Vortrag von DDDr. Peter Egger -
Südtirol
Einführung
In diesem Jahr gedenkt das Land Tirol Andreas
Hofers und der Erhebung gegen die Bayern und Franzosen im Jahr 1809. Aus
diesem Anlass gab es bereits viele Feierlichkeiten, bei denen die
Gestalt von Andreas Hofer gewürdigt wurde. Auch diese Sendung soll ein
kleiner Beitrag zum Gedenken an 1809 sein. Das Anliegen dieser Sendung
ist eine vertiefte Betrachtung der religiösen Gesinnung und des
religiösen Lebens von Andreas Hofer und den damaligen Tirolern. Viele
Historiker und Schriftsteller haben darauf hingewiesen, dass es vor
allem religiöse Gründe waren, die zum Kampf der Tiroler gegen die
bayrische und französische Fremdherrschaft führten. Selbst ein Papst aus
unserer Zeit, nämlich Johannes Paul I., hat in seinem bekannten Buch "Illustrissimi"
auf den großen Einfluss hingewiesen, den die Religion auf die
Entscheidungen von Andreas Hofer und seinen Landsleuten ausgeübt hat.
In der folgenden Sendung soll nun versucht werden, die religiösen Gründe
und Begleitumstände dieses Konfliktes auf der Grundlage von
verschiedenen Schriften und Quellen aus Tirol, Italien und Frankreich in
detaillierter Weise aufzuzeigen.
Tirol - eine Hochburg des
Katholizismus
Das Tirol Andreas Hofers zeichnete sich durch eine
tiefe christliche Frömmigkeit aus, die das gesamte private und
öffentliche Leben der Bevölkerung prägte. Diese starke christliche
Prägung ging vor allem auf das 18. Jahrhundert zurück, in dem die
Volksmissionen der Jesuiten das Land Tirol in ein "heiliges Land"
verwandelt hatten. Die Jesuiten hatten in weitesten Teilen der
Bevölkerung eine innige Herz-Jesu-Verehrung verbreitet, die schließlich
zum feierlichen Gelöbnis des Landes Tirol an das Herz Jesu im Jahr 1796
führte.
Die tiefe Religiosität der Tiroler zeigte sich auch in verschiedensten
Bräuchen: Bei vielen Gelegenheiten wurden heilige Messen gefeiert, es
wurden Prozessionen und Wallfahrten veranstaltet, man verehrte die
Mutter Gottes, die Engel und Heiligen, es kam zur Gründung von
Bruderschaften. Auch in den Familien wurde ein eifriges religiöses Leben
praktiziert: Das Gebet vor und nach den Mahlzeiten, der Engel des Herrn
und der Rosenkranz gehörten zum alltäglichen Leben. Weiters sah man
überall christliche Symbole: jede kleinste Fraktion hatte ihre Kirche
oder ihre Kapelle, an jedem Weg und in allen Stuben erblickte man
Kruzifixe. Die Leuten grüßten sich mit den Worten: "Gelobt sei Jesus
Christus!"
Auf diese Weise war das ganze Leben der Tiroler von einer tiefen
religiösen Haltung durchdrungen.
Die religiöse Haltung von Andreas Hofer
Dieser christliche Geist formte auch die
Persönlichkeit von Andreas Hofer. Der zukünftige Führer der Tiroler
wuchs in einer praktizierenden Familie auf und erhielt seine ersten
religiösen Unterweisungen von seinen Eltern.
Auf seine Familie ging wahrscheinlich seine Gewohnheit zurück, den
Rosenkranz zu beten
und das Herz Jesu zu verehren.
Sein ganzes Wesen war von einer tiefen christlichen Haltung geprägt.
Sein Landsmann Johann Staffler (1793-1868),
der ihn persönlich gekannt hat, beschreibt ihn als "grundehrlich und
verständig, guthmütig, freundlich und
heiter, nicht selten auch witzig, aber stets geleitet von einem
christlich frommen Sinn."
Auch der große Tiroler Schriftsteller und Historiker Beda Weber
(1798-1858), der sich öfters mit verschiedenen Zeitgenossen Hofers im
Passeiertal unterhalten hat, unterstreicht
die tiefe Religiosität des Tiroler Kommandanten: "Seine Frömmigkeit
wurzelte in einem gläubigen Gemüthe, das
alle Grübelei ausschloß, und das Gefühl des
allgegenwärtigen Gottes begleitete ihn überall. Es machte ihn froh,
duldsam, mitleidig gegen alle Menschen. Kopfhängerei und Bekrittelung
der Sitten Anderer verachtete er. Der Kirche als solcher anzuhängen, war
ihm Bedürfnis."
Bezeichnend für die religiöse Einstellung Hofers war auch eine
Inschrift, die sich an der Wand der Stube im Sandhof befindet: "Im Jahr
1802 wurde das Gelübde abgelegt, jedes Jahr an diesem Ort das Fest des
Heiligsten Herzens Jesu und das Fest des Heiligen Franz Xaver zu
feiern."
Über dieser Inschrift standen die Anfangsbuchstaben von Andreas Hofer
und seiner Frau, sowie die Buchstaben "C+M+B", die als Anfangsbuchstaben
einer Segensformel aufscheinen, die sich über der Eingangstür von vielen
Tiroler Häusern befindet und folgende Bedeutung hat: "Christus
mansionem benedicat"
("Christus segne dieses Haus").
Alle diese Besonderheiten offenbaren die überzeugte christliche Haltung
von Andreas Hofer.
Die Tiroler widersetzen sich der
Religionspolitik von Josef II.
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann
man auch in Tirol den wachsenden Einfluss einer religionsfeindlichen
Aufklärung zu spüren, die seit der Französischen Revolution das
religiöse und das kirchlichen Leben gefährdete. Die bäuerliche
Bevölkerung erkannte sehr bald die Absicht dieser antichristlichen und
antiklerikalen Politik und widersetzte sich von Anfang an den Reformen,
die auf die Kontrolle der Religion und auf die Unterwerfung der Kirche
ausgerichtet waren.
Der erste Zusammenstoß erfolgte in der Regierungszeit des habsburgischen
Kaisers Josef II. (1780-1790). Dieser Kaiser versuchte im ganzen
Habsburgerreich eine radikale religiöse Reform durchzusetzen, die sich
an der religionskritischen Philosophie einiger
aufklärerischer Philosophen orientierte. Diese Reform
beabsichtigte die Abschaffung vieler religiöser Feste, sie verbot die
Prozessionen, sie stellte die verschiedenen Gottesdienste und Andachten
in Frage und führte zur Aufhebung der beschaulichen Orden. Sie verbot
auch die Verehrung des Herzens Jesu, die im Land Tirol in besonderer
Weise gepflegt wurde. Diese und andere Maßnahmen der Wiener Regierung
verbitterten die Tiroler derartig, dass man einen Aufstand befürchten
musste. Der Kaiser sah sich kurz vor seinem Tod dazu gezwungen, seine
Anordnungen zurückzunehmen und die verschiedenen religiösen Bräuche
wieder zuzulassen, die dem Tiroler Volk so teuer waren.
