifriges Gebet
und häufiger
Empfang der Sakramente der Buße und der Eucharistie.
Besonders die
Jugend soll die Verehrung der unbefleckt empfangenen GOTTESmutter
eifrig pflegen
und sich ein
Beispiel nehmen am Leben der Heiligen und anderer, besonders junger
Glaubensbrüder, die sich durch keusche Reinheit ausgezeichnet haben.
Vor allem sollen
alle die Tugend der Keuschheit und ihren strahlenden Glanz
hochschätzen. Sie erhöht die Würde des Menschen und macht ihn fähig zu
wahrer, hochherziger, selbstloser Liebe, die den anderen achtet.“
[1]
BDKJ-Funktionärin Barbara Engl
[2]
Roman Bleistein SJ, „Junge Zeit“ 11/81
[3]
G. Riederer, „Neue Gespräche“, hrsg. von der AG für kath.
Familienbildung, Bonn, Sept./Okt. 1981, S. 11
[4]
M. Frauenrath, „Junge Zeit“ 11/81
[5]
G. Riederer, a.a.O. S. 8f zitierte Ausführungen der Synode der
bundesdeutschen Bistümer, Würzburg, über „Vorraum der vollen sexuellen
Gemeinschaft“ und über „Stufenleiter der Zärtlichkeiten“; M.
Frauenrath schrieb in der kath. Jugendzeitschrift „Junge Zeit“ S. 9:
11/81, S.9: „Von dieser Verbotsmoral (cf. dass der Bereich der
Sexualität ausschließlich der Ehe vorbehalten sei) ist im
Synoden-Arbeitspapier der Deutschen Bischöfe (1973) nichts zu spüren.“
Bischof Moser, Rottenburg, nannte in einem Interview der „Jungen Zeit“
11/1981 S. 11 an kirchlichen Stellungnahmen lediglich den „Hirtenbrief
der deutschen Bischöfe zu Fragen der menschlichen Geschlechtlichkeit“
(von 1973) und die „Erklärung zur Sexualerziehung in Elternhaus und
Schule“ von 1979.
[6]
Vgl. „Erklärung der deutschen Bischöfe zur Sexualerziehung in
Elternhaus und Schule“ von 1979.
[8]
vgl. Erklärung der Vatikanischen Glaubenskongregation zu einigen
Fragen der Sexualethik „Persona humana“ von 1975, Nr. 13.
[9]
Oder neuerdings: „Nur was ich schätze, kann ich schützen“ als
Schlagwort der MFM-Projekte, vgl. auf Seite 7.
[10]
Vgl. die Erziehungsenzyklika „Divini illius magistri“ von Papst Pius
XI., Nr. 58
[11]
„Divini illius magistri“, Nr. 65
In Erinnerung gerufen sei wieder die vollständige Aussage Pius’
XI.:
„Eine weitere sehr ernste Gefahr ist der Naturalismus, der heute in
den Bereich der Erziehung eindringt, und zwar in die überaus sensiblen
Fragen der moralischen Reinheit. Sehr weit verbreitet ist der Irrtum
derer, die mit gefährlicher Dreistigkeit und abstoßender Terminologie
eine sogenannte Sexualerziehung propagieren. Dabei haben sie die
falsche Vorstellung, sie könnten junge Menschen gegen die Gefährdungen
der Sinnlichkeit durch rein natürliche Mittel schützen - wie durch
eine verwegene vorbeugende sexuelle Aufklärung: unterschiedslos für
alle, sogar in der Öffentlichkeit. Ja, schlimmer noch: indem sie die
jungen Menschen im frühen Alter den Gelegenheiten aussetzen, um sie –
wie sie sagen – durch Gewöhnung gegen solche Gefahren abzuhärten.
Diese Personen erliegen einem schlimmen Irrtum, weil sie sich weigern,
die angeborene Schwäche der menschlichen Natur anzuerkennen... Sie
ignorieren die Erfahrungstatsachen, die beweisen, dass besonders bei
den jungen Menschen die bösen Handlungen nicht so sehr aus der
intellektuellen Unwissenheit entstehen als aus der Schwäche eines
Willens, der gefährlichen Gelegenheiten ausgesetzt und nicht von den
Hilfsmitteln der Gnade unterstützt wird.
