RECONCILIATIO ET PAENITENTIA
Passend zur derzeitigen Synode (Oktober 2014),
was der Hl. Papst Johannes Paul II im Jahre 1984 zur damaligen Synode schrieb. Siehe vor allem Kapitel 34: "... Die
Kirche, welche sich auf diese beiden sich ergänzenden Grundsätze stützt, kann
ihre Söhne und Töchter, die sich in jener schmerzlichen Lage befinden,
nur dazu einladen, sich auf anderen Wegen der Barmherzigkeit Gottes zu nähern,
jedoch nicht auf dem Weg der Sakramente der Buße und der Eucharistie, solange
sie die erforderlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt haben.
..."
Hoffen wir, dass auch diesmal an den
Glaubensgrundsätzen festgehalten wird.
APOSTOLISCHES SCHREIBEN
IM ANSCHLUSS AN DIE BISCHOFSSYNODE
RECONCILIATIO ET PAENITENTIA
VON
JOHANNES PAUL II.
AN DIE BISCHÖFE
DIE PRIESTER UND DIAKONE
UND AN ALLE GLÄUBIGEN
ÜBER VERSÖHNUNG UND BUSSE
IN DER SENDUNG DER KIRCHE HEUTE
EINLEITUNG
URSPRUNG UND BEDEUTUNG DES DOKUMENTES
1. Von Versöhnung und Buße zu sprechen bedeutet eine Einladung an die Männer
und Frauen unserer Zeit, in ihrer Sprache jene Worte wiederzuentdecken, mit
denen unser Heiland und Meister Jesus Christus seine Verkündigung beginnen
wollte: »Kehrt um und glaubt an das Evangelium!«,(1) das heißt, nehmt an die
Frohe Botschaft der Liebe, der Gotteskindschaft und so auch der Brüderlichkeit.
Warum legt die Kirche dieses Thema und diese Einladung erneut vor?
Der brennende Wunsch, den heutigen Menschen und seine Welt besser
kennenzulernen und zu verstehen, seine Rätsel zu lösen und sein Geheimnis zu
enthüllen sowie die guten von den schlechten Fermenten, die heute wirksam sind,
zu unterscheiden, läßt viele schon seit längerem mit fragenden Augen auf diesen
Menschen und auf diese Welt blicken. Dies tun der Historiker und der Soziologe,
der Philosoph und der Theologe, der Psychologe und der Humanist, der Dichter,
der Mystiker: vor allem aber tut dies - besorgt und doch auch voller Hoffnung -
der Seelsorger.
Ein solch fragender Blick ist besonders deutlich auf jeder Seite der
wichtigen Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen
Konzils über die Kirche in der Welt von heute zu finden, vor allem in der
umfangreichen und tiefgehenden Einführung, ebenso in einigen Dokumenten,
die aus der Weisheit und Hirtenliebe meiner verehrten Vorgänger hervorgegangen
sind, deren herausragende Pontifikate vom geschichtlichen und prophetischen
Ereignis jenes Ökumenischen Konzils geprägt sind.
Wie die anderen entdeckt auch das Auge des Seelsorgers unter den
verschiedenen charakteristischen Zügen der Welt und der Menschheit unserer Tage
leider die Existenz zahlreicher tiefer und schmerzlicher Spaltungen.
Eine zerrissene Welt
2. Diese Spaltungen zeigen sich in den Beziehungen zwischen Personen und
Gruppen, aber auch bei den größten gesellschaftlichen Gebilden: Nationen gegen
Nationen, gegeneinanderstehende Blöcke von Ländern, alle in atemlosem Streben
nach Vorherrschaft. Es ist nicht schwer, an der Wurzel der Spaltungen Konflikte
zu entdecken, die sich in Auseinandersetzung und Streit verschärfen, anstatt im
Dialog eine Lösung zu finden.
Auf der Suche nach den Ursachen solcher Spaltung finden aufmerksame
Beobachter die verschiedensten Elemente: von wachsender Ungleichheit zwischen
den Gruppen, sozialen Klassen und Ländern bis zu noch keineswegs überwundenen
ideologischen Gegensätzen; vom Gegensatz ökonomischer Interessen bis zu
politischer Frontenbildung; von Stammeskonflikten bis zu gesellschaftlicher und
religiöser Diskriminierung. Einige für alle sichtbare Tatsachen bilden gleichsam
das traurige Antlitz solcher Spaltungen: Sie sind deren Frucht und zeigen ihre
Schwere in unwiderlegbarer konkreter Deutlichkeit. Unter vielen anderen
schmerzlichen sozialen Erscheinungen unserer Zeit kann man auf die folgenden
hinweisen:
- die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, darunter an erster Stelle
das Recht auf Leben und auf eine menschenwürdige Lebensqualität, was umso
empörender ist, als sie einhergeht mit einer bisher nie gekannten Rhetorik
über diese Rechte;
- die Angriffe und Drohungen gegen die Freiheit der einzelnen und der
Gemeinschaften, darin eingeschlossen, ja noch weit mehr verletzt und bedroht,
die Freiheit, einen eigenen Glauben zu haben, zu bekennen und zu leben;
- die verschiedenen Formen von Diskriminierung: rassisch, kulturell,
religiös usw.;
- Gewalt und Terrorismus;
- Gebrauch der Folter und ungerechte wie unerlaubte Formen staatlicher
Gewalt;
- die Anhäufung von konventionellen oder atomaren Waffen und ein
Rüstungswettlauf mit Militärkosten, die dazu dienen könnten, das
unverschuldete Elend von Völkern zu lindern, die sozial und wirtschaftlich
zurückliegen;
- die ungerechte Verteilung der Hilfsquellen dieser Welt und ihrer
Kulturgüter, die ihren Gipfel in einer Sozialstruktur erreicht, durch welche
der Abstand zwischen den sozialen Bedingungen der Reichen und der Armen immer
mehr zunimmt.(2)
Der überwältigende Druck dieser Spaltungen macht aus der Welt, in der wir
leben, eine bis in ihre Fundamente zerrissene Welt.(3)
Weil die Kirche andererseits, ohne sich mit der Welt gleichzusetzen oder
von der Welt zu sein, doch in der Welt lebt und im Dialog mit der
Welt steht,(4) darf es nicht verwundern, wenn man auch in der kirchlichen
Gemeinschaft selbst Auswirkungen und Zeichen jener Zerrissenheit feststellen
kann, die die ganze menschliche Gesellschaft verwundet. Außer den Spaltungen
zwischen den christlichen Gemeinschaften, die sie seit Jahrhunderten bedrücken,
erlebt die Kirche heute in ihrem Inneren Spaltungen zwischen ihren eigenen
Mitgliedern, die durch unterschiedliche Auffassungen und Standpunkte im Bereich
der Glaubenslehre und Pastoral verursacht werden.(5) Auch diese Spaltungen
scheinen zuweilen unheilbar zu sein.
So beängstigend solche Wunden der Einheit bereits auf den ersten Blick
erscheinen mögen, ihre Wurzel kann man erst entdecken, wenn man bis in die Tiefe
schaut: Die Wurzel liegt in einer Wunde im Inneren des Menschen. Im Licht
des Glaubens nennen wir sie Sünde: beginnend mit der Ursünde, die jeder
von Geburt an wie ein von den Eltern empfangenes Erbe in sich trägt, bis hin zur
Sünde, die ein jeder begeht, wenn er die eigene Freiheit gegen den Plan Gottes
benutzt.
Sehnsucht nach Versöhnung
3. Und doch, wenn der gleiche prüfende Blick scharfsichtig genug ist,
entdeckt er inmitten der Spaltung ein unverkennbares Verlangen von Menschen
guten Willens und von wirklichen Christen, die Brüche zu heilen, die Risse zu
schließen und auf allen Ebenen die wesentliche Einheit wiederherzustellen.