Die religionsfeindlichen Reformen während der
bayrischen Besatzung
Der zweite Kampf zur Verteidigung der Religion
gegen eine religions- und kirchenfeindliche Politik fand während der
bayrischen Regierung in der napoleonischen Zeit statt. "Nach der
schweren Niederlage von Austerlitz musste
Österreich im Frieden von Pressburg Tirol an Napoleon abtreten, der es
mit Bayern vereinigte, das sein treuer Bündnispartner war."
Auf diese Weise kam Tirol (zu dem damals auch das
Trentino gehörte) vom Habsburgerreich zu Bayern. Trotz der
feierlichen Versprechungen von König Maximilian Josef I. von Bayern, die
Tiroler Bräuche zu respektieren, begann die bayrische Regierung sehr
bald, die aufklärerischen Reformen in allen
Bereichen durchzusetzen.
Die Seele dieser Reformen war der bayrische
Ministerpräsident, Baron Maximilian Montgelas
(1759-1838). Dieser war der Spross einer Adelsfamilie aus Savoyen. Sein
Vater war in den Dienst des bayrischen Königs getreten. Der junge
Montgelas hatte in Nancy und Straßburg
studiert, wo er sich für die Ideen der Aufklärung begeistert hatte. Nach
seinem Eintritt in die Politik stieg er schnell zum ersten Minister auf
und band das Schicksal Bayerns an Frankreich. Weiters war
Montgelas Mitglied einer Freimaurerloge, die
besondere Verbindungen zu einflussreichen Kreisen in Frankreich hatte.
Die bayrische Regierung ergriff energische
Maßnahmen gegen die religiösen Bräuche der Tiroler: Sie bekämpfte und
verbot das Rosenkranzgebet in der Kirche, die
Rorate-Andachten im Advent, die Mitternachtsmette zu Weihnachten,
die Aufrichtung des Heiligen Grabes während der Karwoche. Sie verbot das
Läuten der Glocken und den Wettersegen, sie verbot die Novenen, die
Prozessionen, die Wallfahrten, das Läuten der Totenglocke. Sie
unterdrückte viele religiöse Feiertage der Bauern und die
Bruderschaften.
Den Bischöfen von Trient, Brixen und Chur,
die damals die Oberhirten der verschiedenen Teile Tirols waren, wurden
folgende Befehle erteilt: alle Kleriker mussten vor ihrer Priesterweihe
im Auftrag des Königs von den Professoren der Universität Innsbruck
geprüft und approbiert werden; die Priester mussten ermahnt werden,
"alle königlichen Anordnungen, die 'die Kirchenpolizei' betrafen, mit
der vollkommensten Unterwerfung auszuführen";
die Bischöfe mussten dem König "die Verleihung aller Pfründe und auch
die Bestellung der Kuraten ihrer Diözesen"
überlassen. Der bayrische Staat maßte sich das Recht der Ausbildung und
der Zulassung der Priester, der Ernennung der Professoren und der
Finanzgebarung der Kirche an. Durch die "Kirchenpolizei" kontrollierte
er das gesamte kirchliche Leben: er bespitzelte die Sonntagspredigten,
er kontrollierte sogar den Verbrauch an Kerzen und Heiligem Öl in den
Kirchen.
Die Spitzel zögerten nicht einmal, bei manchen Priestern zum Schein zur
Beichte zu gehen, um die Gesinnung dieser Geistlichen zu erfahren und
sie dann anzeigen zu können.
Die bayrische Unterdrückung
und der Tiroler Widerstand
Die Bischöfe, der Klerus und die Gläubigen
begriffen sehr schnell, dass diese Reformen nicht nur den Glauben
gefährdeten, sondern auch eine Bedrohung für das gesamte, christlich
geprägte gesellschaftliche Leben darstellten. Sie versuchten deshalb,
sich mit allen Mitteln den bayrischen Reformen zu widersetzen, die das
religiöse, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Tiroler in Frage
stellten. Aber die Bayern und ihre Mitarbeiter vor Ort - von denen vor
allem Graf Arco und Baron
Hofstetten zu erwähnen sind
- reagierten auf diese Opposition mit drastischen Mitteln: Sobald die
Bischöfe von Trient und Chur zu verstehen gaben, dass sie den
Anordnungen der Regierung nicht Folge leisten würden, wurden sie ins
Exil geschickt;
als einige Vertreter des Klerus sich nicht dem Willen der bayrischen
Regierung beugten, wurden sie bedroht und ins Gefängnis geworfen;
wenn sich die Priester nicht an die Anordnungen der Reform hielten,
wurden sie durch "Regierungspriester"
ersetzt; als man in einigen Gemeinden Wallfahrten veranstaltete,
erhielten diese Gemeinden saftige Geldstrafen.
Es wurden auch einige Personen verhaftet, die während den Prozessionen
die Kruzifixe getragen hatten; man verprügelte öffentlich einige
Mädchen, die die Totenglocke geläutet hatten..
Die Bayern schlossen auch einige Klöster, plünderten die
Kloster-Bibliotheken und brachten die kirchlichen Kunstschätze nach
Bayern.
"Auf jede Aufhebung eines Klosters folgte sofort eine öffentliche
Versteigerung..."
Verschiedene Male kauften reiche jüdische Kaufleute den Großteil der
Wertgegenstände und erzielten damit hohe Gewinne. "Auf
diese Weise fielen eine große Menge von Gegenständen, die bei den
Gottesdiensten verwendet worden waren, und das ganze Silberzeug der
Kirche in ihre Hände. Dies verursachte beim Volk ein großes Ärgernis."
In jener Zeit entstand eine Art Untergrundkirche.
Die verbannten Priester zogen "verkleidet durch die Täler und feierten
die heiligen Mysterien bald in Scheunen, bald in Grotten und auch im
Dickicht des Waldes."
Die Gläubigen blieben ihren Priestern treu: "Die Menschen, die beichten
wollten, legten weite Strecken zurück, um einen Beichtvater zu finden;
die Frauen, die kurz vor der Niederkunft standen, begaben sich in ein
Dorf, von dem sie wussten, dass sich dort ein echter Priester versteckt
hielt, damit der zukünftige Neugeborene von seinen Händen die heilige
Taufe empfangen könne; die Kranken ließen sich in einen anderen Ort
transportieren, um dort die heilige Wegzehrung zu empfangen..."
Die Gläubigen blieben den Messen von den "Regierungspriestern" fern und
beschimpften sie.
Die Bevölkerung verteidigte die treuen Priester gegen die Übergriffe der
Polizei und der bayrischen Truppen, die in die Pfarreien geschickt
wurden.
