Was wissen wir über
den historischen Hubertus?
Am 13. Mai 706 taucht ein gewisser Chuchobertus episcopus in der
Zeugenliste einer Schenkungsurkunde Pippins d. M. und seiner Frau
Plektrud für die Abtei Echternach auf. Dieser Bischof Chuchobertus ist
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der nachmalige heilige
Hubertus.
Aufhorchen lässt die Stellung des Namens in der Zeugenliste, der als
vierter nach den Namen des Stifterehepaares und dessen Sohn Drogo
rangiert. Daraus wird man schließen dürfen, dass Bischof Hubertus in
einem besonderen Verhältnis zu Pippin und Plektrud gestanden haben
muss. Plektruds Schwester Bertrada d. Ä. war Mutter des Grafen
Charibert von Laon, ihre Enkelin Bertrada d. J. war die Mutter Karls
des Großen.
Pippin d.M. konnte durch seine Heirat mit Plektrud eine starke
Stellung im Gebiet zwischen Mosel, Rhein und Maas gewinnen. Diese
Tatsache trug wesentlich zum Aufstieg der Arnulfinger bei. Pippin
selbst war ein Enkel Arnulfs von Metz. Nach dem Tode Pippins d. M. am
16. Dezember 714 übernahm Karl, dem man später den Beinamen "Martell"
(Hammer) gab, die Macht und die Führung des arnulfingischen Hauses. Er
war Vater Pippins d. J. und Großvater Karls des Großen.
Schon diese wenigen Namen und genealogischen Verbindungen zeigen, dass
Bischof Hubertus in enger verwandtschaftlicher Beziehung zur höchsten
Reichsaristokratie gestanden haben muss, deren Mitglieder sich
bleibende Verdienste um die Christianisierung des Landes und den
Landesausbau erworben haben. Wir sehen ihn in enger Verbindung mit den
Karolingern.
Das Geburtsjahr des Hubertus,
um 655, kann nur erschlossen werden. Er folgt zwischen 703 und 705
seinem Lehrer, dem heiligen Lambertus, nach dessen Ermordung auf den
Bischofsstuhl von Tongern und Maastricht. Wahrscheinlich im Jahre 718
übertrug Hubertus die Gebeine seines Vorgängers, die bisher in
Maastricht geruht hatten, nach Lüttich, den Ort seines Martyriums.
Dort ließ der neue Bischof eine Kirche zu Ehren des hl. Lambertus und
eine zu Ehren des hl. Petrus errichten. Um diese Zeit verlegte er
seinen eigenen bischöflichen Sitz von Maastricht nach Lüttich.
Seine Sorge galt der Mission und der Festigung der kirchlichen
Strukturen in seiner Diözese, vor allem im Raum der Ardennen und in
Brabant. Dies konnte gewiss nur im Zusammenwirken mit den politischen
Kräften und den großen Familien der Zeit gelingen.
Dem Bericht seines ersten Biographen zufolge starb Hubertus am 30. Mai
727 auf einer Reise in Tervueren und wurde in der Lütticher St.
Petrus-Kirche beigesetzt.
Seine kirchenpolitische Bedeutung, in Verbindung mit der
verwandtschaftlichen Beziehung zum karolingischen Herrscherhaus, führt
zur "Erhebung" seiner Gebeine am 3. November 743 in Gegenwart des
Hausmeiers Karlmann, des Sohnes von Karl Martell. Damit war nach
damaliger Auffassung die Heiligsprechung vollzogen. Als Festtag des
heiligen Hubertus gilt allgemein der 3. November, der Tag seiner
Elevation.
Altveus, Abt des Klosters Andage (Andain, Andagium, Andainum) in den
Ardennen, erbat 822 vom Bischof Walcaud von Lüttich die Erlaubnis, in
seiner Abteikirche die Reliquien des hl. Hubertus unterzubringen, um
das geistige Prestige von Andage zu heben und der Abtei Einkünfte aus
Wallfahrten und Zuwendungen zu ermöglichen. Gleichzeitig wurde damit
der Einfluss des Bischofs in einer Randzone der Diözese vergrößert.
Am 21. September 824 wurden die Gebeine in Lüttich nochmals erhoben
und kamen am 30. Mai 825 in der Benediktinerabtei Andage an, der man
bald den Namen des Heiligen gab, Saint Hubert.
Abtei St. Hubert
Abb.: Gesamtansicht der Abtei St .Hubert nach einer Zeichnung um 1650.
Das Rätsel um die
Gebeine des Heiligen
Nach der Elevation in Lüttich und der Translation nach Andagium ruhten
sie seit dem 13. Jahrhundert in einem silbervergoldeten
Reliquienschrein, der, mit kostbaren Edelsteinen besetzt, mitten in
der Abteikirche von Saint Hubert auf einem Kreuzaltar stand.
Im Laufe der Jahrhunderte hörten die Mönche nicht auf zu behaupten,
dass sie den ganzen Körper des Heiligen in ihrem Schrein bewahrten.
Noch 1515 sollen die Gebeine unversehrt gewesen sein, wie aus einem
Schreiben der Mönche an Papst Leo X. hervorgeht, obwohl schon im 15.
Jahrhundert andere Kirchen behaupteten, ebenfalls Reliquien des
Heiligen zu besitzen.Hochaltar der Abteikirche
Nachdem 1525 der kostbare Schrein einen Klosterbrand gut überstanden
hatte, soll er 1568 von herumstreifenden Hugenotten versteckt worden
sein, wahrscheinlich in den Mauern der Kirche. Die Hugenotten
entfachten damals einen Brand in der Abtei, und es ist anzunehmen,
dass die Gebeine des hl. Hubertus dabei auch Schaden nahmen; denn zwei
Jahre später wurde der wertvolle Schrein des Bischofs vom damaligen
Abt verkauft. Vielleicht sah man ihn zur Aufbewahrung der Überreste
des Heiligen als zu groß an.
Durch Zufall soll 1618 bei Reparaturen an der Kirchenfassade die
damalige Begräbnisstätte des Heiligen wiederentdeckt und eine letzte
Veränderung der Lage des Leichnams vorgenommen worden sein. Aber auch
jetzt erfolgte keine genaue Prüfung des Zustandes der Reliquien, was
möglicherweise darauf hinweist, dass sie, wenn überhaupt zu Hubertus
gehörend, nicht mehr unversehrt waren. Auch erging seitdem keine
Bestätigung der Ungeteiltheit des Leichnams mehr. Allgemein wird
angenommen, dass sie sich noch innerhalb der Mauern der ehemaligen
Abteikirche befinden.
Nach anderer Auffassung soll 1796 im Schloss Heltorf, Kreis
Düsseldorf, ein Augustiner-Chorherr auf der Durchfahrt einen Sarg
abgestellt und diesen am nächsten Tag und auch später nicht abgeholt
haben. Zum Inhalt des Sarges soll er keine Aussage gemacht haben.
Größe und Ausführung des Sarges ließen die Vermutung aufkommen, dass
er aus dem Kloster Saint Hubert in den Ardennen stamme und die Gebeine
des heiligen Hubertus beherberge.