Dieses Verlangen wird bei vielen zu einer wahren Sehnsucht nach Versöhnung,
auch dann, wenn das Wort selbst nicht benutzt wird.
Für manche handelt es sich hierbei um eine Utopie, die zum idealen Hebel für
eine echte Veränderung der Gesellschaft werden könnte; für andere dagegen muß
die Versöhnung durch hartes, intensives Bemühen errungen werden und stellt darum
ein Ziel dar, das man durch ernsthaften Einsatz von Denken und Handeln erreichen
soll. In jedem Falle ist das Verlangen nach einer aufrichtigen und dauerhaften
Versöhnung ohne allen Zweifel ein grundlegendes Motiv unserer Gesellschaft und
eine Folge ihres unaufhaltsamen Friedenswillens; und das ist es - auch wenn dies
paradox erscheint - um so stärker, je mächtiger die Ursachen der Spaltung sind.
Allerdings darf die Aussöhnung nicht weniger tief reichen als die Entzweiung.
Die Sehnsucht nach Versöhnung und die Versöhnung selbst werden nur in dem Maße
voll wirksam sein, wie sie heilend bis zu jener ursprünglichen Verwundung
vordringen, welche die Wurzel aller anderen ist; und das ist die Sünde.
Die Blickrichtung der Synode
4. Darum muß jede Institution oder Organisation, die dem Menschen dienen will
und ihn in seinen grundlegenden Belangen retten möchte, ihren aufmerksamen Blick
auf die Versöhnung richten, um deren Bedeutung und volle Tragweite tiefer zu
erfassen und daraus die notwendigen praktischen Konsequenzen zu ziehen.
Auch die Kirche Jesu Christi durfte sich dieser besonderen Aufmerksamkeit
nicht verschließen. Mit der Hingabe einer Mutter und der Klugheit einer Lehrerin
geht sie mit Eifer und Umsicht daran, aus der Gesellschaft zusammen mit den
Zeichen der Spaltung auch jene ebenso deutlichen und aufschlußreichen Zeichen
der Suche nach Aussöhnung zu sammeln. Sie ist sich ja bewußt, daß ihr in
besonderer Weise die Möglichkeit gegeben und die Sendung aufgetragen ist, den
wahren und tief religiösen Sinn sowie die wesentlichen Dimensionen der
Versöhnung aufzuzeigen und schon so dazu beizutragen, daß die wesentlichen
Aspekte der Frage von Einheit und Frieden klarer werden.
Meine Vorgänger haben unablässig die Versöhnung gepredigt und die ganze
Menschheit sowie jede Gruppe und jeden Bereich der menschlichen Gemeinschaft,
die sie zerrissen und gespalten sahen, zur Versöhnung aufgefordert.(6) Aus einem
inneren Antrieb, der zugleich - dessen bin ich gewiß - einer höheren Eingebung
sowie den Appellen der Menschheit gehorchte, habe ich selbst in zwei
verschiedenen, aber beidemal feierlichen und verbindlichen Weisen das Thema
der Versöhnung besonders herausgestellt: zunächst, indem ich die VI.
Allgemeine Versammlung der Bischofssynode einberufen habe; und dann, indem ich
es zum Mittelpunkt des Jubiläumsjahres gemacht habe, das zur Feier des 1950.
Jahrestages der Erlösung ausgerufen worden ist.(7) Als ich der Synode ein Thema
zuweisen mußte, konnte ich jenem voll und ganz zustimmen, das zahlreiche meiner
Brüder im Bischofsamt vorgeschlagen hatten, nämlich das fruchtbare Thema der
Versöhnung in enger Verbindung mit der Buße.(8)
Der Ausdruck und der Begriff der Buße selbst sind sehr vielschichtig. Sehen
wir sie mit der Metánoia verbunden, wie die Synoptiker sie darstellen, so
bezeichnet Buße die innere Umkehr des Herzens unter dem Einfluß des Wortes
Gottes und mit dem Blick auf das Reich Gottes.(9) Buße bedeutet aber auch,
das Leben zu ändern in Übereinstimmung mit der Umkehr des Herzens; in diesem
Sinne wird das »Buße tun« dadurch ergänzt, daß »würdige Früchte der
Buße«hervorgebracht werden:(10) Die ganze Existenz wird in die Buße einbezogen,
das heißt, sie ist bereit, beständig zum Besseren voranzuschreiten. Buße tun ist
allerdings nur dann echt und wirksam, wenn es sich in Akten und Taten der
Buße konkretisiert. In diesem Sinne bedeutet Buße im theologischen und
geistlichen christlichen Sprachgebrauch Aszese, das heißt die konkrete
und tägliche Anstrengung des Menschen, mit Hilfe der Gnade Gottes sein Leben
um Christi willen zu verlieren, als einzige Weise, es wirklich zu gewinnen;(11)
den alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen
anzuziehen;(12) alles in sich zu überwinden, was »fleischlich« ist, damit
das »Geistliche« sich durchsetze;(13) beständig von den irdischen Dingen
hinaufzustreben zu den himmlischen, wo Christus ist.(14) Buße ist also eine
Umkehr, die vom Herzen hin zu den Taten geht und daher das gesamte Leben des
Christen erfaßt.
In allen diesen Bedeutungen ist Buße eng mit Versöhnung
verbunden; denn sich mit Gott, mit sich selbst und mit den anderen zu versöhnen,
setzt voraus, daß man jenen radikalen Bruch überwindet, den die Sünde darstellt.
Dies geschieht nur durch eine innere Wandlung oder Umkehr, die sich durch
Bußakte im täglichen Leben auswirkt.
Das Ausgangsdokument der Synode (auch »Lineamenta«, »Grundlinien«,
genannt), das ausschließlich vorbereitet worden war, um das Thema vorzustellen
und davon einige grundlegende Gesichtspunkte besonders hervorzuheben, hat es den
kirchlichen Gemeinschaften in aller Welt ermöglicht, fast zwei Jahre lang über
diese Aspekte einer alle interessierenden Frage, nämlich der nach Umkehr und
Versöhnung, nachzudenken und daraus neue Kraft für ein christliches Leben und
Apostolat zu gewinnen. Die Reflexion hat sich dann bei der unmittelbareren
Vorbereitung auf die Synodenarbeit weiter vertieft durch den »Arbeitstext« (»Instrumentum
laboris«), der den Bischöfen und ihren Mitarbeitern rechtzeitig zugestellt
worden ist. Schließlich haben die Väter der Synode, von denjenigen unterstützt,
die zur eigentlichen Synodensitzung berufen worden waren, mit tiefem
Verantwortungsbewußtsein dieses Thema und die zahlreichen und verschiedenen
damit verbundenen Fragen behandelt. Aus Debatte und gemeinsamem Studium, aus
eifrigem und gründlichem Forschen ist so ein großer wertvoller Schatz
entstanden, der in den »Schlußvorlagen« (»Propositiones«) im wesentlichen
zusammengefaßt ist.
Die Synode übersieht nicht die Akte der Versöhnung - einige davon werden in
ihrer Alltäglichkeit fast gar nicht bemerkt -, die alle in verschiedenem Maße
mithelfen, die zahlreichen Spannungen zu lösen, die vielen Konflikte zu
überwinden, die kleinen wie die großen Spaltungen zu beheben und die Einheit
wiederherzustellen. Aber das hauptsächliche Bemühen der Synode richtete sich
darauf, auf dem Grund dieser einzelnen Akte die verborgene gemeinsame Wurzel zu
entdecken, eine Urversöhnung, die gleichsam wie eine Quelle für alles andere im
Herzen und Gewissen des Menschen wirkt.
