Davon konnte ich mich unlängst überzeugen, als Tim Guénard auf Einladung der Stadtmission zur Wiener Jugend über sein Leben sprach und wir uns nachher unterhielten. Für mich war er eigentlich kein Unbekannter, besitze ich doch lange schon eine Kassette mit seinem Zeugnis. Es ist erschütternd: Wie kann ein Mensch nach einer solchen Kindheit auf die Beine finden?
Schon seine erste Erinnerung ist schlimm genug: Er ist drei Jahre alt und sieht, wie sich die weißen Stiefel seiner Mutter entfernen. Sie selbst dreht sich nicht um, sagt ihm nicht auf Wiedersehen, sondern bindet ihn nur wie einen Hund an einen Mast und geht weg! Seine Eltern - die Mutter Französin, der Vater Irokese - lebten damals getrennt, und die Mutter hatte einen neuen Lebensgefährten gefunden. Da war das Kind im Weg...
Die ganze Nacht bleibt es frierend und von Angst gelähmt angebunden. Dann findet es die Polizei und bringt es zum Vater, der mittlerweile mit einer anderen Frau zusammenlebt und dem Alkohol sehr zugetan ist. Für die Stiefmutter, die fünf eigene Kinder hat, ist der Bub ein unerwünschter Parasit. Den Vater erinnert Tim unangenehm an die gescheiterte Ehe, und er glaubt nur allzu gerne den falschen Beschuldigungen der Stiefmutter. So bekommt der kleine Tim statt erhoffter Umarmung täglich nur Prügel. Fährt die Familie am Wochenende fort, wird der Vierjährige in den Keller gesperrt - nur der Hund schleckt an seinen Fingern, die er durch das winzige Kellerfenster streckt.
Tim ist fünf, als ihn sein Vater mit einem Holzprügel fast erschlägt. Eine Fürsorgerin war dagewesen und hatte mit dem Buben gesprochen. Nun vermutet der Vater, Tim habe von den Mißhandlungen erzählt. Bald bricht der vor Angst erstarrte Kleine zusammen. Der Vater prügelt weiter und stößt ihn schließlich die Kellertreppe hinunter. Als Tim wieder zu sich kommt, zerrt ihn die Stiefmutter - Tim kann nicht gehen - die Treppe hinauf und oben bricht der Orkan neuerlich los: Ein wuchtiger Schlag zerreißt ein Augenlid, ein zweiter sein Trommelfell und zerfetzt sein Ohr. Dann ist schwarze Nacht um ihn.
Nach drei Tagen im Koma erwacht Tim im Spital, wohin ihn die Fürsorgerin gebracht hatte. Dem Vater wird die elterliche Gewalt entzogen. Tims Beine sind zermalmt. Man muß sie wie ein Puzzle wieder zusammensetzen. Viele qualvolle Operationen muß er erdulden.
Fast drei Jahre bleibt er im Spital. Alpträume bestimmen die Nächte. In all der Zeit kein einziger Besuch. Ein Geschenkpapier, achtlos von einem anderen Buben weggeworfen, ist sein größter Schatz, den er in den Nächten, heimlich auf die Toilette kriechend, bewundert.
Mit siebeneinhalb verläßt er die Klinik. Nach Aufenthalten in Rehabilitationszentren landet er in einem Fürsorgeheim. Jede Woche kommen Paare, die sich ein Kind zur Adoption oder zur Pflege aussuchen. Tim mit dem zerschlagenen Körper will keiner. Wegen seiner schrecklichen Alpträume wird er schließlich in ein Irrenhaus eingeliefert. Hier erwartet ihn ein neuer Horror: Neun Monate Spritzen und andere gewaltsame "Heilverfahren". Erst ein neuer Klinikchef erkennt den schrecklichen Irrtum, und der Bub wird entlassen.
Bricht jetzt endlich eine schöne Zeit an? Nein. Von einem ersten Pflegeplatz wird er weggeholt, nachdem er zwei Selbstmordversuche hinter sich hat. Vom zweiten läuft er weg, nachdem man ihm zu Unrecht die Schuld an einem Scheunenbrand in die Schuhe schiebt. Gendarmen fangen ihn, und ein Richter weist den "bösen" Buben in ein Erziehungsheim ein.
