Der Herr sendet uns
Mehrfach hat Jesus seinen Aposteln und Jüngern
aufgetragen, dass sie überall mit Glauben und Achtung vor dem anderen das
Wort des Evangeliums verkünden sollen. Seit den Anfängen der Kirche sehen
wir, wie das Wort des Lebens durch alle gläubigen Christen in der ganzen
Welt verkündet wurde. Weil die ersten Christen an Jesus Christus, den
Erlöser, glaubten, verbreiteten sie die gute Botschaft, die zum ewigen Leben
führt, mit heiliger Kühnheit und viel Mut.
Schauen wir in die Heilige Schrift, durch die Gott
zu uns spricht:
Mt 10, 6-8: «Geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Geht und
verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht
Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst
sollt ihr geben.» (vergleiche Mk 3, 14; Lk 10, 9f; Röm 9, 17, usw.)
Mk 16, 15: «Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium
allen Geschöpfen!»
Mt 28, 19-20: «Darum geht zu allen Völkern, und
macht alle Menschen zu meinen Jüngern, tauft sie auf den Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen,
was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum
Ende der Welt.»
Alle diese Worte, die Jesus zu den Aposteln sprach,
richten sich an alle Christen (Priester, Ordensleute, Gläubige), die
wirklich glauben. Die Verkündigung des Evangeliums ist nicht einigen wenigen
vorbehalten, sondern sie betrifft das ganze Gottesvolk. Jeder Getaufte ist
vom Herrn seinen Gaben, seinen Fähigkeiten, seiner Situation entsprechend
eingeladen, dem Beispiel der Apostel zu folgen:
Apg 4,32-33: «Die Gemeinde der Gläubigen war ein
Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein
Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die
Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade
ruhte auf ihnen allen.»
Wie wir wissen, hatte die Kirche immer mit
Gegnerschaft, mit Verfolgungen, usw. zu kämpfen. Aber sie hat sich nicht
einschüchtern lassen. Sie verkündigte weiterhin mit viel Mut und in der
Kraft des Heiligen Geistes das Evangelium. Wir erfahren sogar, dass Engel
eingriffen, um die Apostel zu ermutigen:
Apg 5, 19-21: «Ein Engel des Herrn aber öffnete
nachts die Gefängnistore, führte sie heraus und sagte: Geht, tretet im
Tempel auf, und verkündet dem Volk alle Worte dieses Lebens! Sie gehorchten
und gingen bei Tagesanbruch in den Tempel und lehrten.»
Apg 5, 42: «Und Tag für Tag lehrten sie unermüdlich
im Tempel und in den Häusern und verkündeten das Evangelium von Jesus, dem
Christus.»
Später fügte der Apostel Paulus noch ein Wort des
Herrn hinzu:
Der Herr ordnet an, dass alle, die das Evangelium verkünden, das Evangelium
leben sollen.
Das ist natürlich eine Notwendigkeit. Damit das
Zeugnis seine Früchte bringt, ist es unabdingbar, dass der Zeuge
glaubwürdig, heilig, treu, demütig und voll mitfühlender Zartheit ist — in
Übereinstimmung mit dem Wort, das er predigt.
Wenn wir die heiligen Texte lesen, könnten wir
versucht sein zu denken, dass das Umfeld, in dem das Evangelium verkündet
wurde, geeigneter war als unser heutiges Umfeld, denn wir sehen, wie schnell
die Zahl der Christen damals zunahm. Aber vergessen wir nicht, dass die
Christen anfangs um ihres Glaubens willen verfolgt wurden. Es gab zahlreiche
Märtyrer. Der Glaube war stark und fruchtbar und die Kirche entfaltete sich
wie die schönste Blume.
Die Kirche
sendet uns
In Treue gegenüber der Lehre Jesu verkündet die
Kirche unermüdlich das Wort des Heils. Alle gläubigen Christen, die die
Glaubenswahrheiten, die heilige Lehre gelernt haben, sind aufgerufen, die
unüberwinliche Hoffnung, von der sie beseelt werden, zu bezeugen:
KKK 18161: «Der Jünger Christi muss den Glauben bewahren und aus ihm leben,
ihn bekennen, mutig bezeugen und weitergeben: Alle müssen “bereit sein,
Christus vor den Menschen zu bekennen und ihm in den Verfolgungen, die der
Kirche nie fehlen, auf dem Weg des Kreuzes zu folgen” (LG 42). Der Dienst
und das Zeugnis für den Glauben sind heilsnotwendig: “Wer sich vor den
Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im
Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch
ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen” (Mt 10, 32-33)
Canon 211: «Alle Gläubigen haben die Pflicht und das
Recht, dazu beizutragen, dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu
allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt.»