Die besondere, originale Gabe der Kirche hinsichtlich der Versöhnung, wo
immer diese erreicht werden soll, besteht darin, daß sie stets bis zu dieser
ursprunghaften Versöhnung vordringt. Kraft ihrer wesentlichen Sendung sieht sich
die Kirche nämlich verpflichtet, bis an die Wurzeln der Urwunde der Sünde
vorzudringen, um dort Heilung zu wirken und gleichsam eine Urversöhnung zu
schaffen, die dann ein kraftvolles Prinzip jeder weiteren echten Versöhnung sein
soll. Das ist es, was die Kirche beabsichtigt und durch die Synode dargelegt
hat.
Von dieser Versöhnung spricht die Heilige Schrift, wenn sie uns auffordert,
hierfür alle Anstrengungen zu unternehmen;(15) aber sie sagt uns auch, daß
solche Versöhnung vor allem ein barmherziges Geschenk Gottes an den Menschen
ist.(16) Die Heilsgeschichte der gesamten Menschheit wie auch jedes einzelnen
Menschen zu allen Zeiten ist die wundervolle Geschichte einer Versöhnung, bei
der Gott, weil er Vater ist, im Blut und im Kreuz seines menschgewordenen Sohnes
die Welt wieder mit sich versöhnt und so eine neue Familie von Versöhnten
geschaffen hat.
Versöhnung wird notwendig, weil es einen Bruch durch die Sünde gegeben hat,
aus dem sich alle weiteren Formen einer Spaltung im Inneren des Menschen und in
seiner Umgebung herleiten. Damit die Versöhnung vollständig sei, muß sie also
notwendigerweise die Befreiung von der Sünde bis in ihre tiefsten Wurzeln
umfassen. So sind Umkehr und Versöhnung durch ein inneres Band eng
miteinander verbunden: Es ist unmöglich, diese beiden Wirklichkeiten voneinander
zu trennen oder von der einen zu sprechen und die andere zu verschweigen.
Die Bischofssynode hat gleichzeitig von der Versöhnung der ganzen
Menschheitsfamilie und von der inneren Umkehr jeder einzelnen Person, von ihrer
neuen Hinwendung zu Gott, gesprochen; sie wollte damit anerkennen und verkünden,
daß es keine Einheit der Menschen ohne eine Änderung im Herzen eines jeden
einzelnen geben kann. Die persönliche Umkehr ist der notwendige Weg zur
Eintracht unter den Menschen.(17) Wenn die Kirche die Frohe Botschaft von
der Versöhnung verkündigt oder dazu einlädt, sie durch die Sakramente zu
verwirklichen, handelt sie wahrhaft prophetisch: Sie klagt die Übel des Menschen
in ihrer verschmutzten Quelle an; sie weist hin auf die Wurzel der Spaltung und
gibt Hoffnung, daß die Spannungen und Konflikte überwunden werden können, damit
man zu Brüderlichkeit und Eintracht und zum Frieden auf allen Ebenen und in
allen Gruppen der menschlichen Gesellschaft gelangt. Sie beginnt, eine von Haß
und Gewalt geprägte geschichtliche Situation in eine Zivilisation der Liebe zu
verwandeln; sie bietet allen das sakramentale Prinzip des Evangeliums für jene
Urversöhnung an, aus der jede andere versöhnende Geste oder Handlung, auch im
gesellschaftlichen Bereich, hervorgeht.
Von dieser Versöhnung als einer Frucht der Umkehr handelt das vorliegende
Apostolische Schreiben. Denn wie es schon am Ende der drei vorhergehenden
Synodenversammlungen geschehen war, haben die Väter der Synode dem Bischof von
Rom, dem obersten Hirt der Kirche und Haupt des Bischofskollegiums, in seiner
Eigenschaft als Präsident der Synode auch diesesmal die Ergebnisse ihrer Arbeit
übergeben wollen. Als schwere und zugleich dankbare Verpflichtung meines Amtes
habe ich die Aufgabe übernommen, aus dem überaus großen Reichtum der Synode zu
schöpfen, um als Frucht der Synode ein Lehr- und Pastoralschreiben zum Thema der
Versöhnung und Buße an das Volk Gottes zu richten. In einem ersten Teil
möchte ich von der Kirche und dem Vollzug ihrer versöhnenden Sendung, von ihrem
Einsatz für die Bekehrung der Herzen, für die erneuerte Einheit zwischen Gott
und dem Menschen, zwischen dem Menschen und seinem Bruder, zwischen dem Menschen
und der gesamten Schöpfung handeln. Im zweiten Teil werde ich die wurzelhafte
Ursache jeder Verwundung und Spaltung unter den Menschen und vor allem in ihrem
Verhältnis zu Gott aufzeigen, nämlich die Sünde. Schließlich will ich jene
Hilfsmittel angeben, die es der Kirche ermöglichen, die volle Aussöhnung der
Menschen mit Gott und folglich auch der Menschen untereinander zu fördern und zu
erwirken.
Das Dokument, das ich hiermit den Gläubigen der Kirche, aber auch all
denjenigen übergebe, die, gläubig oder nicht, mit Interesse und aufrichtigem
Herzen auf sie schauen, will die pflichtgemäße Antwort auf die an mich
gerichtete Bitte der Synode sein. Aber es ist auch - das möchte ich um der
Wahrheit und Gerechtigkeit willen sagen - ein Werk der Synode selbst. Der Inhalt
dieser Seiten stammt nämlich von ihr: aus ihrer entfernten oder näheren
Vorbereitung, aus dem Arbeitstext, aus den Stellungnahmen in der
Synodenaula und bei den Arbeitsgruppen und vor allem aus den 63
Schlußvorlagen. Dies ist die Frucht der gemeinsamen Arbeit der Väter, zu
denen auch Vertreter der Ostkirchen gehörten, deren theologisches, spirituelles
und liturgisches Erbe so reich und wertvoll auch für das vorliegende Thema ist.
Darüberhinaus hat der Rat des Synodensekretariates in zwei wichtigen Sitzungen
die Ergebnisse und Grundlinien der soeben abgeschlossenen Synode geprüft, den
inneren Zusammenhang der genannten Schlußvorlagen aufgezeigt und die Themen
skizziert, die für die Abfassung dieses Dokumentes am meisten geeignet
erschienen. Ich bin all jenen dankbar, die diese Arbeit geleistet haben, während
ich im folgenden in Treue zu meiner Sendung all das vermitteln möchte, was mir
aus dem für Lehre und Pastoral so reichen Schatz der Synode als ein Geschenk der
Vorsehung erscheint für das Leben so vieler Menschen in dieser großartigen und
zugleich schwierigen Stunde der Geschichte.