Wenn auf diesem überaus sensiblen Gebiet – nachdem alle Umstände in
Betracht gezogen sind – eine individuelle Unterweisung als notwendig
und angebracht erscheint, und zwar von Seiten derer, denen GOTT mit
der Erziehungsaufgabe auch die besondere Standesgnade gegeben hat,
dann muss das mit aller Vorsicht geschehen. Solche Zurückhaltung ist
in der traditionellen christlichen Erziehung sehr wohl bekannt und
wurde von Kardinal Silvio Antoniano (in seinem Werk „Über die
christliche Kindererziehung“) angemessen beschrieben. Er sagte:
‚Unsere Armseligkeit und unsere Neigung zur Sünde ist derart, dass wir
oft gerade in den Dingen, die uns Heilmittel gegen die Sünde sein
sollten, Gelegenheit und Anreiz zur Sünde finden. Deshalb ist es
überaus wichtig, dass ein guter Vater, wenn er mit seinem Sohn eine so
sensible Sache bespricht, sehr auf der Hut ist und weder auf
Einzelheiten eingeht noch all die verschiedenen Weisen erwähnt, in
denen der Versucher, die höllische Schlange, einen so großen Teil der
Welt vergiftet. Sonst könnte es geschehen, dass er, anstatt dieses
Feuer zu löschen, es unbeabsichtigt im einfachen und zarten Herzen des
Kindes entzündet oder schürt. Allgemein kann man sagen: Während der
Periode der Kindheit genügt es, die Heilmittel anzuwenden, die
zweifach wirken, nämlich der Keuschheit den Weg bereiten und der
Untugend das Tor verschließen’.“ (DIM 64-67)
[12]
Ansprache vom 15.4.1953
[13]
Vgl. Bischof Roman Danylak, Vortrag New York 1999: „Es ist
wichtig..., zwischen SchulSE und der öffentlichen Unterweisung in
Sexualmoral zu unterscheiden. Schulsexual‚erziehung’ ... stellt Kinder
in die unmittelbare Gelegenheit zur Sünde und ist vom Lehramt der
Kirche verboten. Öffentliche Unterweisung über die Sexualmoral – das
heißt der Unterricht über den Glauben und die Gebote als Gesetz des
moralischen Lebens - ist andererseits nicht nur erlaubt, sondern schon
immer hat das kirchliche Lehramt von den Schulen [bzw. vom kath.
Religionsunterricht] erwartet, dass sie dies der Jugend bieten.“
(Siehe FMG-Sonderdruck „Es gibt keine Schulsexual‚‚erziehung’ ohne
Verletzung des Schamgefühls der Kinder“ oder www.
freundeskreis-maria-goretti.de/fmg/menu3/text237. html)
[14]7
Vgl. Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zu einigen
Fragen der Sexualethik „Persona humana“ vom 29.12.1975, Nr. 12
[15]
Vgl. Bischof Roman Danylak a. a. O.: „Öffentlicher Unterricht in
Sexualmoral geht nicht ins Detail, liefert keine deutlichen
Informationen und geht auf sexuelle Dinge nicht näher ein, sondern
gibt angemessene Unterweisung, wobei abstrakte Normen und Definitionen
benutzt werden.“
[16]
Vgl. „Divini illius magistri“ Nr. 66, 67.
Der
große Pädagoge F. W. Foerster sagte: „Es gibt eine Sexualpädagogik,
die die Naturtriebe durch Aufklärung beschwören zu können wähnt und
nicht sieht, dass die sinnliche Neugierde sich aus der Aufklärung
dreimal mehr Zündstoff holt, als die moralische Rede [=Mahnung zur
Keuschheit]) löschen kann.“
[18]
Vgl. „Divini illius magisteri“ Nr. 64
[19]
Vgl. M. Fromme, „Neue Wege der geschlechtlichen Erziehung“, Vortrag
für Leiter kath. öffentl. Büchereien des Erzbistums Köln, in „Unsere
Sammlung“ 4/1969: „Man denke z. B. nur
an die Schamerziehung. Die Kinder... wurden förmlich darauf dressiert,
die Geschlechtszonen ihres Körpers als etwas Böses zu betrachten, das
man weder anschaut, noch zeigt, noch berührt, und worüber man auch
nicht spricht.“
[20]
Dietrich von Hildebrand, „Sexualerziehung in der Schule?“,
FMG-INFORMATION 76, S.3ff oder www. freundeskreis-maria-goretti.de/fmg/menu3/text235.html
[21]
„Persona humana“ Nr. 9
[22]
Vgl. Pius XII. am 15.4.1953
[23]
z. B. „Sara war unfruchtbar, es wurde ihr kein Kind zuteil.“ (Gen
11,30) – „Selig der Leib, der dich getragen, und die Brust, die dich
genährt hat.“ (Lk 11,27)
[24]
z.B. Erfahren von der Geburt eines Kinder bei Verwandten/Bekannten;
Betroffenheit über den Fehltritt eines Menschen, verbunden mit dem
rechten Hinweis auf Reue und Vergebung; Gebetsformulierung „Gebenedeit
ist die Frucht Deines Leibes”, Festgeheimnis Mariae Heimsuchung usw.