Canon 225: «Da die Laien wie alle Gläubigen zum
Apostolat von Gott durch die Taufe und die Firmung bestimmt sind, haben sie
die allgemeine Pflicht und das Recht, sei es als einzelne oder in
Vereinigungen, mitzuhelfen, dass die göttliche Heilsbotschaft von allen
Menschen überall auf der Welt erkannt und angenommen wird; diese
Verpflichtung ist um so dringlicher unter solchen Umständen, in denen die
Menschen nur durch sie das Evangelium hören und Christus kennenlernen
können.»2
Es ist gut, sich an diese Worte der Kirche zu
erinnern, denn zu viele Christen kennen sie nicht. Jeder Jünger, jede
Jüngerin des Herrn, hat in der Tat die heilige Pflicht, das Wort der
Wahrheit, das erleuchtet, heilt und rettet, überall mit Glauben und in
Achtung vor dem anderen zu verkünden.
Für
unsere Zeit
In unzähligen Bereichen hat sich unsere Welt
willentlich dem Evangelium gegenüber verschlossen; es stört jene, die in der
Finsternis leben. Selbst die Staatsverträge wollen, besonders in Europa,
keinen Bezug auf das Christentum nehmen und nicht erwähnen, welchen großen
Beitrag die Christen in allen Bereichen leisten. Diese Feigheit, dieser
beschämende Glaubensabfall wird von der Geschichte als einer der größten und
abscheulichsten Irrtümer unserer Zeit verurteilt werden. Die Konsequenzen
des Glaubensabfalls so vieler Menschen sind katastrophal. Wir sehen es
überall in der Welt. Diese Konsequenzen werden schon bald furchtbar sein,
wenn die Menschen nicht von ganzem Herzen zum Herrn zurückkehren… Ohne die
Vereinigung mit Jesus Christus, ohne den nichts Gutes geschieht (vgl. Joh
15, 5), sind die Vereinigungen der Völker nicht wirklich legitimiert und nur
von zeitlicher Dauer, auf Sand gebaut, ohne echte und fruchtbare Liebe. Sie
sind eine Utopie, eine Täuschung, die unausweichlich zu unermesslichen
Leiden führen wird… Wenn man Jesus Christus, sein Heil, seine Botschaft der
Liebe und des Friedens ablehnt, lehnt man seine Gnade ab. Wenn der Mensch
Gott und sein Wort ablehnt, trennt er sich von seinem Schöpfer und stellt
sich außerhalb seines Segens. Ja noch schlimmer: Er wird zum Sklaven des
Widersachers, der darauf aus ist, ihn mit allen Mitteln zu vernichten und
ins Verderben zu stürzen.
Unsere Welt durchlebt eine schreckliche Krise. Die
Völker sind voller Argwohn gegeneinander. Die zwischenmenschlichen
Beziehungen sind von Selbstsucht und mangelnder Belastbarkeit gekennzeichnet
und häufig sind sie sittenwidrig. Es kommt immer häufiger zu Attentaten, die
von Fanatikern begangen werden, die ihrerseits von Ressentiments und Hass
erfüllt sind. Parteien, die Angst vor Fremden schüren, haben Zulauf. Viele
Ehen werden geschieden. Abtreibungen werden weiterhin durchgeführt. Es gibt
fast keine Moral mehr. Die Politiker machen sich in beklagenswerter Weise
gegenseitig herunter. Die Gesetze werden immer komplexer und ungerechter.
Viele wollen Geld verdienen, ohne zu arbeiten. Die Beziehungen im
Arbeitsleben sind schwierig. Der Justiz fehlt die Weisheit… Überall herrscht
ein verderbliches, gefährliches Klima, ohne Liebe, ohne Hoffnung und ohne
Glauben… Der Horizont ist sehr düster und nur das Licht Christi vermag ihn
zu erhellen. Deshalb sollen wir auf keinen Fall den Mut verlieren. Wir alle
erleben Schwierigkeiten. Wir werden auf verschiedene Weisen geprüft. Der
mystische Leib Christi leidet viel, aber wir wissen, dass der Erlöser, der
Auferstandene, die Wunden heilen wird.
Hören wir die Mahnung des Apostels Paulus:
2Tim 4, 1-5: «Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem
kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei
seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder
nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger
Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht
erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den
Ohren schmeicheln; und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken,
sondern sich Fabeleien zuwenden. Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das
Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst!»
