Der wahre Gläubige erreicht das Heil, wenn er mit seinem Mund bekennt, dass
Jesus der Herr ist, und mit seinem Herzen glaubt, dass ihn Gott von den Toten
auferweckt hat (vgl. Röm 10,9). Wichtig ist vor allem das Herz, das an
Christus glaubt und im Glauben den Auferstandenen "berührt"; es genügt aber
nicht, den Glauben im Herzen zu tragen, wir müssen ihn auch mit dem Mund
bekennen und mit unserem Leben bezeugen und so die Wahrheit vom Kreuz und von
der Auferstehung in unserer Geschichte gegenwärtig machen.
Um die geistlichen Dinge zu erkennen und zu verstehen, müssen wir
geistliche Männer und Frauen sein, denn wenn man fleischlich ist, fällt man
unvermeidlich in die Torheit zurück, auch wenn man viel studiert und "ein
Weiser" und "Wortführer in dieser Welt"(vgl.1 Kor 1,20) wird.
Liebe Freunde, das Reich Gottes ist keine Frage der Ehren und des äusseren
Scheins, sondern es ist, wie der Hl. Paulus schreibt, "Gerechtigkeit, Friede
und Freude im Heiligen Geist" (Röm 14,17). Dem Herrn liegt unser Wohl am
Herzen, das heisst, dass jeder Mensch das Leben haben soll und dass
insbesondere seine "geringeren" Kinder Zugang zu dem Tisch finden können, den
er für alle bereitet hat. Deshalb weiss er nichts mit dem heuchlerischen
Verhalten dessen anzufangen, der "Herr, Herr" sagt und dann seine Gebote nicht
beachtet (vgl. Mat 7,21). In sein ewiges Reich nimmt Gott all jene auf, die
sich Tag um Tag darum mühen, sein Wort in die Praxis umzusetzen. Daher ist die
Jungfrau Maria, das demütigste unter allen Geschöpfen, in seinen Augen das
grösste und sitzt als Königin zur Rechten Christi, des Königs.
Wenn Gott uns - wie der hl. Johannes schreibt - unentgeltlich geliebt hat,
dann können und müssen auch wir uns in diese Hingabe hineinnehmen lassen und
müssen uns selbst den anderen unentgeltlich hinschenken. Auf diese Weise
erkennen wir Gott so, wie er uns kennt; auf diese Weise bleiben wir in ihm,
so, wie er in uns bleibt, und gehen aus dem Tod hinüber in das Leben (vgl. 1
Joh, 3,14) wie Jesus Christus, der den Tod in seiner Auferstehung besiegt hat
durch die Macht der Herrlichkeit des himmlischen Vater.
Wir Männer und Frauen können frei wählen, mit wem wir uns verbünden wollen;
mit Christus und seinen Engeln oder aber mit dem Teufel und seinen Anhängern,
um mit den Worten des Evangeliums zu sprechen. An uns liegt es, zu
entscheiden, ob wir Gerechtigkeit üben oder Böses tun wollen, ob wir Liebe und
Verzeihung bringen wollen oder aber Rache und mörderischen Hass. Hiervon hängt
unser persönliches Heil ab, aber auch das Heil der Welt. Aus diesem Grund will
Jesus uns in sein Königreich aufnehmen; deswegen lädt er uns ein, am Kommen
seines Reiches der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens mitzuarbeiten. Es
liegt an uns, ob wir ihm antworten, nicht mit Worten, sondern mit Taten: wenn
wir uns für den Weg der tatkräftigen und grossherzigen Liebe gegenüber dem
Nächsten entscheiden, erlauben wir ihm, seine Herrschaft in Zeit und Raum
auszuweiten.
"Seid wachsam!", sagt uns Jesus im kurzen Gleichnis des Hausherrn, der auf
Reisen geht und von dem man nicht weiss, wann er zurückkommt (vgl. Mk
13,33-37). Wachen bedeutet dem Herrn zu folgen, das zu wählen, was er gewählt
hat, das zu lieben, was er geliebt hat. Das eigene Leben seinem Leben
gleichförmig werden lassen; das Wachen schliesst auch ein, jeden Augeblick
unserer Zeit in der Gegenwart seiner Liebe zu verbringen, ohne durch die
unausweichlichen Schwierigkeiten und Probleme des Alltags mutlos zu werden.
Der Sieg Christi erfordert, dass der Jünger ihn sich zu eigen macht, und
das geschieht vor allem mit der Taufe, durch die wir, vereint mit Jesus,
"Lebende, Wiedergekehrte von den Toten" geworden sind. Damit Christus auf
vollkommene Weise in ihm herrschen kann, muss der Getaufte jedoch seinen
Weisungen getreu folgen; er darf nie nachlassen in der Wachsamkeit, um nicht
dem Widersacher zu gestatten, auf irgendeine Weise Boden zu gewinnen.
Der Christ muss diszipliniert sein, um den Weg zu finden und tatsächlich
beim Herrn anzukommen.
Auch der Wille ist, wie die Kirchenväter sagen, gebeugt: Er ist nicht
einfach bereit, das Gute zu tun, sondern sucht vor allem sich selbst oder das
Wohl der eigenen Gruppe. Also tatsächlich den Weg der Vernunft, der wahren
Vernunft zu finden, ist schon keine leichte Sache und entwickelt sich
schwerlich in einem Dialog. Ohne das Licht des Glaubens, das in die Finsternis
der Erbsünde eindringt, kann die Vernunft nicht vorankommen. Aber ausgerechnet
der Glaube stösst dann auf den Widerstand unseres Willens. Dieser will den Weg
nicht sehen, der auch ein Weg des Selbstverzichts und einer Korrektur des
eigenen Willens zugunsten des anderen und nicht für sich selbst wäre.
Wenn es stimmt, dass der Mensch sein Mass - was recht ist und was nicht -
nicht in sich hat, sondern sein Mass ausserhalb von sich, in Gott, findet, ist
es wichtig, dass dieser Gott nicht fern ist, sondern erkennbar, konkret, dass
er in unser Leben eintritt und wirklich ein Freund ist, mit dem wir reden
können und der mit uns redet. Wir müssen die Eucharistie feiern lernen, wir
müssen Jesus Christus, den Gott mit dem menschlichen Antlitz, aus der Nähe
kennenlernen, ihn zu hören und ihn in uns hereinkommen zu lassen.
Ein Problem der traditionellen Religionen ist die Angst vor den Geistern.
Einer der afrikanischen Bischöfe hat mir gesagt: jemand hat sich wirklich zum
Christentum bekehrt, jemand ist ganz Christ geworden, wenn er weiss, dass
Christus wirklich stärker ist. Es gibt keine Angst mehr.
Brüder und Schwestern [...] ihr habt von Gott so viele vorzügliche
menschliche Eigenschaften empfangen - passt auf eure Seelen auf! Lasst euch
nicht von selbstsüchtigen Illusionen und falschen Idealen blenden! Glaubt, ja
glaubt weiter an Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist, der allein euch
wirklich so liebt, wie ihr geliebt zu werden verdient; er allein kann euch
befriedigen, kann Beständigkeit in eurer Leben bringen. Nur Christus ist der
Weg des Lebens.
Ein Christ mit einem mündigen und reifen Glauben ist nicht jemand, der den
Modeströmungen und letzten Neuigkeiten folgt. Sondern jemand, der
tiefverwurzelt in der Freundschaft Christi lebt. Diese Freundschaft öffnet uns
für alles Gute und bietet uns das Kriterium, um zwischen Irrtum und Wahrheit
zu unterscheiden.
"Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20). Ich lebe,
aber nicht mehr ich. In gewisser Weise wird mir mein Ich genommen, um es in
ein grösseres Ich einzufügen; ich habe mein Ich noch, aber es ist verwandelt
und offen gegenüber den anderen durch mein Eingefügtsein in den anderen: In
Christus bekomme ich meinen neuen Lebensraum. Was ist also mit uns geschehen?
Paulus gibt uns die Antwort: ihr seid "einer" geworden in Christus Jesus (vgl.
Gal 3,28).
Tragen wir dazu bei, dass das menschliche Elend der göttlichen
Barmherzigkeit begegnen kann. Der Herr macht uns zu seinen Freunden, er
überantwortet sich uns, er schenkt uns seinen Leib in der Eucharistie, er
vertraut uns seine Kirche an. Wir müssen daher wirklich seine Freunde sein,
mit ihm eines Sinnes sein, das wollen, was er will. Und das nicht wollen, was
er nicht will. Jesus selbst hat gesagt: "Ihr seid meine Freunde wenn ihr tut,
was ich euch auftrage" (Joh 15,14).
Liebe Freunde, werdet nicht mutlos angesichts von Schwierigkeiten und
Zweifeln; vertraut auf Gott und folgt Christus treu nach, und Ihr werdet
Zeugen der Freude sein, die der innigen Vereinigung mit ihm entspringt. In
Nachahmung der Jungfrau Maria, die alle Geschlechter seligpreisen, weil sie
geglaubt hat (vgl. Lk 1,48), bemüht euch mit aller geistlichen Kraft, den
Heilsplan des himmlischen Vaters zu verwirklichen, indem Ihr wie sie in Eurem
Herzen die Fähigkeit bewahrt zu staunen und den anzubeten, der die Macht hat,
"Grosses" zu tun, denn sein Name ist heilig.
Auf den Spuren der Propheten, der Apostel und der Heiligen sind wir
berufen, mit dem Herrn zu gehen, seine Sendung weiterzutragen, für die
Frohbotschaft von Gottes allumfassender Liebe und von seinem Erbarmen Zeugnis
zu geben. Wir haben den Auftrag, durch unsere Nächstenliebe, unseren Dienst an
den Armen und unser Bemühen, Sauerteig der Versöhnung, der Vergebung und des
Friedens in der Welt um uns zu sein, zum Kommen des Reiches Christi
beizutragen.
Sein göttliches Herz ruft also unser Herz; es lädt uns ein, aus uns selbst
herauszugehen, unsere menschlichen Sicherheiten aufzugeben, um uns ihm
anzuvertrauen und seinem Beispiel folgend uns selbst zu einer Gabe der
vorbehaltlosen Liebe zu machen.
Den Willen Gottes verstehen lernen, so dass er unseren eigenen Willen
prägt. Dass wir selber wollen, was Gott will, weil wir einsehen, dass das von
Gott gewollte das Schöne und Gute ist. Es kommt also auf eine Wende unserer
geistigen Grundorientierung an. Gott muss in den Horizont unseres Denkens
hereintreten: was er will und wie er die Welt und mich gedacht hat. Wir müssen
mit Jesus Christus mit-denken und mit-wollen lernen. Dann sind wir neue
Menschen, in denen eine neue Welt heraufzieht.
Wer sein Leben für sich haben möchte, nur sich selber leben, alles an sich
ziehen und ausschöpfen, was es gibt - gerade der verliert das Leben. Es wird
öde und leer. Nur im Loslassen seiner selbst, nur in der Freigabe des Ich für
das Du, nur im Ja zum grösseren Leben Gottes wird auch unser Leben weit und
gross. So ist dieses Grundprinzip, das der Herr aufstellt, letztlich einfach
identisch mit dem Prinzip Liebe. Denn Liebe heisst sich loslassen, sich geben,
nicht sich selber wollen, sonder frei werden von sich: nicht auf sich selber
zurückschauen - was aus mir wird -, sonder vorwärts schauen, auf den anderen -
auf Gott hin und auf die Menschen, die er mir schickt.
Es geht darum [...] seine Wahrheit, die Wahrheit von Kreuz und Auferstehung
zu leben. Dazu wiederum reicht nicht ein einmaliger grosser Entscheid. Es ist
freilich wichtig, wesentlich, einmal den grossen Grundentscheid zu wagen, das
grosse Ja zu wagen, das der Herr in einem Augenblick unseres Lebens von uns
erfragt. Aber das grosse Ja des entscheidenden Augenblicks in unserem Leben -
das Ja zu der Wahrheit, die der Herr vor uns hinstellt - muss dann auch
täglich neu eingeholt werden in den Situationen des Alltags , in denen wir
immer wieder neu uns loslassen, uns freigeben müssen, wo wir eigentlich an uns
festhalten möchten. Zum rechten Leben gehört das Opfer, gehört Verzicht.