Die Tiroler litten sehr unter der religiösen
Unterdrückung und Verfolgung und bestürmten den Himmel, dass diese
Bedrängnisse ein Ende haben mögen. Auch Andreas Hofer, der Sandwirt im
Passeiertal, war besorgt. Er war über die
antireligiösen Maßnahmen gut informiert. "Wenn man mit ihm über das
gegenwärtige Unglück sprach, das die Kirche erdulden musste, beschränkte
er sich darauf zu antworten: "Freunde, wir müssen beten, denn die Gefahr
für den Glauben ist groß genug."
Die religiöse Unterdrückung gefährdet die
Identität des Tiroler Volkes
Um die seelische Verfassung der Tiroler noch besser
verstehen zu können, wollen wir daran erinnern, dass die
aufklärerischen Reformen "dem Volk seine
reinsten Freuden, seine liebsten Erinnerungen, seine ältesten
Traditionen und seine poetischsten Inspirationen raubten."
Mit großem Einfühlungsvermögen hat ein französischer Autor im 19.
Jahrhundert die Situation der Tiroler beschrieben:
"Zu welchen Einschränkungen führten diese Anordnungen im Hinblick auf
die lebendigen und geräuschvollen Feste im
Zillertal, die stets von den heimatlichen Liedern, von der Musik,
vom Tanz und vom Ranggeln auf dem Kirchplatz
begleitet wurden! Was wurde im Inntal aus den ländlichen Theaterstücken,
in denen diese Bergler auf einer Bühne unter
freiem Himmel vor einer großen Menge die alten Sagen des Landes,
verschiedene Erzählungen der Bibel und vor allem die Passion Christi mit
Hilfe von Mimik, Chören und einfachen Mitteln darstellten? Was wurde
schließlich aus der berühmten Fronleichnams-Prozession in
Brixen, bei der die Männer aus den Tälern in
ihren malerischen Trachten zu Pferd mit entrollten Fahnen und mit der
Musikkapelle an der Spitze dem Klerus das Geleit gaben, der ebenfalls zu
Pferd den Zug mit dem Allerheiligsten eröffnete?"
Die Menschen dieses Landes brauchten diese
Festlichkeiten, die ihnen eine kulturelle Identität verliehen, die ihnen
aber auch die Kraft gaben, die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern.
"… Sie brauchten ihre patriarchalische Einfachheit, ihre
Gaude, ihren Glauben, um ihr sonst so armes
Land zu lieben, um ihre Mühen und Plagen zu ertragen und um in Gott die
nötige Kraft für die Bewältigung des Lebens zu finden."
Andreas Hofer als Gegenspieler von
Montgelas
Die verschiedenen Verfolgungen und Schikanen im
Bereich des Glaubens trugen entscheidend zur Entrüstung der Tiroler
gegenüber den Bayern und Franzosen bei. Als sich die Tiroler 1809 gegen
die Fremdherrschaft erhoben, war die religiöse Unterdrückung einer der
Hauptgründe für ihren Aufstand. Papst Johannes Paul I. schreibt in
seinem Buch: (Der aufklärerische bayrische
Ministerpräsident) "Montgelas konnte sich
nicht vorstellen, wohin das religiöse Gefühl des durch und durch
katholischen Tiroler Volkes führen würde. Es wurde beim bayrischen König
ein ehrerbietiges Gesuch eingereicht, man möge doch das "schändliche und
freiheitsfeindliche Dekret" zurückziehen. Umsonst. Darauf kam es zum
Massenaufstand."
Zum Symbol dieses Aufstandes wurde Andreas Hofer, der in allem das
Gegenteil von Montgelas war: "Kaum gibt es
zwei Figuren, die markantere Gegenspieler werden konnten: Der eine
belesen und veränderungsbesessen, der andere
ohne höhere Bildung und konservativ; der eine ein selbstgefälliger
Höfling, der andere ein jovialer Wirt; der eine von skeptischer
Aufklärung und Freimaurerei geprägt, der andere ein tiefgläubiger und
frommer Sohn der römischen Kirche; der eine kränklich und schwächlich,
der andere voll von strotzender Gesundheit und saftiger Kraft;
Montgelas, der hochgeborene Diener eines
Königs von Napoleons Gnaden, Andreas Hofer, ein Schütze und
Bauernvertreter aus dem einfachen Volk."
Diese zwei Persönlichkeiten verkörperten zwei klare Gegensätze: auf der
einen Seite die freimaurerische Aufklärung und auf der anderen Seite das
volkstümliche katholische Christentum.
Die religiöse Prägung des Tiroler Aufstandes
Im Frühjahr 1809 begann der Aufstand der Tiroler
gegen die Bayern und Franzosen. Den Tiroler Kompanien gelang es, die
Feinde mehrmals zu besiegen. Auf dem Berg Isel
in der Nähe von Innsbruck brachte Andreas Hofer den
bayrisch-französischen Heeren drei Niederlagen bei. Im Verlauf der
Gefechte und Schlachten war immer wieder die religiöse Gesinnung der
Tiroler zu spüren. Das zeigte sich bereits im Leitspruch der Tiroler
Patrioten: "Für Gott, Kaiser und Vaterland!" Aber auch in den
verschiedenen Laufzetteln von Andreas Hofer und seinen Kommandanten war
die religiöse Grundhaltung dieser Leute unverkennbar. In einem
Laufzettel Hofers an die Kompanien von Axams
finden sich folgende Zeilen: "...sobald ihr ... merken solltet,
daß wir uns nähern, so
därfet (= dürft) ihr keinen Augenblik
versäumen, die Waffen zu ergreifen, es ist eine Sache, wo es um
Christenthum und Religion zu
thun ist, lasset euch von den Spitzbuben
nicht irre machen..."
Ein anderes typisches Beispiel sind folgende Zeilen des Kommandanten
Speckbacher: "Ich bitte im Namen Gottes und
der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, dass alle Männer, die Waffen tragen
können, mit dem allgemeinen Landsturm aufbrechen ... um für Gott, Kaiser
und Vaterland zu kämpfen."
Mehrmals haben Andreas Hofer und die Tiroler Schützen vor den
entscheidenden Schlachten an der Messe teilgenommen und andächtig die
Kommunion empfangen. Berühmt ist auch ein Ausspruch Hofers vor der
dritten Schlacht am Berg Isel: "Seids
beinand, Tiroler?
Nacher gehn mers
an. Die Möss (= Messe)
habts gheart,
enkern Schnaps habts trunken, also au
in Gotts Nam!"
Andreas Hofer versprach auch feierlich, dass die Tiroler jedes Jahr das
Herz-Jesu-Fest begehen würden, wenn das Land vom Feind befreit würde.
Und gleich nach dem zweiten Sieg auf dem Berg Isel
ordnete er die Einführung dieses Festes an.
