Sind
wir noch Christen? Das ist doch eine unberechtigte Frage. Wer kann denn
im Ernst daran zweifeln? Es ist auch eine heimtückische Frage, in der
sich ein heimlich anklagendes Nein versteckt. Schließlich ist es auch
noch eine unverschämte Frage, denn wer würde wagen zu behaupten, daß
wir Zerrbilder Gottes wären und nicht seine Ebenbilder?
(Annette di Rocca)
I N H A L T
Einleitung
Vorwort der Verfasserin ANNETTE DI ROCCA
Sind
wir noch Christen? Das ist doch eine unberechtigte Frage. Wer kann denn
im Ernst daran zweifeln? Es ist auch eine heimtückische Frage, in der
sich ein heimlich anklagendes Nein versteckt. Schließlich ist es auch
noch eine unverschämte Frage, denn wer würde wagen zu behaupten, daß wir
Zerrbilder Gottes wären und nicht seine Ebenbilder?
Keine
religiöse Bewegung, mag sie noch so human und edel sein, wird Bestand
haben, wenn sie ohne Christus oder über ihn hinweg ins Leben gerufen
wird; denn er ist der alleinige Herr der Welt, mögen es die anmaßenden
Geister, die sich wie ihre Herren gebärden, wahr haben oder nicht. Christus ist die Mitte
der Welt, wie sehr sich auch die Umstürzler aller Jahrhunderte bemühten
und bemühen, ihn aus der Mitte weg an den Rand allen Geschehens zu
rücken.
Aber
war es denn nicht schon immer so? Als er im Begriff stand, einzutreten
in diese Welt, da hieß es: "Es ist kein Platz für ihn in der Herberge."
Türen zu, hinaus mit dem, der da kommen will! Und lesen wir nicht in der
Schrift, daß von seinen "liebenswürdigen" Verwandten geschrieben steht:
"Sie drängten ihn hin bis dicht an den Rand des Berges, um ihn
hinabzustürzen?" Christus loswerden, den unbequemen Mahner, darum geht
es auch heute mit unverminderter Schärfe.
Trotz
aller Erfindungen und technischen Wunder aber gilt für alle Zeiten und
Generationen: Ohne Christus wird nichts, rein nichts gelingen. Was immer
Menschen von sich aus tun ohne Bezugnahme auf ihn als dem Anfang, der
Mitte und dem Endziel aller Dinge, ist ins Leere getan und in alle
Ewigkeit wird es sein, als wäre es nie gewesen.
Was
helfen schon die genialsten elektrischen Einrichtungen, wenn kein Strom
vorhanden ist, um sie zu betreiben? Unsere Generation hat den
Kraftstrom, der aus Christus fließt, mit voller Überlegung abgeschaltet.
Die Folge davon ist gestörte und zerstörte Ordnung, Kurzschluß in allen
Bezirken des menschlichen Lebens.
Daß
alles und jegliches in diesem gottfernen Jahrhundert aus den Fugen
geraten ist und weiterhin geraten wird, bis die Zeit reif ist für jene Riesenkatastrophe,
die uns Christus bis ins einzelne schildert, ist einzig und allein dem
Umstand zuzuschreiben, daß die Völker Christum hinausgewiesen haben aus
seiner Welt.
"Er
kam in sein Eigentum, die Seinen aber nahmen ihn nicht auf!" Man sollte
dieses Wort, das ein hindergründiges Gericht ahnen läßt, in feurigen
Lettern auf alle Sterne schreiben können, damit sie diese bittere und
folgenschwere Wahrheit herniederfunkeln und sich hineinbrennen in die
verweltlichten Herzen dieser Generation. Man sollte es in Großformat auf
allen Plakatsäulen unserer vergnügungssüchtigen Städte und Dörfer
anschlagen, von Neonlampen unerbittlich angestrahlt, allüberall, wo
Menschen ihr hastiges Leben und Treiben vollführen ohne Gott.
Die Seinen nahmen ihn nicht auf
"Die
Seinigen nahmen ihn nicht auf." In diesem schwerwiegendsten aller Worte
des Evangelisten wird das Schicksal der Menschheit spürbar für jeden,
der nicht zum Maulwurf geworden ist. Wir haben den Inbegriff des Lebens
nicht aufgenommen, wir haben der Liebe den Einlaß verwehrt, wir drängten
sie mit Gewaltmaßnahmen zurück in ihren eigenen Bereich. Wir verkauften
Christus um einen Judaslohn und tauschten den schnöden Kram der Erde
für ihn ein: einen Batzen Gold, eine Karre voll eitlen Ruhms, eine
Handvoll Talmiglück, und waren mit den Tausch zufrieden. Aber die
ungeheure Leere, die entstand, der unermeßliche Abgrund, der sich da
auftut, wurde aufgefüllt von einer grauenvollen Verlassenheit, von einer
unvorstellbaren Einsamkeit. Nichts, was immer es auch sei, wird diese
fortgewiesene Liebe ersetzen können; nichts wird jemals jenen Raum
auszufüllen vermögen, der Gottes Sphäre ist seit unvordenklichen Zeiten.
Was immer wir an irdischen Schätzen wie an Errungenschaften und
Herrlichkeiten unserer schönen, reichen Welt zusammentragen, um der
Verzweiflung nicht innezuwerden, die in uns Platz greifen will, es
versinkt ins Bodenlose, es läßt uns leer, und unser ungesättigtes Herz
schreit weiter nach dem, der allein es zu beglücken vermag. Wenn sich
der Mensch unserer Tage in einer Stunde der Besinnlichkeit der ganzen
Furchtbarkeit seines Ungeborenseins bewußt würde, müßte er den Verstand
verlieren, der Verzweiflung anheimfallen, oder sich schleunigst an das
Verlorene zurückwenden und den neuen Weg der Hoffnung beschreiten.
"Aber
die Finsternis hat es nicht begriffen." Man steht fassungslos vor
dieser Tatsache. Das Licht, das wahre, einzige, tröstliche, beseligende
Licht flammt auf, will sich niederlassen in uns, sucht seine
Herrlichkeit hinzubreiten in eine finstere, verlorene, im Sündenelend
verkommene Welt, und dann geschieht das Unfaßbare: die Finsternis
will Finsternis bleiben, und mit jeder Generation, die das Licht
neuerdings ablehnt, verdichtet sich diese mehr und mehr. In dieser
tiefen Nacht, in der keine Sterne mehr leuchten, schmieden wir unser
Schicksal, ein vermutlich grausiges Schicksal. Aus ihr wird alles Unheil
geboren, das diese Welt in eine Stätte der Angst, des Hasses und der
Ungerechtigkeit verwandelt, auf der alle Geister des Abgrundes hausen:
Habsucht, Neid, Lüge, Betrug, Unzucht, Streit und Mord.
Die universale Verkommenheit
der heutigen Gesellschaft ist die notwendige Folge der Gottlosigkeit,
des bewußten Ungehorsams gegen Gottes Gebot. Verfinsterung des Geistes,
Verlotterung des Herzens als Folge der Selbstherrlichkeit, das sind die
typischen Kennzeichen einer Welt, die im Vollbewußtsein dessen, was sie
tut, auf den Wegen des Verderbens wandelt, ohne Unruhe darüber zu
empfinden.
