Otto Neururer
30. Mai
Machen wir uns dieser Macht der Gemeinschaft der Heiligen wieder bewusst!
Leben wir sie! Sie bitten für uns, rufen wir sie an!
Apostel, Glaubensbote in Indien (?), Märtyrer (?)
* 25. März 1882 in Piller bei Landeck in Österreich
† 30. Mai 1940 im KZ Buchenwald bei Weimar in Thüringen
Otto Neururer
Wer ist dieser
österreichische Landpfarrer, der als eher ängstlicher, sehr bescheidener und
zurückhaltender Mensch beschrieben wird und dem niemand Heldentaten zugetraut
hätte? Ist er zur Ehre der Altäre erhoben worden, weil er von den
Nationalsozialisten im Konzentrationslager ermordet wurde? So wie viele hundert
andere, die nicht selig gesprochen wurden? Allein im KZ Dachau starben von 2720
Priestern 1034 für ihre Berufung! Nein, es muss etwas ganz Herausragendes
gewesen sein: „Pfarrer Otto Neururer wird uns immer an die Heiligkeit der Ehe
erinnern, für die er ins Gefängnis ging, und an die Treue zum priesterlichen
Dienst, weswegen er ermordet wurde“, so Papst Johannes Paul II. Schauen wir, was
hinter diesen Worten verborgen ist!
Kurz
seine Vita: Am 25. März 1882 wird Otto als 12. Kind einer Kleinbauernfamilie in
der alten Mühle im Tiroler Dörfchen Piller geboren. Durch die Förderung seines
Pastors werden ihm eine höhere Schulbildung und der Weg zum Priesteramt
ermöglicht. Otto Neururer studiert am Vincentinum in Brixen Theologie. Während
des Studiums fühlt er sich zur Spiritualität des hl. Ignatius von Loyola
hingezogen, denkt an Missionsarbeit und möchte bei den Jesuiten eintreten. Der
Orden lehnt seine Aufnahme jedoch wegen seiner schwachen Gesundheit ab.
„Es geht gegen
den Glauben.“
1907 wird er zum
Diözesanpriester geweiht. Mit großem Engagement tritt Neururer in die
Pfarrseelsorge ein. Vom Juli 1907 bis zum Oktober 1932 führt ihn der lange
priesterliche Weg durch neun Seelsorgestellen, an denen er als Kooperator
(Kaplan) oder als Pfarrprovisor wirkt. Zeitweise arbeitet er auch als sehr
beliebter Katechet in Innsbruck. Im Juli 1932 wird er Pfarrer der
Mittelgebirgsgemeinde Götzens, wo er durch seine außergewöhnlich engagierte
Seelsorgearbeit auffällt.
Am 15. Dezember 1938
wird Neururer von der Gestapo in seinem Pfarrhaus verhaftet. Die Anklage wirft
ihm die „besonders hinterhältige Verhinderung einer deutschen Ehe“ vor. Neururer
dazu beim Verhör im Gestapogebäude in Innsbruck:
„Meine Herren!
Machen Sie keine Umschweife, es geht nicht so sehr gegen mich als gegen den Glauvon
ben
und die Kirche in unserem Land“.
Am 3. März 1939 wird er ins Konzentrationslager Dachau überstellt. Als er Ende
September 1939 ins KZ Buchenwald verlegt wird, wird er in der Liste der
prominenten Häftlinge mit der folgenden Bemerkung geführt:
„Katholischer
Priester, hartnäckiger und hinterlistiger Gegner der NSDAP.“
Ende Mai wird er in
den berüchtigten Todesbunker gesperrt. An den Füßen aufgehängt - die Füße wurden
mit Lammfellen umwickelt, um die Gewaltspuren zu verschleiern - stirbt er nach
stundenlangem Todeskampf am 30. Mai um 15 Uhr, gemäß der offiziellen
Todesmeldung an Herzschwäche. Die Beisetzung der Urne dieses ersten Priesters,
der in einem KZ umgebracht wurde, findet am 30. Juni
1940 in Götzens unter
der Leitung des apostolischen Provikars und späteren Märtyrers Carl Lampert
statt. 1983 wird in Innsbruck der Seligsprechungsprozess eröffnet, am 24.