Admiral Graf v. Spee, Mitglied der Familie des Schlossbesitzers,
veranlasste 1910 eine Untersuchung des Leichnams bei der Universität
Köln, ohne dass der sichere Nachweis geführt werden konnte, dass es
sich tatsächlich um die Gebeine von St. Hubertus handelt. Der Onkel
des jetzigen Schlossherrn, Wilderich Graf v. Spee, der von 1887 bis
1967 lebte, veranlasste, dass der Sarg in einen Nebenraum der
Schlosskapelle verbracht wurde. Dort befindet er sich in einer
schlichten Ummauerung, die ein schmiedeeisernes Gitter mit der
Inschrift "INCOGNITI CORPUS" trägt.
Eine dritte Vermutung über den Verbleib der Gebeine des Heiligen geht
dahin, dass in napoleonischer Zeit der letzte Abt von Saint Hubert den
Leichnam an einen unbekannten Ort verbringen ließ und darüber
verstarb.
Wie konnte das kleine Kloster zum Wallfahrtsort aufsteigen?
Durch die Translation der Gebeine des heiligen Hubertus nach Andagium
war der Grundstein gelegt für den Aufstieg des eher unbedeutenden
Ardennenklosters. Der wirtschaftlich noch ungesicherten Abtei musste
zu Beginn der Hubertusverehrung eine Perspektive geschaffen werden,
die ihre Existenz auf lange Zeit garantierte. Hier war mit dem
Benediktinerorden ein starker Kultträger vorhanden, der sich die
Verehrung von Heiligen besonders angelegen sein ließ.
Die Mönche werden alles getan haben, die Entwicklung des kirchlichen
Kultes um ihren Patron zu fördern und zum Wohle ihres Wallfahrtsortes
zu nutzen. Schon das Interesse Ludwigs des Frommen (3. Sohn Karls d.
Gr., 814-840) an der Abtei war lebhaft. Er machte ihr kostbare
Geschenke.Prunkgrab des Hubertus
Später waren es vor allem die französischen Könige, die dem Kloster
Saint-Hubert Zuwendungen machten, wobei politische Motive sicherlich
keine unwesentliche Rolle spielten. Nach einer Legendenfassung aus der
2. Hälfte des 12. Jahrhunderts (Vita tertia) stammt Hubertus aus
aquitanischem Adelsgeschlecht. Das war Anlass für das französische
Königshaus, Hubertus in ihre Ahnenreihe aufzunehmen.
Abb.: Prunkgrab des hl. Hubertus, 1847-1848 gestiftet von König Leopold I., Abteikirche St. Hubert
Von der Benediktinerabtei aus verbreitet sich der Kult des Heiligen
seit dem 9. Jahrhundert in Belgien, Holland, Luxemburg und
Westdeutschland. Wesentlichen Anteil an dessen Förderung hat die
Ausgestaltung der Lebensgeschichte des großen Kirchenfürsten der
Merowingerzeit mit ereignisreichen Zügen.
In der Vita prima mischen sich erstmals Fakten und Legenden.
Um das Jahr 743, wahrscheinlich aus Anlass der Erhebung der Gebeine,
schrieb ein anonymer Mönch, der in den letzten 15 Monaten vor dem Tode
des Hubertus in dessen Umgebung weilte, die Vita prima sancti Huberti.
Er berichtet - in stereotypen Redewendungen zwar, die der ganzen Vita
eigen sind - von den Tugenden und Verdiensten des Heiligen.
Die Jugend und die erste Zeit des Episkopats seines Vorbildes übergeht
der Schreiber, weil er anscheinend wenig oder nichts darüber zu sagen
weiß. Lediglich von der Missionstätigkeit des Bischofs kann er
berichten und von der Translation der Gebeine des hl. Lambertus nach
Lüttich.
So war schon der Autor dieser frühen Biographie des heiligen Hubertus
gezwungen, sich von einem Vorbild inspirieren zu lassen und, kaum 20
Jahre nach dem Tode des Bischofs, dessen Leben legendär zu gestalten.
Er gibt im Grunde banale alltägliche Wunderberichte, die jedem anderen
Heiligen auch zugeschrieben werden könnten.
Die Textkritik hat gezeigt, dass ein guter Teil dieser Vita Huberti
der Vita des hl. Arnulf von Metz entnommen ist, die im 7. Jahrhundert
geschrieben wurde. Der Biograph scheint sich auch der frühen Vita des
hl. Lambertus und der Vita des hl. Hieronymus bedient zu haben.
Der erste Biograph spricht auch von einem "egregius filius
Floribertus" des Heiligen. Es herrscht unter den Forschern Uneinigkeit
darüber, ob er ein leiblicher Sohn des Heiligen war oder das Wort "filius"
im Sinne von Adoptivsohn oder geistigem Sohn gebraucht ist.
Überarbeitung und Ergänzungen in der Vita secunda.
Mit der Vita prima ist die Vita secunda sancti Huberti im Grunde
identisch. Diese zweite Aufzeichnung erfolgte 825 durch Bischof Jonas
von Orleans. Anlass dazu war die im gleichen Jahre erfolgte
Überführung der Gebeine des Heiligen in das Ardennenkloster. Er
überarbeitete die in einem barbarischen Latein geschriebene
ursprüngliche Fassung, ebnete ihre stilistischen Rauheiten und fügte
einen neuen Abschnitt über die Translation von 825 hinzu.
In den frühen Viten sind also noch keine Spuren der Dinge zu finden,
die den Heiligen bis heute charakterisieren. Völlig legendäre Züge
nehmen in der Folgezeit das Heiligenleben in Besitz.
Dechant Anselmus verfasst eine Chronik des Domes St. Lambertus.
Um 1052 - 1256, zeitlich zwischen der Aufzeichnung der Vita II und der
Vita III, schrieb Anselmus, Domherr und Dechant an St. Lambert in
Lüttich, eine Chronik, in der er auch von Hubertus spricht. Er bringt
allerdings nichts wesentlich Neues, sondern schöpft aus der Vita II
und charakterisiert im Laufe des Abschnitts, den er dem Heiligen
widmet, mit eifrigen Worten die große Rolle desselben als Bischof von
Lüttich.
Von den Wundern des hl. Hubertus in der 1. Mirakelsammlung
Es existieren zwei alte Berichtsammlungen über Wunder (Mirakel), die
dem hl. Hubertus nach seinem Tode zugeschrieben wurden. Diese sind
eine wertvolle Quelle für die historische Entwicklung des
Hubertuskults und seiner Wallfahrt, geben aber auch interessante
Hinweise auf wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge.
Die erste (Miracolorum sancti Huberti post mortem) ist summarisch und
altertümlich verfasst. Sie wurde um 850 von einem Mönch des Klosters
geschrieben und enthält in 8 Kapiteln verschiedene Heilungen, die
unter Anrufung des hl. Hubertus erfolgten. Es findet sich jedoch keine
darunter, die von der Heilung eines Tollwutkranken berichtet oder auf
ein Jagd- oder Tollwutpatronat hinweisen könnte.
Erste Tollwutheilungen in der 2. Mirakelsammlung
Die zweite Sammlung der Hubertuswunder entstammt dem Ende des 11.
Jahrhunderts und wurde von einem Mönch des Klosters, Lambert dem
Jüngeren, verfasst. 29 Wunder wurden dem hl. Hubertus zugeschrieben
und ereigneten sich im Kloster oder mit seinen Mönchen. Neben der
Heilung von Blinden, Lahmen und anderen Kranken finden sich hierin zum
ersten Male Tollwutheilungen. Eine Stola wurde als Mittel zur Heilung
verwandt.Mönch stolt einen Pilger
Unter den 29 Wundern der zweiten Mirakelsammlung werden die ersten 19
ins 9. und 10. Jahrhundert datiert, die übrigen 10 ins 11.