Mit einer bis ins Krankhafte gesteigerten Betriebsamkeit
will man sich selbst und anderen glauben machen, es stünde zum besten,
während in Wahrheit nichts mehr stimmt. Das Leben des heutigen Menschen
ist zu einer ständigen Hetzjagd geworden, der Tumult ist sein
Lebenselement. Ständig in Bewegung, ständig wie auf der Flucht, ohne
bergende Mitte, ohne Insel der Zuflucht. Wie aber hätte einer, der mit
Blitzzugsgeschwindigkeit durch die Zeit und durch das Leben rast, ein
Bedürfnis nach innerer Einkehr? Er darf ja gar nicht zu sich selber
kommen, darf nicht merken, wie unglücklich er in Wirklichkeit ist. Der
Ekel, der Überdruß, die Langeweile, die ihm aus seiner selbstgewählten
Daseinsform erwachsen, müßten ihm eigentlich die Augen öffnen für die
Erkenntnis, daß etwas Wesentliches aus der Ordnung geraten sein muß.
Aber der Satan trägt Sorge, daß gerade dies nicht geschieht. Darum muß
sich sein Opfer in jeder freien Stunde ins Vergnügen stürzen, um sich
selbst zu betäuben und im Rauschzustand zu bleiben.
Der Terminkalender mit
seinen unausweichlichen Forderungen ist zum Wahrzeichen unseres
betriebsamen Lebensablaufes geworden. Wie sieht so ein Terminkalender
aus? Die Beschäftigung jeder Stunde ist genau festgelegt; der ganze Tag
bis zur letzten Minute mit irdischen Interessen ausgefüllt. Betrachten
wir doch einmal in aller Ruhe unser tägliches Tun und Lassen! Gehen wir
in Gedanken so einen Tag durch ohne Voreingenommenheit, ohne
Selbstvorspiegelung betrügerischer Motive! Welches ist unser erster
Gedanke beim Erwachen? Was war er gestern, was ist er heute, was wird er
morgen sein? Das Geschäft, der Gewinn, das Bankkonto, die geplante
Neuanschaffung, ein fälliger Wechsel, irgend eine rein diesseitige
Angelegenheit. Ist es nicht so?
Wenn
aber Gott nicht in unserem Terminkalender steht, dann ist all unser Tun
wie der Sand, der durch die Finger eines spielenden Kindes gleitet,
nichts und wieder nichts. Das Leben aber ist kurz. Wieviele
Terminkalender wirst du noch ausfüllen? Wieviele Geschäfte noch
erledigen? Ein Tag wird der letzte deiner betriebsamen Tage sein und
deine Geschäfte wird ein anderer übernehmen. Was wirst du dann im
Angesichte des ewigen Richters mit deinem Terminkalender anfangen? Er
wird zurückbleiben bei deinem Erdenkram, den du zusammengetragen und
aufgehäuft hast. Dann wirst du blitzartig erkennen, daß dein bis zur
letzten Minute ausgefülltes Erdenleben ein leeres, verlorenes Leben war;
daß deine Taten, auf die du so stolz gewesen, deine Errungenschaften,
die dich emporsteigen ließen auf der Leiter des Ansehens und des Ruhmes,
an den ewigen gültigen Maßstäben gemessen, nichts weiter sind als
Spreu, die ein Windstoß verweht. Was übrig bleibt, ist das Nichts. Nicht
aber jenes Nichts, das gleich ist mit Ausgelöschtsein, sondern jene
grauenvolle ewig währende Verlassenheit als Ergebnis eines vielleicht
langen Lebens, das dir verliehen ward, einzig und allein um deine Seele
zu retten und Gott zu verherrlichen. Was für eine Ewigkeit wird es unter
den gegebenen Umständen für dich sein?
Haben
wir den Mut, unser Tun so kritisch zu betrachten, wie wir es mit
unseren Freunden und Nachbarn tun! Leuchten wir hinein mit der Lampe der
unbestechlichen Selbstkritik in die staubigen Winkel und schmutzigen
Ecken unseres heimlichen Selbstbetruges und unserer uneingestandenen
Verlogenheit Gott gegenüber und nennen wir die Dinge bei ihrem wahren
Namen; tarnen wir sie nicht mit dem Flittermäntelchen der faulen
Ausreden und Beschönigungen, nein, ziehen wir sie ans Licht und setzen
wir uns mit alledem auseinander, was den Blick Christi nicht ertragen
würde. Und dann her mit dem eisernen Besen und hinausgefegt, was in des
Teufels Mülleimer gehört, auch wenn Tränen fließen und das Herz sich
dagegen wehrt. "Nur wer Gewalt anwendet, wird es an sich reißen", das
Himmelreich nämlich. Denken wir dieses radikale Wort Christi einmal
durch! Nur ... Gewalt! Das sind keine unverbindlichen Worte von
der zärtlichen Stimme eines Allerwelt-Menschenfreundes gesprochen,
keine Phrasen, die sich nach Belieben drehen und wenden lassen. Jedes
Wort hat sein Gewicht. Liegt nicht ein geradezu erschreckender Radikalismus in diesem Wörtchen nur?
Schreit es uns nicht förmlich an mit einer Ausschließlichkeit, die
nichts duldet, was aussieht wie Kompromiß? Wo bleibt da noch ein
Schleichweg, auf dem man sich drücken könnte? Und wie läßt sich dem Wort
Gewalt ausweichen? Was könnte man an seiner Stelle setzen, um
es zu mildern? Gewalt ist gesammelte und geballte Kraft, deren Anwendung
keine geringe Anstrengung voraussetzt. Lesen wir nicht rasch und
oberflächlich über die Worte Christi hinweg. Lassen wir die
Schrifttexte, die uns von Kindesbeinen an geläufig sind, nicht
vorüberfluten an uns wie die Schlagermusik, die aus den Lokalen dringt,
wenn die Türe sich öffnet, während wir vorbeigehen; man hört sie und
hört sie doch nicht. So darf es um alles in der Welt nicht mit dem Worte
Gottes sein!
Darum
gilt immer und immer wieder: Ich muß mich persönlich und eindringlich
mühen um jedes Wort Christi. Ich darf mich nicht mit landläufigen
Auffassungen, mit farblosen Überlegungen, die für den Privatgebrauch
zugestutzt sind, zufrieden geben. Was Christus sagt, das sagt er zu mir
ganz persönlich und er will, daß ich seine Botschaft
als an mich gerichtet von ihm empfange, sie aufnehme und verarbeite und
mein Leben danach einrichte und ausrichte, daß ich es forme und
gestalte, ganz gleich, was dies an Umwälzungen und veränderten
Zielsetzungen für mich bedeuten mag.
Wir Christen sind doch wahrhaftig nicht hier, um den tollen heidnischen Rummel
mitzumachen, der das Leben des modernen Menschen auf den Straßen und
Plätzen unserer Städte ebenso beherrscht, wie er seine verweltlichte
Seele bis zum Überquellen füllt. Wenn man die Innenwelt eines typischen
Vertreters dieser heidnischen Rasse wie einen Beutel nehmen und
ausleeren könnte, was käme da alles zum Vorschein? Kram und wieder Kram
und nochmals Kram. Aufgeblasene Scheinwerte, belanglose Nichtigkeiten,
krampfhafte Bemühungen um irdische Vorteile, lauter Dinge, die der Wind
wie Spreu und Flugsand verweht. Wo aber ist Substanz, wo ist das
Bleibende, wo ist der Kern, wo ist das, was Gewicht hat und einmal
gewogen werden soll auf der Präzisionswaage der ewigen Gerechtigkeit,
auf der jedes Staubkorn der guten und der bösen Tat das Zünglein zum
Ausschlagen bringt? Werden wir in dem gefährlichen Fahrwasser
weitertreiben, in dem wir uns befinden, ohne Ruder, ohne Steuer, mit
Scheuklappen vor den Augen, damit wir die Todesgefahr nicht sehen, die
uns bedroht? Muß man da nicht bangen Herzens an das prophetische Wort
der Seherin Hildegard von Bingen denken: "Ich sah ein Schwert aus der
Scheide gezogen und über euch gezückt!"