Es empfiehlt sich, das zu tun - und es erweist sich als sehr bedeutungsvoll
-, während im Herzen vieler die Erinnerung an das Heilige Jahr, das ganz von
Buße, Umkehr und Versöhnung geprägt war, noch lebendig ist. Möge dieses
Lehrschreiben, das ich den Brüdern im Bischofsamt und ihren Mitarbeitern, den
Priestern und Diakonen, den Ordensmännern und Ordensfrauen, allen Gläubigen und
allen gewissenhaften Männern und Frauen übergebe, nicht nur eine Hilfe zur
Läuterung, Bereicherung und Vertiefung ihres persönlichen Glaubens sein, sondern
auch ein Sauerteig, dem es gelingt, im Herzen der Welt Frieden und
Brüderlichkeit, Hoffnung und Freude wachsen zu lassen, Werte, die aus dem
Evangelium hervorgehen, wenn es angenommen, meditiert und Tag für Tag nach dem
Beispiel Marias gelebt wird, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus, durch den
Gott alles mit sich versöhnen wollte.(18)
ERSTER TEIL
VERSÖHNUNG UND BUSSE:
AUFTRAG UND EINSATZ DER KIRCHE
ERSTES KAPITEL
EIN GLEICHNIS DER VERSÖHNUNG
5. Am Beginn dieses Apostolischen Schreibens steht vor meinem geistigen Auge
jener außerordentliche Text des hl. Lukas, dessen tiefen religiösen wie
menschlichen Inhalt ich schon in einem früheren Dokument zu erläutern versucht
habe.(19) Ich meine das Gleichnis vom verlorenen Sohn.(20)
Vom Bruder, der verloren war...
»Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater:
Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht«, so erzählt Jesus bei der
Darstellung der dramatischen Geschichte dieses jungen Mannes: der leichtsinnige
Weggang aus seinem Vaterhaus, die Vergeudung all seines Besitzes in einem
ausschweifenden Lebenswandel ohne Sinn, die dunklen Tage der Fremde und des
Hungers, aber mehr noch die Tage der verlorenen Würde, der Erniedrigung und
Beschämung und schließlich die Sehnsucht nach dem Vaterhaus, der Mut zur
Heimkehr, der Empfang durch den Vater. Dieser hatte den Sohn keineswegs
vergessen; im Gegenteil, er hatte ihm unverändert Liebe und Achtung bewahrt. So
hatte er immer auf ihn gewartet, und so umarmt er ihn jetzt, während er zum
großen Fest für denjenigen auffordert, der tot war und wieder lebt, der verloren
war und wiedergefunden wurde.
Der Mensch - ein jeder Mensch - ist ein solcher verlorener Sohn: betört von
der Versuchung, sich vom Vater zu trennen, um ein unabhängiges Leben zu führen;
dieser Versuchung verfallen; enttäuscht von der Leere, die ihn wie ein Blendwerk
verzaubert hatte; allein, entehrt, ausgenutzt, als er sich eine Welt ganz für
sich allein zu schaffen versucht; auch in der Tiefe seines Elendes noch immer
gequält von der Sehnsucht, zur Gemeinschaft mit dem Vater zurückzukehren. Wie
der Vater im Gleichnis erspäht Gott den heimkehrenden Sohn, er umarmt ihn bei
seiner Ankunft und läßt die Tafel herrichten für das Festmahl ihrer neuen
Begegnung, mit dem der Vater und die Brüder die Wiederversöhnung feiern.
Was an diesem Gleichnis am meisten beeindruckt, ist die festliche und
liebevolle Aufnahme, die der Vater dem heimkehrenden Sohn bereitet: ein Zeichen
der Barmherzigkeit Gottes, der immer bereit ist zu verzeihen. Sagen wir es
gleich: Die Versöhnung ist in erster Linie ein Geschenk des himmlischen
Vaters
... zum Bruder, der zu Hause geblieben war
6. Das Gleichnis läßt aber auch den älteren Bruder auftreten, der seinen
Platz beim Festmahl verschmäht. Er wirft dem jüngeren Bruder dessen lockeres
Treiben vor und dem Vater den Empfang, den dieser dem verlorenen Sohn
vorbehalten habe, während es ihm selbst, immer beherrscht und fleißig und treu
zum Vater und zum Hause stehend, niemals erlaubt worden sei - wie er sagt -, mit
seinen Freunden ein Fest zu feiern. Ein Zeichen, daß er die Güte des Vaters
nicht versteht. Solange dieser Bruder, von sich selbst und seinen Verdiensten
allzu sehr überzeugt, eifersüchtig und verächtlich, voller Bitterkeit und Zorn,
sich nicht bekehrt und mit dem Vater und dem Bruder versöhnt, ist dieses Mahl
noch nicht ganz das Fest der Begegnung und des Sichwiederfindens.
Der Mensch - ein jeder Mensch - ist auch ein solcher älterer Bruder. Egoismus
macht ihn eifersüchtig, läßt sein Herz hart werden, verblendet und verschließt
ihn gegenüber den anderen und vor Gott. Die Güte und Barmherzigkeit des Vaters
reizen und ärgern ihn; das Glück des heimgekehrten Bruders schmeckt ihm
bitter.(21) Auch in dieser Hinsicht hat der Mensch es nötig, sich zu bekehren,
um sich auszusöhnen.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist vor allem die wunderbare Geschichte der
großen Liebe Gottes, des Vaters, der dem zu ihm heimgekehrten Sohn das Geschenk
einer vollständigen Versöhnung anbietet. Weil es aber in der Gestalt des älteren
Bruders ebenso an den Egoismus erinnert, der die Brüder untereinander entzweit,
wird es auch zur Geschichte der Menschheitsfamilie. Es kennzeichnet unsere Lage
und gibt den zu gehenden Weg an. Der verlorene Sohn in seiner Sehnsucht nach
Umkehr, nach Heimkehr in die Arme des Vaters und nach Vergebung stellt all jene
dar, die im Grund ihres Herzens die Sehnsucht nach einer Aussöhnung auf allen
Ebenen und ohne Vorbehalt verspüren und mit innerer Sicherheit sehen, daß diese
nur dann möglich ist, wenn sie sich von jener ersten, grundlegenden Aussöhnung
herleitet, die den Menschen aus der Gottferne zur kindhaften Freundschaft mit
Gott bringt, um dessen unendliche Barmherzigkeit er weiß. Wenn es jedoch mit dem
Blick auf den anderen Sohn gelesen wird, beschreibt das Gleichnis die Lage der
Menschheitsfamilie, die von ihren Egoismen zerrissen ist; es beleuchtet die
Schwierigkeiten, der Sehnsucht und dem Heimweh nach einer gemeinsamen,
versöhnten und geeinten Familie zu entsprechen, und erinnert so an die
Notwendigkeit einer tiefen Änderung der Herzen verbunden mit der
Wiederentdeckung der Barmherzigkeit des Vaters und der Überwindung von
Unverständnis und Feindseligkeit unter Brüdern.
Im Licht dieses unerschöpflichen Gleichnisses von der Barmherzigkeit, die die
Sünde tilgt, versteht die Kirche, in dem sie den darin enthaltenen Anruf
aufnimmt, ihre Sendung, auf den Spuren des Herrn für die Bekehrung der Herzen
und die Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander zu wirken, zwei
Bereiche, die eng miteinander verbunden sind.
ZWEITES KAPITEL
ZU DEN QUELLEN DER VERSÖHNUNG
Im Lichte Christi, der Versöhnung bewirkt
7. Wie sich aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn ergibt, ist die Versöhnung
ein Geschenk Gottes und ganz seine Initiative. Unser Glaube belehrt uns,
daß diese Initiative konkrete Gestalt im Geheimnis Jesu Christi annimmt, der den
Menschen erlöst und versöhnt und ihn von der Sünde in all ihren Formen befreit.
Paulus faßt gerade in dieser Aufgabe und in diesem Handeln die einzigartige
Sendung Jesu von Nazaret, des menschgewordenen Wortes und Sohnes Gottes,
zusammen.
Auch wir können von diesem zentralen Geheimnis des Heilswerkes
ausgehen, dem Schlüsselbegriff der Christologie des Apostels. »Da wir mit Gott
versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch (Gottes) Feinde
waren«, so schreibt Paulus an die Römer, »werden wir erst recht, nachdem wir
versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben. Mehr noch, wir rühmen uns
Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die
Versöhnung empfangen haben«.(22) Weil also »Gott die Welt in Christus mit sich
versöhnt hat«, fühlt sich Paulus dazu gedrängt, die Christen von Korinth
aufzurufen: »Laßt euch mit Gott versöhnen!«.(23)
Von einer solchen versöhnenden Sendung durch den Tod am Kreuz spricht mit
anderen Worten auch der Evangelist Johannes, wenn er feststellt, daß Christus
sterben mußte, »um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln«.(24)
Paulus wiederum läßt unsere Sicht des Werkes Christi sich ausweiten in
kosmische Dimensionen, wenn er schreibt, daß der Vater in ihm alle Geschöpfe mit
sich versöhnt hat, jene im Himmel und jene auf Erden.(25) In Wahrheit kann man
vom Erlöser Jesus Christus sagen, daß »er zur Zeit des Untergangs ein neuer
Anfang war« (26) und daß er, wie »unser Friede«,(27) so auch unsere Versöhnung
ist.
Zu Recht werden sein Leiden und Sterben, die in der Eucharistiefeier in
sakramentaler Weise erneuert werden, von der Liturgie »Opfer unserer
Versöhnung«(28) genannt: eine Aussöhnung mit Gott, ohne Zweifel, aber auch mit
den Brüdern, wenn Jesus selbst lehrt, daß vor dem Opfer die Versöhnung unter den
Brüdern erfolgen muß.(29)
Wenn man also von diesen und anderen bedeutsamen Abschnitten des Neuen
Testamentes ausgeht, ist es durchaus berechtigt, unsere Überlegungen auf das
gesamte Geheimnis Christi und seiner versöhnenden Sendung hinzulenken. Noch
einmal muß der Glaube der Kirche an das erlösende Handeln Christi, an das
österliche Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, hervorgehoben werden,
das die Ursache der Versöhnung des Menschen in ihrer doppelten Richtung einer
Befreiung von der Sünde und einer Gnadengemeinschaft mit Gott ist.
Gerade vor dem traurigen Hintergrund der Spaltungen und der Schwierigkeiten
einer Aussöhnung unter den Menschen lade ich dazu ein, das Geheimnis
des Kreuzes zu betrachten, das größte Drama von allen, bei dem Christus das
Drama der Trennung des Menschen von Gott bis auf den Grund wahrnimmt und
erleidet, und dies so intensiv, daß er mit den Worten des Propheten aufschreit
»Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«(30) und dabei zugleich
unsere Versöhnung erwirkt. Der Blick auf das Geheimnis von Golgota muß uns immer
an jene »vertikale« Dimension der Trennung und Wiederversöhnung im
Verhältnis des Menschen zu Gott erinnern, die aus der Sicht des Glaubens die
»horizontale« Dimension immer übersteigt, das heißt die Wirklichkeit von
Spaltung und die notwendige Wiederversöhnung unter den Menschen. Wir wissen ja,
daß eine solche gegenseitige Aussöhnung nur die Frucht ist und sein kann aus dem
erlösenden Handeln Christi, der gestorben und auferstanden ist, um das Reich der
Sünde zu besiegen, den Bund mit Gott wiederherzustellen und so die
Trennungsmauer niederzureißen,(31) die die Sünde zwischen den Menschen
aufgerichtet hatte.
Versöhnung durch die Kirche
8. Aber - so sagte Leo der Große, als er vom Leiden Christi sprach - »alles,
was der Sohn Gottes für die Aussöhnung der Welt getan und gelehrt hat, kennen
wir nicht nur aus der Geschichte seiner Handlungen, die vergangen sind, sondern
wir sehen es auch an den Wirkungen dessen, was er heute vollbringt«.(32) So
erfahren wir die Versöhnung, die er in seinem Menschsein vollbracht hat, aus dem
Wirken der heiligen Geheimnisse, die von seiner Kirche gefeiert werden, für die
sich Christus dahingegeben und die er zum Zeichen und Werkzeug des Heils gemacht
hat.
Das versichert der hl. Paulus, wenn er schreibt, daß Gott die Apostel Christi
an seinem versöhnenden Werk teilnehmen läßt. »Gott«, so sagt er, »hat uns den
Dienst der Versöhnung aufgetragen... und das Wort von der Versöhnung
anvertraut«.(33) In Hände und Mund der Apostel, seiner Boten, hat der Vater
voller Erbarmen den Dienst der Versöhnung gelegt, den sie in einer
einzigartigen Weise vollziehen, kraft der Vollmacht, »in der Person Christi« zu
handeln. Aber auch der gesamten Gemeinschaft der Gläubigen, dem ganzen Leib der
Kirche ist das »Wort von der Versöhnung« anvertraut, das heißt der Auftrag,
alles zu tun, um Versöhnung zu bezeugen und in der Welt zu verwirklichen.
Man kann sagen, daß auch das II. Vatikanische Konzil, indem es die Kirche
definiert hat als »das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die
innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«, und
indem es als ihre Aufgabe bezeichnet, »die volle Einheit in Christus« für die
Menschen zu erlangen, »die heute durch vielfältige... Bande enger miteinander
verbunden sind«,(34) damit anerkannt hat, daß sich die Kirche vor allem dafür
einsetzen muß, die Menschen zu einer vollständigen Versöhnung zu führen.
Im engen Zusammenhang mit der Sendung Christi kann man also die an sich
reiche und vielschichtige Sendung der Kirche zusammenfassen in der für sie
zentralen Aufgabe der Versöhnung des Menschen mit Gott, mit sich selbst, mit den
Brüdern, mit der ganzen Schöpfung; und dies fortwährend: denn - wie ich schon
bei anderer Gelegenheit gesagt habe - »die Kirche ist von Natur aus immer
versöhnend«.(35)
Versöhnend ist die Kirche, weil sie die Frohe Botschaft von der Versöhnung
verkündet, wie sie es in ihrer Geschichte immer getan hat, angefangen vom
Apostelkonzil in Jerusalem(36) bis zur letzten Bischofssynode und zum jüngsten
Jubiläumsjahr der Erlösung. Das Besondere an dieser Verkündigung liegt darin,
daß die Versöhnung für die Kirche eng mit der Bekehrung des Herzens verbunden
ist: Diese ist der notwendige Weg zu einer Verständigung zwischen den Menschen.
Versöhnend ist die Kirche auch, weil sie dem Menschen die Wege zeigt und die
Mittel anbietet für die obengenannte vierfache Aussöhnung. Diese Wege sind
gerade die Bekehrung des Herzens und die Überwindung der Sünde, mag diese in
Egoismus oder Ungerechtigkeit, in Anmaßung oder Ausbeutung des Nächsten, im
Verfallensein an materielle Güter oder in hemmungsloser Genußsucht bestehen. Die
Mittel sind das treue und liebende Hören des Wortes Gottes, das persönliche und
das gemeinschaftliche Gebet und vor allem die Sakramente als die wahren Zeichen
und Mittel der Versöhnung, aus denen gerade unter dieser Hinsicht jenes
Sakrament hervorragt, das wir zu Recht Sakrament der Versöhnung oder auch
Bußsakrament zu nennen pflegen. Hierauf werde ich im folgenden noch näher
eingehen.