Jahrhundert. In diesen Wundern zur Tollwutheilung ist von
"Einschneidungen" die Rede, die bei vier Personen durchgeführt wurden.
Aus diesen Texten kann geschlossen werden, dass die vier
Einschneidungen, von denen in der zweiten Mirakelsammlung berichtet
wird, nicht die einzigen waren. Vielmehr muss das "Stolen" frühestens
nach 850, spätestens Ende des 11. Jahrhunderts schon etwas durchaus
Gebräuchliches gewesen sein, denn sonst hätte sich der Verfasser
ausführlicher mit ihm befasst.
Abb.: Ein Mönch "stolt" einen
Pilger, Miniatur aus einem Zyklus von 8 Bildern einer Handschrift der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Bibliothéque Nationale de France,
Paris.
Mit Hilfe eines Messers machte der Priester dem Patienten einen
leichten, ungefähr 2 Zentimeter langen waagerechten Schnitt auf der
Stirn, der sich blutig abzeichnete. Dann hob der Geistliche mit einer
Pinzette die Haut hoch und führte ein winzig kleines Fädchen von der
Stola des hl. Hubertus in die Öffnung ein. Sofort danach bedeckte er
die Wunde mit einem schwarzen Band, das er dem Behandelten um den Kopf
wand und welches dieser dann neun Tage lang tragen musste. In dieser
Zeit musste der "Geschnittene" oder "Gestolte" eine neuntägige
Andachtsübung genau befolgen.
In der zweiten Sammlung können nicht nur Bezüge auf das
Tollwutpatronat, sondern auch auf das Jagdpatronat festgestellt
werden. Im 15. Bericht - auch von ihm wird angenommen, dass aus dem 9.
oder 10. Jahrhundert stammt - heißt es: "Denn es war von alters her
üblich, unter den Vornehmen der ganzen Ardennen, die ganzen
Jahreszeiten hindurch, die Erstlinge und den Zehnten jeden Wildes dem
heiligen Hubertus abzulosen, weil der Heilige dieser Übung oblegen
hatte, bevor er das weltliche Gewand gewechselt hatte". Somit gaben
die Jäger wahrscheinlich schon vor dem 11. Jahrhundert dem heiligen
Hubertus ihre Gaben.
Vom Jagdpatronat im Cantatorium
Derselbe Mönch, der die zweite Sammlung der Wunder zusammenstellte,
schrieb auch eine Chronik der Abtei Saint-Hubert, die "Cantatorium"
genannt wird. Dieser Text wurde wahrscheinlich im Laufe des Jahres
1106 abgeschlossen. Er ist demnach vermutlich jünger als die zweite
Mirakelsammlung.
Das Cantatorium berichtet lebendig von Ereignissen, die im Kloster vor
sich gingen, und erzählt weiterhin von den Sitten und Gebräuchen
seiner Mönche, von ihren Beziehungen zur Umwelt und dergleichen mehr.
Verschiedene Abschnitte zeigen auch klar, dass die Großen des Landes
den heiligen Hubertus besonders verehrten. Auch im Cantatorium wird
von der besonderen Macht des hl. Hubertus beim Schutz vor der Tollwut
gesprochen und mitgeteilt, welcher Brauch dabei üblich war.
Der Weg der Jäger, die in früher Zeit in der Umgebung von Saint-Hubert
jagten, hat sie sicherlich auch in das Kloster geführt. So erwähnt der
Schreiber des Cantatoriums, dass Graf Adalbert von Namur sich manchmal
mit seiner Gattin Ida zur Verehrung des hl. Hubertus im Kloster
einfand, wenn er aus Jagdliebe in den Ardennen weilte. War man erst
einmal Gast an einem kirchlich geweihten Ort, so versäumte man es
nicht, auch dem Schützer der klösterlichen Gemeinschaft seine
Aufwartung zu machen. Bei einer derartigen Haltung lag es nahe, dass
die Edlen des Landes, die in jener Zeit die eigentlichen
Repräsentanten der Jagd waren, Teile ihrer Jagdbeute der Abtei
abließen.
Von der Herkunft des Heiligen in der Vita tertia
Die Vita tertia sancti Huberti entstand in der zweiten Hälfte des 12.
Jahrhunderts. Sie ist ein Auszug aus der Vita des hl. Lambertus, die
um 1143-47 von dem Lütticher Domherrn Nikolaus geschrieben wurde. Die
Textkritik hat gezeigt, dass auch die später zu behandelnden Viten IV
und V aus der Vita Lamberti abgeleitet wurden. Die Wirkung der
Erzählungen verstärkt sich dadurch, dass die Lebensgeschichte von Vita
III über Vita IV und Vita V mehr und mehr mit Wunderberichten und
heiltätigen Gegenständen angereichert wird.
Nikolaus ist der erste, der den Übergang vollzieht vom Nebeneinander
von Lebensbeschreibung und Legende in den ersten beiden Viten, indem
er von nun an übernatürliche Geschehnisse mit dem irdischen Leben der
heiligen Gestalt verbindet. 400 Jahre nach dem Ableben des hl.
Hubertus will er die Lücke um Vaterland und Herkunft des hl. Hubertus
schließen. Unter anderem stellt er die Herkunft des Heiligen aus
adeliger Familie dar und berichtet von der Reise des Bischofs zum
Papst nach Rom.
Nach Kapitel XII der Vita Lamberti war Hubertus in Aquitanien
(südlicher Teil des Frankenreiches) geboren und Pfalzgraf des Königs
Theodoricus III. von Neustrien (mittlerer Teil des Frankenreiches).
Hier knüpft auch das französische Königshaus seine familiäre Beziehung
zu Hubertus an.
Da er sich mit dem Hausmeier Ebroin überworfen hatte, ging er in
Begleitung von Ode d`Amay, der Witwe des Herzogs Boggis von
Aquitanien, von Neustrien nach Austrasien (nördlicher Teil des
Frankenreiches). Während Ode ihre Habe verteilte und der Welt
entsagte, wurde Hubertus Schüler des Bischofs Lambertus. Er begab sich
nach Rom, um am Grab des Märtyrers Paulus zu beten (mit dem Schwert
hingerichtet wahrscheinlich bei der großen neronischen Verfolgung
64-67). Es wird berichtet von der Vision des Papstes Sergius, die ihm
den Tod des hl. Lambertus anzeigt und von der Begegnung zwischen Papst
und dem Pilger Hubertus.
Die Beziehung zwischen Ode und Hubertus ist nicht historisch. Nach den
Befunden ist sie zu dieser Zeit bereits tot. Auch die aquitanische
Herkunft ist nicht erwiesen.
Mit der Vita III beginnt die Legende des hl. Hubertus ihr Eigenleben.
Ihre Gestaltung ist so, dass die einzelnen Züge des Lebensablaufes
jetzt kausal voneinander abhängig erscheinen. Wäre Bischof Hubertus
nicht mit Ode nach Austrasien gegangen, so wäre er nicht in Berührung
mit Lambertus gekommen. Hätte er nicht Lambertus kennen gelernt, so
wäre er wohl kaum nach Rom gefahren. Wenn er aber nicht zu dem
Zeitpunkt des Martyriums seines Lehrers in der hl. Stadt gewesen wäre,
so hätte ihn der Papst nicht zum Nachfolger des Bischof einsetzen
können.