Nach den verschiedenen Siegen vergaßen die Tiroler nie, dem Herrgott für
seinen Beistand zu danken. Es wurden Dankgottesdienste gefeiert und
Prozessionen abgehalten.
Im Juni 1809 begab sich der Tiroler Kommandant mit 600
Landesverteidigern zum Wallfahrtsort von San
Romedio im Nonsberg.
Hofer vergaß auch im Augenblick des größten Triumphes nicht, Gott das
Verdienst für den Sieg zuzuschreiben. Berühmt ist sein Ausspruch vor der
Menge, die ihm bei seinem Einzug in Innsbruck zujubelte: "I
nöt, ös a
net, der da oben hats
thon!"
("Ich nicht, ihr auch nicht, der da oben hat es getan!") In einem
Laufzettel schrieb Hofer: "Haben wir jemals Gottes schonende und
rettende Güte gegen uns erfahren, so war es gewiß
in der ersten Hälfte des Monats August (1809), wo uns die Hülfe von Oben
so augenscheinlich den Händen eines grausam unterjochenden, und weder
Religionen, noch Verträge, noch Menschheit ehrenden Feindes entrissen
hat."
Hofer war überzeugt von der Hilfe Gottes und sah in dem Erfolg der
Tiroler auch eine Bestätigung für ihre Verteidigung des christlichen
Glaubens. In einem Brief an die Seelsorger in Tirol schreibt er:
"Zuförderst erkläre ich, dass der unendlichen Güte Gottes, welche sich
in den Vorfallenheiten dieses Jahres
überhaupt, und in den letzten Ereignissen
inbesondere so auffallend gezeiget
hat, alle Ehre gebühre, und ersuche hiermit
angelegenst, dass allenthalben dafür der Herr gepriesen, und Ihm
Danksagung geleistet werde. Ich finde mich zu dieser Äußerung, zu diesem
Ersuchen um so stärker verpflichtet, je sichtbarer ich die Hilfe Gottes
erfuhr, nachdem ich dem Herrn gelobet hatte, die christliche Religion
nach meinen Kräften zu befördern, und in Aufnahme zu bringen, falls Er,
der Gott des Segens die für das Heil des Vaterlandes für
nothwendig erkannte Unternehmung segnen
würde. Ja, ich will es halten dieses dem Herrn gemachte Versprechen..."
"Hofer hat, wie er in seinen Laufzetteln (und Verordnungen) oft genug
und eindringlich bekräftigt hat, jede seiner Entscheidungen für Gott und
den Glauben getroffen. Es ist bei ernsthafter Betrachtung seines
Charakters kaum möglich, ihm irgendwelche anderen Motive zu
unterstellen. Denn dieser Charakter hätte bei anderen Motiven niemals
den inneren Motor des Befreiungskampfes spielen können und schon gar
nicht die Verantwortung tragen können. Er war als einfacher, gläubiger
Mensch überzeugt, im Erfolg und Sieg das Walten Gottes und damit den
Beweis für die gerechte Sache der Tiroler sehen zu dürfen."
"Andreas Hofers Gottvertrauen, seine ständige Anrufung des Herrn, der
Jungfrau Maria und der Heiligen, zeigte ja deutlich, wie sich auch der
Sandwirt als Vollzugsorgan des Allerhöchsten fühlte."
Das Gottvertrauen der Tiroler war in gewissen Fällen so groß, dass sie
auch dann bis zum Äußersten kämpften, als sich die Niederlage bereits
deutlich abzeichnete. Sie waren derartig davon überzeugt, für die
gerechte Sache zu kämpfen, dass sie sich nicht vorstellen konnten, dass
der Himmel sie in ihrem "Heiligen Krieg" verlassen könnte. In diesem
Sinn führte die manchmal recht emotionale religiöse Überzeugung von
einigen Führern des Aufstands auch zu tragischen Konsequenzen.
Die religiösen und sittlichen Anordnungen
Andreas Hofers
Sehr vielsagend sind
auch die religiösen und moralischen Anordnungen, die Hofer während
seiner Regierung in Innsbruck erteilte. Nach seinem dritten Sieg am Berg
Isel bezog der Wirt aus
dem Passeier die Hofburg in Innsbruck
und erließ einen "Sitten-Erlass". Im Vorwort dieses Erlasses erinnerte
er die Bürger daran, was Gott für sie getan hatte. Er ermahnte die
Bevölkerung, nach dem Willen Gottes zu leben, weil Gott sonst das Land
noch weiter wegen seiner Sünden bestrafen würde.
Dann fährt der Text fort: "Wir müssen seine väterliche Liebe mit wahrer
Gegenliebe durch auferbaulichen, züchtigen
und frommen Lebenswandel, und wie er als Vater befiehlt, mit
aufrichtiger und wahrer Liebe des Nächsten zu erlangen und ernstlich
bestreben, und also Haß und Neid und
Raubsucht und alles Lasterhafte verbannen, den Vorgesetzten Gehorsam,
und dem bedrängten Mitbürger so viel wir können Hilfe leisten; überhaupt
alle Ärgernisse vermeiden."
In seinem Erlass geht Hofer auch auf folgendes Detail ein: "Viele meiner
guten Waffenbrüder und Landesvertheidiger
haben sich geärgert, dass die Frauenzimmer von allerhand Gattungen ihre
Brust und ihr Armfleisch zu wenig, oder mit durchsichtigen
Hudern bedecken, und also zu sündhaften
Reizungen Anlaß geben und jedem christlich
denkenden höchst missfallen muß. Man hoffet,
dass sie sich zu Hintanhaltung der Strafe
Gottes bessern, widrigenfalls aber sich selbst zuschreiben werden, wenn
sie auf eine unbeliebige Art mit - bedecket werden."
In einer zweiten Verordnung erlässt Andreas Hofer einige Verbote: Es
sind keine Bälle mehr erlaubt, außer bei Hochzeiten;
es dürfen während der Gottesdienste in den Wirtshäusern keine Getränke
und Speisen verabreicht werden, außer im Fall von Fremden und Kärrnern,
die ankommen oder abfahren, oder in einem ganz dringenden Fall.
Die Verordnung verlangt auch, dass "das so oft die Ruhe störende, und
immer für die Sittlichkeit gefährliche nächtliche Herumschwärmen
unterbleibe..."
Ein interessantes Detail der zweiten Verordnung sind auch die Maßnahmen
gegen Väter von unehelichen Kindern: "Damit die Väter unehelicher Kinder
in Zukunft nicht mehr so leicht die ganze Last des Unterhalts und der
Erziehung zum Nachtheil der Kinder und des gemeinen Wesens von sich
abwälzen können, und es Lüstlingen und Verführern nicht so leicht falle,
auf fremde Kosten, und sogar auf Kosten milder für Arme und Kranke
bestimmter Stiftungen Weibspersonen zur Unzucht zu verleiten: so wird
verordnet, daß von nun an, sobald eine
Weibsperson außer der Ehe Mutter geworden, selbe nicht nur dem
Seelsorger den Vater des Kindes anzugeben habe, sondern auch der
betreffenden Obrigkeit die Anzeige davon zu machen
seye. Die Obrigkeit hat sofort den angegebenen Vater
einzuberufen, zu verhören, in der Sache zu
urtheilen, den Schuldigen zur Erfüllung seiner Vaterspflichten zu
verhalten, und nach dem Verhältniß der
dabey angewandten Verführung zu bestrafen."
Am Ende der Verordnung findet sich auch eine Ermahnung, dass sich jeder
für den Glauben und Moral einsetzen solle: "Letztlich werden alle
geistliche Vorsteher dringenst erinnert, und
alle weltliche gemäßenst angewiesen,
daß sie forthin eingedenk ihrer großen
Pflichten, und der ihnen zukommenden Gewalt sorgfältig zusammenwirken,
um allenthalben Unsittlichkeit und Laster
hintanzuhalten, und christliche Religion und Tugend zu
befördern."
Während seiner Regentschaft in Innsbruck führte der
Sandwirt ein sehr frommes Leben. Er stand um fünf Uhr auf und ging im
Dom von St. Jakob zur Messe. Am Abend betete er lange. Ein Augenzeuge
berichtet: "Alle Abende nach dem Nachtspeisen
bethet er mit seinen Gästen und den Wachen den Rosenkranz und
noch bey 100 Vaterunser zur Ehre
allerley Heiligen. Wer um diese Zeit zu ihm
kommt, muß mitbethen."
An der Wand des Eßzimmers ließ er ein
Kruzifix und ein Bild der Muttergottes aufhängen.
Er erlaubte nicht, dass man in seiner Anwesenheit zweideutige Ausdrücke
verwendete. Einmal wurde er zum Zeugen einer Streiterei zwischen zwei
Eheleuten in Gegenwart von zwei Bediensteten, die zu einem Wortwechsel
von allen Vieren mit vulgären Ausdrücken führte. Da griff Andreas Hofer
mit einer drastischen Ausdrucksweise ein: "Schamts
enk nit,
ös Facken!
Facken seid's
alle viere. Ist itz deß
a Streit? seid's ös
Christen! Lumpenleut
seid's! wie tiet denn
ös beichten? marschiert
enk und wenns
mier no a mal mit solchen Fackereien
kemmt, laß
ih enk alle
viere insperr'n. Marsch fort, geht
mier aus'm G'sicht,
ös Saumagen!
Auch in diesen überaus groben Worten zeigte sich die unbeugsame
Gradlinigkeit von Andreas Hofer.
Die Ermahnung der Trentiner
Truppen
Hofer musste auch gegen die
Mißbräuche von einigen Trentiner
Kompanien eingreifen, die mit ihm gegen die Franzosen kämpften. Diese
Truppen bestanden zum Teil aus Abenteurern, die sich mit zweifelhaftem
Ruhm zierten: Ihre Kommandanten Dal Ponte und
Garbini handelten nicht immer in Übereinstimmung mit Hofer und
belästigten die Gemeinden und die Bürger durch gewaltsame Einhebungen,
Plünderungen und Forderungen von Tributen.
Auf Grund der Beschwerden, die bis nach Innsbruck gelangt waren,
verfasste Hofer eine Proklamation an die Trentiner
Bevölkerung, in der die Rechtschaffenheit seines Charakters sehr gut zum
Ausdruck kommt:
"Herzliebsten welschen
Tyrolern!
Mit Mißvergnügen vernehme ich,
daß Ihr von meinen Truppen sehr schlecht
behandelt wuredet.
Ich ertheile Euch nun, meine lieben
theueren braven Landsleute und Waffenbrüder
eine Proklamation, damit sich die rechtschaffen Gesinnten von den
Bößgesinnten ferners und mit Vorweisung
dieses in Acht zu nehmen wissen.
Mein aufrichtiges Herz, das mit Euch Allen rechtschaffen und redlich
denkt, verabschaut Räuberbanden und
Plünderung, - verabschaut Requisitionen und
Contributionen, und alle Arten Bekränkungen
und Forderungen an Quartiertragenden Partheyen.
Keine von diesen niederträchtigen Handlungen finden in meinem
vaterländischen Herzen Platz. -
Ein jeder braver rechtschaffener
Vaterlandsvertheidiger hat sich wohl in Acht
zu nehmen, seine Ehre und Nächstenliebe nicht zu besudeln, und zu
verletzen, wodurch Gott Mißfallen über Uns
verbreiten könnte, der Uns so augenscheinlich und wunderbar beschützte."
Diese Zeilen lassen verstehen, dass Hofer keine
Übertretung zuließ, die sich gegen den menschlichen Anstand und gegen
die christliche Moral richtete. Vielleicht hatte dieser "Wilde" - wie
ihn die Aufklärer von damals nannten - eine größere Herzensbildung und
eine höhere Moral als viele Illuminaten.
Dieser Text läßt aber auch verstehen, dass
Hofer die "welschen Tiroler" als "Landsleute" und als "Brüder"
betrachtete.
Die Gefangennahme von Andreas Hofer
Im Sommer 1809 besiegte Napoleon das
österreichische Heer bei Wagram.
Im Vertrag von Schönbrunn musste der Kaiser einen Waffenstillstand
unterzeichnen, der die Ergebung und
Unterwerfung der Tiroler beinhaltete.
Da aber der Kaiser kurz vor diesem Vertrag Andreas Hofer versichert
hatte, dass er das Anliegen der Tiroler unterstützen würde, wollte
dieser nicht an den Waffenstillstand glauben. Er gab daher den Befehl
zur Fortsetzung der Kämpfe. Darauf schickte Napoleon neue Truppen
(insgesamt 50.000 Mann), um die Tiroler Region einzunehmen. Von allen
Seiten marschierten die bayrischen und französischen Truppen in Tirol
ein, plünderten ganze Dörfer und zündeten Hunderte von Höfen an. Hofer
hoffte noch immer, dass der österreichische Kaiser ihm Truppen zu Hilfe
schicken würde, aber der Kaiser überließ die Tiroler ihrem Schicksal.
Auf Grund von widersprüchlichen Nachrichten und des negativen Einflusses
von einigen Fanatikern in den eigenen Reihen, wurde Hofer im Hinblick
auf das weitere Vorgehen immer unsicherer. Sein innerer Zustand
schwankte zwischen Augenblicken voller Optimismus und Schwung und
Augenblicken voller Pessimismus und Verzweiflung.
Er änderte ständig seine Meinung nach dem jeweiligen Einfluss und gab
widersprüchliche Anordnungen.