Dort wird er als Jüngster solange gequält, bis endlich Tims Haß größer ist als seine Angst: Er durchstößt mit der Gabel die Hand jenes Buben, der ihm wie auch sonst sein Essen wegnehmen will. Erst als die Betreuer über Tim herfallen, zieht er die Gabel zurück. Von nun an bestimmen Haß und Rachegefühle das Leben des Buben. Bald fürchten ihn auch die Größeren.
Nachdem er einige Mitinsassen in der Nacht, als diese schlafen, blutig geprügelt hat, beschließt er zu fliehen. Haß und die Angst, erwischt zu werden, verleihen ihm Flügel beim Überwinden des Stacheldrahtzauns. Mit zwölf macht er sich also Richtung Paris auf den Weg, wo er zwei Wochen später auch landet. Ganz auf sich allein gestellt, lernt er nun zu stehlen, um zu überleben. Geschlafen wird nachts in einem Fahrradstall.
Die Angst ersetzt ihm gewissermaßen die Mutter: Sie bleibt ihm treu, ist stets zur Stelle, erscheint bei Bedarf. Voll Sehnsucht blickt er in die Fenster, hinter denen Familien miteinander essen, lachen und plaudern. Er träumt davon, daß sich jemand seiner erbarmt. Eines Tages setzt sich ein gepflegter, älterer Mann neben ihn auf eine Bank, und Tim erzählt ihm sein Schicksal. Ob er sich 50 Francs verdienen möchte? Ja, der Bub strahlt und folgt dem Mann in dessen Wohnung - wo er bei vorgehaltener Pistole vergewaltigt wird.
"Ich war noch keine 13, als ich die Perversität des Menschen entdeckt hatte, der sich selbst besudelt und andere in den Dreck zu ziehen versucht," schreibt Tim später in seinem Buch. "Das Böse hat mehr als nur meinen Körper getroffen, es hat meine Seele, meinen geheimen Garten, da wo er noch rein war, verwüstet."
Trotz dieser Erfahrung folgt er einige Zeit später zwei jungen Männern. Sie lernen ihn für ihre Zwecke an: Prostituierten das Geld abzunehmen - Tim muß da meist Schmiere stehen - und Damen der High Society freudlose, einsame Wochenenden zu versüßen. Das Geld, das er bei diesen "Liebesdiensten" verdient, muß er großteils abliefern. "Du hast schöne Augen," sagt ihm eine der Damen. Groteskerweise ist dies das erste Kompliment, das er in seinem Leben zu hören bekommt. Hätte er es doch nur von seiner Mutter gehört!.
Als den beiden Ganoven der Boden in Paris zu heiß wird, setzen sie sich ab und lassen den Buben fast ohne Geld zurück. So lebt er weiter auf der Flucht vor den Polizeistreifen, bis ihn eine Patrouille erwischt. Die Polizisten können es nicht fassen, daß ein Halbwüchsiger - er ist gerade 15 - drei Jahre auf sich allein gestellt in Paris überleben konnte. Neuerlich kommt er in ein Erziehungsheim. Um ihm von vornherein die Schneid abzukaufen, wird er zur Begrüßung gleich von drei Bewachern verprügelt! Tims Haß steigert sich weiter. An seinem Leben liegt ihm nichts mehr, nichts macht ihm mehr Angst. Wer sich mit ihm anlegt, bekommt seine Wut zu spüren. Er wird zu einem gefürchteten Schläger.
Nach einer neuerlichen Flucht wird er erneut eingefangen und auf seinen Wunsch hin einer Richterin vorgeführt, von der er viel Gutes gehört hatte. Tatsächlich bietet sie ihm die Chance, in einem Steinmetzbetrieb als Lehrling einzutreten. Tim ist glücklich und verspricht, sein Bestes zu geben - endlich keine Erziehungsheim mehr!
Nun ist er also Lehrling, besucht eine technische Schule und hat einen Bewährungshelfer. Es ist zwar ein hartes Leben, doch Tim ist zufrieden. Erstmals macht er positive Erfahrungen: mit den Kollegen am Bau und den Mitschülern in der Berufsschule. Das ändert aber nichts daran, daß seine Gewalttätigkeit leicht entflammbar bleibt.
In dieser Zeit lernt er boxen. Es wird nicht der einzige Kampfsport sein, den Tim erlernt, ist er doch von einer Idee besessen, stärker zu werden als sein Vater, um ihn umzubringen.
So wird aus ihm ein sehr guter Boxer. Zwar reizen die Schläge der Gegner seine Wut, doch gelingt es ihm mit der Zeit, seine Schläge so weit zu kontrollieren, daß sie nicht zerstörerisch für den Gegner sind. Denkt er beim Boxen an seinen Vater, so ist der Kampf auch schon gewonnen.