Wer ein Leben ohne diese immer neue Freigabe unseres Selbst verspricht, der
betrügt den Menschen. Geglücktes Leben ohne Opfer gibt es nicht. Wenn ich auf
mein eigenes Leben zurückschaue, dann muss ich sagen, dass gerade die
Augenblicke, in denen ich ja gesagt habe zu einem Verzicht, die grossen und
wichtigen Augenblicke meines Lebens waren.
Das ist der anspruchsvolle Weg des Kreuzes, den Jesus allen seinen Jüngern
weist. Mehrmals hat er gesagt: "Wenn mir einer dienen will, so folge er mir
nach." Es gibt keine Alternative für den Christen, der seine Berufung
verwirklichen möchte. Dies ist das "Gesetz" des Kreuzes, das mit dem Bild des
Weizenkorns beschrieben ist, das stirbt, um neues Leben aufkeimen zu lassen;
dies ist die "Logik" des Kreuzes, die auch das heutige Evangelium in
Erinnerung ruft: "Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben
in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben."
"Wer an seinem Leben hängt, verliert es, wer aber sein Leben in dieser Welt
gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben." Sein Leben "gering
achten" ist eine starke und paradoxe semitische Ausdrucksform, die sehr gut
die radikale Ganzheit hervorhebt, die den auszeichnet, der Christus nachfolgt
und sich aus Liebe zu ihm in den Dienst an den Brüdern stellt. Er verliert das
leben und findet es auf diese Weise. Es gibt keinen anderen Weg, um die
Erfahrung der Freude und der wahren Fruchtbarkeit der Liebe zu machen, die
Erfahrung des Sichgebens, der Selbstschenkung, des Sichverlierens ist, um sich
zu finden.
"Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der
Rettung." Im Ruf vor dem Evangelium hat die Liturgie uns ermahnt, jetzt - und
jeder Augenblick ist "Zeit der Gnade" - unseren entschiedenen Willen zu
erneuern, Christus nachzufolgen, in der Gewissheit, dass er unsere Rettung
ist. Das ist letztendlich die Botschaft, die uns der geliebte Papst Johannes
Paul II. heute Abend noch einmal vermittelt.
Niemand sollte sich aus diesem friedlichen Kampf, der mit dem Pascha
Christi begonnen hat, zurückziehen. Er - ich wiederhole es - sucht Männer und
Frauen, die ihm helfen, seinen Sieg mit seinen eigenen Waffen zu behaupten:
mit den Waffen der Gerechtigkeit und der Wahrheit, mit den Waffen der
Barmherzigkeit, der Vergebung und der Liebe.
In die Wahrheit, in Christus eingetaucht werden, dazu gehört das Beten, in
dem wir Freundschaft mit ihm einüben, in dem wir ihn auch kennenlernen - seine
Weise des Seins, des Denkens, des Tuns. Beten ist persönliche Weggemeinschaft
mit Christus, in dem wir unseren Alltag, unser Gelingen und unser Scheitern,
unsere Mühsale und Freuden vor ihm ausbreiten - ganz einfach uns selbst vor
ihn hinstellen. Aber damit daraus nicht Selbstbespiegelung wird, ist es
wichtig, dass wir immer wider beten lernen im Mitbeten mit der Kirche.
Der Herr lehrt uns, unsere Augen und vor allem unser Herz zu erheben.
Aufzuschauen aus den Dingen dieser Welt und uns bestens auf Gott hin
auszurichten und aufzurichten. In einem Hymnus des Stundengebets bitten wir
den Herrn, dass er unsere Augen behüte, damit sie nicht" vanitates" schöpfen
und in uns einlassen - das Eitle, das Nichtige, den blossen Schein.
"Wollt auch ihr weggehen?" (Joh 6,67). Diese beunruhigende Provokation
erklingt im Herzen und erwartet von einem jeden eine persönliche Antwort.
Jesus gibt sich nämlich nicht mit einer oberflächlichen und formalen
Zugehörigkeit zufrieden, eine erste und begeisterte Anhängerschaft genügt ihm
nicht; es ist hingegen notwendig, für das ganze Leben "an seinem Denken und
Wollen" Anteil zu nehmen.
Seine Nachfolge erfüllt das Herz mit Freude und gibt unserem Dasein seinen
vollen Sinn, sie bringt jedoch Schwierigkeiten und Entsagungen mit sich, da
man oft gegen den Strom schwimmen muss.
Glauben bedeutet Entscheidung, nämlich ganz und gar Ja zu sagen zu Jesus
Christus und zu seiner Botschaft. Wer Christus glaubt, ihm sich anvertraut und
von seinem Wort leiten lässt, der kann mit Petrus im heutigen Evangelium
bekennen: "Herr, du hast Worte des ewigen Lebens." Ja, Jesu Wort ist wirklich
Geist und Leben, göttliches Leben für uns. Wir wollen jeden Tag unsere
Entscheidung für Christus erneuern und mithelfen, dass die Menschen ihn
erkennen der allen Heil und Leben schenken will.
Dieser heilige Mönch [Symeon der Neue Theologe] der Ostkirche ruft uns alle
zu einer Aufmerksamkeit gegenüber dem geistlichen Leben, der Verborgenen
Gegenwart Gottes in uns, der Aufrichtigkeit des Gewissens und der Läuterung,
der Umkehr des Herzens auf, so dass der Heilige Geist in uns wirklich
gegenwärtig werde und uns leite, wenn wir uns nämlich zu recht um unser
leibliches, menschliches und intellektuelles Wachstum kümmern, so ist es noch
wichtiger, das innere Wachstum nicht zu vernachlässigen, das in der Kenntnis
Gottes besteht, in der wahren Kenntnis, die nicht nur aus den Büchern gelernt
wird, sondern innerlich und in der Gemeinschaft mit Gott, um in jedem
Augeblick und in jeder Situation seine Hilfe zu erfahren.
Im Evangelium lädt Christus uns ein in Fülle unseren Osterglauben zu leben,
indem wir uns auf das Wesentliche konzentrieren und die Wirksamkeit der
Entsagung verkündigen, denn das Wichtigste besteht nicht darin, so sagt er,
der erste zu sein, sondern zu dienen. Um im Glück zu leben, das er uns
schenkt, lädt er uns ein, seinem Beispiel zu folgen und so den Weg der Liebe
in der Hingabe und im Vergessen seiner selbst, in der Demut und im Verzicht
einzuschlagen.
Der Heldenmut der Glaubenszeugen erinnert daran, dass nur aus der
persönlichen Kenntnis Christi und der tiefen Verbindung zu ihm die geistliche
Kraft bezogen werden kann, um die christliche Berufung voll zu verwirklichen.
Nur die Liebe Christi macht das apostolische Handeln wirksam, vor allem in den
Augenblicken der Bedrängnis und der Prüfung.
Ahmt den göttlichen Meister nach, der "nicht gekommen ist, um sich dienen
zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für
viele" (Mk 10,45). Die Liebe erstrahle in jeder eurer Pfarreien und
Gemeinschaften, in den verschiedenen Vereinigungen und Bewegungen.
Der Glaube ist vor allem persönliche, innige Begegnung mit Jesus, er ist
das Erfahren seiner Nähe, seiner Freundschaft, seiner Liebe, und nur so lernt
man, ihn immer besser zu kennen, ihn immer mehr zu lieben und ihm zu folgen.
Möge dies einem jeden von uns geschehen können!
Wir wollen jeden Augenblick unseres Lebens vor den Augen Christi leben.
Durch die Hingabe seines Lebens für uns hat er alles vollbracht. Er ist unsere
Hoffnung, denn jeden Tag nimmt er unsere Geschichte in die Ewigkeit hinein!
Nach dem Willen Gottes zu leben macht frei, und ihm in Treue zu dienen
schenkt vollkommene Freude. Dies wollen wir wieder neu mit dem Herzen zu
begreifen versuchen und dabei auf Christus hinschauen. Er lehrt und zeigt uns,
wie wir Gott und den Nächsten lieben sollen und können. Jesus Christus ist der
Weg zum wirklichen, zum glücklichen Leben.
Die Christen wissen, dass sie berufen sind, der Welt zu dienen und sie zu
lieben, ohne "von der Welt" zu sein (vgl. Joh 15,19); ein Wort des
ganzheitlichen Heils des Menschen zu verkünden, der sich nicht auf den
irdischen Horizont beschränken kann; wie Christus dem Willen des Vaters
vollkommen treu bleiben bis hin zur äussersten Selbsthingabe, um leichter
jenen Wunsch nach wahrer Liebe wahrzunehmen, den es in jedem Herzen gibt. Das
ist der Weg, den jeder, der Zeugnis von der Liebe Christi geben will, gehen
muss, wenn er der Logik des Evangeliums folgen will.
In unseren Schwierigkeiten, Problemen und Versuchungen dürfen wir nicht
bloss eine theoretische Überlegung anstellen - woher kommen sie? -, sondern
müssen positiv reagieren: den Herrn anrufen, den lebendigen Kontakt zum Herrn
halten. Ja, wir müssen laut den Namen Jesu rufen: "Jesus, hilf mir!" Und wir
sind gewiss, dass er uns hört, weil er dem nahe ist, der ihn sucht. Lassen wir
uns nicht entmutigen, sondern laufen wir mit Eifer [...], dann werden auch wir
das Ziel des Lebens, Jesus, den Herrn, erreichen.
Jesus Christus, der Sohn Gottes, den der Vater der Menschheit geschenkt
hat, um sein von der Sünde verunstaltetes Ebenbild wiederherzustellen, ist
also der vollkommene Mensch, an dem sich der wahre Humanismus misst. Mit Ihm
muss jeder Mensch sich vergleichen und zu Ihm hin muss er mit Hilfe der Gnade
mit ganzem Herzen, mit allen Gedanken und mit allen Kräften streben, um seine
Existenz zur Vollkommenheit zu bringen und mit Freude und Begeisterung eine
Antwort zu geben auf die höchste Berufung, die in sein Herz geschrieben ist.
"Du bist bei uns": Der Herr Jesus Christus ist wirklich bei uns. Bezeugt
allen Menschen die Freude seiner starken und sanften Gegenwart. Und beginnt
bei euren Altersgenossen. Sagt ihnen, dass es schön ist, Freunde Jesu zu sein,
und das es der Mühe wert ist, ihm nachzufolgen. Zeigt ihnen durch eure
Begeisterung, dass man unter den vielen Lebensformen, die die Welt uns heute
zu bieten scheint und die anscheinend alle auf derselben Ebene liegen, den
wahren Sinn des Lebens und daher die wahre und unvergängliche Freude nur dann
findet, wenn man Jesus nachfolgt.
"Meister, wo wohnst du?", sagen auch wir zu Jesus, und er antwortet uns:
"Kommt und seht". Für die Gläubigen ist dies immer eine stete Suche und eine
neue Entdeckung, denn Christus ist derselbe heute, morgen und in Ewigkeit,
aber wir, die Welt und die Geschichte sind nie die gleichen, und er kommt uns
entgegen, um uns seine Gemeinschaft und die Fülle des Lebens zu schenken.
Der Herr richtet einen entschiedenen Anruf an die ersten Jünger, die ihm
bereitwillig folgen. Indem sie sich auf den Weg des Glaubens begeben, gelangen
sie zu einer tiefen Kenntnis der Person Jesu. Ehe sie ausgesandt werden,
müssen die Jünger eine persönliche Beziehung zu Jesus finden. Die Apostel sind
"Gesandte", aber als solche vorher - um es so auszudrücken - "Experten"
Christi - Zeugen der Botschaft und des Lebens Jesu. Das Evangelium verkünden
heisst daher, das zu verkünden, was sie selbst erfahren haben; es bedeutet,
die Menschen einzuladen, in das Geheimnis der Gemeinschaft, ja der
Freundschaft mit Jesus Christus, dem Herrn, einzutreten.
Wir verschliessen ständig unsere Türen; wir sind unentwegt darauf bedacht,
uns in Sicherheit zu bringen, und wollen weder von den anderen noch von Gott
gestört werden. Deshalb können wir den Herrn immer wieder nur darum bitten, er
möge unsere Verschlossenheit aufbrechen und zu uns kommen und uns seinen Gruss
bringen. »Friede sei mit euch!«: Dieser Gruss des Herrn ist eine Brücke, die
er zwischen Himmel und Erde schlägt. Auf dieser Brücke steigt er zu uns herab,
und wir können auf dieser Brücke des Friedens zu ihm emporsteigen. Auf dieser
Brücke sollen wir, immer zusammen mit ihm, auch den Nächsten, der uns braucht,
erreichen. Ja, indem wir uns mit Christus erniedrigen, erheben wir uns bis zu
ihm und zu Gott: Gott ist Liebe, und darum ist der Abstieg, die Erniedrigung,
die uns die Liebe abverlangt, zugleich der wahre Aufstieg. Gerade dadurch,
dass wir uns erniedrigen, und dabei aus uns selbst herausgehen, gelangen wir
zu der erhabenen Grösse Jesu Christi, zur wahren Grösse des Menschen.