Diese Worte besitzen große Aktualität. Sie sind für
uns gläubige Christen eine Ermutigung, um im Glauben ausdauernd zu sein und
ihn überall zu verbreiten. Zuerst in unseren Familien. Die Eltern sind
verantwortlich für die religiöse Erziehung ihrer Kinder. Die Katechese soll
in erster Linie in der Familie stattfinden. Wir müssen unseren Glauben
bezeugen: den Glauben der Kirche, und wir bezeugen ihn, wenn wir treu zur
Kirche stehen. Verbannen wir alle sterile oder verletzende Kritik und suchen
wir die gegenseitige Liebe, die der Beweis der unvergleichlichen Schönheit
unseres Glaubens ist. Verkünden wir auf ganz natürliche Weise das Evangelium
in unserem Umfeld, ohne jemandem etwas aufnötigen zu wollen. Wenn wir
Barrieren, Hindernisse, Widrigkeiten spüren, sollten wir nicht hartnäckig
insistieren, sondern unseres Weges gehen. Aber wir sollten uns bewusst sein,
dass die Menschen von heute nach Wahrheit und Hoffnung hungern. Viele
dürsten nach Gott, ohne es wirklich zu wissen. Seien wir bereit, um Zeugnis
abzulegen, wenn es erforderlich ist.
Das Evangelium
Das Evangelium «eu-aggelion» (Frohe Botschaft) ist
die Lehre Jesu Christi — aber es enthält auch alles Wesentliche über seine
Person und das Heil, das er uns bringt. Das Credo schenkt uns eine
wunderbare Zusammenfassung unseres Glaubens. Jeder Christ soll sich bemühen,
sich im Glauben besser zu bilden. Das Lesen der Bibel, die Liturgie, die
Sakramente, das anhaltende Gebet… sind die unerlässlichen Grundlagen.
Fassen wir
zusammen:
Jesus ist der von den Propheten angekündigte
Messias. Er ist wahrer Gott und wahrer Mensch, geboren von der Jungfrau
Maria. Er will allen, die es wollen, das ewige Heil schenken. Er zeigt die
Liebe des Vaters, das Himmelreich mitten unter uns. Er lebt vor aller Zeit.
Er ist allmächtig und hat sein Leben für alle Menschen hingegeben. Er starb
am Kreuz, wurde auferweckt und hat sich den Seinen als Aüferstandener
gezeigt. Der Ostersieg Christi zeigt dem Gläubigen die Wahrheit und die
Aktualität des ewigen Lebens, das in Ihm ist. Allen, die ihn lieben und an
die Kirche glauben, schenkt Jesus den Heiligen Geist, der alles heiligt und
das göttliche Licht schenkt, damit wir leben und den Weg zum Paradies
beschreiten. Ja, es gibt ein wundervolles Reich des Friedens, der Freude,
der vollendeten Glückseligkeit! Ein ewiges Reich, wo wir Gott und seine
unaussprechliche Herrlichkeit schauen. Schon vor der allgemeinen
Auferstehung erfreuen sich die Seelen der geläuterten verstorbenen Gläubigen
an der glückseligen Schau. So lautet die Lehre der Bibel und der Kirche.
Selig, wer ihr treu bleibt.
O Herr, sende deinen Heiligen Geist über alle
Menschen und stärke die Kirche, damit sie immer und überall dein heiliges
Evangelium, das Wort der Wahrheit, des Heils, der Liebe und des ewigen
Lebens mit Freimut und Einfühlungsvermögen verkündigt.
Maria, Königin der Apostel, hilf uns, dass wir selber wahre Apostel Jesu
Christi werden.
Jacques Magnan
Anmerkungen:
1. Katechismus der Katholischen Kirche 1816. Lumen Gentium 42
(II. Vatikanum)
2. Codex des Kanonischen Rechts, Canones 211 und 225. Es ist empfehlenswert,
das Buch II über das Volk Gottes im Codex zu lesen.
3. Das Evangelium ist wirklich die Frohe Botschaft par excellence. In Jesus
Christus ist das Reich Gottes (vgl. Mt 24, 24), der endgültige Sieg des
Guten und des Lebens
(vgl. Röm 1, 16f), das ewige Heil (vgl. Röm 1, 26f; Phil 1, 27). Das Kerygma
ist die Verkündigung, das Predigen.
Mk 16, 15: «keryxate to euaggelion» (verkündet das Evangelium)