Das
moderne Leben zerstört den Menschen von innen heraus. Trotz scheinbarer
Lebendigkeit und nimmer rastender Tätigkeit ist sein Inneres tot und
erstarrt. Seine Tiefen sind verschüttet, seine Quellen
versiegt, seine Seele zu Steppenland geworden, da die Wasser des Lebens
sie nicht mehr befruchten. Er ist herausgerissen aus dem satten Erdreich
der christlichen Wahrheiten und er versandet in einer entgotteten Welt.
Löse eine Pflanze aus ihrem heimatlichen Wurzelboden, sie wird zugrunde
gehen. Der Mensch aber steht in einem weit intimeren Verhältnis zu
seinem Schöfer als die Pflanze zu ihrer Scholle. Daher bedeutet seine
Trennung von Gott ganz naturgemäß seinen Untergang.
Der menschliche Instinkt wehrt sich gegen das Heilige. Hier steht die Urbosheit
des gefallenen Geschöpfes gegen die Urliebe des barmherzigen Gottes.
Der Mensch aller Zeiten neigt zur Ablehnung dessen, was von der anderen
Welt auf ihn zukommt. Er spürt und fürchtet die Verpflichtung, die sich
von dorther geltend macht. Er weiß, daß er nie mehr ausschließlich in
dem sein könnte, was von dieser Erde ist, wenn er sich mit ihr einläßt.
Diese Erkenntnis ruft den Widerspruch auf den Plan und ihm folgt die
Ablehnung auf dem Fuße. Es lebt sich soviel leichter und unbeschwerter
ohne Gott, wenn man seinem forschenden Auge nicht standzuhalten braucht,
wenn man die Unruhe des Gewissens beschwichtigen und ersticken kann mit
Lärm und Betrieb.
Darum
stürzen wir uns in den Genuß des Augenblicks, liefern uns einem an
Wahnsinn grenzenden Daseinsrummel aus. Wir haben uns satanischen Mächten
verschrieben, die von uns in demselben Maße Besitz ergriffen, in dem
wir uns frei machten von den Bindungen an Christus. Diese Wahrheit
müssen wir in nüchternen Augenblicken doch immer und immer wieder zur
Kenntnis nehmen. Aber die Großmächte dieser Welt, Geld, Politik, Lüge,
Presse, sorgen dafür, den Menschen im Taumel zu halten, ihn
ständig aufzupeitschen, ihn seinem eigenen Ich zu entfremden. So wird er
reif für die Absichten Satans, der seine Selbstzerstörung mit Methode
verfolgt. Die Geruhsamkeit, die Stille, in der alles Große gedeiht, ist
das Wesenselement des schöpferischen Menschengeistes, das durch nichts
ersetzt werden kann. Sie ist dem Menschen von heute in solchem Maße
abhanden gekommen, daß er mehr und mehr aufhört, ein Geistwesen zu sein.
Ist nicht die Maschine mit ihrem routinemäßigen Gang von ewig gleicher
Unerbittlichkeit beinahe ein Sinnbild für den vermaterialisierten
Menschen unserer Tage geworden, dessen Lebenslauf sich in ähnlicher
Weise vollzieht wie das Rattern der Maschine?
Der Materialismus ist
Verleugnung des Geistes und zerstört das Geheimnis des Menschen, seine
Einmaligkeit, um ihn zu einem genormten Niemand zu degradieren. Damit
hat er den schlimmsten Verrat verübt, nicht nur an seinem Schöpfer,
sondern auch an sich selbst und an seine Berufung. Die ihm ursprünglich
zu eigene schöpferische Freude am Schaffen und Formen hat sich in eine
teuflische Erwerbsgier verwandelt, in deren Tun keine Liebe mehr waltet,
sondern die sich mit unerhörter brutaler Gewalt der Dinge bemächtigt,
um sie in den schnöden Dienst maßlosen Besitzverlangens zu zwingen. Er
hat das Lebenselement des erlösten Menschen, die Liebe, durch seinen
Egoismus in das des zerstörenden Hasses verkehrt. Möge Gott sich seiner
erbarmen! Er hat sich dadurch der ungeheuren Problematik des Daseins
ausgeliefert. Ohne die Liebe wird seine Situation die der
Ausweglosigkeit. Der nach dem Ebenbild Gottes geschaffene Mensch kann
nur in seinem Urgrund die Geborgenheit und den Frieden finden, deren er
bedarf.
"Meinen Frieden gebe ich euch, meinen
Frieden hinterlasse ich euch, nicht wie die Welt ihn gibt, so gebe ich
ihn euch." Wie sieht der aus, den die Welt zu geben hat? Ist er nicht
vielfach nur ein diplomatischer Scheinfriede, der als Deckmantel
verbrecherischer Absichten dient, die vorerst verborgen bleiben sollen;
oder ein fauler Friede, der keine Belastung erträgt? Wieviel wird auf
dieser streitbaren Welt vom Frieden geredet; mit welchem Eifer wird
verhandelt, debattiert, werden Beschlüsse gefaßt, Verträge geschlossen,
Garantien unterzeichnet! Wo aber bleibt der Friede? Ein leeres Wort auf
dem Papier, ein abstrakter Begriff, Luftspiegelung, Wunschbild! Man hat
Christus, den Inbegriff des Friedens, hinausgewiesen aus den Völkern,
die seine Völker sind und der Friede ging mit ihm fort. Kann man denn
die Sonne vom Himmel nehmen und erwarten, daß es weiterhin warm sei und
licht?
Der Widersacher Gottes
Weil wir uns in der herrlichen Freiheit
der Kinder Gottes nicht für ihn und sein Reich entscheiden wollen, darum
müssen wir zwangsläufig in die Knechtschaft seines
Widersachers geraten. Hier ist kein Friede. Wie könnte auch diese
Himmelsblume aus einem vom Bösen vergifteten Grund erwachsen und in der
heillosen Finsternis der Gottesferne gedeihen?
Der Widersacher Gottes! Machen wir uns nichts vor! Der Teufel
ist keine Erfindung der menschlichen Phantasie; er ist eine
grauenerregende Wirklichkeit, mit der wir auf Schritt und Tritt zu
rechnen haben. Er ist der gerissene Gegenspieler Gottes, ein Wesen von
überragender Intelligenz, die er ganz in den Dienst seines erbitterten
Kampfes stellt, mit dem er die erlösten Seelen aus der Liebe reißen und
dem Hasse überantworten will. Er ist keine Witzfigur, die Anlaß gibt zu
Scherz und Spott, er ist die unheimliche Verkörperung des Bösen
einfachhin, das Verderben in personaler Gestalt. Christus hat ihn ernst
genommen. Er hat sich mit ihm auseinandergesetzt, hat ihn in die
Schranken gewiesen und seiner Macht eine Grenze gezogen. Es gab und gibt
gottliebende Seelen, die seine Wirklichkeit erlebten und erleben. Würde
er sich aller Welt zu erkennen geben, dann wäre es mit seiner Macht gar
bald vorbei. Darum hält er sich aus Klugheit zurück. Mit bestem Erfolg
arbeitet er dort, wo man nicht an ihn glaubt, wo er lediglich als
harmloser Kinderschreck gilt. Der gefährlichste aller Feinde ist der
getarnte, der seine ahnungslosen Opfer mit Bedacht ins Verderben lockt.