An der Person des Apostels Petrus können wir sehen, wie ein Mensch den Ruf
zur Nachfolge Christi annimmt. Petrus hört die Worte des Meisters und wird
Zeuge seiner Wunder. Aber nur allmählich lernt er verstehen, was die
"Königsherrschaft Jesu", das Reich Gottes, bedeutet. Dem Herrn geht es nicht
um ein irdisches Reich, sondern um den wahren Frieden und die rechte Ordnung,
die aus der Hingabe seiner selbst an den Willen des Vaters erwachsen. "Das
Brot, das ich geben werde, so sagt er, ist mein Fleisch für das Leben der
Welt" (Joh 6,51). Vielen Hörern bleibt diese Botschaft unverständlich. Sie
stellt ihren Glauben auf die Probe. Petrus gibt uns hier ein Vorbild des
Vertrauens und des Grossmutes, die dem Wirken Gottes die Herzen öffnen, und er
bekennt im Namen der anderen Apostel: "Herr, du hast Worte des ewigen Lebens"
(V. 68). Doch auch Petrus muss immer wieder die Erfahrung von Schwäche und
Versagen machen. Als der auferstandene Christus den Apostel fragt: "Liebst du
mich?", meint er eine vorbehaltlose und totale Liebe. Die Antwort des Petrus
ist zaghaft und unsicher. Nach dreimaligem Fragen nimmt Jesus die schwache und
der göttlichen Stütze bedürftige Liebe des Menschen an. Der Herr kommt uns
nahe. Und wir dürfen ganz auf die heiligende Gegenwart des Auferstandenen
vertrauen: Christus ist der "Heilige Gottes", die Quelle der wahren Freude.
Der Herr will jeden von uns zu einem Jünger machen, der in persönlicher
Freundschaft mit ihm lebt. Um das zu verwirklichen, genügt es nicht, ihm
äusserlich zu folgen und zuzuhören; man muss auch mit ihm und wie er leben.
Das ist nur im Rahmen einer sehr innigen Beziehung möglich, die erfüllt ist
von der Wärme vollkommenen Vertrauens. Das ist es, was zwischen Freunden
geschieht; deshalb sagte Jesus einmal: "Es gibt keine grössere Liebe, als wenn
einer sein Leben für seine Freunde hingibt... Ich nenne euch nicht mehr
Knechte; denn der Knecht weiss nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich
euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem
Vater gehört habe" (Joh 15,13.15).
Es ist der Evangelist Johannes, der uns das Gespräch überliefert, das [...]
zwischen Jesus und Petrus stattfindet. Hier tritt uns in den Verben ein sehr
bedeutsames Wortspiel entgegen. Im Griechischen drückt das Verb "philéo" die
freundschaftliche Liebe aus, die zwar zärtlich, aber nicht allumfassend ist,
während das Verb "agapáo" die vorbehaltlose, allumfassende und bedingungslose
Liebe bedeutet. Jesus fragt Petrus beim ersten Mal: "Simon..., liebst du mich
(agapâs-me)" mit dieser allumfassenden und bedingungslosen Liebe (vgl. Joh
21,15)? Vor der Erfahrung des Verrates hätte der Apostel sicherlich gesagt:
"Ich liebe dich (agapô-se) bedingungslos." Jetzt, da er die bittere
Traurigkeit der Untreue, das Drama der eigenen Schwäche kennengelernt hat,
sagt er voll Demut: "Herr, ich habe dich lieb (philô-se)", das heisst: "Ich
liebe dich mit meiner armseligen menschlichen Liebe." Christus fragt noch
einmal: "Simon, liebst du mich mit dieser allumfassenden Liebe, die ich will?"
Und Petrus wiederholt die Antwort seiner demütigen menschlichen Liebe: "Kyrie,
philô-se", "Herr, ich habe dich lieb, so wie ich liebzuhaben vermag." Beim
dritten Mal sagt Jesus zu Simon nur : "Phileîs-me?", "Hast du mich lieb?".
Simon versteht, dass Jesus seine armselige Liebe genügt, die einzige, zu der
er fähig ist, und trotzdem ist er traurig darüber, dass der Herr so zu ihm
sprechen musste. Deshalb antwortete er ihm: "Herr, du weisst alles; du weisst,
dass ich dich lieb habe (philô-se)". Man möchte fast sagen, dass Jesus sich
eher an Petrus angepasst hat, als Petrus an Jesus! Gerade dieses göttliche
Anpassen schenkt dem Jünger, der das Leid der Untreue kennengelernt hat,
Hoffnung. Daraus erwächst das Vertrauen, das ihn zur Nachfolge bis ans Ende
fähig macht: "Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott
verherrlichen würde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!" (Joh
21,19)
Die erste Überlegung ist die, dass Jesus in den Kreis seiner engsten
Vertrauten einen Mann aufnimmt, der nach der gängigen Auffassung im
zeitgenössischen Israel als öffentlicher Sünder betrachtet wurde. Matthäus
hatte nämlich nicht nur mit Geld zu tun, das aufgrund seiner Herkunft von
Leuten, die nicht zum Volk Gottes gehörten, als unrein galt, sondern er
kollaborierte ausserdem mit einer verhassten, habgierigen Fremdherrschaft, die
Abgaben auch willkürlich festlegen konnte. Aus diesen Gründen erwähnen die
Evangelien mehr als einmal "Zöllner und Sünder" (Mt 9,10; Lk 15,1) sowie
"Zöllner und Dirnen" (Mt 21,31) in einem Atemzug. Darüber hinaus sehen sie in
den Zöllnern ein Beispiel der Engherzigkeit (vgl. Mt 5,46: Sie lieben nur
diejenigen, die auch sie lieben) und sagen, dass einer von ihnen, Zachäus,
"der oberste Zollpächter und ... sehr reich" war (Lk 19,2), während die
Volksmeinung sie "Räubern, Betrügern, Ehebrechern" (vgl. Lk 18,11) zugesellte.
Vor diesem Hintergrund fällt eine erste Tatsache ins Auge: Jesus schliesst
keinen von seiner Freundschaft aus. Im Gegenteil, gerade als er im Haus des
Matthäus-Levi zu Tisch sass, gab er diejenigen, die sich daran stiessen, dass
er mit wenig vertrauenerweckenden Leuten Umgang hatte, diese wichtige
Erklärung zur Antwort: "Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die
Kranken. Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten"(Mk
2,17).
Der Apostel kann sagen: "gaudete", denn der Herr ist jedem von uns nahe.
Deshalb ist diese Weisung in Wirklichkeit eine Einladung, dass wir uns der
Gegenwart des Herrn, der uns nahe ist, bewusst werden. Sie ist eine
Sensibilisierung für die Gegenwart des Herrn. Der Apostel will uns aufmerksam
machen auf diese verborgene, aber ganz reale Präsenz Christi, der jedem von
uns nahe ist. Für jeden von uns gelten die Worte aus der Offenbarung: Ich
klopfe an deine Tür. Höre mich, öffne mir. Es ist also auch eine Einladung,
für diese Gegenwart des Herrn, der an meine Tür klopft, empfänglich zu sein.
Ihm gegenüber nicht taub zu sein, weil die Ohren unserer Herzen so erfüllt
sind von den vielen Geräuschen der Welt, dass sie diese stille Gegenwart, die
an unsere Türen klopft, nicht hören können. Prüfen wir gleichzeitig, ob wir
tatsächlich bereit sind die Tür unseres Herzens zu öffnen. Oder ob dieses Herz
vielleicht so angefüllt ist mit vielen anderen Dingen, dass für den Herrn kein
Raum bleibt und wir jetzt für den Herrn keine Zeit haben. Und weil wir
unempfänglich, taub für seine Gegenwart und mit anderen Dingen angefüllt sind,
spüren wir das Wesentliche nicht: Er klopft an die Tür, er ist uns nahe, und
damit ist uns die wahre Freude nahe, die stärker ist als alle Traurigkeit der
Welt und unseres Lebens.
In Jesus Christus hat Gott ein menschliches Antlitz angenommen und ist
unser Freund und Bruder geworden. Jesus selbst sagt beim Letzten Abendmahl zu
Philippus: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Joh 14,9). Und so
hinterlässt uns Philippus diese Botschaft, andere in die persönliche Begegnung
mit Jesu hineinzuführen, ihnen zu sagen: "Komm doch und sieh!", den Auftrag,
selber immer neu zu kommen, um sehen zu lernen und so im Gesicht Jesu, Gott,
den scheinbar fernen Gott, nah zu erkennen und von ihm her zu lernen, wie man
lebt.
Wichtig ist, auf unserem Weg auf die Gesten des Herrn zu achten. Er spricht
zu uns durch Ereignisse, durch Menschen, durch Begegnungen: Man muss auf all
diese Dinge achten. Dann, muss man wirklich mit Jesus Freundschaft schliessen,
in persönlicher Beziehung, in der wir beginnen können, zu verstehen, worum er
uns bittet. Und dann muss ich auf das achten, was ich bin, auf meine
Möglichkeiten. Ich muss auf der einen Seite Mut und auf der anderen Seite
Demut, Vertrauen und Offenheit besitzen, auch mit Hilfe der Freunde, der
Autorität der Kirche und auch der Priester und der Familien: Was will der Herr
von mir? Gewiss, es bleibt immer ein grosses Abenteuer, aber das Leben kann
nur dann gelingen, wenn wir den Mut zum Abenteuer haben, Vertauen haben, dass
der Herr mich niemals allein lassen wird, dass der Herr mich begleiten und mir
helfen wird.
Der Weg, den Jesus mit seiner Lehre abgesteckt hat, ist keine von aussen
auferlegte Norm. Jesus geht selbst diesen Weg und bittet uns um nichts anderes
als darum, ihm zu folgen. Überdies belässt er es aber nicht bei seiner Bitte:
Vor allem schenkt er uns in der Taufe die Teilhabe an seinem Leben und
verleiht uns so die Fähigkeit, seine Lehre anzunehmen und in die Tat
umzusetzen. Das tritt in den Schriften des Neuen Testaments immer
offenkundiger zutage. Seine Beziehung zu den Jüngern besteht nicht in einer
äusserlichen, sondern in einer das Leben betreffenden Unterweisung: Er nennt
sie "meine Kinder" (Joh 23,33; 21,5), "Freunde" (Joh 15,14-15), "Brüder" (Mt
12,50; 28,10; Joh 20,17) und lädt sie ein, in die Lebensgemeinschaft mit ihm
einzutreten und im Glauben und in der Freude sein Joch, das "nicht drückt",
und seine "leicht Last auf sich zu nehmen (vgl. Mt 1128-30).
Der Glaube bedeutet nicht nur, eine gewisse Anzahl von abstrakten
Wahrheiten über die Geheimnisse Gottes, des Menschen, des Lebens und des Todes
sowie der kommenden Wirklichkeiten anzunehmen. Der Glaube besteht in einer
inneren Beziehung zu Christus, einer Beziehung, die auf der Liebe dessen
beruht, der uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,11) bis zur vollkommenen
Selbsthingabe. "Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus
für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren" (Röm 5,8). Welche andere
Antwort können wir auf eine so grosse Liebe geben, wenn nicht die eines
offenen Herzens, das zu lieben bereit ist? Aber was bedeutet es, Christus zu
lieben? Es bedeutet, ihm auch in der Stunde der Prüfung zu vertrauen, ihm auch
auf dem Kreuzweg treu nachzufolgen, in der Hoffnung, dass bald der Morgen der
Auferstehung kommen wird. Wenn wir uns Christus anvertrauen, verlieren wir
nichts und gewinnen alles. In seinen Händen erhält unser Leben seinen wahren
Sinn. Die Liebe zu Christus kommt in dem Wollen zum Ausdruck, das eigene Leben
mit den Gedanken und Empfindungen Seines Herzens in Einklang zu bringen. Das
wird durch die innere Vereinigung verwirklicht, die auf der Gnade der
Sakramente beruht und durch das ständige Gebet, durch Lob, Dank und Busse
gestärkt wird. Nicht fehlen darf dabei ein Aufmerksames Hinhören auf die
Eingebungen, die er durch sein Wort, durch die Menschen, denen wir begegnen,
und durch die Situationen des alltäglichen Lebens in uns weckt. Ihn zu lieben
bedeutet, mit ihm im Gespräch zu bleiben, um seinen Willen zu erkennen und
unverzüglich umzusetzen.