November 1996 wird Pfarrer Otto Neururer in Rom selig gesprochen. Soweit in
Kürze seine Lebensgeschichte. Carl Lampert wurde am 13. November 2011 selig
gesprochen. Er ging während des NS - Regimes einen überaus schweren Leidensweg,
der mit seiner Hinrichtung am 13. November 1944 endete.
„Das ist eine
Irrlehre.“
Was sind nun die
Hintergründe für sein Martyrium?
Schon früh fällt in
seinem priesterlichen Wirken auf, dass er dem Nationalsozialismus mit großer
Skepsis gegenübersteht. 1932 notiert er:
„Es heißt jetzt:
gut ist, was dem deutschen Volk nützt, schlecht ist, was dem deutschen Volk
schadet. Damit wird deutsches Blut und deutsche Rasse an die Stelle Gottes
gesetzt, der allein die Norm für gut und schlecht ist und dem allein das
zusteht. Darum ist das eine Irrlehre.“
Doch wie Johannes Paul
II. in seiner oben zitierten Predigt andeutet, sind es zwei besondere
Situationen, in denen Pfarrer Neururer ein herausragendes Bekenntnis seiner
priesterlichen Verantwortung gibt. Beide Male sieht er sich in der Pflicht als
Verwalter und Beschützer der Sakramente, zugleich im tapferen Bewusstsein, sein
Leben aufs Spiel zu setzen! Wir wollen diese beiden Situationen genauer
betrachten.
Es gibt keine
größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.
Joh 15,13
Das erste ist sein
massives Einschreiten zur Verhinderung der Ehe einer jungen Frau mit einem
geschiedenen, aus der Kirche ausgetretenen, charakterlosen und fanatischen
SA-Mann. Die schlichte, recht einfältige Bauerntochter Liese aus seiner Pfarrei
wird schwanger von einem verheirateten Bauern, bei dem sie wohnt und arbeitet.
Um einen Skandal zu vermeiden und sie loszuwerden, verkuppelt er Liese an den
SA-Mann, der ebenfalls ein Verhältnis mit ihr hat. Weil dieser glaubt, sie sei
von ihm schwanger geworden, will er sie heiraten.
Die junge Liese - auf
zweifache Weise ein völlig überfordertes Opfer - sieht in der schnellen Heirat
einen Rettungsanker. Sie weiß nichts von der Vergangenheit des SA-Mannes und
auch nichts von seinem unzuverlässigen Charakter. Sie weiß auch nicht, dass die
von ihr erhoffte kirchliche Trauung allein schon wegen seiner Scheidung niemals
stattfinden kann. Durch Pfarrer Neururer aufgeklärt, zieht sie ihr
Heiratsversprechen zurück. Neururer muss seine Intervention mit der Verhaftung
bezahlen.
Entscheidend für ihn
ist der Schutz der Ehe als Sakrament. Obwohl Pf. Neururer weiß, dass seine
Intervention für ihn schwere Konsequenzen haben wird, muss er so handeln:
„Die
Schwierigkeiten, die ich daraus bekommen werde, will ich nicht auf andere
abwälzen. Es ist meine Pflicht.“
Die zweite Situation,
die den Schergen im KZ Buchenwald den Vorwand gibt, ihn umzubringen, obwohl von
Innsbruck aus ein Begnadigungsverfahren mit guten Chancen betrieben wird: Ein
junger Mithäftling, der als Kommunist aus der Kirche ausgetreten war, bittet ihn
um Hilfe; er wolle sich mit der Kirche versöhnen. Bis heute ist unklar, ob
dieser Mann ehrlichen Herzens priesterlichen Beistand gesucht oder eine Falle
gestellt hat. Otto Neururer erteilt dem jungen Mann, in der treuen Verpflichtung
auf seinen priesterlichen Dienst, dennoch den gewünschten Glaubensunterricht,
gibt ihm die Absolution und nimmt ihn wieder in die Kirche auf. Unmittelbar
darauf wird sein Wirken verraten und er in den Todesbunker gesperrt!