Er bedient sich dazu unserer genialen,
bis zur Unvorstellbarkeit vervollkommneten Erfindungen, um uns darüber
hinwegzutäuschen, daß wir uns aus eigener Kraft niemals von dem Fluch
befreien können, der uns im Paradiese traf. Nur so ist es zu erklären,
warum der Mensch der jetzigen Generation inmitten seines märchenhaften
Besitzes und seiner greifbar gewordenen Wünsche unzufriedener ist als je
eine Generation vor ihm. Es hat sogar den Anschein, als würde die
Unzufriedenheit in dem Maße wachsen, in dem der Fortschritt gedeiht. Das
ist eine Tatsache, an der Gottes Widersacher seine Freude haben muß,
denn so treibt ein Keil den andern und die Schaufeln seiner Mühle stehen
niemals stille.
Hat je einmal zu einer Zeit der bewegten Menschheitsgeschichte ein derart klaffendes Mißverhältnis
bestanden zwischen christlicher Berufung und christlicher
Lebenshaltung, wie heute in diesem gottentfremdeten, bewußt gottlosen
Jahrhundert? Nie ist die unheimliche, geheimnisvoll zerstörerische Macht
des Bösen erschreckender zutage getreten als jetzt, da Satan sich als
der ausschließliche Machthaber fühlt und sich entsprechend gebärdet.
Eine Macht ist es, die von jedem einzelnen Menschen her, der wider Gott
ist, stündlich Verstärkung und Zustrom gewinnt.
Wahrlich war Satan der Fürst
dieser Welt. Christus hat ihn so genannt und wir haben ihn dazu gemacht,
wir Christen! Durch unseren unchristlichen Lebenswandel, durch unsere
unersättlichen Lebensgier, durch die katastrophale Unordnung unseres
Innenlebens, durch unseren diabolischen Hochmut, die Skrupellosigkeit,
mit der wir Gottes Gebote verletzen, durch die schändliche Verleugnung
Christi in allen Bezirken des menschlichen Daseins. Wir haben den Widersacher Gottes auf den Thron gehoben. Wir haben ihm das Szepter der Macht in die ruchlosen Hände gedrückt. Und nun wundern wir uns, daß die Dinge sind wie sie sind! Wir haben
ihn angebetet und beten ihn stündlich an. Er hat auf seine Weise Wort
gehalten: Er hat uns gegeben, was diese Welt zu geben hat und sieht mit
Wonne, wie wir im Materialismus ersticken. Unsere Seelen verhungern an
den Tischen unserer mehr als üppigen Mahlzeiten; unsere Herzen
verzweifeln inmitten der schalen Vergnügungen, mit denen eine habgierige
Vergnügungsindustrie unseren irregeleiteten Sinnen schmeichelt. Wir
wähnten, eine nie geahnte Fülle irdischer Herrlichkeit ausschöpfen zu
können, aber diese vermeintliche Herrlichkeit hat sich als fauler Zauber
erwiesen. Satan hat den reinen Quell unserer Brunnen vergiftet. Aber je
weiter wir uns von dem lebendigen Wasser entfernen, das Christus uns
reichen will, desto tiefer geraten wir hinein in Nacht und Wüste.
Das ist der Triumph Satans, der seine
Stunde kennt und sie nützt. Er weiß um die dunklen unterirdischen
Strömungen der Vererbung, um die trüben Fluten der Auflehnung und
Empörung gegen Gott, die seit Adams Zeiten aus unserem verdorbenen
Willen fließen; er weiß, daß der bis in die tiefste Tiefe seiner Seele
verwundete Mensch, auf sich allein gestellt, zugrunde gehen muß; daß er
der Übermacht des Bösen, das er in sich selbst vorfindet und das in
mannigfacher Gestalt von außen an ihn herantritt, niemals die Stirne zu
bieten vermag ohne Christus.
Auf Flaschen, die Gift enthalten, klebt
der Apotheker pflichtschuldig ein Warnschildchen mit Totenschädel und
gekreuzten Totenbeinen. Jeder versteht: In dieser Flasche lauert der
Tod! Vorsicht, laß die Finger davon, wenn dir dein Leben lieb ist!
Sollte man nicht das gleiche unmißverständliche Zeichen auf den
ungeordneten Besitz derer kleben, die sich Christen nennen? Auf die
Geldsäcke der Geizhälse und Wucherer, deren Gott "Gold" heißt; auf jedes
Gut, das durch Habsucht erworben wurde; auf jeden stolzen Eigenbesitz
an dem die Tränen Unglücklicher haften; auf allen überflüssigen Plunder,
mit dem wir Herz und Sinn belasten? Aber auch auf jedes Buch, jede
Zeitschrift, jede Illustrierte, jedes Kino, soweit sie systematisch
Seelenvergiftung betreiben aus schnöder, skrupelloser Gewinngier. Jeder
Besitz, wie konkret und realistisch er auch sein mag, ist gefährlicher
Scheinreichtum, wenn er unsere Beziehungen zum Geber aller guten Gaben
in Frage stellt. Seien wir daher auf der Hut, sorgen wir vor, sammeln
wir Schätze, die Dauerbestand haben, jene Schätze, von dem Christus
sagt, daß sie weder von Motten und Rost verzehrt, noch von Dieben
gestohlen werden. Sagen wir nicht, diese Überlegungen haben noch Zeit!
Wer von uns verfügt denn auch nur über einen einzigen Augenblick mit
Sicherheit? Wer weiß, ob nicht heute noch das nur leise geahnte
Geheimnis Gottes in seiner Fülle aufbrechen und in jenem Licht der
göttlichen Herrlichkeit stehen wird, die durch keine menschliche Bosheit
mehr verdunkelt und durch keine menschliche Ablehnung mehr verdrängt
werden kann, in dem alles und jegliches offenbar sein wird, das Gute und
das Böse, das Verborgenste und das Letzte, unser strafbares Versagen
als Christen, unsere verweltlichte Haltung!
Gott hat uns als seine Elite in die
vorderste Kampflinie gestellt, es geht um Rettung und Untergang, um
Leben und Tod. Wer kann da beiseite stehen oder die Wege der Welt gehen,
die Wege des Verderbens sind, oder schlafen statt wachen? Nur wenn wir
selber Christen sind im Sinne Christi, werden wir imstande sein, als
Verwandelte diese Welt zu verwandeln. Ein gedankenlos überkommenes,
lediglich aus Traditionsgründen praktiziertes, unpersönliches
Christentum sozusagen, wird der modernen Gottlosigkeit und dem
Massenansturm des Unglaubens nicht standzuhalten vermögen. Der Christ
unserer Zeit kann heute weniger denn je ein gedankenloser Mitläufer
sein, dem die christliche Berufung als unverbindliche Angelegenheit
erscheint. Er hat eine ausgesprochen Persönlichkeit zu sein, mit dem
realistischen Blick für die Verlorenheit und die Abwegigkeit, in die der
moderne Mensch durch seinen Dünkel geraten ist, und dem lebhaften
Bewußtsein um seine Verpflichtung, das Seinige zur Abhilfe beizutragen.
Gewiß wird diese Sorte Christen immer dünn gesät sein, eine "kleine
Herde" in der Tat.