Die Apostel waren Weggefährten Jesu, Freunde Jesu, und ihr Weg zusammen mit
Jesus war nicht nur ein äusserer Weg, von Galiläa nach Jerusalem, sondern ein
innerer Weg, auf dem sie den Glauben an Jesus Christus lernten, nicht ohne
Schwierigkeiten, denn sie waren Menschen wie wir. Aber gerade weil sie
Weggefährten Jesu waren, Freunde Jesu, die auf einem Weg, der nicht leicht
war, gelernt haben zu glauben, führen sie auch uns und helfen uns, Jesus
Christus kennenzulernen, ihn zu lieben und an ihn zu glauben.
Matthäus antwortet sofort auf den Ruf Jesu : "Da stand Matthäus auf und
folgte ihm." Die Kürze dieses Satzes hebt die Bereitschaft des Matthäus, auf
den Ruf zu antworten, deutlich hervor. Das bedeutet für ihn, alles zu
verlassen, vor allem das, was ihm eine sichere Einnahmequelle gewährleistete,
auch wenn diese Einnahmen oft unrechtmässig und unehrenhaft waren.
Offensichtlich verstand Matthäus, dass die Vertrautheit mit Jesus es ihm nicht
erlaubte, mit Aktivitäten fortzufahren, die Gott nicht guthiess. Die Anwendung
auf die Gegenwart ist einfach: Auch heute ist es nicht zulässig, an Dingen
festzuhalten, die mit der Nachfolge Jesu nicht vereinbar sind, wie es bei
unehrlich erworbenem Reichtum der Fall ist. Er hat einmal sehr deutlich
gesagt: " Wenn du vollkommen sein willst, geh verkauf deinen Besitz und gib
das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben, Dann
komm und folge mit nach" (Mt 19,21). Genau das tat Matthäus: Er stand auf und
folgte ihm! Man kann mit gutem Grund in diesem "Aufstehen" das Loslassen von
einer Situation der Sünde und gleichzeitig die bewusste Zuwendung zu einem
neuen Leben sehen, einem aufrichtigen Leben in der Gemeinschaft mit Jesus.
Das vierte Evangelium berichtet, dass Philippus nach seiner Berufung durch
Jesus Natanaël trifft und zu ihm sagt: "Wir haben den gefunden, über den Mose
im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den
Sohn Josefs" (Joh 1,45). Auf die eher skeptische Antwort Natanaëls hin ("Aus
Nazaret? Kann von dort etwas Gutes kommen?") gibt Philippus nicht auf und
entgegnet entschieden: "Komm und sieh!" (Joh 1,46). In dieser trockenen, aber
klaren Antwort zeigt Philippus die Eigenschaften des wahren Zeugen: er begnügt
sich nicht damit, die Botschaft wie eine Theorie zu verkünden, sondern wendet
sich direkt an seinen Gesprächspartner und schlägt ihm vor, das , was ihm
verkündet wurde, persönlich zu erfahren. Dieselben Verben verwendet auch Jesus
selbst, als zwei Jünger Johannes des Täufers sich ihm nähern, um ihn zu
fragen, wo er wohne: "Kommt und seht" (vgl. Joh 1,38-39).
Herr, schau die Not dieser unserer Stunde an, die Boten des Evangeliums
braucht, Zeugen für dich, Wegweiser zum "Leben in Fülle"! Sieh die Welt und
lass dich auch jetzt vom Mitleid erschüttern! Sieh die Welt an und schicke
Arbeiter! Mit dieser Bitte klopfen wir an der Tür Gottes an; aber mit dieser
Bitte klopft dann der Herr auch an unser eigenes Herz. Herr, willst du mich?
Ist es nicht zu gross für mich? Bin ich nicht zu klein dazu? Fürchte die
nicht, hat der Engel zu Maria gesagt. Fürchte dich nicht, ich habe dich bei
deinem Namen gerufen, sagt er durch den Propheten Jesaja zu uns (43,1) – zu
jedem einzelnen von uns.
Der heilige Paulus sagt allen – und natürlich ganz besonders denen, die im
Erntefeld Gottes arbeiten – , dass wir "die Gesinnung Jesu Christi" haben
sollen. Seine Gesinnung war es, dass er es angesichts des Menschenschicksals
in seiner Herrlichkeit gleichsam nicht mehr aushielt, sondern heruntersteigen
und das Unglaubliche, die ganze Armseligkeit eines menschlichen Lebens
annehmen musste bis in die Stunde des Kreuzesleidens hinein. Das ist die
Gesinnung Jesu Christi: Sich gedrängt fühlen, zu den Menschen das Licht des
Vaters zu bringen, ihnen zu helfen, damit Reich Gottes aus ihnen und in ihnen
werde. Und die Gesinnung Jesu Christi ist es zugleich, dass er immer zutiefst
in der Gemeinschaft mit dem Vater verwurzelt, in sie eingesenkt ist. Wir sehen
es sozusagen äusserlich daran, dass die Evangelisten uns immer wieder
erzählen, dass er sich auf den Berg zurückzieht, er allein, um zu beten. Sein
Wirken kommt aus dem Eingesenktsein in den Vater: Gerade dieses Eingesenktsein
in den Vater bedeutet, dass er herausgehen und durch alle Dörfer und Städte
ziehen muss, um Gottes Reich, das heisst seine Gegenwart, sein "Dasein" mitten
unter uns zu verkündigen, damit es in uns Gegenwart werde und durch uns die
Welt verwandle, damit sein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, und der
Himmel auf die Erde komme.
Diese beiden Aspekte gehören zur Gesinnung Jesu Christi: Einerseits Gott
von innen her kennen, Christus von innen her kennen, mit ihm beieinander sein.
Nur wenn das gegeben ist, entdecken wir den "Schatz" wirklich. Und dann müssen
wir andererseits auch zu den Menschen gehen, dann können wir ihn nicht für uns
behalten und müssen ihn weitergeben.
Es ist zweifellos schwer, Christus nachzufolgen, aber, wie Christus selbst
sagt, wird nur derjenige sein Leben retten, der es um seinetwillen und um des
Evangeliums willen verliert (vgl. Mk 8,35) und so dem eigenen Dasein den
vollen Sinn verleiht. Es existiert kein anderer Weg, um Jünger Christi zu
sein, es gibt keinen anderen Weg, um seine Liebe zu bezeugen und nach der
Vollkommenheit des Evangeliums zu streben.
Im übrigen gebrauchen die Evangelisten das Verb "nachfolgen", um damit
auszudrücken: Wohin Jesus geht, dorthin muss auch sein Jünger gehen. Auf diese
Weise wird das christliche Leben als ein Leben mit Jesus Christus bestimmt,
ein Leben, das gemeinsam mit ihm gelebt werden muss. Der hl. Paulus schreibt
etwas ähnliches, als er den Christen von Korinth versichert: "ihr wohnt in
unserem Herzen. Verbunden mit uns zum Leben und zum Sterben" (2 Kor 7,3). Was
zwischen dem Apostel und "seinen" Christen geschieht, muss natürlich
zuallererst für die Beziehung zwischen den Christen und Jesus selbst gelten:
zusammen sterben, zusammen leben, in seinem Herzen wohnen, wie er in unserem
Herzen wohnt.
Der Fall des Apostels Thomas ist für uns aus mindestens drei Gründen
wichtig: erstens, weil er uns in unseren Ungewissheiten tröstet; zweitens,
weil er uns zeigt, dass jeder Zweifel über alle Ungewissheiten hinaus zum
Licht führen kann; und schliesslich, weil die an Thomas gerichteten Worte Jesu
uns den wahren Sinn des reifen Glaubens in Erinnerung rufen und uns ermutigen,
ungeachtet der Schwierigkeiten auf unserem Weg der Treue zu Jesus
weiterzugehen.
Die Möglichkeiten der Verirrung des menschlichen Herzens sind in der Tat
zahlreich. Der einzige Weg, ihnen vorzubeugen, besteht darin, nicht nur eine
rein individualistische, autonome Sicht der Dinge zu pflegen, sondern sich im
Gegenteil immer wieder aufs neue auf die Seite Jesu zu stellen und seine
Sichtweise anzunehmen. Wir müssen Tag für Tag versuchen, in vollkommener
Gemeinschaft mit ihm zu stehen. Erinnern wir uns daran, dass auch Petrus sich
Jesus und dem, was ihn in Jerusalem erwartete, widersetzten wollte, wofür er
aber eine strenge Zurechtweisung erhielt: "Du hast nicht das im Sinn, was Gott
will, sondern was die Menschen wollen" ( Mk 8,32-33)! Nach seinem Fall bereute
Petrus und fand Vergebung und Gnade. Auch Judas bereute, aber seine Reue
artete in Verzweiflung aus und führte so zur Selbstzerstörung.
Wir wissen wohl, dass die Entscheidung für den Glauben und für die
Nachfolge Christi niemals einfach ist: sie ist im Gegenteil stets umstritten
und kontrovers. Die Kirche bleibt also auch in unserer Zeit ein "Zeichen, dem
widersprochen wird", in der Nachfolge des Meisters (vgl. Lk 2,34). Aber
deswegen verlieren wir nicht den Mut. Im Gegenteil, wir müssen stets bereit
sein, jedem Rede und Antwort ("apo-logia") zu stehen, der von uns Rechenschaft
("logos") fordert über die Hoffnung, die uns erfüllt, wie uns der Erste
Petrusbrief zu tun auffordert (vgl. 3,15). Wir müssen "bescheiden und
ehrfürchtig" antworten, mit einem reinen Gewissen (vgl. 3,16), mit jener
sanftmütigen Kraft, die aus der Vereinigung mit Christus kommt. Wir müssen
dies in allen Bereichen tun, auf der Ebene des Denkens und des Handelns, des
persönlichen Lebens und des öffentlichen Zeugnisses.
In einer sich verändernden Welt bleibt das Evangelium dasselbe. Die
Frohbotschaft bleibt immer gleich: Christus ist gestorben und auferstanden um
unseres Heiles willen! Bringt in seinem Namen allen die Botschaft von der
Umkehr und der Vergebung der Sünden, aber gebt vor allem selbst als erste
Zeugnis von einem bekehrten Leben, dem Vergebung geschenkt wurde! Wir wissen
sehr wohl, dass das nicht möglich ist, ohne "mit der Kraft aus der Höhe
erfüllt" zu sein (Lk 24,49), also ohne die innere Kraft des Geistes des
Auferstandenen. Um sie zu empfangen, dürfen wir uns, wie Jesus zu den Jüngern
sagte, nicht von Jerusalem entfernen; wir müssen in der Stadt bleiben in der
sich das Geheimnis der Erlösung, der höchste Beweis der Liebe Gottes zur
Menschheit, vollzogen hat. Zusammen mit Maria, der Mutter, die Christus uns
vom Kreuz herab geschenkt hat, müssen wir im Gebet verharren. In Jerusalem
bleiben kann für die Christen, die Bürger der Welt sind, nur bedeuten, in der
Kirche zu bleiben, in der "Stadt Gottes", wo sie durch die Sakramente die
"Salbung" des Heiligen Geistes empfangen.
Gerade in unserer Zeit kennen wir das Nein-Sagen der Erstgeladenen sehr
gut. [vgl. Lk 14, 15-24] In der Tat, die westliche Christenheit, die neuen
"Erstgeladenen", sagen nun weithin ab, sie haben keine Zeit, zum Herrn zu
kommen. Wir kennen die leerer werdenden Kirchen, die leerer werdenden
Seminare, die leerer werdenden Ordenshäuser; wir kennen alle die Formen, in
denen dieses "Nein, ich habe etwas Wichtiges zu tun" sich darstellt. Und es
erschreckt und erschüttert uns, Zeugen dieser Absage der Erstgeladenen zu
sein, die eigentlich doch das Grosse wissen und dorthin drängen müssten.