Auf diese Weise ist es kaum noch möglich, die einzelnen Bestandteile
der Legende voneinander zu trennen. In der weiteren Entfaltung der
Hubertuslegende verwachsen nun die einzelnen Motive immer stärker
miteinander.
Die Vita quarta erwähnt erstmals Hirsch, Stola und Schlüssel.
Auch die Vita quarta sancti Huberti ging aus der Vita Lamberti hervor.
Nachdem schon im 12. Jahrhundert das Leben des Heiligen zu einem
kleinen Roman geworden war, erhält die Legende im 15. Jahrhundert ihre
stärkste Bereicherung. Zum ersten Male wird die Bekehrung durch den
kreuztragenden Hirsch erwähnt:
Hubertus ist Pfalzgraf bei Theodoricus III. in Neustrien. An einem
hohen Feiertag geht er, anstatt in die Kirche, - "den Nichtigkeiten
der Welt ergeben" - auf die Jagd. Es erscheint ihm ein Hirsch, der
zwischen seinem Geweih das Zeichen des heiligen Kreuzes trägt. Er hört
eine Stimme, die ihm sagt, "wenn Du Dich nicht zum Herrn bekennst in
einem heiligmäßigen Leben, wirst Du schneller in die Hölle
hinabsteigen." Er gibt das Jagen auf und verlässt Frau und Kind.
Daraufhin begibt sich Hubertus nach Austrasien. Als Schüler des
heiligen Lambertus erwirbt er höchste Gottesfurcht. In Rom denkt er
seine Tugenden zu vervollkommnen.
Der Bericht in der Vita III von der Vision des Papstes Sergius, die
diesem den Tod des hl. Lambert anzeigt und der von der Begegnung
zwischen Papst und Pilger ist in der Vita IV durch weitere Ergänzungen
vermehrt.Stola des Hubertus
Als Hubertus in die Peterskirche kommt, spricht ihn der Papst mit
seinen Namen an. Der Heilige Vater führt ihn vor den Apostelaltar,
verkündet ihm den Tod seines Herrn und ernennt ihn zum Nachfolger
seines Lehrers als Bischof von Tongern-Maastricht. Hubertus lehnt aus
Bescheidenheit und Demut ab. Das Eingreifen Gottes führt jedoch zur
Sinnesänderung. Engel bringen die priesterlichen Gewänder des heiligen
Lambertus nach Rom. Jedoch fehlte die Stola. Im Auftrag der
Gottesmutter überreicht ein Engel die Stola. Während der Bischofsweihe
in Sankt Peter erscheint der Apostelfürst selbst und überreicht ihm
einen goldenen Schlüssel. Unterdessen wird in Maastricht der tote
Bischof zu Grabe getragen. Dabei ertönt eine Stimme, die verkündet,
dass die Wahl zum Nachfolger des Verstorbenen auf Hubertus gefallen
ist. Dieser verlässt die heilige Stadt mit Stola und Schlüssel und
wird mit Glanz in seiner Heimat empfangen.
> zur Stola
Die Stola wurde wahrscheinlich bei der Translation und der dabei
erfolgten Öffnung des Schreins im Jahre 825 entnommen. Sie gilt seit
Jahrhunderten als die eigentliche Reliquie des Heiligen und nimmt in
seiner Verehrung seit je einen größeren Raum ein als die Gebeine des
Bischofs. Sie und die aus ihr gezogenen Goldfäden dienen zur
Tollwutheilung. Der Gebrauch der Stola war dabei nur auf Menschen
beschränkt - hätte man sie auch zum Schutze und zur Heilung von Tieren
angewandt, wäre das sicherlich eine Profanierung gewesen.
Abb.: Stola des hl. Hubertus aus Acta Sanctorum Novembris I pag.
868/69.
Die frühesten Nachrichten über
diesen Gegenstand liegen im 14. Wunder (aus dem 9./10. Jahrhundert)
der 2. Mirakelsammlung vor: "... nachdem Gold von der Stola in das
Haupt des Gefährdeten nach Brauch eingesetzt und ihm gesagt worden
war, wie er sich zu verhalten habe." Hier ist nur vom Brauch des
Einschneidens, nicht von den anderen damit verbundenen Übungen die
Rede.
Auch der Autor des Cantatoriums, Ende des 11. Jahrhunderts, spricht
von dem Brauch des Einschneidens, enthält sich aller Einzelheiten über
den Ursprung und die Zeremonien, die ihn begleiteten oder ihm folgen.
Er erwähnt nicht die Stola, da er ihren Gebrauch als
selbstverständlich voraussetzt. Daraus ist zu folgern, dass dieser
Brauch damals dem Kloster Saint-Hubert durchaus geläufig war.
Allerdings wird im 12. Jahrhundert dieser Brauch noch nicht weit genug
bekannt gewesen sein, um in die Legende des hl. Hubertus einzudringen.
Mirakelsammlung II und Cantatorium erwähnen ihn aber bereits. Die
"offizielle" Aufnahme geschah erst im 15. Jahrhundert in der Vita IV,
und zwar mit dem Hinweis, dass täglich durch ihren Gebrauch Wunder
geschehen, und dass sie im Kloster aufbewahrt wird.
Wegen der großen Rolle, die die Stola zunehmend im Rahmen der
Hubertusverehrung erlangt hatte, bemächtigt sich die Legende ihrer.
Sie formte den Bericht ihrer Herkunft von der Mutter Gottes, um ihre
besondere Wirksamkeit zu unterstreichen. Hier schuf ein Attribut,
nämlich die Stola, das besondere Patronat des Heiligen, das dann viel
später als ätiologische Legende Eingang in die Geschichte des Heiligen
fand, nämlich zur Erklärung eines Gegenstandes, dem das gläubige Volk
so sehr vertraute.
> zum Schlüssel
Ähnlich wie der Stola erging es einem anderen Attribut des Heiligen,
dem Schlüssel. Auch hier ist es die Vita IV, die ihn zum ersten Male
erwähnt und gleichzeitig von seiner Funktion und seinem derzeitigen
Aufbewahrungsort spricht. In den frühen Lebensgeschichten des hl.
Hubertus wird seine Übergabe nicht erwähnt.
Seit Gregor dem Großen (seit 590 Papst) lässt sich die Sitte
nachweisen, Schlüssel, in deren zu öffnenden Griffstücken oft Teilchen
von den Ketten Petri eingefügt waren, an Fürsten, Bischöfe und Kirchen
als Geschenke zu senden.
Hubertusschlüssel
Abb.: Der Hubertusschlüssel aus Acta Sanctorum Novembris I pag. 870.
Die Archäologen datieren den
Hubertusschlüssel ins 8. Jahrhundert. Er ist ein großer
Messingschlüssel, dessen unterer Teil aus rotem Kupfer besteht. Er
stellt eine kunstvolle romanische Arbeit mit orientalischem Einfluss
dar. Der untere Teil jedoch stammt wahrscheinlich aus dem 13.
Jahrhundert.
Auf Grund dieser Zeugnisse ist anzunehmen, dass auch Hubertus von dem
damaligen Papst einen solchen Schlüssel übersandt bekam. Dieser wurde
ihm mit ins Grab gegeben. 743 aus Anlass der Elevation oder 825 bei
der Translation in das Ardennenkloster wurde er sicherlich aus dem
Schrein herausgeholt und in der Peterskirche zu Lüttich aufbewahrt.