Passen sich nicht viele von uns
gedankenlos den Lebensgewohnheiten der Diesseitsmenschen an, bloß um
nicht etwa aufzufallen? Zeige mir den unerschrockenen Christen, der den
Mut hat, bei jeder Gelegenheit seine Zugehörigkeit zu Christus zu
bekennen, ohne sich durch die Haltung der Gottlosen und der Unchristen
beirren zu lassen? Es sieht so aus, als wäre die Feigheit unter
uns zu einer epidemischen Krankheit geworden, als ließen wir uns
allmählich prägen von der Gottlosigkeit um uns herum und wir haben doch
den strengen Auftrag, Christum der Welt aufzuprägen. Heute gehört es
bereits zum guten Ton, nur von dieser Welt zu sein. Wie viele
von denen, die noch Christen heißen und es nicht mehr sind, glauben ohne
sich der Selbstverhöhnung bewußt zu sein, daß sie in der Tat Christen
seien und wären nicht wenig entrüstet, wollte man ihnen sagen, daß sie
Verräter des Christentums sind. Wie bitter, wenn auch von uns Heutigen
gelten sollte: "An den meisten von ihnen hatte Gott kein Wohlgefallen!"
Die Überbetonung des Unwesentlichen, rein
Irdischen, ohne jede Beziehung zum Überweltlichen, ist ein
charakteristischer Zug des Heidentums im allgemeinen und unseres Neuheidentums im besonderen.
Christentum,- was ist das?
Schlag die Bibel auf!
Du
hast doch ein? Was liest du da? Vielleicht hast du das Gefühl,
plötzlich in eine fremde Welt geraten zu sein, die nicht mehr deine Welt
ist. Da geht es um Begriffe, die kaum mehr in den Nachschlagewerken der
modernen Heidenchristen stehen: um Armut, Barmherzigkeit, Bekennermut,
Rücksichtnahme, Bescheidenheit, Buße, Sühne, um Dankbarkeit, Geduld,
Leiden und Schweigen, Frömmigkeit und Gottesfurcht, um Liebe, Klugheit,
Entsagung, Keuschheit, Selbstverleugnung, Wachsamkeit, Duldsamkeit,
Gastfreundschaft, um Gebote und Verbote und um den Glauben, immer wieder
um den Glauben. Und liebliche Dinge stehen vor uns auf, von den "Blumen
des Feldes" und von den "Vögeln des Himmels" ist die Rede,
Seligpreisungen entzücken unser Herz und ein neunmal Wehe läßt uns
erschauern. Und Menschen jeder Art begegnen uns da: Bettler und Könige,
Sünder und Heilige, Gesunde und Kranke, Dirnen und Wucherer, Beamte und
Angestellte, Gottsucher, gläubige Herzen und verstockte, dienende und
herrische Geister, kindliche und verwegene Seelen, Verräter und Spötter,
Streitende, Hadernde, Listige, Eifernde, Schachernde und Stille,
Schweigende, Besinnliche... Und der Weg führt durch Stadt und Land, auf
Bergesgipfel und hinab in die Täler, durch Seestürme und Wüstensand, an
Ährenfeldern und Zisternen vorbei, mitten hinein in den bunten Jahrmarkt
des Lebens, in das wogende Getriebe des Alltags mit seinen
Zufälligkeiten und Überraschungen. Und einer ist da, der Herr, Christus
Jesus; gebannt folgen wir seinen Schritten, hören sein Wort, bestaunen
seine Taten, fühlen uns angeblickt und angesprochen von ihm. Die Welt
hat plötzlich ein anderes Gesicht, der Wert der Dinge wird fraglich, das
Innere wendet sich um, hier will Neues ans Licht. Der breite bequeme
Weg wird plötzlich uninteressant. Eng wird der Pfad und steil führt er
hinauf zu jenen Höhen, auf denen die Stürme brausen. Entscheidungen
treten an dich heran. Es geht um ein klares Ja und um ein ebenso klares
Nein. Die Halbheit, das Schwanken zwischen zwei Polen hat aufgehört.
Hier ist Christentum am Werden!
Unter
anderem stoßen wir auf die nüchterne Feststellung Christi: "Ihr könnt
nicht Gott dienen und dem Mammon." Hier ist uns ein vollständiges
Programm an die Hand gegeben, hier sind zwei völlig unvereinbare
Seelenhaltungen aufgezeigt. Jeder Versuch einer Kompromißlösung scheidet
von vornherein aus. "Ihr könnt nicht!", ganz klar stehen die Worte da.
Nichts ist daran zu deuteln und zu rütteln, nichts abzuschwächen. Es
gibt nicht einmal ein: aber!, es gibt nur ein: entweder...oder.
Alles
und jegliches was wir nicht in Gott besitzen, was wir ohne Rücksicht
auf Gottes Gebote und
Verbote erstreben und erwerben, lediglich um es zu
haben.
Da
geht es nicht nur um den ungeordneten Besitz von Haus und Hof und um
die tausend konkreten Dinge des Lebens, es geht ebenso um die abstrakten
Werte, um Kunst, Wissenschaft, Literatur, um alle Erzeugnisse des
rastlos forschenden Menschengeistes. Wenn wir nur besitzen um des
Besitzes willen, eben weil uns der Hamstertrieb und die Habsucht dazu
treiben, wenn wir nur Schätze anhäufen, Güter erwerben und stapeln um
der Lust des Habens willen, dann sind wir Diener des Mammons und
untauglich für den Dienst Gottes.
Satan,
der Scharfsinnige, weiß um die Wahrheit des Wortes Christi. Er weiß
auch, wie leicht der Mensch der Verlockung des irdischen Besitzes
verfällt. Darum bietet er mit großartiger Geste die ganze Welt als
Geschenk an, obwohl sie ihm gar nicht gehört:
"All
dies will ich dir geben..." Alles, was dein Herz begehrt. Schön und
reich und beglückend ist meine Welt. Du sollst sie haben mit ihrer
ganzen Herrlichkeit. Von der kaum nennenswerten Bedingungen, die ich
daran knüpfe, wollen wir gar nicht reden. Dieses unbedeutende "wenn"
wird dich nicht sonderlich stören. Was ich verlange, wird dir nicht
wehtun, nicht mehr jedenfalls als die Abzahlungen, die du für deine
extravaganten Anschaffungen monatlich zu leisten hast. Was ist schon
dabei, wenn einer niederfällt und anbetet und dafür eine ganze Welt in
Empfang nehmen darf?
In
seiner überragenden Intelligenz hat er erkannt, daß jeder, der dem
Mammon verfallen ist, keinen Gedanken mehr haben wird für Gott, also
zwangsläufig in seinem Lager stehen und totsicher zugrunde
gehen wird. Wenn wir die Welt von heute betrachten, die vollständig
beherrscht wird von einer sinnlosen, sinnverwirrenden, unkontrollierten
Jagd nach dem Mammon in jeder Form, dann drängt sich der Schluß auf, daß
die große Mehrheit das Teufelsangebot angenommen und die gestellte
Bedingung erfüllt haben muß.
Dieses
Angebot ist um so verlockender und gefährlicher, als es sich dabei um
greifbare, verfügbare Habe handelt, während nicht ersichtlich ist, was
der Dienst für Gott einbringt. Kostbar, aber verborgen, nicht zu sehen,
nur zu ahnen ist das, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.