Die christliche Identität setzt sich aus zwei Elementen zusammen: sich
nicht selbst zu suchen, sondern sich von Christus zu empfangen und sich mit
Christus hinzugeben und so persönlich am Geschehen Christi teilzunehmen, bis
hin zum Versenken in ihn und zur Teilhabe an seinem Tod ebenso wie an seinem
Leben. [...] Dieses gegenseitige Durchdrungensein von Christus und dem
Christen, das für die Lehre des Paulus charakteristisch ist, vervollständigt
das, was er über den Glauben sagt. Obwohl uns nämlich der Glaube tief mit
Christus vereint, lässt er den Unterschied zwischen ihm und uns deutlich
hervortreten.
Unsere radikale Zugehörigkeit zu Christus und die Tatsache, dass "wir in
ihm sind", muss in uns eine Haltung vollkommenen Vertrauens und unermesslicher
Freude einflössen. Letztlich müssen wir nämlich mit dem Hl. Paulus ausrufen:
"Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?" (Röm 8,31). Und die Antwort darauf
ist: Nichts und niemand kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in
Christus Jesus ist, unserem Herrn" (Röm 8,39). Unser christliches Leben ist
also auf den stärksten und sichersten Felsen gegründet, den man sich
vorstellen kann. Und aus ihm beziehen wir unsere ganze Kraft. Genau wie der
Apostel schreibt: "Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt" (Phil
4,13).
Sehnsüchtig erwartet der Herr von uns vor allem die Antwort, dass wir seine
Liebe annehmen und uns von Ihm an sich ziehen lassen. Wobei es nicht genügt,
seine Liebe lediglich anzunehmen. Solche Liebe und solcher Einsatz wollen ihre
Entsprechung in der Weitergabe an die anderen; Christus "zieht mich zu sich",
um sich mit mir zu vereinigen, damit ich lerne, die Brüder und Schwestern mit
seiner Liebe zu lieben.
Was aber ist der Sinn dieses seines Wortes? ["Liebt eure Feinde" (Lk 6,27)]
Warum fordert Jesus, die eigenen Feinde zu lieben, also eine Liebe, die über
die menschlichen Fähigkeiten hinausgeht? In Wirklichkeit ist der Vorschlag
Christi realistisch, denn er trägt der Tatsache Rechnung, dass es in der Welt
zuviel Gewalt, zuviel Ungerechtigkeit gibt; eine solche Situation kann man nur
dann überwinden, wenn ihr ein Mehr an Liebe, ein Mehr an Güte entgegengesetzt
wird. Dieses "Mehr" kommt von Gott: Es ist seine Barmherzigkeit, die in Jesus
Fleisch geworden ist und die allein in der Welt den Schwerpunkt auf die Seite
des Guten verlagern kann, ausgehend von jener kleinen und entscheidenden
"Welt", die das Herz des Menschen ist.
Für einen Christen bedeutet Beten [...] nicht, der Wirklichkeit und den
damit einhergehenden Verantwortungen zu entfliehen, sondern vielmehr sie voll
und ganz zu übernehmen im Vertrauen auf die treue und unerschöpflichen Liebe
des Herrn. So ist es paradoxerweise die Agonie in Getsemani (vgl. Lk
22,39-46), die die Wahrheit der Verklärung offenbart. Unmittelbar vor seinem
Leiden wird Jesus die Todesangst erleben und sich dem göttlichen Willen
anvertrauen; in dieser Stunde wird sein Gebet Unterpfand des Heils für uns
alle sein. Christus nämlich wird den himmlischen Vater anflehen, "ihn aus dem
Tod zu retten", und, wie der Autor des Hebräerbriefs schreibt, "er ist erhört
und aus seiner Angst befreit worden" (5,7). Der Beweis dieser Erhörung ist die
Auferstehung.
Luther sagt: Wir können nichts hinzufügen. Und das stimmt. Und dann sagt
er: Daher zählen unsere Werke nichts. Und das stimmt nicht. Denn die
Grosszügigkeit des Herrn zeigt sich gerade darin, dass er uns einlädt,
einzutreten, und auch Wert darauf legt, dass wir bei ihm sind. Wir müssen das
alles besser lernen und auch die Grösse und Grosszügigkeit des Herrn und die
Grösse unserer Berufung spüren. Der Herr will uns an diesem seinem grossen
Mehr teilhaben lassen. Wenn wir anfangen, das zu begreifen, werden wir uns
freuen, dass der Herr uns dazu einlädt. Es wird die grosse Freude darüber
sein, dass wir von der Liebe des Herrn ernst genommen wurden.
Das vom Relativismus geprägte kulturelle Klima, das uns umgibt, macht es
immer wichtiger und dringlicher, die Gewissheit, dass Christus, der Gott mit
dem menschlichen Antlitz, unser wahrer und einziger Retter ist, im ganzen Leib
der Kirche tief zu verankern und sie zur Reife zu bringen. Das Buch "Jesus von
Nazareth" – ein sehr persönliches Buch, das nicht der Papst, sondern Joseph
Ratzinger verfasst hat – ist mit dieser Absicht geschrieben: dass wir, mit dem
Herzen und mit dem Verstand, wieder sehen können, dass Christus wirklich
derjenige ist, auf den das Herz des Menschen wartet.
Die Palmprozession ist – wie damals bei den Jüngern – zunächst einfach
Ausdruck der Freude darüber, dass wir Jesus kennen dürfen; dass wir ihm
Freunde sein dürfen; und dass er uns den Schlüssel zum Leben geschenkt hat.
Diese Freude, die am Anfang steht, ist aber auch Ausdruck unseres Ja zu Jesus
und unserer Bereitschaft, mit ihm zu gehen, wohin er uns führt.
Was heisst das praktisch "Christus nachfolgen"? Am Anfang, bei den ersten
Jüngern Jesu, hatte das Wort einen ganz einfachen Sinn. Es besagte, dass diese
Menschen sich entschlossen, ihren Beruf, ihr Geschäft, ihr bisheriges Leben
hinter sich zu lassen und stattdessen mit Jesus zu gehen. Es bedeutete einen
neuen Beruf; den des Jüngers. Der grundlegende Inhalt dieses Berufs ist das
Mitgehen mit dem Meister, das vollständige Sich-Anvertrauen an seine Führung.
Nachfolge ist so etwas Äusserliches und zugleich etwas ganz Innerliches
gewesen. Etwas Äusserliches: Das Nachgehen hinter Jesus auf seinen Wanderungen
durch Palästina; etwas Innerliches: die neue Orientierung der Existenz die
nicht mehr im Geschäft, im Broterwerb, im eigenen Wollen ihre Leitpunkte hat,
sondern weggegeben ist an den Willen eines anderen. Ihm zur Verfügung stehen
ist nun Lebensinhalt geworden. Wieviel Verzicht auf das Eigene, welche Wendung
von sich selbst das für die Jünger einschloss, können wir aus einzelnen Szenen
der Evangelien recht deutlich erkennen. So wird aber auch schon sichtbar, was
Nachfolge für uns bedeutet und was für uns ihr eigentliches Wesen ist: Es geht
um eine innere Verwandlung der Existenz. Es geht darum, dass ich nicht mehr in
mein Ich eingeschlossen bin und meine Selbstverwirklichung als meinen
hauptsächlichen Lebensinhalt annehme. Es geht darum, dass ich mich frei gebe
an einen anderen hin – für die Wahrheit, für die Liebe, für Gott, der mir in
Jesus Christus vorausgeht und den Weg zeigt. Es geht um die Grundentscheidung,
nicht Nutzen und Erwerb, Karriere und Erfolg als letztes Ziel meines Lebens
anzusehen, sondern Wahrheit und Liebe als die eigentlichen Massstäbe
anzuerkennen. Es geht um die Wahl, nur für mich selber zu leben oder mich
wegzugeben – an das Grössere hin. Und bedenken wir dabei, dass Wahrheit und
Liebe nicht abstrakte Grössen sind, sondern in Jesus Christus sind sie Person.
Wenn ich ihm folge, dann trete ich in den Dienst der Wahrheit und der Liebe.
Mich verlierend finde ich mich.
Was gibt uns Christus wirklich? Warum wollen wir Jünger Christi sein? Die
Antwort lautet: Weil wir hoffen, in der Gemeinschaft mit ihm das Leben zu
finden, das wahre Leben, das diesen Namen verdient, und deshalb wollen wir die
anderen mit ihm bekannt machen, ihnen das Geschenk kundtun, das wir in ihm
gefunden haben. Aber ist es wirklich so? Sind wir wirklich überzeugt, dass
Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist?
Gott ist die grundlegende Wirklichkeit, nicht ein nur gedachter oder
hypothetischer Gott, sondern der Gott mit dem menschlichen Antlitz; er ist der
Gott-mit-uns, der Gott der Liebe bis zum Kreuz. Wenn der Jünger zum
Verständnis dieser Liebe Christi "bis zur Vollendung" gelangt, kann er nicht
umhin, auf dies Liebe nur mit einer ähnlichen Liebe zu antworten: " Ich will
dir folgen, wohin du auch gehst" (Lk 9,57).
Bleib bei uns, Herr, begleite uns, obwohl wir dich nicht immer zu erkennen
vermochten. Bleib bei uns, denn um uns herum verdichten sich die Schatten, und
du bist das Licht; Entmutigung schleicht sich in unsere Herzen ein, und du
lässt sie durch die Gewissheit von Ostern brennen. Wir sind müde vom Weg, aber
du bestärkst uns durch das Brechen des Brotes, unseren Brüdern zu verkünden,
dass du wirklich auferstanden bist und uns mit der Sendung betraut hast,
Zeugen deiner Auferstehung zu sein.
Bleib bei uns, Herr, wenn rund um unseren Katholischen Glauben die Nebel des
Zweifels, der Müdigkeit oder der Schwierigkeiten aufziehen: Du, der du als
Offenbarer des Vaters die Wahrheit selbst bist, erleuchte unseren Geist durch
dein Wort; hilf uns, die Schönheit des Glaubens an dich zu empfinden.
Bleib, in unseren Familien, erleuchte sie in ihren Zweifeln, hilf ihnen in
ihren Schwierigkeiten, tröste sie in ihren Leiden und in der tagtäglichen
Mühe, wenn sich um sie herum Schatten zusammenziehen, die ihre Einheit und
ihre natürlichen Identität bedrohen. Du, der du das Leben bist, bleibe in
unseren Häusern und Wohnungen, damit sie weiterhin Stätten sind, wo das
menschlichen Leben selbstlos geboren wird, wo man das Leben empfängt, liebt
und es von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende respektiert.
Bleib, Herr, bei denen, die in unseren Gesellschaften am verwundbarsten sind;
bleib bei den Armen und Geringen, bei den Indigenen und Afroamerikanern, die
nicht immer Raum und Unterstützung gefunden haben, um dem Reichtum ihrer
Kultur und der Weisheit ihrer Identität Ausdruck zu verleihen. Bleib, Herr,
bei unseren Kindern und unseren Jugendlichen, die die Hoffnung und der
Reichtum unseres Kontinents sind, bewahre sie vor den grossen Bedrohungen, die
ihre Unschuld und ihre berechtigten Hoffnungen gefährden. O Guter Hirt, bleib
bei unseren Alten Menschen und bei unseren Kranken. Stärke alle im Glauben,
damit sie deine Jünger und Missionare sind!
Der Friede, den zu bringen er [Jesus] gekommen ist, ist nicht
gleichbedeutend mit einfacher Abwesenheit von Konflikten. Im Gegenteil, der
Friede Jesus Christi ist Ergebnis eines ständigen Kampfes gegen das Böse, der
Kampf, den durchzustehen Jesus entschlossen ist, ist nicht ein Kampf gegen
Menschen oder menschliche Mächte, sondern gegen den Feind Gottes und des
Menschen, Satan. Wer diesem Feind widerstehen will und dabei Gott und dem
Guten treu bleibt, muss notwendigerweise Verständnislosigkeiten und manchmal
richtiggehenden Verfolgungen entgegentreten. All diejenigen, die
beabsichtigen, Jesus nachzufolgen und sich kompromisslos für die Wahrheit
einzusetzen, müssen deshalb wissen, dass sie Widerständen begegnen werden und
gegen ihren Willen Zeichen der Spaltung unter den Menschen, sogar innerhalb
ihrer Familien, sein werden. Die Liebe gegenüber den Eltern ist nämlich ein
heiliges Gebot; um aber echt gelebt zu werden, darf sie nie der Liebe zu Gott
und zu Christus vorangestellt werden. Auf diese Weise werden die Christen auf
den Spuren von Jesus, dem Herrn nach dem berühmten Wort des hl. Franziskus von
Assisi zu "Werkzeugen des Friedens". Nicht eines haltlosen und scheinbaren,
sondern eines wirklichen Friedens, der mutvoll und hartnäckig bei den
täglichen Aufgaben angestrebt wird, das Böse mit dem Guten zu besiegen (vgl.
Röm 12,21), und für den man persönlich den Preis bezahlt, den dies erfordert.
Das Heil, das Jesus mit seinem Tod und seiner Auferstehung gewirkt hat, ist
universal. Er ist der einzige Erlöser und lädt alle zum Festmahl des
unsterblichen Lebens. Dies aber unter einer einzigen und gleichen Bedingung:
sich anzustrengen, ihm nachzufolgen und ihn nachzuahmen, und dabei, wie Er es
getan hat, sein Kreuz auf sich zu nehmen und das Leben dem Dienst an den
Brüdern zu weihen. Diese Bedingung für den Eintritt in das himmlische Leben
ist also eine einzige und universal. Am letzten Tag - so bringt Jesus im
Evangelium weiter in Erinnerung - werden wir nicht auf der Grundlage von
angeblichen Privilegien gerichtet, sondern nach unseren Werken. Diejenigen,
"die Unrecht tun", werden ausgeschlossen sein, während all diejenigen
aufgenommen werden die unter grossen Opfern das Gute vollbracht und die
Gerechtigkeit gesucht haben. Es wird somit nicht reichen, sich als "Freunde"
Christi zu erklären und dabei mit falschen Verdiensten zu prahlen: "Wir haben
doch mit dir gegessen und getrunken und du hast auf unseren Strassen gelehrt"
(Lk 13,26). Die wahre Freundschaft mit Jesus kommt in der Lebensart zum
Ausdruck: sie kommt in der Güte des Herzens, in der Demut, der Sanftmut und
der Barmherzigkeit, in der Liebe zur Gerechtigkeit und zur Wahrheit, im
aufrichtigen und ehrlichen Einsatz für den Frieden und die Versöhnung zum
Ausdruck. Das ist, so könnten wir sagen, der "Personalausweis", der uns als
seine echten "Freunde " ausweist: Das ist der "Pass", der es uns gestatten
wird, in das ewige Leben einzutreten.
Liebe Jugendliche, wenn der Herr euch ruft, enger in seinem Dienst zu
stehen, dann antwortet grossherzig darauf. Seid euch sicher: Das Leben, das
Gott gewidmet ist, ist niemals umsonst gelebt.
"Auf Christus schauen" heisst das Leitwort dieses Tages. Dieser Anruf wird
für den suchenden Menschen immer wieder von selbst zur Bitte, zur Bitte
besonders an Maria, die ihn uns als ihr Kind geschenkt hat: "Zeige und Jesus!"
Beten wir heute so von ganzem Herzen; beten wir so auch über diese Stunde
hinaus, inwendig auf der Suche nach dem Gesicht des Erlösers. "Zeige uns
Jesus!" Maria antwortet, indem sie uns ihn zunächst als Kind zeigt. Gott hat
sich klein gemacht für uns. Gott kommt nicht mit äusserer Macht, sondern er
kommt in der Ohnmacht seiner Liebe, die seine Macht ist. Er gibt sich in
unsere Hände. Er bittet um unsere Liebe. Er lädt uns ein, selbst klein zu
werden, von unserem hohen Thronen herunterzusteigen und das Kindsein vor Gott
zu erlernen. Er bietet uns das Du an. Er bittet, dass wir ihm vertrauen und so
das Sein in der Wahrheit und in der Liebe erlernen.
Nur der Liebende findet das Leben und Liebe verlangt immer das Weggehen aus
sich selbst, verlangt immer, sich selber zu lassen. Wer umschaut nach sich
selbst, den anderen nur für sich haben will, der gerade verliert sich und den
andern. Ohne dieses tiefste Sich-Verlieren gibt es kein Leben. Die rastlose
Gier nach Leben, die die Menschen heute umtreibt, endet in der Öde des
verlorenen Lebens. "Wer sein Leben um meinetwillen verliert...", sagt der
Herr: Ein letztes Loslassen unserer Selbst ist nur möglich, wenn wir dabei am
Ende nicht ins Leere fallen, sondern in die Hände der ewigen Liebe hinein.
Erst die Liebe Gottes, der sich selbst für uns und an uns verloren hat,
ermöglicht auch uns, frei zu werden, loszulassen und so das Leben wirklich zu
finden.[...] Mit seinem Wort schenkt er uns die Gewissheit, dass wir auf seine
Liebe, die Liebe des menschgewordenen Gottes bauen können. Dies zu erkennen
ist die Weisheit von der die erste Lesung uns gesprochen hat. Denn wiederum
gilt, dass alles Wissen der Erde uns nichts nützt, wenn wir nicht zu leben
lernen. Wenn wir nicht erlernen, worauf es im Leben wahrhaft ankommt.
"Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt,
wird erhöht werden" (Lk 14,11). Diese von der Schrift aufgezeigte Perspektive
erscheint heute mehr denn je provokativ für die Kultur und die Sensibilität
des Menschen der Gegenwart. Der Demütige wird wie einer, der aufgibt, wie ein
Unterlegener wahrgenommen, einer, der der Welt nichts zu sagen hat. Indessen
ist dies der Königsweg, und nicht nur, weil die Demut eine grosse menschliche
Tugend ist, sondern weil sie vor allem die Handlungsweise Gottes selbst
darstellt. Sie ist der Weg, den Christus, der Mittler des neuen Bundes,
gewählt hat: "Sein Leben war das eines Menschen, er erniedrigte sich und war
gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz" (Phil 2,8).
Wir bitten um den Blick der Güte Gottes. Wir selber brauchen diesen Blick
der Güte über den Sonntag hinaus in den Alltag hinein. Bittend wissen wir,
dass dieser Blick uns schon geschenkt ist. Mehr noch, wir wissen, dass Gott
uns als seine Kinder adoptiert, uns wirklich in die Gemeinschaft mit sich
selber aufgenommen hat. Kindsein bedeutet - das wusste die alte Kirche - ein
Freier sein, kein Knecht, sondern selbst der Familie zugehörig. Und es
bedeutet Erbe sein. Wenn wir dem Gott zugehören, der die Macht über alle
Mächte ist, dann sind wir furchtlos und frei, und dann sind wir Erben. Das
Erbe, das er uns vermacht hat, ist er selbst, seine Liebe. Ja, Herr, gib uns,
dass uns dies tief in die Seele dringt und dass wir so die Freude der Erlösten
erlernen. Amen.
In der Vielfalt ihrer Riten und historischen Traditionen verkündet und
bezeugt die eine katholische Kirche in jedem Winkel der Erde denselben Jesus
Christus, Wort des Heils für jeden Menschen und für den ganzen Menschen.
Deshalb besteht das Geheimnis der Wirksamkeit aller unserer pastoralen und
apostolischen Pläne vor allem in der Treue zu Christus. Von uns Hirten wie von
allen Gläubigen wird gefordert, mit ihm im Gebet und im fügsamen Hören auf
sein Wort eine tiefe und beständige Vertraulichkeit mit ihm zu leben: Das ist
der einzige Weg, den wir gehen müssen, um in jedem Bereich Zeichen seiner
Liebe und Werkzuge seines Friedens und seiner Eintracht zu werden.
Mit Geduld und Demut, mit Liebe, Wahrheit und Öffnung des Herzens wird der
Weg, der gegangen werden soll, weniger schwierig. Vor allem dann, wenn die
grundlegende Sichtweise nicht aufgegeben wird, nämlich die Überzeugung, dass
alle Jünger Christi aufgerufen sind, in seinen Spuren zu wandeln indem sie
sich von seinem Geist, der in der Kirche immer am Werk ist, fügsam leiten
lassen.
Liebe Brüder und Schwestern, nehmen wir die Einladung Christi an, den
alltäglichen Ereignissen im Vertrauen auf seine vorhersehende Liebe zu
begegnen. Wir wollen keine Furcht vor der Zukunft haben, auch wenn diese uns
düster erscheinen mag, denn der Gott Jesu Christi, der die Geschichte
angenommen hat, um sie auf ihre transzendente Erfüllung hin zu öffnen, ist ihr
Alpha und Omega, ihr Anfang und Ende (vgl. Offb 1,8). Er sichert uns zu, dass
in jedem kleinen, aber wahren Akt der Liebe der ganze Sinn des Universums
enthalten ist, und dass derjenige der nicht zögert, sein Leben für ihn zu
verlieren, es in Fülle findet (vgl. Mt 16,25).
Jeder wahre Jünger Christi kann nur eine einzige Sache erstreben: Sein
Leiden zu teilen, ohne irgendeinen Lohn einzufordern. Der Christ ist dazu
berufen, wie ein "Knecht" zu werden, indem er den Spuren Jesu folgt, das
heisst sein Leben freigebig und absichtslos für die anderen hingibt. Nicht die
Suche nach Macht und Erfolg, sondern die demütige Selbsthingabe für das Wohl
der Kirche muss jede unserer Handlungen und jedes unserer Worte kennzeichnen.
Die wahre christliche Grösse besteht in der Tat nicht im Herrschen, sondern im
Dienen. Jesus wiederholt heute für jeden von uns, das er "nicht gekommen
[ist], um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben
hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mk 10,45).
Liebe Brüder und Schwestern, die demütige und heilige Familie von Nazaret,
Ikone und Vorbild jeder menschlichen Familie, wird euch ihren himmlischen
Beistand nicht fehlen lassen. Aber euer beständiger Rückgriff auf das Gebet,
das Hören des Wortes Gottes und ein tiefes Leben aus den Sakramenten ist
unerlässlich, ebenso wie das unablässige Bemühen, Christi Gebot der Liebe und
der Vergebung zu leben. Die Liebe sucht nicht den eigenen Vorteil, sie trägt
das erlittenen Böse nicht nach, sondern freut sich an der Wahrheit. Die Liebe
erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand" (vgl.. 1 Kor
13,5-7).
Heute in der Gegenwart, entscheidet sich unser künftiges Schicksal; mit dem
konkreten Verhalten, das wir in diesem Leben an den Tag legen, entscheiden wir
über unser ewiges Los. Am Ende unserer Tage auf Erden, in Augenblick des
Todes, werden wir danach beurteilt werden, ob wir dem Kind, das in der armen
Grotte von Betlehem geboren werden wird, ähnlich sind oder nicht, da es der
Massstab ist, den Gott der Menschheit gegeben hat. Der himmlische Vater, der
uns in der Geburt seines eingeborenen Sohnes seine barmherzige Liebe offenbart
hat, ruft uns auf, dessen Spuren zu folgen und wie er aus unserem Dasein ein
Geschenk der Liebe zu machen, und die Früchte der Liebe sind jene " der Umkehr
würdigen Früchte".
Jünger Jesu Christi werden ist also ein Weg der Erziehung zu unserem wahren
Sein, zum rechten Menschsein. Im Alten Testament wurde die Grundhaltung des
Menschen, der Gottes Wort lebt, in dem Begriff Zadik - der Gerechte -
zusammengefasst: Wer nach dem Wort Gottes lebt, wird ein Gerechter; er tut und
lebt die Gerechtigkeit. Im Christentum ist die Haltung der Jünger Jesu Christi
dann in einem andern Wort formuliert worden: der Gläubige. Der Glaube umfasst
alles; das Mitsein mit Christus und mit seiner Gerechtigkeit wird in diesem
Wort nun zusammen ausgesagt. Wir empfangen im Glauben Christi Gerechtigkeit
und leben sie selbst, geben sie weiter.
Jesus ist der Weg, der zum wahren Leben führt, zum Leben, das kein Ende
hat. Dieser Weg ist oft eng und steil, aber, wenn wir uns von Ihm anziehen
lassen, ist dieser Weg so wunderschön wie ein Bergpfad: je weiter man
hinaufsteigt, um so besser kann man von oben stets neue, noch schönere und
weitere Panoramen bewundern. Der Weg ist anstrengend, aber wir sind nie
allein: wir helfen uns gegenseitig, wir warten aufeinander und wir reichen
denen, die nicht nachkommen, die Hand... Wichtig ist, dass wir uns nicht
verlaufen, dass wir nicht vom Weg abkommen, sonst besteht die Gefahr, dass wir
in einen Abgrund stürzen oder uns im Wald verirren! Liebe Jungen und Mädchen,
Gott ist Mensch geworden, um uns den Weg zu zeigen, ja, indem er Kind wurde,
ist er selbst zum "Weg" geworden - auch für euch Jungen und Mädchen: er war
wie ihr, er hatte euer Alter. Folgt Ihm in Liebe nach, und legt dabei jeden
Tag eure Hand in seine Hände.