Heute befindet er sich in der Heiligkreuzkirche zu Lüttich.
Das Brennen gegen die Tollwut ist aus dem Altertum bekannt.
Wahrscheinlich wurde zuerst in der Abtei das Brennen von gebissenen
Pilgern oder Vieh der Landleute zur Heilung von Wunden vorgenommen.
Dazu wurde allerdings nicht der eigentliche Hubertusschlüssel
verwandt, sondern eiserne Brennmarken in Schlüsselform.
Brennmarken gegen Tollwut
Abb.: Gestielte Brennmarken für Menschen und Hunde.
Die Schreiber der frühen Viten des Heiligen erwähnen auch den
Schlüssel noch nicht, weil er zu ihrer Zeit innerhalb der
Hubertusverehrung noch keine Bedeutung hatte. Zu dem Zeitpunkt, als
der Schlüssel in der Vita IV zum ersten Mal in der Legende des
Bischofs auftaucht, hatte er schon eine bestimmte Brauchtumsfunktion.
Damit ist die Schlüsselepisode in dem Leben des hl. Hubertus ebenfalls
als eine ätiologische Legende erwiesen, die die Herkunft dieses
Schutzmittels gegen die Wut erklären will.
> zum Hirschwunder
Wenn man heute von Hubertus und seiner Legende spricht, denkt man
gleichzeitig an den Jäger, dem der kreuztragende Hirsch erschien.
Allerdings ist das Hirschmotiv eines der jüngsten in der
Hubertuslegende.
In der am Ende des 11. Jahrhunderts entstandenen zweiten
Mirakelsammlung ist im 15. Wunder, dessen Ursprung vermutlich im 9.
oder 10. Jahrhundert liegt, erstmals die Rede davon, dass Hubertus
einstmals Jäger war: "Denn es war von alters her ... üblich, unter den
Vornehmen der ganzen Ardennen die ganzen Jahreszeiten hindurch die
Erstlinge und den Zehnten jedes Wildes jährlich dem hl. Hubertus
abzulassen, weil der Heilige dieser Übung oblegen hatte, bevor er das
weltliche Gewand gewechselt hatte." Hier ist noch keine Rede vom
Kruzifix tragenden Hirsch.
Schon im 10. Jahrhundert finden sich Spuren einer Hubertusverehrung in
einem Kalendar der Diözese Trier und im 14. Jahrhundert gibt es
insbesondere in der alten kölnischen Kirchenprovinz Zeichen einer
Verehrung des hl. Hubertus. Bereits 1341 besaß der Dom zu Köln einen
Hubertusaltar, den der Markgraf Wilhelm von Jülich gestiftet
hatte.Miniatur mit dem Hl. Hubertus
Wie es so oft bei Heiligenkulten des frühen Mittelalters geschah, das
nur über eine dürftige Informationsstruktur und eine ebenso geringe
Mobilität verfügte, blieb der Kult des hl. Hubertus auf die Region
beschränkt.
Um das Jahr 1440 versieht Stephan Lochner auf dem rechten Flügel des
"Weltgerichtsaltars" den Bischof Hubertus mit dem Hirsch als Attribut,
der in Miniaturform auf dem in der linken Hand gehaltenen Buch liegt.
Das Stundenbuch der Katharina von Kleve zeigt um die gleiche Zeit die
Begegnung des jagenden Hubertus mit dem kreuztragenden Hirsch.
Abb.: Die Bekehrung des hl. Hubertus, Miniatur aus dem Stundenbuch der
Katharina von Kleve, Utrecht um 1440, Pierpont Morgan Library, New
York.
Zwei Stundenbücher, die in den Jahren 1444 und 1451 von Kölner Schulen
gemalt wurden, zeigen ähnliche Darstellungsformen.
Mit der Übertragung des Kreuzhirschmotivs von Eustachius auf Hubertus
um 1400 war ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Akzeptanz des
Hubertus als Jagdheiligem getan. Hubertus hatte ein jagdspezifisches
Attribut erhalten. Unter diesen Voraussetzungen war eine raschere und
überregionale Verbreitung des Hubertus-Kultes und seiner Patronate
gegeben.
Unterstützung fand die zunehmende Akzeptanz sicherlich durch das
französische Königshaus, das Hubertus, nach Fehlinterpretation seiner
Herkunftsgeschichte, in die Reihe der eigenen Vorfahren einbaute.
Vermutlich war König Karl VIII. von Frankreich (1483 - 1498)
derjenige, der den heiligen Hubertus zum Schutzpatron der Jagd erkor.
Am Ausgang des Mittelalters erlebt die Verehrung des hl. Hubertus und
besonders seine Verbindung mit dem Hirschmotiv vor allem am
Niederrhein und in der Eifel und später auch in anderen Regionen einen
Aufschwung.
Seit Mitte des 15. Jahrhunderts ist der fromme Besuch der Abtei fest
eingeführt, und Pilger von Oberdeutschland bis Utrecht, von Burgund
bis nach Sachsen, sind nachzuweisen.Wappen mit Kleinod
Weiterhin verstärkenden Einfluss hatte sicherlich die Stiftung eines
dem Hubertus geweihten ritterlichen Ordens, den Herzog Gerhard II. von
Jülich-Berg am Hubertustag des Jahres 1444 einrichtete. Mit der
Stiftung des Ordens und der Darstellung der Bekehrungsvision auf dem
Kleinod der Ordenskette überträgt Herzog Gerhard II. erstmals textlich
und bildlich nachweisbar die Hirschvision auf den heiligen Hubertus.
Abb.: Wappen des Herzogs von
Jülich-Berg (Ausschnitt). Um das Wappen rankt sich die Kette mit
Kleinod des Hubertusordens, Wappenbuch des Conrad Grünenberg um 1483
Hier sei angemerkt, dass in dem Holzschnittwerk "Die Heiligen aus der
Sipp-, Mag- und Schwägerschaft des Kaisers Maximilian I." (1493-1519)
auch der heilige Hubertus in die Reihe der Heiligen aufgenommen wurde,
die der Kaiser als seine Vorfahren ansah. Wahrscheinlich war die
Verehrung, die der Kaiser und das Haus Habsburg dem hl. Hubertus
zollte, durch seine freundschaftlichen Beziehungen zu Herzog Wilhelm
III. zu Jülich-Berg, auch im Reich verstärkt worden. Aus Literatur und
bildender Kunst ist allerdings deutlich zu entnehmen, dass in vielen
Teilen Deutschlands noch weit nach 1444 die Darstellung der
Bekehrungsszene in Verbindung mit Hubertus nicht üblich war.
In der Vita IV und in der Vita V, die beide im 15. Jahrhundert
entstanden, wird der Bericht von der Bekehrung erstmals in die
Geschichte des Heiligen eingefügt. Der Autor gibt an, eine mögliche
Überlieferung zu berichten ("fertur..."). Das eigentliche Motiv stammt
allerdings aus der Legende des hl. Eustachius, einem Heiligen, der
seit dem 6. Jahrhundert, spätestens aber seit dem Anfang des 8.
Jahrhunderts in der römischen Kirche verehrt wird.