Vater, vergib
ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Lk 23,34
Der priesterlicher
Leidensgenosse Kanonikus Steinwender, der überlebte, beschreibt die Situation:
„Ein
Häftling war an ihn herangetreten mit der Bitte, mit der Kirche ausgesöhnt zu
werden oder wieder in die Kirche eintreten zu dürfen. Neururer war in Zweifel,
ob er die nötigen Vollmachten habe und wollte sich mit mir darüber beraten. Da
aber jeder Schutzhäftling im KZ in ständiger Todesgefahr schwebte, war darüber
kein vernünftiger Zweifel möglich. Ich machte den seeleneifrigen Kameraden noch
aufmerksam, ob er auch gewiss sei, mit wem er es zu tun habe, ob ihm nicht
irgendjemand eine Falle gelegt habe, um eine Unterstützung zu erhalten, oder
vielleicht noch Schlimmeres plane. Lächelnd schaute er mich mit seinen treuen
Augen an und sagte in seinem priesterlichen Eifer und in der Freude über einen
großen Erfolg priesterlichen Wirkens: ‘Ich bin mir ganz sicher.‘ Ich wünschte
ihm Glück und ahnte nicht, dass er mir zum letzten Mal die Hand gedrückt hatte“
(Leonhard Steinwender,
Christus im KZ, Salzburg 1946).
Die Systematik
des Bösen überwinden
Es gibt eine Menge
Zeugnisse von Mitbrüdern, die Pfarrer Neururer in der Gefangenschaft begegnet
sind und überlebt haben. Ihre persönliche Erfahrung hilft uns, diesen Menschen
tiefer zu verstehen; einen Menschen, der einerseits eher ängstlich wirkt,
andererseits aber konsequent bis in den Tod seiner Berufung folgt. Der
österreichische Pfarrer Rieser, der schon vor ihm in Dachau eingeliefert war,
erinnert sich:
„Als Neururer
kam, dachte ich mir, du armes kleines Pfarrerle, diese Hölle wirst du nicht
aushalten.“
Ganz ähnlich ist der
Eindruck des Münchner Priesters Alfred Berchtold:
„Wie ratlos
blickten seine guten und hellen Augen auf all das Elend und die Qual, auf all
die Bosheit und Gemeinheit, die ihm im Lager begegneten. Er konnte die
teuflische Bosheit nicht fassen, der er sich plötzlich ausgeliefert sah. Er
konnte es einfach nicht glauben, und wenn er es zehnmal selber erleben musste.
Er war so zutiefst von der Güte der Menschen überzeugt, dass er immer glaubte,
er müsse plötzlich aus diesem hässlichen, furchtbaren Traum erwachen. Immer
wieder sagte er mit einem ungläubigen kindlichen Staunen: ‘Ja, können die
Menschen so schlecht sein?’”
„Er hat ums immer
wieder Mut gemacht.“
Albert Hölzler war
Zeuge im Seligsprechungsprozess 1984. Er schlief neben Otto Neururer in
Buchenwald auf der Pritsche, bis dieser in den Todesbunker geholt wurde.
„Wo wir anderen
verzweifelt sind und Angst hatten, dass uns diese Unmenschen umbringen, hatte er
ungebrochenen Mut. Er war gehalten von seinem Glauben, hat andere noch
mitgerissen. Er hat mich so beeindruckt, dass ich der Meinung war: Das ist ein
Heiliger!
Neben ihm habe
ich mich wohlgefühlt, er hat alle aufgemuntert. Die Mithäftlinge haben ihn für
einen außergewöhnlichen Menschen gehalten. Auch die Kommunisten haben ihn
geschätzt. Die Fernstehenden hatten den Eindruck, dass er ein religiöser Mann
ist. Er hat alle aufgemuntert.
Er hat sich
allen Lagerschikanen gefügt, hat nie versucht auszukommen. Er hat alles aus
seinem gläubigen Geist her überwunden. Er hat uns immer wieder Mut gemacht und
uns getröstet. Dadurch, dass ich auf der Pritsche neben Otto war, habe ich mich
nicht mehr so richtig im Lager gefühlt.“
Bis zum bitteren Ende
kann Pfarrer Neururer die Systematik des Bösen nicht begreifen. Dass er immer
wieder zu Unrecht bestraft wird, das kann er nicht fassen. Er glaubt auch dann
noch an Missverständnisse. Er möchte stets das Gute vermuten. Zumindest soweit
es ihn selber betrifft, kann er das Dämonische des Nazi-Terrors nicht für wahr
halten. Der folgende Dialog zwischen Neururer und Pfarrer Berchtold zeigt uns
dies sehr deutlich.