Jünger Christi sein - was heisst das? Nun, das bedeutet zuerst: ihn
kennenlernen. Wie geschieht das? Es ist eine Einladung, ihm zuzuhören, wie er
im Wort der Heilige Schrift zu uns spricht, wie er im gemeinsamen Beten der
Kirche und in den Sakramenten, wie im Zeugnis der Heiligen uns anredet und auf
uns zugeht. Christus kennenlernen kann man nie nur theoretisch. Man kann in
grosser Gelehrsamkeit alles wissen über die Heiligen Schriften, ohne ihm
begegnet zu sein. Zum Kennenlernen gehört das Mitgehen mit ihm, das Eintreten
in seine Gesinnungen, wie der Philipper-Brief sagt (2,5).Diese Gesinnungen
beschreibt der heilige Paulus kurz so: die Liebe haben, miteinander eine Seele
sein (sýmpsychoi), einträchtig sein, nichts aus Ehrgeiz und Prahlerei tun,
nicht nur auf das eigenen Wohl, sondern auf das des anderen bedacht sein
(2,2-4). Katechese kann nie nur intellektuelle Belehrung sein, sie muss auch
Einübung in die Lebensgemeinschaft mit Christus, Einübung in die Demut, in die
Gerechtigkeit und in die Liebe werden. Nur so gehen wir mit Jesus Christus auf
seinem Weg. Nur so öffnet sich das Auge unseres Herzens. Nur so lernen wir die
Schrift zu verstehen und begegnen wir Ihm. Begegnung mit Jesus Christus
verlangt das Zuhören, verlangt das Antworten im Gebet und im Tun dessen, was
er uns sagt. Indem wir Christus kennenlernen, lernen wir Gott kennen, und nur
von Gott her verstehen wir den Menschen und die Welt, die sonst ein sinnloses
Fragen bleibt.
Auch heute erfordert die Evangelisation ein totales und treues Anhangen an
das Wort Gottes: Anhänglichkeit vor allem an Christus und aufmerksames Hören
auf seinen Geist, der die Kirche führt, demütigen Gehorsam gegenüber den
Hirten, die Gott zu Führung seines Volkes eingesetzt hat und umsichtigen und
offenen Dialog mit den sozialen, kulturellen und religiösen Herausforderungen
unserer Zeit. Dies alles erfordert bekanntlich eine intime Gemeinschaft mit
jenem, der uns ruft, seine Freunde und Jünger zu sein, eine Einheit von Leben
und Tun, die sich aus dem Hören auf sein Wort, aus Betrachtung und Gebet, aus
Distanz zum Denken der Welt und aus einer unablässigen Bekehrung zu seiner
Liebe hin speist, damit er, Christus, es ist, der in uns lebt und wirkt.
Die Umkehr bringt es also mit sich, dass man sich demütig in die Schule
Jesu begibt und vorangeht, indem man fügsam seinen Spuren folgt. Erhellend
sind diesbezüglich die Worte, mit denen er selbst die Bedingungen dafür
angibt, seine wahren Jünger zu sein. Nachdem er gesagt hat: "Wer sein Leben
retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des
Evangeliums willen verliert, wird es retten", fügt er hinzu: "Was nützt es
einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben
einbüsst" (Mk 8,35-36).
Führen das Streben nach Erfolg, die Sehnsucht nach Prestige und die Suche nach
Bequemlichkeit, wenn sie das Leben völlig in Anspruch nehmen, bis hin zum
ausschliessen Gottes aus dem eigenen Horizont, wirklich zum Glück?
Kann es echtes Glück geben, wenn man von Gott absieht?
Die Erfahrung zeigt, dass man nicht deshalb glücklich ist, weil die
Erwartungen und die materiellen Bedürfnisse befriedigt werden. In Wirklichkeit
ist die einzige Freude, die das menschliche Herz erfüllt, jene Freude, die von
Gott kommt: Wir bedürfen nämlich der grenzenlosen Freude. Weder die
Alltagssorgen noch die Schwierigkeiten vermögen jene Freude auszulöschen, die
aus der Freundschaft mit Gott entsteht. Die Aufforderung Jesu, sein Kreuz auf
sich zu nehmen und ihm nachzufolgen, mag in einem ersten Augenblick hart und
dem entgegengesetzt erscheinen, was wir wollen, demütigend für unseren Wunsch
nach Selbstverwirklichung. Wenn wir aber näher hinschauen, können wir
entdecken, dass dem nicht so ist: Das Zeugnis der Heiligen beweist, dass im
Kreuz Christi, in der Liebe, die man schenkt, wenn man auf den Besitz seiner
selbst verzichtet, sich jene tiefe Gelassenheit findet, die Quelle der
hochherzigen Hingabe an die Brüder, besonders an die Armen und Bedürftigen,
ist. Und dies schenkt auch uns selbst Freude.
Die nächste Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode wird dem Wort
Gottes im Leben der Kirche gewidmet sein: Ich bitte euch, liebe Brüder und
Schwestern, euren Beitrag zu dieser kirchlichen Aufgabe zu leisten, indem ihr
davon Zeugnis gebt, wie wichtig es ist, in den Mittelpunkt von allem das Wort
Gottes zu stellen; das gilt besonders für alle, die der Herr so wie euch in
seine engste Nachfolge beruft. Das geweihte Leben ist nämlich im Evangelium
verwurzelt; es hat sich die Jahrhunderte hindurch immer an ihm als seiner
obersten Regel inspiriert und ist gerufen, ständig zu ihm zurückzukehren, um
lebendig und fruchtbar zu bleiben, indem es Frucht bringt für das Heil der
Seelen.
Liebe Brüder und Schwestern, bereichert euren Tag durch Gebet, Meditation
und Hören des Gotteswortes. Ihr, die ihr mit der altehrwürdigen Praxis der "lectio
divina" vertraut seid, sollt auch den Gläubigen helfen, diese in ihrem
Alltagsleben aufzuwerten. Und ihr sollt dazu fähig sein, alles, was das Wort
empfiehlt, in Zeugnis umzusetzen, indem ihr euch von diesem Wort - das wie der
Same, der auf guten Boden fiel, reiche Frucht bringt - formen lasst. So werdet
ihr immer für den Geist offen sein und in der Verbundenheit mit Gott wachsen;
ihr werdet die brüderliche Gemeinschaft unter euch pflegen und werdet bereit
sein, den Brüdern, vor allem jenen, die sich in Not befinden, hochherzig zu
dienen. Mögen die Menschen eure guten Werke, Frucht des Worte Gottes, das in
euch lebt, sehen können und euren Vater im Himmel preisen (vgl. Mt 5,16)!
Das ist der wahre christliche Gehorsam, der Freiheit ist: nicht wie ich es
möchte, mit meinem Lebensplan für mich, sondern indem ich mich ihm zur
Verfügung stelle, damit er über mich verfügen kann. Und wenn ich mich in seine
Hände begebe, bin ich frei. Aber es ist ein grosser Sprung, der niemals
endgültig getan ist. ich denke hier an der hl. Augustinus, der uns das oft
gesagt hat. Nach der Bekehrung dachte er anfangs, den höchsten Punkt erreicht
zu haben und im Paradies der Neuheit des Christseins zu leben. Dann entdeckte
er, dass der schwierige Weg des Lebens weiterging, wenn auch von jenem
Augenblick an immer im Licht Gottes, und dass man jeden Tag aufs neue diesem
Sprung aus sich selbst heraus tun muss, dass man das Ich hinschenken muss,
damit es stirbt und im grossen Ich Christi erneuert wird, das auf eine gewisse
sehr wahre Art und Weise unser aller gemeinsames Ich, unser Wir ist.
Aber ich würde sagen, dass wir selbst gerade in der Feier der Eucharistie -
die diese grosse und tiefe Begegnung mit dem Herrn ist, wo ich mich in seine
Hände fallenlasse - diesen grossen Schritt üben müssen. Je mehr wir selbst ihn
erlernen, desto besser können wir ihn auch den anderen gegenüber zum Ausdruck
bringen und ihn anderen verständlich, zugänglich manchen.
Nur wenn wir mit dem Herrn gehen, wenn wir uns in der Gemeinschaft der Kirche
seinem Offensein hingeben, wenn ich nicht für mich selbst lebe - sei es für
ein glückliches leben auf der Erde, sei es nur für meine persönliche Seligkeit
-, sondern mich zum Werkzeug seines Friedens mache, lebe ich gut und lerne
ich, Mut zu haben vor den täglichen Herausforderungen, die stets neu und
schwer, oft beinahe nicht zu verwirklichen sind. Ich verlasse mich selbst,
weil du es willst, und ich bin sicher, dass ich so gut vorangehe. Wir können
nur den Herrn bitten, dass er uns helfen möge, diesen Weg jeden Tag zu gehen,
damit wir den anderen helfen, sie erleuchten und ermutigen und sie so befreit
und erlöst werden können.
Der Brief an die Hebräer hat über das Leben und Wirken Jesu als Leitwort
eine Satz aus Psalm 40 gestellt: "Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht
gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen" (Hebr 10,5). An die Stelle
der blutigen Opfer und der Opferung von Speisen tritt der Leib Christi, tritt
er selbst. Nur "die Liebe bis zur Vollendung", nur die Liebe, die sich für die
Menschen ganz Gott schenkt, ist der wahre Gottesdienst, das wahre Opfer. Im
Geist und in der Wahrheit anzubeten heisst Anbetung in Gemeinschaft mit dem,
der die Wahrheit ist; Anbetung in der Gemeinschaft mit seinem Leib, in dem der
Heilige Geist uns eint.
Jesus hatte seinen Jüngern gesagt, dass sie wie die Kinder werden müssten,
um in das Reich Gottes einzutreten. Er selbst, der die ganze Welt umfasst, hat
sich klein gemacht, um uns entgegenzukommen, um uns auf den Weg zu Gott zu
führen. Um Gott zu erkennen, müssen wir den Stolz aufgeben, der uns blendet,
der uns in die Ferne von Gott stossen will, als wäre Gott unser Gegenspieler.
Um Gott zu begegnen, muss man fähig werden, mit dem Herzen zu sehen. Wir
müssen lernen, mit einem Kinderherzen, einem jungen Herzen zu sehen, das nicht
von Vorurteilen gehemmt und von Interessen geblendet ist. So hat die Kirche in
den Kleinen, die mit einem derart freien und offenen Herzen ihn erkennen, das
Bild der Gläubigen aller Zeiten gesehen, ihr eigenes Bild.
"Conversi ad Dominum"[wendet euch nun auf den Herrn zu ] - immer wieder
müssen wir uns herauswenden aus den verkehrten Richtungen, in die wir so oft
mit unserm Denken und Handeln gehen. Immer neu müssen wir uns hinwenden zu
ihm, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Immer neu müssen wir Bekehrte werden,
mit dem ganzen Leben auf den Herrn zugewandt. Und immer neu müssen wir unser
Herz aus der Schwerkraft, die nach unten zieht, herausholen lassen und
inwendig nach oben heben: in die Wahrheit und in die Liebe hinein.
Dank des Todes und der Auferstehung Christi erstehen auch wir heute zu
neuem Leben; wir vereinen unsere Stimme mit der seinen und verkünden, immer
bei Gott bleiben zu wollen, unserem Vater, der unendlich gut und barmherzig
ist. Treten wir so in das Innerste des Ostergeheimnisses ein.
Christliche Brüder und Schwestern in allen Teilen der Welt, Männer und
Frauen, die wirklich offen sind für die Wahrheit! Niemand möge das Herz vor
der Allmacht dieser Liebe verschliessen, die erlöst! Jesus Christus ist für
alle gestorben und auferstanden: Er ist unsere Hoffnung! Wahre Hoffnung für
jeden Menschen. Heute sendet der auferstandene Jesus, wie er es vor seiner
Rückkehr zum Vater mit seinen Jüngern in Galiläa tat, auch uns als Zeugen
seiner Hoffnung überall hin und versichert uns: Ich bin immer bei euch, alle
Tage bis zum Ende der Welt (vgl. Mt 28,20). Wenn wir im Geiste auf die
verherrlichten Wundmale seines verklärten Leibes schauen, können wir den Sinn
und den Wert des Leidens verstehen und die vielen Wunden verbinden, die auch
in unseren Tagen die Menschheit weiter mit Blut überziehen.
Christus sei der Mittelpunkt eures Lebens! Es ist nötig, sich von ihm
ergreifen zu lassen, und mit ihm muss man stets neu beginnen. Alles übrige
erachte man als Verlust, "weil die Erkenntnis Christi Jesu ... alles
übertrifft", und alles halte man "für Unrat, um Christus zu gewinnen" (Phil
3,8). Daraus entsteht die leidenschaftliche Liebe zu Jesus, dem Herrn, das
Streben, sich in ihn hineinzudenken, indem man seine Gefühle und seine
Lebensform annimmt, das vertrauensvolle Sich-Hinschenken an den Vater, die
Hingabe an den Evangelisierungsauftrag.
Der Horizont [...] ist der des absoluten Primat der Liebe Gottes, einer
Liebe, der es gelingt, leidenschaftliche Persönlichkeiten zu formen, die das
Verlangen haben, zur Sendung Christi beizutragen, um die ganze Welt mit dem
Feuer seiner Liebe zu entflammen (vgl. Lk 12,49).
In der Ikone auf dem Hauptaltar, die einige dieser Glaubenszeugen
darstellt, sind die folgenden Worte aus dem Buch der Offenbarung
hervorgehoben: "es sind die, die aus der grossen Bedrängnis kommen" (Offb
7,14). Der Älteste, der fragt, wer die sind, die weisse Gewänder tragen und wo
sie herkommen, erhält zur Antwort, dass es die sind, die "ihre Gewänder
gewaschen und im Blut des Lammes weiss gemacht" haben (Offb 7,14). Auf den
ersten Blick ist dies eine seltsame Antwort.
Aber in der verschlüsselten Sprache des Sehers von Patmos enthält sie einen
klaren Hinweis auf die helle Flamme der Liebe, die Christus dazu bewegt hat,
sein Blut für uns zu vergiessen. Durch dieses Blut sind wir rein geworden. Auf
jene Flamme gestützt, haben auch die Märtyrer ihr Blut vergossen und sind rein
geworden in der Liebe: in der Liebe Christi, die sie dazu befähigt hat, sich
ihrerseits aus Liebe zu opfern. Jesus hat gesagt: "es gibt keine grössere
Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt" (Joh 25,13). Jeder
Glaubenszeuge lebt diese "grössere" Liebe und ist nach dem Vorbild des
göttlichen Meisters bereit, das Leben für das Reich Gottes hinzugeben. Auf
diese Weise wird man ein Freund Jesu; so wird man ihm ähnlich , indem man das
Opfer bis zum äussersten annimmt, ohne der hingebungsvollen Liebe und dem
Dienst am Glauben Grenzen zu setzen.
Richten wir also unseren Blick zum Himmel! Und bitten wir mit grosser Demut
und Zuversicht den Heiligen Geist, uns die Fähigkeit zu schenken, jeden Tag in
der Heiligkeit zu wachsen, die uns zu lebendigen Steinen in dem Tempel macht,
den er auch jetzt mitten in unserer Welt errichtet. Wenn wir wahre Kräfte der
Einheit sein wollen, dann lasst uns die ersten sein, die innere Versöhnung
durch Busse suchen. Lasst uns das erlittene Unrecht vergeben und allen Zorn
und Streit beseitigen. Lasst uns die ersten sein, die die Demut und Reinheit
des Herzens zeigen, die erforderlich sind, um uns dem Glanz der Wahrheit
Gottes zu nähern. In Treue zum Glaubensgut, das den Aposteln anvertraut wurde
(vgl. 1 Tim 6,20), freudige Zeugen der verwandelnden Kraft des Evangeliums
sein!
"Ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich
habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten"(2Tim
4,6-7). Jeder von euch, liebe Brüder und Schwestern, möge in der Lage sein, am
letzten Tag seines Lebens dasselbe zu sagen. Das ist es, was der Herr von
seinen Freunden erwartet, und damit es so geschieht, müssen wir durch
unablässige geistliche, asketische und pastorale Weiterbildung denselben
missionarischen Geist pflegen, der den hl. Paulus beseelt hat. Vor allem
müssen wir "Spezialisten" im Hören auf Gott werden und glaubwürdige Vorbilder
einer Heiligkeit, die umgesetzt wird durch die Treue zum Evangelium ohne
Nachgiebigkeit gegenüber dem Geist der Welt.
Durch meine Anwesenheit heute möchte ich euch ermutigen, dem Evangelium und
der Kirche mit noch grösser Bereitschaft zu dienen. Ich weiss, dass ihr schon
mit Eifer und Vernunft tätig seid und nicht an Kräften spart, um die
Frohbotschaft des Evangeliums zu verkünden. Christus, dem ihr das Leben
geweiht habt, ist mit euch! An ihn glauben wir, ihm vertrauen wir unser Leben
an, ihn wollen wir der Welt verkünden. Christus ist der Weg, die Wahrheit und
das Leben (vgl. Joh 14,6); er soll das Thema unseres Denkens, der Gegenstand
unseres Redens, der Sinn unsers Lebens sein.
Indem Ihr den Ruf des Herrn angenommen habt, ihm in Keuschheit, Armut und
Gehorsam zu folgen, habt Ihr die Reise einer radikalen Jüngerschaft
angetreten, die Euch für viele eurer Zeitgenossen zu einem "Zeichen" machen
wird, "dem widersprochen wird" (vgl. Lk 2,34). Gestaltet Euer Leben täglich
nach dem Beispiel der liebevollen Selbsthingabe des Herrn in Gehorsam
gegenüber dem Willen des Vaters. Auf diese Weise werdet Ihr die Freiheit und
die Freude entdecken, die andere zu der Liebe hinziehen kann, die über jeder
anderen Liebe liegt als deren Quelle und letzte Erfüllung.
Liebe Brüder und Schwestern, um das Heilswerk zu seiner vollen Erfüllung zu
bringen, fährt der Erlöser fort, Männer und Frauen, die bereit sind, das Kreuz
auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen, zu sich zu führen und an seiner
Sendung teilhaben zu lassen. Wie für Christus, so steht es auch für die
Christen nicht in deren Belieben, das Kreuz zu tragen, sondern es ist eine
Sendung, die wir in Liebe annehmen müssen. In unserer heutigen Welt, in der
spaltende und zerstörerische Kräfte vorzuherrschen scheinen, hört Christus
nicht auf, an alle seine klare Einladung zu richten: Wer mein Jünger sein
will, der verleugne seinen Egoismus und trage zusammen mit mir das Kreuz.
Gläubiger Gehorsam gegenüber Gott und liebender Dienst für unseren Nächsten
sind nicht immer leicht. Das Kreuz Christi anzunehmen heisst aber, an seinem
Sieg Anteil zu haben. […][Auch] Petrus und die Apostel, […] müssen lernen, was
es heisst, Jünger Jesu zu sein und Ihm nachzufolgen: das wollen, was Gott
will, auch dann, wenn es schwer scheint und sogar Leid und Kreuz mit
einschliesst.
Oft bedient sie [die säkularisierte Gesellschaft] sich der sozialen
Kommunikationsmittel, um Individualismus und Hedonismus sowie Ideologien und
Verhaltensweisen zu verbreiten, die die Grundlagen der Ehe, die Familie und
die christliche Moral untergraben. Der Jünger Christi findet die Kraft, auf
diese Herausforderungen zu antworten, in der tiefen Kenntnis des Herrn Jesus
und in der aufrichtigen Liebe zu ihm, in der Betrachtung der heiligen Schrift,
in einer guten Unterweisung in der Lehre und im geistlichen Leben, im
ständigen Gebet, im häufigen Empfang des Sakraments der Versöhnung, in der
bewussten und aktiven Teilnahme an der heiligen Messe und in der Verrichtung
der Werke der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit.
Lassen wir uns alle mit den Petrus und Paulus anvertrauten
unterschiedlichen Charismen vom Geist leiten, indem wir versuchen, in der
Freiheit zu leben, die ihre Orientierung im Glauben an Christus findet und
sich im Dienst an den Brüdern konkret verwirklicht. Wesentlich ist, Christus
immer mehr gleichgestaltet zu werden. Auf diese Weise wird man wirklich frei,
auf diese Weise kommt in uns der tiefste Kern des Gesetzes zum Ausdruck: die
Liebe zu Gott und zum Nächsten. Bitten wir den Herrn, dass er uns lehre, so
gesinnt zu sein wie er, um von ihm die wahre Freiheit und die Liebe des
Evangeliums zu lernen, die jeden Menschen umfängt.
Wie wir hörten, hat das Buch Jesus Sirach diejenigen, die dem Herrn folgen
wollen, daran erinnert, dass sie bereit sein müssen, Prüfungen,
Schwierigkeiten und Leiden auf sich zu nehmen. Damit sie diesen nicht
unterliegen - so ermahnt er -, brauchen sie ein aufrichtiges und beständiges
Herz, Treue zu Gott und Geduld, verbunden mit einer unbeugsamen
Entschlossenheit, auf dem Weg des Guten weiterzugehen. Das Leiden veredelt das
Herz des Jüngers des Herrn, so wie das Gold im Schmelzofen gereinigt wird.
Heute Abend sehen wir sie [die Heiligen] nicht, aber wir hören sie
zueinander und zu uns sagen: „Komm, lass dich vom Meister rufen, er ist hier
und ruft dich! (vgl. Joh 11,28). Er will dein Leben, um es mit dem seinen zu
vereinigen. Lass dich von Ihm ergreifen! Schau nicht mehr auf deine Wunden,
schau auf seine. Schau nicht mehr auf das, was dich noch von Ihm und von den
anderen trennt; betrachte den unendlichen Abstand, den Er überwunden hat, als
Er dein Fleisch annahm, als Er auf das Kreuz gestiegen ist, das ihm die
Menschen bereitet haben, und als Er sich in den Tod hat schicken lassen, um
uns seine Liebe zu zeigen. In seine Wunden nimmt er dich auf; in seinen Wunden
birgt Er dich. Weise Seine Liebe nicht ab!“
Der wahre Gläubige erreicht das Heil, wenn er mit seinem Mund bekennt, dass
Jesus der Herr ist, und mit seinem Herzen glaubt, dass ihn Gott von den Toten
auferweckt hat (vgl. Röm 10,9). Wichtig ist vor allem das Herz, das an
Christus glaubt und im Glauben den Auferstandenen „berührt“; es genügt aber
nicht, den Glauben im Herzen zu tragen, wir müssen ihn auch mit dem Mund
bekennen und mit unserem Leben bezeugen und so die Wahrheit vom Kreuz und von
der Auferstehung in unserer Geschichte gegenwärtig machen.
Liebe Freunde, das Reich Gottes ist keine Frage der Ehren und des äusseren
Scheins, sondern es ist, wie der Hl. Paulus schreibt, „Gerechtigkeit, Friede
und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17). Dem Herrn liegt unser Wohl am
Herzen, das heisst, dass jeder Mensch das Leben haben soll und dass
insbesondere seine „geringeren“ Kinder Zugang zu dem Tisch finden können, den
er für alle bereitet hat. Deshalb weiss er nichts mit dem heuchlerischen
Verhalten dessen anzufangen, der „ Herr, Herr“ sagt und dann seine Gebote
nicht beachtet (vgl. Mat 7,21). In sein ewiges Reich nimmt Gott all jene auf,
die sich Tag um Tag darum mühen, sein Wort in die Praxis umzusetzen. Daher ist
die Jungfrau Maria, das demütigste unter allen Geschöpfen, in seinen Augen das
grösste und sitzt als Königin zur Rechten Christi, des Königs.
„Seid wachsam!“, sagt uns Jesus im kurzen Gleichnis des Hausherrn, der auf
Reisen geht und von dem man nicht weiss, wann er zurückkommt (vgl. Mk
13,33-37). Wachen bedeutet dem Herrn zu folgen, das zu wählen, was er gewählt
hat, das zu lieben, was er geliebt hat. Das eigene Leben seinem Leben
gleichförmig werden lassen; das Wachen schliesst auch ein, jeden Augeblick
unserer Zeit in der Gegenwart seiner Liebe zu verbringen, ohne durch die
unausweichlichen Schwierigkeiten und Probleme des Alltags mutlos zu werden.