Vorlage für die Übertragung des Motivs auf den hl. Hubertus dürfte die
Legendensammlung "Legenda aurea" oder "Legenda sanctorum" des
Dominikaners Jacobus de Voragine (ca. 1230-1298, Erzbischof von Genua)
sein. Zwischen 1263 und 1273 hatte er alles zusammengetragen, was er
an Heiligenlegenden seiner Zeit aufspüren konnte. In der Sammlung des
Jacobus de Voragine wird der heilige Hubertus weder mit Namen noch mit
einem Wunder erwähnt. Allerdings berichtet eine Legende, hier in
gekürzter Form wiedergegeben, von der Bekehrungsvision eines Heiligen
mit Namen Eustachius.
Jacobus erzählt: "Eustachius hieß zuvor Placidus und war ein
Kriegsoberster des Kaisers Trajan. Doch übte er mit Fleiß die Werke
der Barmherzigkeit, ob er gleich dem Glauben der Abgötter war
ergeben... Da er aber so fleißig war in den Werken der Barmherzigkeit,
so verdiente er, dass er zu dem Weg der Wahrheit würde erleuchtet. Es
geschah eines Tages, dass er zur Jagd fuhr; da kam ihm für eine Schar
Hirsche. Unter denen war einer sonderlich groß und schön. Der sprang
von den anderen und floh in den wildesten Wald... Da er ihn mit aller
Macht verfolgte, sprang der Hirsch zujüngst auf einen steilen Felsen;
da ging Placidus nahe hinzu und betrachtete begierlich in seinem
Geist, wie er den Hirsch fangen möchte. Da er aber den Hirsch also mit
Fleiß betrachtete, da ersah er zwischen seinen Hörnern die Gestalt des
heiligen Kreuzes, das gab einen Glanz lichter denn die Sonne, daran
hing das Bild des Herrn. Der hub durch des Hirsches Mund ... zu ihm zu
reden an und sprach: ,0 Placide, warum verfolgst du mich? Ich bin dir
zu Lieb in dieses Tieres Gestalt erschienen, denn ich bin Christus,
den du unwissend ehrest. Deine Almosen sind zu mir emporgestiegen,
darum bin ich zu dir gekommen, dass ich dich durch diesen Hirschen
fahe, den du selber zu jagen wähntest.'... Als Placidus das vernahm,
fiel er in großem Schrecken von seinem Ross zur Erde. Über eine Stunde
kam er wieder zu sich selber und hub sich auf von der Erde und sprach:
,Erkläre mir, was du da sagst, so will ich an dich glauben.' Und
Christus sprach: ,Placide, ich bin Christus, der Himmel und Erde
geschaffen hat.'... Als Placidus das vernahm, fiel er zum anderen Male
zur Erde nieder und sprach: ,Herr, ich glaube, dass du es bist, der
alles erschaffen hat und die Irrenden bekehret.` Sprach zu ihm der
Herr: ,Glaubest du, so gehe zu dem Bischof der Stadt und lasse dich
von ihm taufen ..." So wurde aus dem Heiden Placidius der christliche
Bekenner Eustachius.Legende des Hl. Eustachius
Abb.: Legenden des hl. Eustachius, Chorbuch der Klosters Zwiefalten aus dem 12. Jahrhundert (um 1162), Landesbibliothek Stuttgart.
Ein ursprünglicher historischer Bezug des Eustachius ist nirgendwo
nachzuweisen. Geschichtlich ist nur, dass ein Eustachius in Rom unter
Papst Gregor dem Großen (590-606) als Märtyrer und seit dem 12.
Jahrhundert in Frankreich und Deutschland als einer der 14 Nothelfer
verehrt wurde.
Das Motiv der Legende ist keine Schöpfung aus frühchristlicher Zeit.
Es kam als Wandermotiv aus dem indisch-buddhistischen Bereich über
Mesopotamien, Griechenland und Italien nach Westeuropa. Aus dem
Buddhismus ist eine Erzählung bekannt, derzufolge im 3. Jahrhundert v.
Chr. ein indischer König auf der Jagd einen Hirsch angetroffen haben
soll. Der Hirsch trug zwischen silbernen Geweihstangen goldene
Flämmchen, die wie Edelsteine flimmerten. Der König stellte den Hirsch
nach wilder Hatz und wurde so angesprochen: "Lass ab vom Bösen, oh
König! Versenke dich und bekenne dich zu Buddha!“
Außer den orientalischen Fassungen existieren zwei griechische aus der
Zeit vor dem 10. Jahrhundert n. Chr. und davon abgeleitet je eine
größere und eine kleinere lateinische Mischform des 9. und 10.
Jahrhundert n. Chr. Sie wurden in zahllosen Texten verbreitet, die
wiederum Vorlage für Erzählungen in Volkssprachen geworden sind. Auch
das Mittelalter hat sich des Motivs sehr gern bedient und es in
Legenden und Sagen verwoben. Zum Beispiel haben Meinulph von Paderborn
(gest. 857) seit 1039, Hubert von Lüttich (gest. 727) seit dem 15.
Jahrhundert und Felix von Valois (gest. 1212) seit 1659 dieses Motiv
des Kreuz tragenden Hirsches mit St. Eustachius gemein.
Die Bejagung des Wildes durch den Jäger, wie auch bei anderen Völkern,
wird in der Bibel zum Bild und Gleichnis für die Verfolgung der
Gerechten und Armen durch gewalttätige Menschen: "Er lauert darauf,
den Armen zu fangen; er fängt den Armen und zieht ihn in sein Netz"
(Psalm 10, 9). In der mittelalterlichen Dichtung und bildenden Kunst
spielt die Tiersymbolik unter dem Einfluss des Physiologus, das ist
eine seit altchristlicher Zeit verbreitete Zusammenstellung
christlicher Tiersymbolik, eine ganz bedeutende Rolle. Nicht nur die
Symbole für Christus wie Löwe, Adler, Einhorn und Pelikan waren den
Bauhüttenmeistern und Malern, dem Klerus, dem Adel und dem Volk in
gleicher Weise vertraut. Auch Hirsch, Eber, Widder, Hase und Hermelin
stehen als seltener gebrauchte Symbole für Christus und seine
Anhänger. In Darstellungen der Jagd auf sie soll der verzweifelte
Versuch des Heidentums symbolisiert werden, die neue Lehre doch noch
zu vernichten.
In der Eustachius- und der Hubertus-Legende wird nicht der wehrlose
Hase als Symbol gewählt, sondern ein edles Tier, das gleichzeitig das
begehrteste Wild des Jägers ist. In der Heiligenlegende bedeutet der
Hirsch Christus und trägt als Führer zum Heil das Symbol der Erlösung.
Nicht der einzelne Gläubige steht hier in der Verfolgung, sondern
Christus selber. Die Verfolgung Christi und des Christentums verkehrt
sich in ihr Gegenteil, in das alte Motiv der Bekehrung des Verfolgers
zum christlichen Leben.
Es ist nicht ausgeschlossen, ja sogar sehr naheliegend, anzunehmen,
dass die Legende von den Vertretern des Klosters und ihren Gönnern
absichtlich auf Hubertus übertragen wurde. So war eine gute Erklärung
für die angebliche Liebe des Heiligen zur Jagd und seine Verehrung
durch die Jäger gegeben. Unterstützung fand die zunehmende Akzeptanz
durch das französische Königshaus, das Hubertus, nach
Fehlinterpretation seiner Herkunftsgeschichte, in die Reihe seiner
Vorfahren aufnahm.Zu den abteispezifischen Gründen der Übernahme eines
geeigneten Legendenmotivs aus dem Leben des hl. Eustachius in das des
hl. Hubertus kamen noch äußere. Missverständnisse und Verlesungen
führen oft zu legendarischen Entstellungen und schaffen auf solche Art
bestimmte Heiligentypen. Wie die Legende Heiligenattribute schafft, so
erzeugen diese ihrerseits selbst wieder Legendenmotive.