Gewiß
ist es nicht leicht, in einer unchristlichen und entchristlichten Welt
wahrhaft Christ zu sein. Frühere Generationen lebten inmitten einer
Gemeinschaft von gleichgesinnten Seelen, denen das religiöse Leben so
selbstverständlich war wie die Luft, die sie atmeten. Der einzelne wurde
sozusagen mitgetragen von den Wogen des Glaubens. Uns Heutige ist das
göttliche Element keine Selbstverständlichkeit mehr, wir sind wie
isoliert in einer fremden Welt und haben uns ganz bewußt gegen den
Einfluß einer völlig anders gesinnten Umgebung zu behaupten; denn wo
Gottes Gebot mißachtet und sittliche Bindungen gelockert werden, wo die
Ungebundenheit und Zügellosigkeit freie Bahn hat, greift das Heidentum
Platz und dringt ein in alle Gebiete des menschlichen Lebens und
Schaffens. Wie könnte da aus einem heidnischen Milieu ein anderer als
eben ein heidnischer Geist erstehen? So wird ein Kind, das nicht schon
in der Wiege den Geist Christi in sich aufnimmt, dem Ungeist der
Glaubenslosigkeit verfallen und notwendigerweise in einer von
Gleichgültigkeit, Haltlosigkeit und Sittenlosigkeit geprägten Welt zum
Heiden werden. Wehe den Müttern, Lehrern und Erziehern, die sich ihrer
ungeheuren Verantwortung nicht bewußt sind oder es nicht sein wollen!
Auf ihr Versagen ist der derzeitig katastrophale Mangel an Priester- und
Ordensberufen zurückzuführen. "Sammelt man etwa Trauben von Dornen oder
Feigen von Disteln?"
Es
gilt, sich bewußt gegen jede Art von Verweltlichung zu stemmen, der
Gleichgültigkeit, dem Abfall, dem organisierten Gotteshaß und der mit
Wort und Schrift propagierten Religionslosigkeit einen Bremsblock in die
Bahn zu werfen, den antichristlichen Mächten in heiligem Kampf
die christlichen Ideale entgegenzusetzen und sie in ihrer
Unverfälschtheit hochzuhalten und zu bewahren. Wären wir Christen im
Sinne Christi, dann würde die organisierte Gottlosigkeit an uns
abprallen wie Wogen, die gegen einen Felsen donnern. Der Antichrist und
seine Dämonie wären machtlos gegen das mit eiserner Konsequenz gelebte
Christentum. Daß wir in der Tat wahrhafte Christen wären! Unsere Welt
hätte ein wesentlich anderes Gesicht.
Was
nun heißt, ein Christ sein? Daß einer sich mit seinem ganzen Ich und
Sein der Sache Christi verschreibe. Aus ihm seine Gestalt gewinne, die
Gestalt des aus der urwüchsigen Naturhaftigkeit zu edlem Menschentum
Gewandelten, dem Christus die unverrückbare Mitte seines Lebens ist, der
er unverwandt zustrebt. Der Wache und Wachsame, der Christi Gestalt im
Auge und sein Wort im Ohr behält, der seinem Ruf folgt, wohin immer er
ihn auch entsendet. Dem die Not der Brüder und der hilflosen Kreatur in
die Seele schneidet, der froh ist in ihrer Freude und trauert in ihrer
Betrübnis. Der über und außer allem, was immer es auch sei, das eine,
einzige, allein notwendige Ziel verfolgt: Den Vater zu verherrlichen
dadurch, daß er vollbringt, was ihm aufgetragen ist. Der alles lassen
und verlassen kann, nur nicht ihn. Der die Dinge an den ihnen
gebührenden Platz verweist, ohne menschlichen Widerspruch zu scheuen.
Der als unentwegter, nicht einzuschüchternder Rufer auf seinem
vorgeschobenen Posten steht bis zu dem Augenblick, da ihm bedeutet wird:
Nun komm!
Man
gewinnt ungewollt immer wieder die Erkenntnis, daß der wahre Christ,
der die Dinge so ernst nimmt, wie sie es in der Tat sind, gar nicht
anders als unbeugsam sein kann. Nur wer die von Christus vorgelebte und
von ihm geforderte Unbestechlichkeit der Gesinnung in die Tat
umsetzt, ist Christ im Sinne Christi. "Das Wort ist hart, wer kann es
hören!" Gewiß ist es so, aber umbiegen werden wir nichts daran. Jedes
sogenannte Auch-Christentum, jede Scheinzugehörigkeit, jede Taktik, die
auf zwei Schultern trägt, hat keine Chance, die Anerkennung Christi zu
finden. Ohne Zweifel scheiden sich an diesem Punkt die Geister,
heute mehr denn je zuvor. Der wahre Christ, der letzte Konsequenzen
zieht ohne Rücksicht auf deren Folgen, gehört einer aussterbenden Rasse
an! Im Blickfeld Christi steht daher, nicht zuletzt aus diesem Grund,
"die kleine Herde". Er scheint mit der großen Masse gar nicht zu
rechnen.
Wie scharf hat Christus die Reaktion des Unglaubens
gesehen! Damit wir uns nicht etwa wundern oder gar irre werden, stellt
er uns die zu erwartende Ablehnung und Verfolgung als die normale
Gegenwirkung auf die christliche Konsequenz in Aussicht: "Haben sie mich
verfolgt, werden sie auch euch verfolgen!" Aber die Abwertung, die dem
Christen von seiten der "Welt" zuteil wird, ist wie ein Garantieschein
dafür, daß er auf dem richtigen Weg ist. "Selig, die um meines Namens
willen Verfolgung leiden! Ihrer ist das Himmelreich!"
Naturgemäß wird in den Augen dieser der Unkultur und der Raserei verfallenen Welt jeder zum Stein des Anstoßes, zum verdächtigen Außenseiter, zum mitleidig belächelten Narren, der Christus als die
Realität in sein Dasein stellt. "Wie kann man nur", sagen die anderen,
belustigt oder geringschätzend, zucken mit den Schultern und schütteln
den Kopf. "Man muß leben, - leben lassen ist schon nicht mehr so
wichtig! - Man muß mit der Zeit gehen. Werft das Überholte - und dazu
gehören vielfach die religiösen Bindungen - zum alten Eisen. Laßt uns
werkeln, genießen und fröhlich sein! Was will denn der
eigentlich?" Das ist eine typische heidnische Reaktion. Daß er nur das
will, was sie alle mit ganzer Kraft wollen sollten, das bleibt ihnen
verborgen. So kommt es, daß der Christ denen, die es nicht oder nicht
mehr sind, zum Ärgernis wird. Aber obwohl er in den Augen der Kinder
dieser Welt als lebensfern und wirklichkeitsfremd erscheint, steht
gerade er tiefer im Leben und fester in der Wirklichkeit als jene.
Der
Mensch, der ein Zweiwelten-Wesen ist und in beiden Welten auf
harmonische Weise zu Hause sein sollte, hat sich in unseren Tagen
ausschließlich der irdischen Welt verschrieben. Seine Erfindungen und
Erkenntnisse lassen ihm eben diese Welt als die allein begehrenswerte
erscheinen. Wenn er aber nur dem Greifbaren lebt und das Überweltliche
beiseite läßt, wird er zur Karikatur. Er fällt aus der Ordnung,
sein Eigentliches, sein Wesentliches verkommt. Innerer Widerspruch und
Zerrissenheit sind die natürliche Folge davon. Alle politischen,
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, familiären und individuellen
Katastrophen nehmen hier ihren Ausgang. Eine überzüchtete Kultur, die
nicht vom göttlichen Lebenstrom befruchtet wird, trägt den Todeskeim des
Verfalls unweigerlich in sich. Unsere Zeit in ihrer Dekadenz ist der
schlagende Beweis dafür.