Boxen wird für ihn aber auch aus einem anderen Grund wichtig: War er bisher nie von jemandem umsorgt worden, so kümmert man sich nun um ihn, wenn er bei einem Kampf verletzt wird. Er wird gepflegt, beachtet, angeleitet. Eine ganz neue Erfahrung.
Er ist noch keine 18, als er sein Diplom als Steinmetz in Händen hält. Er sei nicht nur der jüngste, sondern auch der beste junge Steinmetz, wird ihm bescheinigt. Aus Dankbarkeit, schenkt er dieses Zeugnis "seiner" Richterin.
Seine erste Arbeitsstelle ist eine große Baufirma. Er wird ein tüchtiger Vorarbeiter, leitet eine Gruppe von Algeriern, Marokkanern und Tunesiern, die zu seinen Freunden werden. Sie freuen sich über seine beachtlichen Boxsiege und ermutigen ihn.
In diese Zeit fällt seine Bekanntschaft mit Jean Marie, Steinmetz wie er. Gemeinsam besuchen sie einen Fortbildungskurs. Jean Marie ist Christ und bekennt sich dazu. Tim provoziert ihn: "Was tut denn dein Gott für die vergewaltigten Frauen und die geschlagenen Kinder?" Jean Marie antwortet aus seinem Glauben heraus - und Tim ist beeindruckt.
Als der Freund ihm erzählt, daß er sich um behinderte Menschen kümmert und mit ihnen leben möchte, beschließt Tim eines Tages, Jean-Marie zu begleiten und einen "Foyer" der Arche zu besuchen. In dieser von Jean Vanier ins Leben gerufenen Einrichtung für geistig und körperlich behinderte Menschen leben Nichtbehinderte mit Behinderten zusammen. Tim wird, wie er im Rückblick erzählt, "von nicht ganz Normalen empfangen, die ihn freundlich nach seinem Namen fragen und zum Essen einladen." Eine völlig neue Erfahrung für den Profi-Boxer. Zunächst hat er Mühe seine Abwehrreaktionen zu kontrollieren.
Als ihn Jean-Marie anschließend einlädt, Jesus zu besuchen, weiß Tim nicht recht, was das soll. "Ich dachte, daß es sich da um einen ihrer Kumpel handelt. Da waren wir nun unterwegs durch die Stadt, an jedem Arm hatte ich ein behindertes Mädchen - während ich doch sonst dafür bekannt war nur die feschesten Puppen auszuführen ... Ich hatte nur eine Angst, daß mich die Freunde aus meiner Bande sehen könnten". (Tim war nämlich mittlerweile anerkanntes Oberhaupt einer Bande von 50 Jugendlichen, mit denen er die Gegend unsicher macht.)
Als die Gruppe eine Kirche betritt, bemerkt Tim ein Kreuz. Den Mann am Kreuz hat er schon öfter an Wegkreuzungen gesehen. "Auch ein Bandenchef, aber nicht sehr erfolgreich," denkt Tim. Da nun alle aber statt auf das Kreuz zu schauen, fasziniert auf eine kleine weiße Scheibe blicken, ist er verwirrt. "Das ist Jesus", erklärt man ihm. Also bemüht sich Tim, ihn dort zu sehen.
Als nun der Priester die Hostie wegtragen will, springt Tim auf: "Halt nicht wegtragen, ich habe Jesus noch nicht gesehen," ruft er. Lächelnd drehen sich die Anwesenden um. Und Tim ist sicher, nun dächten alle:"Da gibt es einen Behinderten der behinderter ist als die Behinderten."
Von diesem Moment an läßt Gott den jungen Mann nicht mehr los. Er wird keine Mühe scheuen und Seine besten Leute Tims Lebensweg kreuzen lassen. Da ist zunächst Père Thomas Philippe. Als Tim versucht, ihn auf seinem Motorrad das Fürchten zu lehren - unter anderem rast er 50 Stufen mit der Maschine hinunter - meint der Pater nur: "Das war eine höchst angenehme Reise" - und bietet ihm die Vergebung Christi an.
Er gehöre nicht zu diesem Verein, hält ihm Tim entgegen."Jesus kennt dein Herz. Sprich mit Ihm. Er kennt dich, und Er liebt dich," antwortet der Pater. Zu ihm darf Tim von da an kommen, wann immer ihm danach zumute ist, auch mitten in der Nacht. Tim probiert es aus, und jedesmal schenkt ihm der Pater das Verzeihen Christi. Für Tim sind das "große Streicheleinheiten", die sein Herz in den Grundfesten erschüttern.