Schließlich wurden die Tiroler am 1. November 1809 am Berg
Isel besiegt. Die Niederlage war vollständig
und Hofer musste fliehen. Zusammen mit seiner Frau, seinem Sohn und dem
Schreiber Sweth versteckte er sich auf der
Pfandler-Alm oberhalb von St. Martin in
Passeier.
Er hätte nach Österreich flüchten können, wollte aber in der Nähe seines
Volkes bleiben. Auf Grund des strengen Winters waren die
Lebensbedingungen auf der hochgelegenen Alm sehr hart. Aber noch
bedrückender war der innere Zustand von Hofer, der sich für das Unglück
seiner Landsleute schuldig fühlte. In einem Brief an den Erzherzog
Johann, der ein Bruder des Kaisers und ein großer Freund der Tiroler
war, spürt man seine innere Qual. Hofer schreibt unter anderem, dass er
von seinen Landsleuten auch nach seinem Tod noch verflucht werden würde.
"... aber auch dieses wollte ich gerne ertragen, nur das strenge Gericht
Gottes, wo ich Rechenschaft über meine Untergebene werde ablegen
müßen, befürchte ich, weil bei dieser
feindlichen regierung nicht nur allein das
zeitliche, sondern auch das Ewige verlohren
ist, nehmlich die
Sellen (Seelen) so vieler Tausenden..."
Der Brief trägt die Unterschrift: "Der armbe
verlassne ßinder (= Sünder) Andere Hofer"
"In der Einsamkeit dieser Adventswochen (von 1809) erfolgte in Hofer
eine seelische Veränderung und Läuterung, die ihn über alle Niederungen
des Kampfes und der eigenen Schuld erhoben und die diesem tragischen
Helden des Jahres 1809 eine heroische Überwindung des Lebens und der
Todesangst ermöglichten."
In der Nacht vom 27. auf den 28. Jänner 1810 verriet ein Landsmann von
Hofer den Oberkommandanten von Tirol. Für ein Kopfgeld von 1500
Florinth führte der Bauer Franz
Raffl, der später der "Judas von Tirol"
genannt wurde, die Soldaten auf die Mähderhütte oberhalb von St. Martin.
Als die französischen Soldaten die Hütte umstellt hatten, um den Tiroler
Kommandanten gefangenzunehmen, öffnete
dieser die Tür und fragte, ob einer der Soldaten Deutsch spreche. Darauf
näherte sich ihm der Adjutant des Generals Baraguey
d'Hilliers, der Deutsch verstand. Hofer
wandte sich an ihn und sagte: "Sie sind gekommen, mich gefangen zu
nehmen; wohlan, hier bin ich, thun Sie mit
mir, was Sie wollen, denn ich bin schuldig; doch für mein Weib, mein
Kind und diesen jungen Menschen (Cajetan Sweth)
... bitte ich um Gnade, denn sie sind wahrhaft unschuldig!"
Hofer hat also "im Augenblick der Gefahr diejenigen nicht vergessen, die
ihm nahe standen; vielmehr galt ihnen sein erster Gedanke."
Aber die Soldaten kannten kein Erbarmen. Sie stürzten sich auf ihn und
misshandelten ihn. Sie fesselten Hofer, seinen Sohn und den Schreiber
Sweth und schleppten sie in das Tal
hinunter. Während des Marsches misshandelten die Soldaten Hofer mit
Faustschlägen und Fußtritten und rissen ihm Barthaare aus, um ein
Andenken an den "General Barbou"
zu haben, wie er von den Franzosen genannt wurde. In den Erinnerungen
von Sweth, der Hofer bis zum Tod begleitete,
finden sich folgende Zeilen: "Kaum eine Viertelstunde von der Hütte
entfernt, ließen wir Drey (drei), nämlich
Hofer, sein Sohn und ich, blutige Spuren auf unserm Pfade zurück, denn
es wurde uns nicht erlaubt, als man uns
gefangennahm, Schuhe oder Stiefel, und unsere übrigen
Kleidungsstücke anzuziehen. Der edle Hofer, über dessen Gesicht das Blut
herabfloß, und dessen Bart ein blutiger
Eiszapfen war, flößte uns oft Muth ein, indem er mit Andacht zum
gestirnten Himmel blickte: "Bethet!" rief er
uns zu, seyd standhaft, leidet mit Geduld
und opfert eure Schmerzen Gott auf, dann könnt ihr auch etwas von euern
Sünden abbüßen." So sprach er wiederhohlt,
der christliche Held, der auf seinen Feind nicht zürnte, sondern alle
Leiden mit Geduld ertrug."
Die Gefangenen wurden zuerst nach Meran und
dann nach Bozen gebracht. In Bozen musste sich Hofer von seiner Frau und
seinem Sohn verabschieden.
Die Reise nach Mantua
Der Transport der Gefangenen Hofer und Sweth
ging nach Mantua weiter, wo sich das Hauptquartier der Franzosen befand.
Für eine Nacht mussten sich die zwei Männer in Ala aufhalten. Über
diesen Aufenthalt gibt es folgenden Bericht eines Augenzeugen:
"Hofer stieg im Hof ab, wo (der französische
Kommandant) Ferru, umgeben von einer starken
Wachmannschaft, logierte; nachdem er zu den Räumen des Kommandanten
hinaufgestiegen war, wo bereits die Tische für das Essen gedeckt waren,
wurde auch er eingeladen, mit den Offizieren, die ihn begleiteten, Platz
zu nehmen. Aber da gerade Freitag war, und er die aufgetischten
Fleischspeisen sah, entschuldigte er sich mit freundlicher und höflicher
Miene und erklärte, dass er später etwas Käse und Brot essen würde.
Darauf folgte ein arrogantes und höhnisches Gelächter der Franzosen, die
sich zu Tisch setzten und eifrig das Essen verschlangen. Dieser tüchtige
Mann aber setzte sich neben den Ofen - es war ja tiefer Winter und sehr
kalt –, nahm den langen und großen Rosenkranz vom Hals und begann mit
gefalteten Händen den Rosenkranz der Muttergottes zu beten."
Während dieses Aufenthaltes in Ala kam es noch zu
einem weiteren Vorfall, der den Charakter von Andreas Hofer erkennen
lässt: "Er wurde zum Schlafen in ein Zimmer gebracht, in dem sich ein
großes Kohlenbecken mit glühenden Kohlen befand; die schädlichen Gase
ließen den Wachposten ohnmächtig zu Boden fallen; und auch der Offizier,
der an seiner Seite schlief, verlor die Sinne und befand sich in einer
tödlichen Ohnmacht. Hofer spürte, dass er selbst am Ersticken war und
sprang - kräftig wie er war - aus dem Bett; als er sah, dass der
Offizier bewusstlos war und der Wachtposten am Boden lag und nach Luft
schnappte, ging er - anstatt die Flucht zu ergreifen und sich in
Sicherheit zu bringen (...) - ruhig hinaus und weckte die Soldaten in
den anderen Zimmern, damit sie seinen Wachen zu Hilfe eilten. Und das,
obwohl er wusste, dass ihn in Italien der Tod erwartete!"