"Selig
seid ihr!" Das ist eine Verheißung, die wie Musik klingt für ein
christliches Ohr. Trotz dieses trostvollen Wortes laufen wir Gefahr,
einer Versuchung des Seelenverderbers zu erliegen, der uns zur
Tatenlosigkeit veranlassen möchte. Er stellt uns die gegenwärtige
Weltlage in ihrer ganzen Hoffnungslosigkeit vor Augen. Wir sind berufen,
das Reich Gottes auszubreiten. Wie aber sollen wir die Unerreichbaren
erreichen, die abgewandert sind in die Gottesferne und in uferlosen
Meeren des Verderbens treiben; jene, die Tür und Tor gegen den Glauben
verrammelt haben? Wer list schon ein religiöses Buch, beschäftigt sich
mit Fragen des Glaubens? Wem hat das innerliche Leben noch etwas zu
bedeuten? Wer hört schon auf das gesprochene Wort? Es ist Prophetenlos,
Rufer in der Wüste zu sein, als fanatischer Narr belächelt zu werden von
den vermeintlich Weisen dieser Welt, als wunderlicher Überrest einer
verflossenen Zeit zu gelten, in der die andere Welt die vordringliche
gewesen.
Es
sieht in der Tat so aus, als stünden wir auf verlorenem Posten und die
Frage drängt sich auf: Kann man retten, was nicht mehr da ist? Dies aber
ist eine sehr irdische und sehr menschliche Art, das Reich Gottes und
seinen Werdegang zu betrachten. Freilich, wenn wir nur auf
sichtbare Erfolge hinarbeiten und zum Einsatz für Christus nur bereit
sind, wenn wir sehen, daß dabei etwas herauskommt, dann dürfen wir
getrost unser Bündel schnüren und im Lager der Gleichgültigen
verschwinden. Gewiß ist es für ein christusliebendes Herz überaus
schmerzlich, erleben zu müssen, wie das Heil, das der Herr allen
Menschen bringen wollte, von der großen Mehrheit abgelehnt wird. Dem
menschlichen Ehrgeiz läge ein Gottesreich im Sinne, das sich hinbreitet
vor unseren Augen in Glanz und Herrlichkeit vom Aufgang der Sonne bis zu
ihrem Niedergang, und das durch unsere Tüchtigkeit zu dem geworden ist,
was es ist. Statt dessen sehen wir es mehr und mehr dahinschwinden,
verdrängt vom gewaltig wachsenden Reich Satans, dem erfolgreichen
Organisator einer weltweiten Gottlosigkeit.
Halten
wir uns doch dagegen Christus und sein scheinbar erfolgloses Wirken vor
Augen, während er auf Erden weilte; wie er Tag um Tag landauf und
landab zog, predigte, heilte, tröstete, segnete. Wie er einzelne Seelen
zu gewinnen suchte und auch gewann. Die große, gaffende,
sensationslüsterne Menge gab es damals so gut wie heute. Sie hatte
keinen Anteil an ihm und seiner Botschaft. Er trug das Reich an sie
heran, obwohl er wußte, daß es vergebliche Mühe war; er schloß ihr die
Tore auf, damit sie eintreten könne in das Heil, obwohl er wußte, daß
sie nicht eintreten würde; er bot ihr das Glück einer ewigen Seligkeit
an, obwohl er wußte, daß sie kein Verlangen danach hatte. Tauben Ohres
wandte sie sich hinweg, die Botschaft ging vorbei. Ist es nicht genau so
geblieben in allen Jahrhunderten?
Wenn
die Masse schon nicht zu bekehren war durch den menschgewordenen
Gottessohn, der sichtbar erschienenen Güte, wenn er, der Allmächtige,
auf einen unüberwindlichen Widerstand stieß, abgelehnt und verfolgt
wurde bis in den Tod, dann darf es doch uns, seine Jünger, nicht
wundernehmen, wenn unsere Lebensarbeit aussieht wie ein einziger Mißerfolg!
Ob
sie übrigens wirklich so vergeblich ist, wie sie scheint? Irgendeine
Seele wird vielleicht hören, was wir zu künden haben; irgendeine wird
den Lockruf der Liebe vernehmen, den Christus durch uns weitergibt und
wird umkehren von ihren krummen Wegen und auf geraden Pfaden
weiterwandern. Und selbst wenn wir nicht einmal die Genugtuung
hätten, um eine einzige solche Seele zu wissen, dürften wir nicht mutlos
sein und die Sache Gottes verloren geben. Sind nicht schon in der Welt
der sichtbaren Dinge die unbedeutendsten Ursachen zuweilen Anlaß zu
ungeheuren Wirkungen, die keiner ahnen konnte?
Diese
Welt aber ist Gleichnis für jene. Gott, der selbst die ruchlosen Taten
eines Verbrechers einzubauen weiß in seine heilig hohen Pläne, weiß
auch, wozu der Massenabfall in unseren Tagen dienlich ist. Von uns wird
jene vollkommene Unterwerfung unter seinen Willen, unter seine
Zulassungen und unter die Rätsel seiner Führung gefordert, die uns
befähigt, unverdrossen das Unsrige zu tun und alles Weitere
vertrauensvoll der Allmacht anheimzustellen. Darum ist jeder Mangel an
Einsatzbereitschaft unsererseits Verrat an Christi heiliger
Sache. Selbst wenn der einzelne in der Tat nur die Stimme eines Rufenden
wäre, sein ganzes Leben lang, er müßte weiterrufen, solange Atem in ihm
ist. Selbst wenn die entchristlichte Welt um uns herum nur noch ein
einziges Sodoma, ein einziger Sündenpfuhl, eine einzige Lasterhöhle,
eine einzige Trutzburg Satans wäre, dürften wir nicht feige schweigen,
die Dinge treiben lassen, oder gar die Sache Christi verlorengeben. Mag
unserem kurzsichtigen Urteil gemäß auch alle Mühe vergeblich erscheinen,
für Gott geschieht nichts umsonst. Denken wir an das Wort, das dem
Wunder zu Kana unmittelbar voranging: "Meine Stunde ist noch nicht
gekommen." Daß sie kommen wird, steht außer allem Zweifel.
Leben
und arbeiten wir also so unbeschwert für das Reich Gottes, als ob wir
die glänzendsten Siege und die beglückendsten Erfolge zu verzeichnen
hätten. Diese Siege und Erfolge sind uns sicher, nur nicht für die Zeit, in der sie uns
wünschenswert erscheinen möchten. Vergessen wir auch nicht, daß eine
Welt, die Christus, das Haupt der Schöpfung, gekreuzigt hat,
notwendigerweise mitgekreizigt ist. Das Kreuzes-Geheimnis, das auf der
gesamten Schöpfung ruht und sich in mannigfacher Weise auswirkt - die Erfolgslosigkeit
gehört dazu -, hat uns alle in sich aufgenommen. Ob wir gewillt sind,
das Kreuz auf uns zu nehmen oder nicht, wir werden es auf jeden Fall
tragen müssen, betend oder fluchend.
Was wir vor allem brauchen, sind nimmermüde, durch keinen Fehlschlag zu erschütternde Mahner und Warner, mutige Streiter
Christi, die nicht aufhören, die Alarmglocke zu läuten, die
Katastrophensirenen heulen zu lassen, mit Posaunenstößen, wie jenen des
Jüngsten Gerichtes, die schlummernden Gewissen wachzurütteln, diesem
unseligen Rausch des Materialismus den Bremsblock der Wahrheit in die
Abwärtsbahn sicherer Höllenfahrt zu werfen. Es kann doch nicht sein, daß
diese Generation allen Ernstes und unwiderruflich dem Antichrist
verfallen soll.