Drei Schätze lernt Tim durch den Pater kennen: die bedingungslose Annahme, das Verzeihen und die Hoffnung. Immer öfter ist er von nun an in der Arche anzutreffen. Je intensiver der Umgang mit den behinderten Menschen und den Mitarbeitern ist und je öfter der Pater ihn die Liebe Jesu spüren läßt, desto sicherer wird Tim, daß er sein Leben ändern muß. Zu seiner Bande gewinnt er zunehmend Abstand.
Schließlich möchte er in die "Familie" des Paters eintreten, was problematisch ist, denn Tim hat nach wie vor große Probleme mit seiner Gewalttätigkeit. Seine Vergangenheit annehmen und lieben zu lernen, wird zu Tims schwerstem Kampf. Wenn er heute in Schulen oder Gefängnissen auftritt, so bringt er immer das Beispiel des Misthaufens: "Wenn der Dung noch frisch ist, so ist er zu ätzend, zu schwer. Wenn du ihn jetzt auf die Blumen streust, verbrennt er sie. Man muß den Dung ruhen und trocknen lassen. Mit der Zeit wird er leicht und fruchtbringend. Dann bringt er die schönsten Blumen hervor. Gott bedient sich unserer Vergangenheit wie des Misthaufens, um uns zum Wachsen zu bringen."
Damals ist Tim jedoch ungeduldig und tief verletzt, als man ihn noch nicht in der Arche als Mitarbeiter haben möchte. Er läßt alles sausen, will weit weg von Gott, macht Autostop - und landet in Taizé bei Frère Roger, dem Gründer der ökumenischen Taizé-Gemeinschaft. Dort fühlt sich Tim wohl und nimmt sich besonders eines körperbehinderten Jungen an. Auf diesem Umweg gelangt er dann nach Belgien, wo er dann doch eineinhalb Jahre in einer Niederlassung der Arche mitarbeiten wird.
Dort bekommt er sein erstes und schönstes Geburttagsgeschenk von einem jungen Schwerstbehinderten: ein fünfzeiliges Gedicht. Zwei Tage lang mühsamst mit einem Finger in eine Schreibmaschine getippt. Tim nimmt das Gedicht, geht auf sein Zimmer und "liegt in seinem Herzen auf den Knien.".Er hat einen Bruder gefunden, der ihn liebt. Die Tränen, von denen er dachte, er habe sie verloren, fließen reichlich. Er spürt, daß sein Leben an einem neuen Anfang steht.
Langsam begreift er, daß er auch etwas anderes sein kann als das geschlagene Kind ohne Zukunft eines brutalen Alkoholikers. Nun ringt er mit sich: Er möchte so lieben, wie ihn niemand als Kind geliebt hatte, er möchte so beschenken, wie niemand ihn beschenkt hatte und einen Blick für anderen bekommen, wie er ihn selbst nie zu spüren bekommen hatte.
Um möglichst viele Menschen kennenzulernen, fährt er um die halbe Welt. Und Gott verläßt ihn nicht mehr: In Rom führt der junge frisch Bekehrte eine kleine alte Frau über die Straße: Es ist Mutter Teresa von Kalkutta und sie läßt ihn in den nächsten Tagen nicht mehr los.
Einige Zeit lebt er in Kanada bei Trappisten, dann teilt er sein Leben ein Jahr lang mit fünf Behinderten. Es gelingt ihm immer mehr Lasten aus seiner Vergangenheit abzuwerfen. Seine Liebe zu Jesus wächst.
Als er eines Tages wieder in Paris ist, erhält er den Anruf einer Freundin, die er in der Arche kennengelernt hatte. Sie möchte ihre Wohnung renovieren. Ob er wohl helfen könne? Als Tim die Wohnung betritt, erklärt ihm Martine, sie hätte die Eingebung gehabt, daß sie ihn heiraten würde. Tim ist fassungslos, hatte er doch seit längerem für sie gebetet, sie möge den richtigen Mann finden. An eine Verbindung mit ihr hatte er beim besten Willen nicht gedacht, denn Martine stammt aus einer der angesehensten Familien Frankreichs. "Man darf Servietten nicht mit Fetzen zusammenwerfen," erklärt er der jungen Frau. Doch Martine bleibt dabei - und die Liebe der beiden wächst, trotz aller Verschiedenheit.