Der Aufenthalt in Mantua
Am 5. Februar 1810 erreichte der
Gefangenentransport die Stadt Mantua. Das Verhalten Hofers war sehr
ruhig. Cajetan Sweth, der treue Gefährte der
letzten Tage von Hofer, schreibt in seinen Erinnerungen: "Hofer betrug
sich während seiner Haft in Mantua sehr ruhig, ... er suchte Trost und
Stärkung im Gebethe, da wir zu verschiedenen
Tageszeiten den Rosenkranz betheten."
Nach dem zweiten Verhör sagte er zu seinem jungen Begleiter: "Cajetan,
ich sehe, daß ich sehr bald sterben werde
müssen: allein ich sterbe gern, denn es ist besser,
daß ich mich für das ganze Land opfere, als
daß noch mehrere meinetwegen oder für das Land sterben
müßten.
"Vielleicht betrachtete Hofer den Tod als Sühne für seine eigene Schuld
und als Erlösung von jedem irdischen Zweifel und den Gewissensqualen..."
Einige französische Offiziere bewunderten die
schlichte und würdevolle Haltung Hofers. Sie erinnerten sich auch daran,
dass Hofer niemals die französischen Gefangenen erschießen ließ. Sie
versuchten, die Begnadigung des Tiroler Kommandanten zu erreichen. Sogar
der Vizekönig von Italien, Eugene Beauharnais, der Adoptivsohn
Napoleons, setzte sich persönlich für Hofer ein.
Aber Napoleon kannte keinen Pardon und schrieb an den Vizekönig: "Mein
Sohn, ich hatte dich gebeten, Hofer nach Vincennes
kommen zu lassen. Da er jedoch in Mantua ist, so verfüge augenblicklich
die Bildung einer Militärkommission, die ihn aburteilen und erschießen
lassen soll an dem Ort, wo Dein Befehl eintrifft. All dies innerhalb
vierundzwanzig Stunden."
Nach diesem Befehl von Napoleon war der Ausgang des Prozesses gegen
Andreas Hofer von vornherein klar. Sein Verteidiger von Amts wegen war
Gioacchino Basevi, ein junger jüdischer
Rechtsanwalt, der sich auf jede erdenkliche Weise einsetzte, um den
Freispruch des Angeklagten zu erreichen.
Aber das Militärgericht verurteilte Hofer zum Tod.
Der Tod von Andreas Hofer
Nach der Verurteilung am Abend des 19. Februar 1810
wurde Andreas Hofer von seinem Gefährten Sweth
getrennt und in eine andere Zelle gebracht.
Er beichtete bei Dekan Alessandro Borghi von
der Pfarrei San Michele, der den Auftrag hatte, die Verurteilten zur
Hinrichtung zu begleiten. Don Alessandro hatte aber das Feingefühl,
einen anderen Priester zu rufen, der auch Deutsch konnte: obwohl Hofer
ziemlich gut Italienisch konnte, schien es dem Dekan gut zu sein, dass
der Verurteilte einen seelischen Beistand in seiner eigenen
Muttersprache erhielt.
So kam dann um ein Uhr in der Nacht Don Giovanni Battista
Manifesti, der die ganze Nacht mit Hofer
verbrachte und ihn am folgenden Tag zur Erschießung begleitete. Gegen
fünf Uhr in der Früh kam ein französischer Offizier, der Hofer offiziell
das Todesurteil und die Erschießung mitteilte. Hofer hatte noch die Zeit
und seelische die Kraft, um an einige Personen zu schreiben.
Er schrieb auch einen Brief an seinen Freund Pühler
in Neumarkt, um noch einige letzte Angelegenheiten zu regeln: "Liebster
Her Prueder, der
götliche Wilen, ist es
gewössen das ich hab
miessen hier in Mantua mein zeitliches in das
Ebige verwöxlen,
aber gott seie
Danckh um seine
gödliche Gnade, mir ist es so leicht for
gekhomen, das wan
ich zu waß anderen
ausgefierth wurd,
gott wirth mir
auch die gnad verleichen,
wiß (= bis) in lösten
augen Plickh auf das ich
khomen khon
alwo sich mein Sehl,
mit alle außer wölte (= Auserwählte), sich
ebig Ehr freien (= erfreuen) mag,
albo ich auch fir
alle Bitten werde Bei gott..."
Hofer bittet, dass man eine Seelenmesse für ihn lesen lasse und dass man
für ihn bete; er ordnet das Totenmahl an,
das man den Teilnehmern an seiner Beerdigung auftischen solle. Er
schreibt, dass er das ganze Geld, das er bei sich hatte, den Armen
gegeben habe. Er ermahnt den Freund, die Rechnungen bei seinen
Gläubigern zu begleichen, damit er nicht im Fegfeuer büßen müsse. Er
bittet den Freund auch, seine Frau zu trösten und verabschiedet sich
dann mit folgenden bewegenden Worten von seinem Freund und vom irdischen
Leben: "Von der Welt lebet alle wohl, vis (=
bis) mir (= wir) im Himel
zam khomen und
dortten gott
loben an ent, ... Ade meine
schnede Welt, so leicht
khombt mir das sterben vor, das mir nit
die augen nass werden,
geschriben um 5 urr in der
frue, und um 9 urr
reis ich mit der Hilfe aller heillig zu
gott - Mandua
den 20 februarii 1810 - dein in leben
geliebter andere Hofer von sant in
Passeyr - in namen
des hern wille
ich auch die Reisse
vornemen mit gott."
Am Vormittag des 20. Februars 1810 wurde Andreas Hofer gegen 11 Uhr zur
Hinrichtung geführt. Auf der Straße waren viele Menschen, die ihre
Sympathie für den "Generale Barbone" - wie
die Italiener Andreas Hofer nannten - zum Ausdruck brachten. In der
Menge befand sich auch Rechtsanwalt Basevi,
sein Verteidiger:
"Nie habe ich unter der Menge, die einer
Hinrichtung beiwohnte, eine so ehrliche Rührung und eine so große
Entrüstung gesehen. Aus der Menge erhoben sich Rufe gegen die Franzosen
und ihre Lakaien des sogenannten Königreichs
Italien.
Als der Märtyrer vor den Kasematten am Mühlentor
vorbeiging, haben sich viele Kameraden von Hofer, die dort festgehalten
wurden - unter ihnen auch Cajetan Sweth, der
mit ihm die letzten und traurigsten Monate geteilt hatte – niedergekniet
und ihn um seinen Segen gebeten; er aber hat sich auf ein Zeichen des
Grußes beschränkt und zum Himmel und auf den Priester an seiner Seite
gezeigt, wie wenn er damit andeuten wollte, dass nur dieser die
Vollmacht zum Segnen hatte."