Darum
darf es keinesfalls so weitergehen in dieser verdammenswerten
Gleichgültigkeit, in dieser krassen Verweltlichung, in dieser
wahnsinnigen Besitzgier, in diesem teuflischen Unglauben. Finden wir
nicht zuweilen auch unter jenen, die sich noch für Christen halten, eine
Interesselosigkeit, um nicht zu sagen Wurstigkeit? Gibt es keine
absoluten Christen mehr, denen der irdische Besitz als das gilt, was er
in Wahrheit ist: fremdes Gut, das sie zu verwalten haben; keine mehr,
die das Feuer, das Christus unserer Wachsamkeit anvertraute, als
Brandfackel hineinschleudern wollten in die ausgebrannten Herzen derer,
die im Gefolge Satans marschieren und nicht ahnen, daß sie des Teufels
sind; keine mehr, die mit Sturmesgewalt an den der Wahrheit
verschlossenen Toren rattern?
Wenn
wir die sogenannte Gesellschaft von heute unter die Lupe nehmen, was
sehen wir? Eine Verlogenheit, die zum Himmel schreit; Heuchelei,
Ausbeutung, Raub und Diebstahl, wohl getarnt hinter der Maske der
Höflichkeit und des Wohlwollens. Wahrlich, sie haben aus ihren Herzen Räuberhöhlen
und Mördergruben gemacht, sie haben das Heilige vor die Hunde geworfen
und nennen sich Christen. Und da wundern wir uns noch, daß sich
Gewitterwolken voll drohenden Unheils über unseren Häuptern
zusammenballen? Gott gibt den durch Christus erlösten Menschen nicht
auf! Er wird ihn zur Ordnung rufen. Wenn es soweit ist, dann laßt uns
bedenken, daß nun die Gerechtigkeit das Wort hat, nachdem wir seiner
Langmut gespottet haben! Keiner wird ihm entrinnen. "Gottes Arm reicht
weiter, als Menschen ahnen können", ein Wort von Adolf Kolping.
"Unser
Geschlecht ist ein schuldiges Geschlecht, in einem ganz großen Ausmaß
schuldig. Dies festzustellen ist schon wichtig. Aber es genügt nicht.
Diese Schuld muß überwunden werden, wir müssen von ihr loskommen, sonst
gehen wir unter... Dieses Geschlecht braucht Menschen, die für seine
Schuld vor Gott stehen." P. Alfred Delp, S.J. Er selbst war einer von
diesen. Er stand vor Gott.
Die
Welt kommt ohne Christus nicht zurecht. Ihn ausschalten heißt, die dem
gefallenen Menschen innewohnende Dämonie auf den Plan rufen und in
Betrieb setzen. Was dabei heraus kommt, erleben wir alle Tage. Ohne
Christus ist die Welt wie ein aufgelassener Friedhof voll zerfallener
Grabsteine, vermoderter Kreuze, verwitterter Inschriften, von Unkraut
überwuchert, eine Stätte der Trostlosigkeit und der Verlassenheit. Ohne
Christus kein Leben, nicht für den einzelnen, nicht für die Völker, ohne
Christus Gräber, nichts als Gräber.
In
der Kraft Christi aber würde diese Stätte des Todes zu einer Stätte des
Lebens werden. Die unendliche Barmherzigkeit seines Herzens könnte und
wollte eine neue verwandelte Erde schaffen, einen neuen verwandelten
Menschen, wenn uns bloß der Sinn danach stünde. Bei Is. 44,22 steht das
liebliche Wort geschrieben: "Ich wische wie ein Wölkchen deine
Missetaten aus und wie Nebel deine Sünden." Aus den Grabesgrüften des
erstorbenen Glaubens würde das wahre Leben emporsteigen in seiner
unsterblichen Herrlichkeit. Und da alle Weltkatastrophen aus dem
grausigen Abgrund des Unglaubens steigen, der die Menschennatur
vergiftet hat, würden sich die verworrenen Beziehungen der Völker
zueinander von selber schlichten, sobald sie sich zurückwenden wollten
zu Christus.
"Zu Dir, o Herr, erheben ich mein Angesicht!" Dies müßte das Morgengebet
unseres Volkes und aller Völker sein. Wie vieler Sünden und Torheiten
würden wir uns nicht schuldig machen, wie behütet unseres Weges gehen in
dem tröstlichen Bewußtsein, daß er unserem Blick liebend
begegnet und daß sein Auge der Vorsehung mit Zärtlichkeit auf uns ruht!
So aber gilt weiterhin das Wort des Psalmisten: "Finsternis bedecket die
Erde und Dunkel liegt über den Völkern."
Die
Prophezeiungen des greisen Simeon bei der Darstellung Jesu im Tempel zu
Jerusalem, erfüllt sich täglich von neuem und steht schicksalschwer
über der Welt von heute: "Dieser ist gesetzt zum Falle und zur Auferstehung...
Er ist ein Zeichen, dem man widersprechen wird." Aus diesem Widerspruch
gegen den Heilswillen Gottes wird in unabsehbarer Folge das Unheil in
seinen tausend Formen geboren, jene Bosheit, die nicht aufhört, das Böse
zu zeugen. Auch wir Christen sind vielen zum Falle und zur Auferstehung
gesetzt, entweder richten sie sich an uns auf oder sie zerschellen.
Soll
Christus seiner Welt nicht zum Falle, d. h. zum Untergang gereichen,
dann laßt uns Christen sein im Sinne Christi! Die Kommunisten glauben
mit ganzer Kraft daran, daß der Sieg des Sozialismus unfehlbar kommen
wird, ja daß er geradezu unvermeidlich ist. Glauben wir Christen mit
einer ähnlichen unzerstörbaren Zuversicht an die Erfüllung der uns
geoffenbarten Verheißungen und leben wir danach? Christi Sache kann nur
siegen und sie wird siegen. Daran ist nicht zu zweifeln, aber der Endsieg, den
Gott sich vorbereitet hat, ist kein Sieg in unserem Sinne und nach
unseren Begriffen. Dieser Sieg setzt einen totalen Untergang voraus.
Denken wir an das beängstigende Wort, das Christus angesichts des
strahlenden Tempels in Jerusalem zu seinen Jüngern sprach! Hinter dem
Schreckensbild, das er zeichnet, schaut er bereits ein zweites noch
grauenhafteres, den Untergang der Welt. Angst und Furcht beherrschen die
Bilder. Die Apokalypse entrollt grandiose Szenen, die so
schaudererregend sind, daß wir sie nur bebend betrachten können. Wie
Kulissen sind sie ineinander geschoben und des Grauens ist kein Ende.
Wir selbst stehen als Mitspieler des gewaltigsten aller Dramen auf der
Bühne des Lebens und keiner weiß, wie bald schon der Vorhang fallen
wird. Spielen wir unsere Rolle so, daß wir nicht zu jenen Unglücklichen
gehören, denen das Verdammungsurteil Christi gilt: "Ich aber sage euch:
Keiner von den Geladenen wird von meinem Mahle kosten!"
"Wächter, wie weit ist es schon in der Nacht?"
Eine bange, beklemmende Frage. Wer vermag sie zu beantworten? An uns
ist es, zu wachen ohne Unterlaß und unverzagt Ausschau zu halten nach
der Ankunft des Herrn. Einmal wird er wiederkommen. Vielleicht morgen
schon, vielleicht heute noch, in eben dieser Minute? Darum die
eindringliche Mahnung Christi: "Haltet euch bereit, denn der
Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht erwartet. Wie ein
Dieb wird er kommen des nachts..."
Haben wir Christen noch eine Antenne in unseren Seelen, um die Stimme dieser Botschaft aufzufangen?
(entnommen aus: Sind wir noch CHRISTEN? von Annette di Rocca, mit kirchlicher Druckerlaubnis, Regensburg, 20. April 1961)
Weiterführende Themen: