1.
Der
Pharisäer und der Zöllner im Tempel
Das Gleichnis
Ein Pharisäer und ein Zöllner stiegen
zum Tempel hinauf, und als sie am Opferkasten ankamen, zog der Pharisäer
auffällig einen großen Geldbeutel und schüttete den Inhalt bis zum letzten
Heller in den Tempelschatz. In dieser Geldbörse waren vor allem die
Geldstücke, die er den Kaufleuten abverlangt hatte, und der Erlös für das Öl,
das er dem Verwalter abgenommen und sofort an einen Händler verkauft hatte.
Der Zöllner hingegen warf eine Handvoll kleiner Münzen hinein und behielt
soviel zurück, als er für die Rückreise in die Heimat benötigte. Der eine wie
der andere gaben alles, was sie hatten. Scheinbar war sogar der Pharisäer der
Großzügigere, da er alles bis zum letzten Heller hergab. Aber man muss
bedenken, dass er in seinem Palast noch viel Geld hatte und außerdem genügend
Guthaben.
Dann begaben sich beide vor den Herrn.
Der Pharisäer ging nach vorn, bis zur Grenze des Atriums der Hebräer vor dem
Heiligtum. Der Zöllner blieb ganz hinten stehen. Er stand da, gebeugt und
niedergeschmettert bei dem Gedanken an sein Elend im Vergleich zur göttlichen
Vollkommenheit. Beide beteten.
Der Pharisäer stand aufrecht, fast
anmaßend da, als ob er der Hausherr wäre, der sich herablässt, einen Besucher
zu empfangen, und sprach: „Sieh, ich bin gekommen, um dich in dem Haus zu
verehren, das unser Ruhm ist. Ich bin gekommen, obwohl ich fühle, dass du
in mir bist, da ich ein Gerechter bin. Ich bin kein Räuber. Ich bin
nicht ungerecht, kein Ehebrecher und kein Sünder, wie jener Zöllner dort,
der fast gleichzeitig mit mir eine Handvoll Geld in den Schatz geworfen hat.
Ich, du hast es gesehen, habe dir alles gegeben, was ich bei mir hatte. Dieser
Geizhals dagegen hat dir etwas vorenthalten. Den wird er wohl für
Schwelgereien und für Frauen behalten haben. Ich bin rein. Ich beflecke
mich nicht. Ich bin rein und gerecht, faste zweimal in der Woche und bezahle
den Zehnten von allem, was ich besitze. Ja, ich bin rein, gerecht und
gesegnet, weil ich heilig bin. Erinnere dich daran, Herr.“
Der Zöllner in seinem entfernten
Winkel wagte kaum, die Augen zum Heiligtum zu erheben. Er schlug an
seine Brust und betete so: „Herr, ich bin nicht würdig, an diesem Ort zu
stehen. Aber du bist gerecht und heilig, und du gestattest es mir, weil du
weißt, dass der Mensch ein Sünder und ein Teufel wird, wenn er nicht zu dir
kommt. Oh, mein Herr, ich möchte dich ehren Tag und Nacht, aber ich bin so
viele Stunden der Sklave meiner Arbeit. Es ist eine harte Arbeit, die mich
demütigt, denn ich füge meinem unglücklichen Nächsten Schmerz zu. Aber ich
muss meinen Vorgesetzten gehorchen, um mein tägliches Brot zu verdienen.
Hilf mir, o mein Gott, dass ich das Pflichtgefühl gegenüber meinen
Vorgesetzten immer mäßige durch die Liebe zu meinen armen Brüdern, damit meine
Arbeit nicht zu meiner Verdammung führe. Jede Arbeit ist heilig, wenn sie
mit Liebe getan wird. Lass deine Liebe stets in meinem Herzen
gegenwärtig sein, damit ich, armselig wie ich bin, mit meinen Untergebenen
Mitleid habe, wie du mit mir, dem großen Sünder, Mitleid hast. Ich hätte dich
gern mehr geehrt, o Herr, du weißt es. Aber ich hielt es für besser, mit dem
für den Tempel bestimmten Geld acht unglückliche Herzen zu trösten als es in
den Opferkasten zu werfen und dann acht unschuldige und unglückliche Menschen
verzweifelt weinen zu lassen. Wenn ich jedoch gefehlt habe, lass es mich
wissen, o Herr, denn ich bin ein großer Sünder.