Hofer stellte sich vor den Ploton der
Soldaten, die ihn erschießen sollten. In seinen Händen hielt er ein
Kruzifix, das mit einem Blumensträußchen geschmückt war. Er wollte keine
Augenbinde, sondern schaute furchtlos gegen die Gewehrläufe. Er forderte
die Soldaten auf, gut zu zielen. Der Offizier
Eiffes brachte es nicht über das Herz, den Erschießungsbefehl zu
geben; darauf rief Hofer selbst: "Feuer!" Die Soldaten waren selbst
innerlich bewegt und schossen schlecht. Schließlich gab der Offizier
Eiffes Hofer den Gnadenschuss. Nach dem Tod
wurde in der Kirche von San Michele die Totenmesse gelesen. Die
Bestattung erfolgte in dem kleinen Friedhof neben der Kirche.
Zum Abschluss wollen wir noch einige Auszüge aus den Zeugnissen
zitieren, die von den beiden Priestern verfasst wurden, die Andreas
Hofer in den letzten Stunden seines Lebens beistanden. Das erste Zeugnis
stammt von Dekan Alessandro Borghi, der
Hofer die Beichte abgenommen hatte:
"... Heute aber hat es mich getroffen, dem
berühmten Andreas Hofer das Sakrament der Beichte zu spenden, den die
Franzosen und die Anhänger der Sekte der
Illuminaten hartnäckig als einen Räuber bezeichnen, nur weil er
den Mut hatte, zur Verteidigung unseres heiligen Glaubens und seines
unterdrückten Volkes gegen sie die Waffen zu ergreifen; er war aber in
Wirklichkeit der frömmste und treueste Christ, den man sich vorstellen
kann... Diese Begegnung war für mich, trotz der schmerzlichen und
tragischen Begleitumstände, Grund der Erbauung und des Trostes in einer
Zeit, in der viele, die früher Festigkeit und Frömmigkeit zeigten, sich
vom Gehorsam gegenüber der Heiligen Römischen Kirche entfernten, oder,
infolge der Verlockungen der Macht, sogar den Glauben an Christus
zugunsten von Robespierre und Bonaparte verleugneten; es scheint mir
kein reiner Zufall, sondern vielmehr ein offensichtliches Zeichen des
göttlichen Wohlwollens zu sein, dass dieser Kämpfer des Glaubens, dieser
würdige Nachkomme der alten Kreuzfahrer, seine letzte Verabschiedung in
der Kirche des Heiligen Michael, des kriegerischen Erzengels, des
Fürsten der himmlischen Heerscharen, erhalten hat..."
Das zweite Zeugnis ist aus einem Brief entnommen, den Don
Manifesti an Dekan
Borghi geschrieben hat:
Hochwürdiger Freund,
wie ich Sie gleich nach dem Erhalt Ihres Briefes
über Ihre Vertrauensperson mündlich wissen ließ, beeilte ich mich, um
mich in die Gefängnisse zu begeben, wo ich um ein Uhr in der Nacht
ankam, kurz nachdem Sie aufgebrochen waren. Andreas Hofer war in tiefem
und inbrünstigem Gebet versunken; nachdem mich der Kerkermeister, der
auch innerlich bewegt war, zu ihm hineingeführt hatte, empfing er mich
mit allen Zeichen einer untertänigsten kindlichen Liebe. Als ich ihn
dann auf Deutsch anredete, konnte er die Tränen nicht zurückhalten, auch
wenn es mir leider nicht möglich war, mich der Tiroler Mundart zu
bedienen, von der ich nur ein paar Brocken kenne, und die ihm ohne
Zweifel angenehm im Ohr geklungen hätte.
Wir verbrachten die ganze Nacht im Gebet und in
erbaulichen Gesprächen über das Schicksal des Menschen und über den
Lohn, der den im Jenseits erwartet, der gut gehandelt hat. Um fünf Uhr
in der Früh kam der französische Hauptmann in den Kerker herunter, um
dem Verurteilten von Seiten des Generals, Graf
Bisson, offiziell mitzuteilen, was leider alle allzu gut wussten,
und zwar, dass er in kurzer Zeit zum Ort der Erschießung begleitet
werden würde...
Um Viertel vor 11 Uhr wurde der Märtyrer aus dem
Gefängnis hinausgeführt; während ich weinte und ihn daran erinnerte,
welcher Lohn ihn (im Jenseits) erwartete, begleitete ich ihn bis zur
Wiese unter den Mauern gleich links von der Porta
Maggiore, die als Ort für die Hinrichtung ausersehen worden war. Ich
zitterte und weinte ständig; obwohl ich gewohnt war, die Gläubigen beim
Übergang in das andere Leben zu stärken, wußte
ich nicht, wie mir geschah. Die Ergriffenheit, die mich schüttelte, war
so offensichtlich, dass mir der Gefangene ins Ohr flüsterte, dass, wenn
ich wegen des irdischen Lebens weinen würde, dieses nicht so wichtig
sei, um so viele Tränen zu vergießen; wenn ich aber aus Furcht um sein
Seelenheil weinen würde, so hätte er ein großes Vertrauen in die
unendliche Barmherzigkeit Gottes; denn niemand dürfe so anmaßend sein zu
hoffen, das Seelenheil nur mit den eigenen Kräften zu erlangen.
Mir kommt vor, dass ich noch immer den Druck der
letzten Umarmung von Hofer spüre, und kann nur hinzufügen, dass er wie
ein christlicher Held in den Tod ging, den er als furchtloser Märtyrer
erlitten hat."
Diese Zeugnisse bringen sehr gut zum Ausdruck, dass
der Kampf Andreas Hofers in erster Linie eine Verteidigung des Glaubens
und der christlichen Werte gegen eine glaubensfeindliche Weltanschauung
war. In diesem Sinn ist Andreas Hofer auch ein Vorbild für unsere Zeit,
die von vielen glaubensfeindlichen Ideologien gefährdet wird. In diese
Richtung weisen auch die Worte, die Papst Johannes Paul I. in seinem
Buch "Illustrissimi" an Andreas Hofer
richtet: "... ich wünschte, dass Euer freundliches und zugleich
christliches Heldentum Einige begeistern könnte. Damit wir uns richtig
verstehen: ich befürworte keinen Guerilla-Krieg; ich bin überzeugt
davon, dass es so etwas, speziell in einem demokratischen Italien, nicht
braucht. Aber Euren christlichen Glauben aus einem Guss, sowie die
Geschlossenheit des Volkes, die Ihr, gemeinsam mit
Haspinger, in der Stunde der Gefahr bewirkt habt - das würde ich
mir von ganzem Herzen wünschen."
Peter Egger