Noch wissen Martines Eltern nichts von der guten Nachricht. Damit sie diese besser verkraften, betet das junge Paar Wochen hindurch. Und tatsächlich: Das Gebet wird erhört und Martines Eltern nehmen den ungewöhnlich Schwiegersohn - Lederweste, lange Haare, Stiefel - gefaßt und liebenswürdig zur Kenntnis.
Die erste Zeit der Ehe ist nicht einfach. Doch Gott, auf dessen Wirken sie sich bei der Hochzeit eingelassen hatten, läßt sie nicht im Stich. Es ist Marthe Robin, die französische Mystikerin, die Tims Angst, auf Grund seiner Vergangenheit könne er kein guter Vater werden, zerstreut:."Eure Kinder werden im selben Maße wachsen wie eure Liebe," erklärt sie dem jungen Paar. Und als die beiden ihr erzählen, daß sie in Lourdes ein Haus bauen wollen, meint Marthe: "Ein Haus um die aufzunehmen, die Gott euch schicken wird."
Und das haben sie auch verwirklicht. Denn außer ihren eigenen vier Kindern werden im Laufe der Jahre viele Jugendliche, die es aus unterschiedlichsten Gründen schwer im Leben haben und die einen neuen Beginn wagen wollen, bei Tim und Martine unterkommen. "Die meisten bleiben acht bis zwölf Monate," erzählt mir Tim Guénard, "manche auch länger. Außerdem gibt es solche, die vorübergehend zu uns kommen, wenn sie in vorübergehend in Nöten sind."
Die "Ferme Notre-Dame" ist so zu einem Haus Gottes geworden. Hier bekommen junge Leute wieder Mut und Hoffnung und können sich durch Gottes Liebe von Ängsten und Zwängen befreien lassen.
Tim sagt ihnen dasselbe wie seinen Zuhörern in Schulen, Gefängnissen oder Kirchen, wenn er Zeugnis von seinem Leben gibt: "Lieben heißt, auch dem anderen zu sagen, daß er aus der Misere wieder heraus kann. Einem vom Leben Geschlagenen zu sagen: ,Du bist wunderbar,' heißt auch, ihm zu sagen: ,Hab keine Angst vor dir selbst und deiner Vergangenheit. Du bist frei, du kannst dich ändern, du kannst dein Leben neu gestalten. Lieben heißt, daran zu glauben, daß jeder, der in seiner Seele, an seinem Körper oder seinem Herzen verletzt wurde, seine Wunden in eine Quelle der Liebe und des Lebens verwandeln kann. Lieben heißt, für den anderen zu hoffen und ihm den Virus der Hoffnung einzuimpfen. Wenn mein Leben sich geändert hat, warum sollte sich nicht auch das Leben der anderen ändern können?". Aus einem, der aus Haß und Rache gekämpft hat, ist ein Kämpfer der Liebe geworden.
Von der wohl schwersten Last wurde er befreit, als er gelernt hatte, seinem Vater zu vergeben. Er erinnert sich: "Das ging nicht schlagartig. Zunächst möchte man vergeben, kann es aber nicht. Dann wenn Kopf und Herz sich einig sind, bleiben noch die Erinnerungen, die an die Oberfläche steigen. Jahre später mußte ich mich wegen der Verletzungen durch meinen Vater noch an den Beinen operieren lassen. Da fällt das Verzeihen schwer. Das Vergeben der Erinnerungen kann lange dauern."
Nun ist Tim schon lange mit seinem Vater versöhnt und im Laufe der Jahre entstand eine neue Beziehung zwischen beiden. Erst nach dem Tod des Vaters begann Tim, Zeugnis von seiner schweren Jugend zu geben.
Was er nun beruflich macht, frage ich ihn abschließend: "Nachdem ich zunächst Vorarbeiter am Bau war, habe ich dann mit der Restaurierung von Häusern und Schlössern begonnen. Schließlich habe ich mich der Imkerei, der Bildhauerei und der Malerei zugewendet, um nicht zuviel von zu Hause weg zu sein. Derzeit arbeite ich an einem Altar." Er verläßt seine Familie, seine Jugendlichen und seine Bienen nur um Zeugnis zu geben.
So schrecklich schrecklich sein Leiden als Kind auch gewesen war, so zahlreich sind nun die Früchte dieser Leiden durch sein Zeugnis, da vielen neue Wege im Leben weist.