Die Lehre daraus
Während der Pharisäer den Tempel
verließ, nachdem er noch eine Sünde zu den schon vorher begangenen hinzugefügt
hatte, ging der Zöllner gerechtfertigt hinaus, und der Segen Gottes begleitete
ihn und ruhte darauf. Denn er war demütig und barmherzig, und seine
Werke waren noch heiliger als seine Worte; der Pharisäer dagegen war nur mit
Worten und nach außen hin gut, in seinem Inneren aber und mit seinem
Hochmut und seiner Hartherzigkeit vollbrachte er Werke des Teufels,
weshalb er Gott verhasst war.
Wer sich selbst
erhöht, wird immer, früher oder später, erniedrigt werden; wenn nicht in
diesem, dann im anderen Leben. Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden,
besonders droben im Himmel, wo die Handlungen der Menschen in ihrem wahren
Wert erscheinen.
Die Unterschiede
- Der Selbstgerechte gibt sich
selbst die Ehre, nicht Gott! Er liebt Gott gar nicht, da er sich nur
selber liebt. Er denkt nicht daran, dass Gott der Vollkommene, der Heilige
ist, den er nie erfassen kann und vor dessen Augen JEDER ein Sünder ist, auch
er. Auch wenn er das Gesetz kennt und befolgt. Doch daran denkt er nicht.
Er ist der typisch Selbstgerechte, der nur sich sieht und auf die anderen
herabschaut. Die anderen sind Sünder, die anderen brechen die Gebote, die
anderen sind nicht katholisch… Keine Liebe zu Gott und dem Mitmenschen. Er
glaubt nicht notwendig zu haben, sich vor Gott niederzuwerfen und sich als
Sünder zu bekennen. Eigenliebe verblendet sein Herz, er ist selbstgefällig
und ohne Liebe. Er verachtet den Zöllner und zieht falsche Schlüsse
(Vorurteile). Und Gott findet KEINEN GEFALLEN an ihm, obwohl er nach
außen hin als Vorzeigechrist gilt. ES GEHT IHM NICHT UM GOTT, SONDERN UM
IHN SELBST!
Es fehlt ihm an
Demut, Liebe, und Barmherzigkeit, genau die Tugenden der Heiligen.
- Der Zöllner aber beurteilt sich
in richtiger Weise: Er weiß, dass er vor der Vollkommenheit Gottes ein nichts
ist, ein Sünder, denn JEDER Mensch sündigt auf die eine oder andere Weise.
Er bleibt hinten in der Kirche stehen da er große Achtung und Ehrfurcht vor
Gott hat. Er bittet gerecht bei der Arbeit zu sein und bittet um Erbarmen,
wenn er einmal ungerecht war. Er wirft nicht alles in den Tempelschatz, da er
einer bedürftigen Familie helfen will. Das ist wahre Liebe und Mitleid. Er
bittet Gott auch um Hilfe gerecht zu sein. Er bittet um Liebe und Führung
Gottes, da er weiß, dass er ein schwacher Mensch ist. Er betrachtet sein
Leben, sein Dasein vor den Augen des Allmächtigen, Vollkommenen Gottes! Und
Gott findet Gefallen an ihm und Er begleitet ihn mit Seinem Segen.
Der Pharisäer ehrt
Gott mit den Lippen, aber sein Herz ist weit weg von Gott.
Die Parallelen zu heute sind
unverkennbar.
Herr, lehr uns Dein Wort für UNS verstehen!
MIR willst du damit etwas mitteilen. Amen.
Weiterführende Themen:
Die Eucharistie
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Leben in Gottes Gegenwart
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/ Spiritualität
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Die Liebe Gottes (Gloria Polo)
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