Bei der Übernahme des Hirschmotivs in die Legende des Ardennenheiligen
mag eine Verwechslung des Datums mitgespielt haben. Die alten
Kalendarien von Stavelot und Tournay, die Martyrologien von Usard und
Adon und die ältesten französischen Breviere geben den 1., 2., 3. oder
4. November als den Festtag des hl. Eustachius an, obwohl der
eigentliche Festtag dieses Heiligen der 20. September ist. Es kann
hier eine einfache Verwechslung vorliegen, oder das nahe
Beieinanderliegen der Tage bot einem Schreiber Anlass zur Übertragung.
Die Darstellung der Hirschvision wird immer häufiger von Künstlern zum
Thema ihrer Arbeiten gemacht. Bedauerlicherweise vermischen sich die
für eine zweifelsfreie Zuordnung notwendigen typischen "Attribute" der
beiden Heiligen, so dass Verwechslungen möglich werden. So wird zum
Beispiel Eustachius in reiner Jagdkleidung oder mit der typischen
"Hubertushaube" und Hubertus in ritterlichem Habit dargestellt.
Kleidung, Ausrüstung und Bildhintergrund werden dem jeweiligen
Zeitgeschmack angepasst oder unkritisch aus anderen Epochen entliehen.
Wie auch bei der Verbindung des heiligen Hubertus mit den Attributen
Stola und Schlüssel ist seine Bekehrung durch einen Hirsch, der das
Bild des gekreuzigten Heilands zwischen den seinen Geweihstangen trug,
im Grunde auch nichts anderes als eine ätiologische Legende, die
allerdings in diesem Falle von einem Heiligen auf einen anderen
Heiligen übertragen wurde.
Auch die Vita quinta sancti Huberti geht aus der Lambertus-Biographie
des Nikolaus hervor. Sie entstand ebenfalls im 15. Jahrhundert und hat
nur noch weitläufige Verbindung mit ihrem Vorbild. Das Hirschwunder
ist breit ausgemalt. Nach der Bekehrung durch den kreuztragenden
Hirsch verteilt Hubertus seine Habe, geht in die Einsamkeit und wird
Eremit, um ein ernstes Leben zu führen. Dabei ist er den Anfechtungen
des Teufels ausgesetzt.
Die Vita sexta erscheint in französischer Sprache.
Am Ende des 14. Jahrhunderts verfasst Jean d`Outremeuse eine
Geschichte des hl. Hubertus in französischer Sprache. Sie wird von
Adolphe Happart, einem Mönch des Klosters Saint-Hubert, zu Beginn des
16. Jahrhunderts ins Lateinische übersetzt und ist in dieser Form als
Vita sexta sancti Huberti bekannt.
Abb.: Vision des hl. Hubertus, 1459, Miniatur aus der Handschrift des Hubert de Prévost
Die Vita septima malt die Familiengeschichte des Hubertus
breit aus.
1526 schließlich schuf Adolphe Happart noch eine Umgestaltung des
Textes der Vita VI, die als Vita septima bezeichnet wird.
In Vita VI und VII wird die Familiengeschichte des hl. Hubertus breit
ausgemalt. Jetzt ist in der Legende nicht mehr von Ode die Rede,
sondern von Floribane, seiner Frau, und von Floribert, seinem Sohn.
Eine rührende Ehegeschichte wird vorgelegt: Hubertus verlässt seine
geliebte Gattin und lässt sich auch durch ihr inständiges Flehen nicht
davon abhalten, dem Ruf Gottes zu folgen. Floribane stirbt früh. Vor
ihrem Tod schenkt sie noch einem Sohn, Floribert, das Leben. Diesen
Knaben erzieht Hubertus zu einem würdigen Nachfolger. Damit ist die
Frage berührt, ob Hubertus verheiratet war. Der erste Biograph spricht
bereits von einem "egregius filius Floribertus" des Heiligen. Dieser
Floribert ist also wohl derselbe, der Nachfolger des hl. Hubertus auf
dem Bischofsstuhl wurde. Dechant Anselmus äußert sich so in seiner
Chronik um 1052-1056.
Wenn Hubertus allerdings verheiratet war, so wäre das zu seiner Zeit
nichts Außergewöhnliches gewesen, wie zum Beispiel die Vita des hl.
Arnulf zeigt. Tatsächlich wird Hubertus von den späteren Schreibern
immer als verheiratet angesehen. In der Vita VI bei Jean d`Outremeuse
taucht diese Ehefrau, 700 Jahre, nachdem sie gelebt haben soll, in der
Geschichte des hl. Hubertus zum ersten Male mit dem Namen Floribane
auf. Schon dieser Name lässt hier auf eine legendäre Gestalt
schließen. Sicherlich wurde der Name analog zu ihrem angeblichen Sohne
Floribertus gebildet.
Die Hubertuslegende bildet sich in sieben Strängen.
Wie die Textgeschichte verdeutlicht, bildet sich die Legende im Laufe
von Jahrhunderten über sieben Stränge hervor. Inwiefern die Viten
mündliche Geschichten verarbeiten, lässt sich nicht ermitteln. Es ist
indessen davon auszugehen, dass alle weiteren Erzählungen daran
anknüpfen.
Die Legendenfassung des 15. Jahrhunderts fügt alle Bestandteile
zusammen, die in Zukunft das Bild des Heiligen bestimmen. Der
Lebenslauf wird als Ursache-Wirkung-Folge erzählt und ist im Gang der
Handlung in sich schlüssig und gradlinig. Das Motiv ist ausgeprägt,
das den Erwartungen der Gläubigen am Ausgang des Mittelalters
entspricht. Der Ritter und Jäger kommt der adeligen Welt entgegen. Die
Bekehrung, die Aufgabe des hohen weltlichen Standes, der Verzicht auf
Ehe und Familie, Bescheidenheit und Demut und der Aufstieg zu höchsten
geistlichen Ehren zeigen auch den einfachen Leuten, dass Gottes
Vorsehung und Wille jeden treffen kann.
An der dargelegten Biologie der Hubertuslegende zeigt sich, dass die
Legende eines Heiligen nicht eine ein für alle Mal abgeschlossene
Darstellung ist. Sie geht mit den Menschen durch die Jahrhunderte. Sie
spricht das Denken und Fühlen der Zeit aus.
Eine große Persönlichkeit, auch eine Heiligengestalt, gehört der
Geschichte hauptsächlich in dem Sinne an, was sie ihr bedeutet.
Tausende sonst unbekannter Namen in den christlichen Legenden sind
nicht um ihrer selbst Willen festgehalten, sondern als Träger
bestimmter Vorstellungen. An den Namen knüpfen sich Erwartungen.
Das Volk sieht in den Trägern dieser Namen sein Ideal verkörpert, die
Vereinigung des Menschen mit Gott in der höchsten erreichbaren Form.