[25]
Festzuhalten ist: „Divini illius magistri“ ist als Enzyklika eine sehr
hochrangige Lehre des obersten kirchlichen Lehramtes, deren Aussagen
nie widerrufen worden und folglich noch gültig sind. Das 2.
Vatikanische Konzil verpflichtet den Gläubigen in der Dogmatischen
Konstitution „Lumen gentium“ zu besonderem religiösem Gehorsam
gegenüber dem Lehramt des Papstes:
„Dieser religiöse Gehorsam des Willens und Verstandes ist in
besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch
wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten;
nämlich so, dass sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den
von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt
wird, entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht.
Diese lässt sich vornehmlich erkennen aus der Art der Dokumente, der
Häufigkeit der Vorlage ein und derselben Lehre, und der
Sprechweise...“ (LG 25).
Darum sagt auch Bischof Roman Danylak zur Frage der
Verbindlichkeit von „Divini illius magistri“: „Der springende Punkt
ist, dass die Erklärung von Papst Pius XI. die maßgebendste und
erschöpfendste Aussage ist, die jemals zu diesem Thema gemacht wurde;
sie ist aufrecht erhalten und niemals zurückgenommen worden. Im
Gegenteil haben seine Nachfolger, von Papst Pius XII. bis zu Johannes
Paul II., seine Lehre wiederholt..., auch besonders in Ansprachen an
einzelne Bischofskonferenzen bei ihren Ad-limina-Besuchen in Rom. All
dies ist zusammengefasst in der kürzlich herausgegebenen, klaren Lehre
des Päpstlichen Rates für die Familie ‚Menschliche Sexualität:
Wahrheit und Bedeutung“ vom 20. Dezember 1995. Dieses Dokument wurde
etwa 66 Jahre nach der Enzyklika von Papst Pius XI. über die
christliche Jugenderziehung verfasst.
[26]
Vgl. M. Fromme a.a.O., S.3: „Nun ist es
für viele Christen eine Schwierigkeit, die Moral als wandelbar zu
erkennen... Tatsächlich lehrt die Geschichte, dass es nie eine so
verstandene unwandelbare Moral und Sittlichkeit gegeben hat. Sie war
immer vom kulturellen Milieu abhängig, und zwar von der jeweiligen
Auffassung vom Menschen.“
[27]
Damit verknüpft ist auch die falsche Auffassung, das Gewissen schaffe
Normen. Das Gewissen ist jedoch ein „Organ“, das das persönliche
Wollen und Verhalten an der objektiven Norm ausrichtet, als die dem
Menschen erkennbare Unterscheidung von Gut und Böse auf die konkrete,
persönliche Situation anwendet. Um die rechte Wahrheit von Gut und
Böse erkennen zu können, muss das Gewissen allerdings geformt sein und
nach der Naturordnung und dem Willen GOTTES fragen, da es durch
bewusstes Handeln gegen den leisen Gewissensspruch verformbar ist und
irren kann. (Vgl. dazu Johannes Paul II:, Enzyklika „Veritatis
splendor“ von 1993, bes. Nr. 54-64.).
[28]
„Persona humana“ Nr. 3
[29]
„Persona humana“ Nr. 4
[30]
„Persona humana“ Nr. 5
[31]
Vgl. dazu auch den „Katechismus der Katholischen Kirche“ (Ausgabe
2003), Nr. 2352, 2357, 2390, 2391.
[32]
„Persona humana“ Nr. 11
[33]
„Persona humana“ Nr. 12