Weil er mit letzter
Kraft geschuftet hatte, verlassen ihn die Kräfte gerade in dem Moment, als ein
Aufseher vorbei kommt: Neururer muss über Mittag ‚Strafe stehen‘ und bekommt
kein Essen. Er ist traurig. Aber ihn schreckt nicht die Strafe, sondern er steht
der Ungerechtigkeit fassungslos gegenüber. Berchtold fragt ihn:
„Otto? Glaubst
Du in Dachau an Gerechtigkeit? Der Kapo ist doch gekommen, um ein Opfer zu
suchen. Nun bist du eben eines geworden.“ „Du glaubst nicht, dass er meint, dass
ich faul bin?“
„Ob du faul oder
fleißig bist, ist ihm ganz egal. Wenn er zu einem Arbeitskommando kommt, will er
ein paar Opfer haben. Da wartet er so lange, bis einer auffällt. Dann ist er
befriedigt.“ „Geh, so schlecht kann ein Mensch doch gar nicht sein!“
Mit weltlichem Blick
möchte man annehmen, dass Neururer unter einem totalen, krankhaften
Realitätsverlust leidet, wenn er in der Hölle des Konzentrationslagers immer
noch an ‚das Gute‘ in seinen Peinigern glauben will. Doch wir dürfen tiefer
schauen. Der Theologe Jozef Niewiadomski, Professor an der Universität
Innsbruck, findet den Schlüssel für Neururers Einstellung ganz nahe zum bis in
den Tod am Kreuz gehetzten, unschuldig gepeinigten Jesus: Es ist die Liebe für
den Sünder!
„Vater, vergib
ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun…“
Ja, das Bemühen, bis
in sein Martyrium hinein als unerschütterlicher Seelsorger selbst im schlimmsten
Peiniger noch etwas Positives zu sehen, das ist eine ganz besondere Gnade
Gottes. Er schenkt Neururer diese grenzenlose Bereitschaft zur Versöhnung. Otto
Neururer, dieser so demütige Priester, erkennt wie Jesus auch im größten Sünder
noch ein Opfer der Verblendung. Das ist der tiefste Grund für seine Heiligkeit!
Zeugnis des Mithäftlings Albert Hölzler, Maurermeister i.R., im Jahr
1984:
Pfarrer Neururer hat nie geschimpft, er hat alles so genommen, wie es
gekommen ist. Ich konnte nie verstehen, dass er nie traurig oder unwillig
war. ... Er war ein kleiner, schmächtiger Mann, Haut und Beine, aber mutig,
wie ich es sonst bei keinem gesehen habe. Wo wir anderen verzweifelt sind
und Angst hatten, dass uns diese Unmenschen umbringen, hatte er
ungebrochenen Mut. ... Er war gehalten von seinem Glauben, hat andere noch
mitgerissen. Er hat mich so beeindruckt, dass ich der Meinung war, das ist
ein Heiliger. Neben ihm habe ich mich wohlgefühlt, er hat alle aufgemuntert.
Die Mithäftlinge haben ihn für einen außergewöhnlichen Menschen gehaten.
Auch die Kommunisten haben ihn geschätzt, die Fernstehenden hatten den
Eindruck, dass er ein religiöser Mann ist. ... Er hat sich allen
Lagerschikanen gefügt, hat nie versucht auszukommen. Er hat alles aus seinem
gläubigen Geist her überwunden ... Er hat uns immer wieder Mut gemacht und
uns getröstet. Dadurch, dass ich auf der Pritsche neben Otto war, habe ich
mich nicht mehr so richtig im Lager gefühlt.
Martyrium des seligen Otto Neururer
Das Lamm erlöste die Schafe.
Christus, ohne Schuld,
versöhnte die Sünder mit dem Vater.
Tod und Leben stritten im
unbegreiflichen Kampf,
wie nie einer war:
Der Fürst des Leben, der starb,
regiert als Lebendiger!
Sag uns, Maria:
Was hast du auf dem Wege gesehen?
„Ich sah das Grab Christi, der lebt,
und die Herrlichkeit des
Auferstandenen.
Ich sah die Engel, die mir Kunde
gaben; das Schweißtuch und die
Linnen.
Auferstanden ist Christus, meine
Hoffnung. Er geht euch nach Galiläa
voran.“
Wir wissen:
Christus ist wahrhaft von den Toten
erstanden. Du Sieger, König,
erbarme dich unser.
Amen. Halleluja!
Aus
der Ostersequzenz
Ihr
Heiligen Gottes
Bittet für uns!
Amen.
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