Es denkt sich den Legendenträger aber auch als Nutznießer der
Gottesfreundschaft mit freiem Verfügungsrecht über die göttliche Macht
zu Gunsten seiner Freunde. Diesen Helfer will das Volk, den
"Heilbringer", wie die moderne vergleichende Religionsgeschichte ihn
nennt. Das ist die treibende Kraft der Motivwanderung. Aus diesen
Gründen kristallisierte sich die Episode vom kreuztragenden Hirsch um
die Gestalt des Ardennenheiligen, und nur so konnten auch die
ätiologischen Legenden von Stola und Schlüssel entstehen.
Hubertus wird ein europäischer Heiliger und übernimmt von Diana das
Jagdpatronat.
Bis in das 20. Jahrhundert hinein ist der hl. Hubertus im Raume
Südwestdeutschlands einer der volkstümlichsten Heiligen. Aus vielen
Orten ziehen Wallfahrten zu seinem Grab in den Ardennen. Zahlreiche
Kirchen und Kapellen im rheinischen Raum, vor allem in der Eifel, sind
ihm geweiht. Die Feier des Hubertustages am 3. November mit einer
Hubertusmesse durch die Jäger ist ein Bestandteil der Jägerbräuche,
die nach wie vor gepflegt werden.
Die Beschränkung frühmittelalterlicher Kunst und Literatur auf Themen
christlich-religiösen Inhalts macht den Nachweis schwierig, inwieweit
Diana in Deutschland als antikes Symbol der Jagd gegenwärtig war. Erst
in der Renaissance, in Italien um 1420 beginnend, erwacht das
Interesse für Sprache, Philosophie und Literatur der Antike; das ebnet
einer Wiedergeburt antiker Mythen und ihrer Darstellung den Weg. In
Nürnberg erscheint 1502 der Kupferstich "Apollo als Schütze und Diana
mit Hirsch" von Jacopo de Barbari.Hubertus in Albrecht Dürers
Kupferstich
Seit dem 16. Jahrhundert erscheinen immer häufiger Druckwerke
jagdlichen Inhalts. Während sich Bezüge zu Diana immer wieder finden
lassen, vermisst man den Namen des Hubertus. Eustachius wurde
besonders im romanischen Gebiet und in Süddeutschland als Jagdheiliger
verehrt. Die Darstellung des hl. Eustachius durch Albrecht Dürer um
1500 - 1503 macht dies deutlich. In den romanischen Gegenden Galliens
teilen sich Eustachius und Martin von Tours das Jagdpatronat.
Abb.: Vision des hl. Eustachius von Albrecht Dürer, Kupferstich um 1500 – 1503, Kupferstichkabinett Berlin.
Erst gegen Ausgang des
Mittelalters setzte sich auch für Hubertus eine weiterverbreitete
Verehrung als Jagdheiliger durch, aber zunächst noch mit Eustachius
zusammen. Noch um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurden Hubertus und
Eustachius in Frankreich am selben Tage als Jagdpatrone gefeiert, wie
aus einer Broschüre, die 1648 in Paris erschien, hervorgeht.
Fürsten Deutschlands führten um die Wende des 16. Jahrhunderts die
Jagd hinter der Meute nach französischem Vorbild ein und
verpflichteten dazu Jagdbedienstete aus Frankreich. Damit war eine
wesentliche Grundlage für die sich immer mehr verstärkende
Hubertusverehrung in den Kreisen der deutschen Parforcejäger
geschaffen. Die französischen Könige hatten ja Hubertus, aufgrund
einer historisch falschen Legendenfassung, in ihre Ahnenreihe
aufgenommen.
Nach der Französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen
(1805-1813) fehlte es an Geld, um den Jagdluxus der vergangenen
Jahrhunderte weiterführen zu können. Die Berufsjäger mit all ihren
Spezialisierungen verloren immer mehr ihre Existenzgrundlage und
wechselten meist in den Forstberuf über.
Damals hatte St. Hubertus kaum eine Bedeutung als Vorbild für die
Jägerschaft. Die Jäger feierten noch "Dianenfeste" im Jagdschloss
Grunewald des preußischen Königs. "Priester Dianens" oder auch
"Nimrodsjünger" nannten sich die Jagdausübenden in der forst- und
jagdlichen Fachliteratur jener Zeit.
Wenn man die Jagdzeitschriften des 19. Jahrhunderts durchsieht, ist
man überrascht festzustellen, wie lange sich Diana gegenüber Hubertus
behaupten konnte. Wenn man die Novemberausgabe „Der Deutsche Jäger“
des Jahrgangs 1884/85 aufschlägt, findet man den heiligen Hubertus
noch nicht erwähnt. Erst 1886/87 wird in einer Textzeile "Huberti
Gunst und Waidmannsheil" erbeten. Jahrgang 1895 gedachte für jene Zeit
ausgesprochen „aufwändig“ des Hubertustages; er brachte ein
Hubertusbild, allerdings ohne weiter darauf einzugehen.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts verlief ein Prozess
gesellschaftlichen Wandels. Die Industrielle Revolution und die
Reichsgründung begünstigten einen zunächst rasanten wirtschaftlichen
Aufschwung mit der Etablierung besitzenden Bürgertums. Dem
Selbstbewusstsein der Aufgestiegenen der ersten Generation fehlte die
gewachsene Grundlage. Eine Suche nach Leitbildern und eine Flucht in
patriarchalische Ideologien waren die Folge. Der Bürger versuchte, den
Reiter-, Jagd- und Herren-Stil des Adels nachzuahmen und ins
Städtische zu übertragen.
In einer von Männern beherrschten Gesellschaft wird das weibliche
Prinzip der Weichheit unterdrückt zugunsten des männlichen Prinzips
der Macht. In dieser Atmosphäre des autoritären Gehabes ist weder Raum
für Diana als Frau noch als Patronin des frisch-fröhlichen Waidwerks.
Zum Ende der "wilhelminischen Zeit" wird Hubertus allgemein als
jagdliche Leitfigur gesehen.
Trotz seiner atheistischen Grundlagen akzeptiert und kultiviert der
Nationalsozialismus das bestehende Hubertusbild, lässt es sich doch,
mit geringen Abstrichen, übertragen auf das Urbild des jagenden
deutschen Mannes. In Hubertusfeiern wird "uraltes ehrwürdiges
Brauchtum aus deutscher Vergangenheit" beschworen und der ehemals
christliche Heilige auf das Klischee des "waidgerechten Jägers"
reduziert.
Nachwort
Noch heute bereitet es Schwierigkeiten, diese einengende
Interpretation wieder zurückzuführen auf den ursprünglichen Kern der
"Hirschvision" und sie im alten und gleichzeitig neuen Licht
christlicher Botschaft zu sehen, der Bekehrung zu Gott und zur
Einhaltung seiner Gebote. Im Rahmen der Gefährdung unserer Umwelt
stehen insbesondere wir Jäger in der Verantwortung. Uns Jägern ist als
Christen und im Rahmen staatlicher Gesetzgebung die freilebende Tier-
und Pflanzenwelt anvertraut. Im Hinblick auf die Bedrohung unserer
Umwelt sollten gerade wir Jäger das Gewissen der Gesellschaft sein.
Hubertustage und Hubertusfeiern sollten jedem einzelnen von uns Anstoß
sein, sich und sein Verhalten auf den Prüfstand zu stellen und zur
Erneuerung und Stärkung christlicher und damit naturverantwortlicher
Grundhaltung werden.