Die versöhnte Kirche
9. Mein verehrter Vorgänger Paul VI. hat das Verdienst, klargestellt zu
haben, daß die Kirche, um die Frohe Botschaft wirksam verkündigen zu können, bei
sich selbst beginnen und sich als Hörerin der Botschaft erweisen muß, das heißt
als offen für die volle und ganze Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu
Christi, um sie aufzunehmen und zu verwirklichen.(37) Auch ich habe, als ich in
einem eigenen Dokument die Überlegungen der IV. Generalversammlung der Synode
zusammenhängend dargelegt habe, von einer Kirche gesprochen, die in dem Maße,
wie sie anderen Glaubensunterricht erteilt, auch selbst tiefer in den Glauben
hineinwächst.(38)
Ich zögere nun nicht, diese Zuordnung hier wieder aufzugreifen und sie auf
das Thema anzuwenden, das ich behandle: Ich möchte betonen, daß die Kirche, um
versöhnend zu wirken, bei sich selbst beginnen muß, eine versöhnte
Kirche zu sein. Hinter dieser einfachen und knappen Formulierung steht
die Überzeugung, daß die Kirche, um der Welt die Versöhnung noch wirksamer
verkünden und anbieten zu können, immer mehr zu einer Gemeinschaft (und sei sie
auch die »kleine Herde« der ersten Zeiten) von Jüngern Christi werden muß, einig
im Bemühen, sich beständig zum Herrn zu bekehren und als neue Menschen zu leben,
im Geist und in der Wirklichkeit der Versöhnung.
Vor unseren Zeitgenossen, die so empfindsam für den Beweis eines konkreten
Lebenszeugnisses sind, ist die Kirche aufgerufen, ein Beispiel für Versöhnung
vor allem in ihrem eigenen Inneren zu geben; darum müssen wir alle darauf
hinwirken, die Herzen friedfertig zu stimmen, die Spannungen zu verringern, die
Spaltungen zu überwinden, die Wunden zu heilen, die sich Brüder vielleicht
gegenseitig zufügen, wenn sich der Gegensatz zwischen verschiedenen
Einstellungen im Rahmen erlaubter Meinungsvielfalt zuspitzt, und zu versuchen,
einig in dem zu sein, was wesentlich für den Glauben und das christliche Leben
ist, nach der altbewährten Regel: In dubiis libertas, in necessariis unitas,
in omnibus caritas - im Zweifel Freiheit, im Wesentlichen Einheit, in allem
Liebe.
Nach demselben Maßstab muß die Kirche auch ihre ökumenische Aufgabe erfüllen.
Sie ist sich ja dessen sehr bewußt, daß sie, um vollkommen versöhnt zu sein,
unaufhörlich weiter nach der Einheit unter denjenigen suchen muß, die sich
rühmen dürfen, Christen zu sein, aber - auch als Kirchen und Gemeinschaften -
von einander und von der römischen Kirche getrennt sind. Die Kirche von Rom
sucht eine Einheit, die, um Frucht und Ausdruck einer echten Versöhnung zu sein,
weder die trennenden Elemente einfach übergeht noch sich auf Kompromisse
gründet, die ebenso leichtfertig wie oberflächlich und hinfällig wären. Die
Einheit muß das Ergebnis einer wahren Bekehrung aller, der gegenseitigen
Vergebung, des theologischen Dialogs, des brüderlichen Umganges miteinander, des
Gebetes, der vollen Offenheit für das Handeln des Heiligen Geistes sein, der
auch der Geist der Wiederversöhnung ist.
Um sich vollständig versöhnt nennen zu können, fühlt sich die Kirche
schließlich auch zu immer größeren Anstrengungen verpflichtet, das Evangelium zu
allen Völkern zu bringen und den »Heilsdialog«(39) mit jenen weiten Bereichen
der Menschheit in der heutigen Welt zu fördern, die den Glauben der Kirche nicht
teilen oder die aufgrund der wachsenden Verweltlichung sogar Abstand nehmen von
der Kirche und ihr kühl und gleichgültig gegenüberstehen, ja sie manchmal sogar
anfeinden und verfolgen. Allen glaubt die Kirche immer wieder mit dem hl. Paulus
sagen zu müssen: »Laßt euch mit Gott versöhnen!«.(40)
In jedem Falle aber fördert die Kirche nur eine Versöhnung in der Wahrheit,
weil sie sehr wohl weiß, daß weder Versöhnung noch Einheit außerhalb oder gegen
die Wahrheit möglich sind.
DRITTES KAPITEL
INITIATIVE GOTTES UND DIENST DER KIRCHE
10. Als versöhnte und versöhnende Gemeinschaft kann die Kirche nicht
vergessen, daß die Quelle ihrer Gabe und Sendung der Versöhnung die Initiative
voller mitfühlender Liebe und Barmherzigkeit jenes Gottes ist, der die Liebe
ist(41) und aus Liebe die Menschen erschaffen hat:(42) Er hat sie erschaffen,
damit sie in Freundschaft mit ihm und in Gemeinschaft miteinander leben.
Versöhnung geht von Gott aus
Gott bleibt seinem ewigen Plan treu, auch wenn der Mensch, vom Bösen
getrieben(43) und von seinem Stolz verführt, die Freiheit mißbraucht, die ihm
dazu gegeben ist, das Gute hochherzig zu lieben und zu suchen, und seinem Herrn
und Vater den Gehorsam verweigert; wenn er, anstatt mit Liebe auf die Liebe
Gottes zu antworten, sich ihm wie einem Rivalen widersetzt, wobei er sich selbst
täuscht und seine Kräfte überschätzt. Die Folge davon ist ein Bruch in den
Beziehungen zu demjenigen, der ihn erschaffen hat. Trotz dieser Treulosigkeit
des Menschen bleibt Gott treu in seiner Liebe. Gewiß, die Erzählung vom
Garten Eden läßt uns über die traurigen Folgen der Zurückweisung des Vaters
nachdenken, die zu einer inneren Unordnung im Menschen und zum Bruch in der
harmonischen Einheit zwischen Mann und Frau, zwischen Bruder und Bruder
führt.(44) Auch das Gleichnis des Evangeliums von den zwei Söhnen, die sich,
jeder auf seine Weise, vom Vater entfernen und einen Abgrund zwischen sich
aufreißen, spricht von dieser Wahrheit. Die Zurückweisung der Vaterliebe Gottes
und der Geschenke seines Herzens findet sich immer an der Wurzel von Spaltungen
unter den Menschen.
Aber wir wissen, daß Gott, »der voll Erbarmen ist«(45) wie der Vater im
Gleichnis, sein Herz vor keinem seiner Kinder verschließt. Er wartet auf sie und
sucht sie; er erreicht sie dort, wo ihre Verweigerung der Gemeinschaft sie zu
Gefangenen ihrer Einsamkeit und Trennung macht; er ruft sie, sich wieder um
seinen Tisch zu versammeln und sich über das Fest der Vergebung und Versöhnung
zu freuen.
Diese Initiative Gottes findet ihre konkrete Gestalt und ihren Ausdruck im
erlösenden Handeln Christi, das durch den Dienst der Kirche in die Welt
ausstrahlt.
Das Wort Gottes hat ja nach unserem Glauben Fleisch angenommen und ist
gekommen, auf der Erde unter den Menschen zu wohnen; es ist in die Geschichte
der Welt eingetreten, hat ihre Bedingungen auf sich genommen und sie in seinem
Leben zusammengefaßt.(46) Christus hat uns offenbart, daß Gott Liebe ist, und
hat uns das »neue Gesetz« der Liebe gegeben;(47) dabei hat er uns die Gewißheit
vermittelt, daß der Weg der Liebe auf alle Menschen zuführt, so daß die
Bemühungen, eine weltweite Brüderlichkeit(48) zu erreichen, nicht vergeblich
sind. Indem er mit seinem Tod am Kreuz das Böse und die Macht der Sünde besiegt
hat, hat er durch seinen von Liebe durchdrungenen Gehorsam allen das Heil
gebracht und ist für alle »Versöhnung« geworden. In ihm hat Gott den Menschen
mit sich versöhnt.
Die Kirche setzt die Verkündigung dieser Versöhnung, wie Christus sie in den
Dörfern Galiläas und ganz Palästinas ausgerufen hat,(49) fort und lädt die ganze
Menschheit unaufhörlich dazu ein, umzukehren und an diese Frohe Botschaft zu
glauben. Die Kirche spricht dabei im Namen Christi; sie übernimmt den Aufruf des
Apostels Paulus, auf den wir bereits hingewiesen haben: »Wir sind also Gesandte
an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi
Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!«.(50)
Wer diesem Aufruf folgt, tritt ein in das Werk der Versöhnung und erfährt an
sich die Wahrheit, die in jenem anderen Aufruf des hl. Paulus enthalten ist,
nach dem Christus »unser Friede ist. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und
Heiden) und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder...
Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem
einzigen Leib«.(51) Wenn dieser Text auch direkt die Überwindung der religiösen
Trennung zwischen Israel, dem erwählten Volk des Alten Bundes, und den anderen
Völkern, die alle zur Teilnahme am Neuen Bund berufen sind, betrifft, so enthält
er doch auch die Zusage der neuen geistlichen Universalität, die von Gott
gewollt und durch das Opfer seines Sohnes, des menschgewordenen Ewigen Wortes,
ohne Grenzen oder irgendwelche Ausschlüsse für alle diejenigen bewirkt worden
ist, die umkehren und an Christus glauben. Alle sind wir also dazu berufen, die
Früchte dieser gottgewollten Versöhnung zu genießen: jeder Mensch und jedes
Volk.
Die Kirche, das große Sakrament der Versöhnung
11. Die Kirche ist gesandt, diese Versöhnung zu verkünden und ihr Sakrament
in der Welt zu sein. Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der
Versöhnung, ist die Kirche in verschiedenen Weisen mit unterschiedlichem Wert;
alle aber wirken darauf hin zu erreichen, was die göttliche Initiative der
Barmherzigkeit den Menschen schenken will.
Sakrament ist sie schon allein durch ihr Dasein als versöhnte Gemeinschaft,
die in der Welt das Werk Christi bezeugt und darstellt.
Sakrament ist sie ferner durch ihren Dienst als Hüterin und Interpretin der
Heiligen Schrift, der Frohen Botschaft von der Versöhnung; von Generation zu
Generation macht sie den Plan der Liebe Gottes bekannt und zeigt jeder die Wege
zu einer umfassenden Versöhnung in Christus.
Sakrament ist sie schließlich durch die sieben Sakramente, die in je eigener
Weise »die Kirche erbauen«.(52) Weil sie nämlich das österliche Geheimnis
Christi in Erinnerung bringen und in der ihnen eigenen Weise erneuern, sind alle
Sakramente eine Lebensquelle für die Kirche und bilden in ihren Händen Werkzeuge
für die Umkehr zu Gott und für die Versöhnung unter den Menschen.
Andere Wege der Versöhnung
12. Die versöhnende Sendung kommt der ganzen Kirche zu, auch und vor allem
jenem Teil, der schon endgültig an der göttlichen Herrlichkeit teilhaben darf,
zusammen mit der Jungfrau Maria, mit den Engeln und Heiligen, die den
dreimalheiligen Gott schauen und anbeten. Die Kirche im Himmel, die Kirche auf
Erden, die Kirche im Fegfeuer, sie wirken in geheimnisvoller Einheit mit
Christus zusammen, um die Welt mit Gott zu versöhnen.
Der erste Weg dieses Heilswirkens ist das Gebet. Ohne Zweifel unterstützen
die heilige Jungfrau Maria, Mutter Christi und der Kirche,(53) und die Heiligen,
die das Ende ihrer irdischen Pilgerschaft erreicht haben und nun in der
Herrlichkeit Gottes leben, fürbittend ihre Brüder, die noch Pilger auf dieser
Erde sind, in deren Bemühen, sich ständig zu bekehren, den Glauben zu vertiefen,
nach jedem Fall sich wieder aufzurichten und so zu handeln, daß Gemeinsamkeit
und Frieden in Kirche und Welt wachsen. Im Geheimnis der Gemeinschaft der
Heiligen verwirklicht sich die universale Versöhnung in ihrer tiefsten und für
das gemeinsame Heil fruchtbarsten Form.
Ein zweiter Weg ist die Verkündigung. Als Schülerin des einzigen Meisters
Jesus Christus wird die Kirche ihrerseits als Mutter und Lehrerin nicht müde,
den Menschen die Versöhnung anzubieten; unbeirrt weist sie auf die Bosheit der
Sünde hin, verkündigt sie die Notwendigkeit der Bekehrung, lädt sie die Menschen
ein und fordert sie auf, sich versöhnen zu lassen. Ja, das ist ihre prophetische
Sendung in der Welt von heute wie von gestern: Es ist dieselbe Sendung ihres
Herrn und Meisters Jesus Christus. Wie er, so wird auch die Kirche diese ihre
Sendung stets mit dem Gefühl barmherziger Liebe erfüllen und allen die Worte der
Vergebung und der Ermutigung zu neuer Hoffnung, die vom Kreuz kommen,
überbringen.
Weiter gibt es dann den oft so schwierigen und harten Weg der Pastoral, die
versucht, jeden Menschen - wer auch immer er sei oder wo auch immer er lebe -
auf den zuweilen langen Weg der Rückkehr zum Vater in der Gemeinschaft mit allen
Brüdern zu führen.
Schließlich gibt es den Weg des Zeugnisses, meist ohne Worte, das aus einer
zweifachen Überzeugung der Kirche hervorgeht: aus der Überzeugung, von ihrem
Wesen her »unzerstörbar heilig«(54) zu sein, zugleich es aber auch nötig zu
haben, »sich Tag für Tag zu reinigen, bis daß Christus sie in all ihrer
Schönheit, ohne Flecken und Runzeln, vor sich erscheinen läßt«; denn wegen
unserer Sünden leuchtet ihr Antlitz vor den Augen derer, die sie betrachten,
nicht recht auf.(55) Dieses Zeugnis muß also zwei grundlegende Formen annehmen:
Zeichen sein für jene umfassende Liebe, die Jesus Christus seinen Jüngern als
Erweis ihrer Zugehörigkeit zu seinem Reich als Erbe hinterlassen hat; und immer
wieder neue Umkehr und Versöhnung bewirken, innerhalb wie außerhalb der Kirche,
und Spannungen überwinden, sich gegenseitig vergeben sowie im Geist der
Brüderlichkeit und des Friedens wachsen und diese Haltung in der ganzen Welt
verbreiten. Auf diesem Wege kann die Kirche mit Erfolg dafür wirken, daß die von
meinem Vorgänger Paul VI. so genannte »Zivilisation der Liebe« allmählich
entsteht.
ZWEITER TEIL
DIE LIEBE IST GRÖSSER ALS DIE SÜNDE
Das Drama des Menschen
13. Der Apostel Johannes schreibt: »Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde
haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns.
Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die
Sünden«.(56) Diese inspirierten Worte, an den Anfängen der Kirche geschrieben,
leiten besser als jeder andere menschliche Ausdruck die Betrachtung über die
Sünde ein, die eng mit jener über die Versöhnung verbunden ist. Sie berühren das
Problem der Sünde in seinem anthropologischen Horizont, als einen festen
Bestandteil der Wahrheit über den Menschen; aber sie stellen es zugleich in den
göttlichen Horizont, in welchem die Sünde der Wahrheit der göttlichen Liebe
begegnet, die gerecht ist, großherzig und treu und sich besonders im Vergeben
und Erlösen offenbart. Deshalb kann derselbe Apostel Johannes kurz nach jenen
Worten schreiben: »Wenn das Herz uns auch verurteilt - Gott ist größer als unser
Herz«.(57)
Die eigene Sünde anerkennen, ja - wenn man bei der Betrachtung der
eigenen Person noch tiefer vordringt - sich selbst als Sünder bekennen,
zur Sünde fähig und zur Sünde neigend, das ist der unerläßliche Anfang einer
Rückkehr zu Gott. Das ist auch die beispielhafte Erfahrung des David, der,
nachdem »er vor den Augen des Herrn Böses getan hatte«, vom Propheten Nathan
getadelt,(58) ausruft: »Ich bekenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir
immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt; ich habe getan, was dir
mißfällt«.(59) Ebenso läßt Jesus Mund und Herz des verlorenen Sohnes diese
deutlichen Worte sprechen: »Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich
versündigt«.(60)
Versöhnung mit Gott setzt in der Tat voraus und schließt ein, sich klar und
eindeutig von der Sünde zu trennen, die man begangen hat. Sie setzt also voraus
und umfaßt das Bußetun im vollen Sinn des Wortes: bereuen, die Reue sichtbar
machen, das konkrete Verhalten eines Büßers annehmen, der sich auf den Rückweg
zum Vater begibt. Das ist ein allgemeines Gesetz, dem jeder in seiner besonderen
Situation folgen muß. Das Reden über Sünde und Umkehr darf nicht bei abstrakten
Begriffen stehenbleiben.
In der konkreten Verfaßtheit des Sünders, in der es keine Umkehr ohne die
Erkenntnis der eigenen Sünde geben kann, stellt der kirchliche Dienst der
Versöhnung immer wieder eine Hilfe zur Verfügung, die deutlich auf Buße
ausgerichtet ist, das heißt den Menschen zur »Selbsterkenntnis«(61) bringen
will, zur Trennung vom Bösen, zur Erneuerung der Freundschaft mit Gott, zur
Wiederherstellung der inneren Ordnung, zu einer neuen Hinwendung zur Kirche.
Über den Bereich der Kirche und der Gläubigen hinaus wenden sich die Botschaft
zur Umkehr und der Dienst an der Buße an alle Menschen, weil alle der Bekehrung
und Versöhnung bedürfen.(62)
Um diesen Dienst an der Buße in angemessener Weise zu erfüllen, ist es auch
notwendig, mit den »erleuchteten Augen«(63) des Glaubens die Folgen der Sünde zu
erwägen, die ja Anlaß sind für Trennung und Zerrissenheit nicht nur im Innern
jedes Menschen, sondern auch in seinen verschiedenen Lebensräumen, in Familie
und Umwelt, Beruf und Gesellschaft, wie man oft aus Erfahrung feststellen kann,
in Bestätigung der biblischen Erzählung von Babel und seinem Turm.(64) Indem sie
erbauen wollten, was zugleich Symbol und Ausgangspunkt der Einheit sein sollte,
fanden sich diese Menschen am Ende zerstreuter vor als am Anfang, verwirrt in
der Sprache, untereinander gespalten, unfähig zu Übereinstimmung und
Gemeinsamkeit.
Warum ist dieser ehrgeizige Plan gescheitert? Warum mühten sich die Erbauer
vergebens?(65) Weil die Menschen zum Zeichen und zur Garantie der ersehnten
Einheit nur ein Werk ihrer eigenen Hände gemacht und das Wirken Gottes vergessen
hatten. Sie hatten allein auf die horizontale Dimension der Arbeit und des
gesellschaftlichen Lebens gesetzt, ohne jene vertikale Dimension zu beachten,
durch die sie in Gott, ihrem Schöpfer und Herrn, ihre Verwurzelung gefunden und
sich auf ihn als das letzte Ziel ihres Weges ausgerichtet hätten.
Man kann sagen, daß das Drama des Menschen von heute, in gewissem Maße das
Drama des Menschen zu allen Zeiten, geradezu in seiner Ähnlichkeit mit Babel
besteht.
ERSTES KAPITEL
DAS GEHEIMNIS DER SÜNDE
14. Wenn wir die biblische Erzählung von der Stadt Babel und ihrem Turm im
Licht der neuen Wahrheit des Evangeliums lesen und sie mit jener anderen
Geschichte des Falles der Ureltern vergleichen, können wir daraus kostbare
Elemente für ein Verständnis des Geheimnisses der Sünde gewinnen.
Dieser Ausdruck, in dem anklingt, was der hl. Paulus über das Geheimnis der
Bosheit(66) schreibt, will uns auf das Dunkle und Unbegreifbare aufmerksam
machen, das sich in der Sünde verbirgt. Diese ist zweifellos eine Tat des freien
Menschen; aber innerhalb dieser menschlichen Realität wirken Faktoren mit, durch
welche die Sünde über den Menschen hinausragt in den Grenzbereich, wo
Bewußtsein, Wille und Empfinden in Kontakt mit den dunklen Kräften stehen, die
nach dem hl. Paulus in der Welt fast bis zu deren Beherrschung wirken.(67)
Der Ungehorsam gegen Gott
Aus der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel ergibt sich ein erstes
Element, das uns hilft, die Sünde zu verstehen: Die Menschen haben danach
verlangt, eine Stadt zu erbauen, sich in einer Gesellschaft zusammenzuschließen,
stark und mächtig zu sein ohne Gott, wenn nicht sogar gegen Gott.(68)
In dieser Hinsicht stimmen die Erzählung von der ersten Sünde im Garten Eden und
die Geschichte von Babel trotz ihrer beachtlichen Unterschiede in Inhalt und
Form miteinander überein; in beiden sehen wir, wie Gott ausgeschlossen wird:
durch eine direkte Opposition gegen eines seiner Gebote, durch eine Geste der
Rivalität ihm gegenüber, durch die verlockende Absicht, sein zu wollen »wie
er«.(69) In der Geschichte von Babel erscheint der Ausschluß Gottes nicht
so sehr als bewußter Gegensatz zu ihm, sondern als Vergessenheit und
Gleichgültigkeit ihm gegenüber, als ob man sich bei dem geplanten
gemeinschaftlichen Handeln des Menschen um Gott nicht zu kümmern brauche. Aber
in beiden Fällen wird die Beziehung zu Gott gewaltsam abgebrochen. In der
Geschichte vom Garten Eden wird der innerste und dunkelste Kern der Sünde in
seiner ganzen Ernsthaftigkeit und Dramatik sichtbar: der Ungehorsam gegen
Gott, gegen sein Gesetz, gegen die moralische Norm, die er dem Menschen ins
Herz geschrieben und mit seiner Offenbarung bestätigt und vervollkommnet hat.
Ausschluß Gottes, Bruch mit Gott, Ungehorsam gegen Gott: das war und
ist die Sünde in der ganzen Menschheitsgeschichte, in ihren verschiedenen Formen
bis hin zur Verneinung Gottes und seiner Existenz. Das ist die
Wirklichkeit, die Atheismus genannt wird.
Ungehorsam des Menschen, der mit einem freien Willensakt die
Herrschaft Gottes über sein Leben nicht anerkennt, zumindest in jenem
Augenblick, wo er das Gesetz Gottes verletzt.
Die Trennung zwischen den Brüdern
15. In den oben erwähnten biblischen Erzählungen mündet der Bruch mit Gott
dramatisch ein in eine Trennung zwischen den Brüdern.
In der Beschreibung der »ersten Sünde« löst der Bruch mit Jahwe zugleich die
Freundschaft auf, die die Menschheitsfamilie verband, so daß uns die folgenden
Seiten der Genesis den Mann und die Frau zeigen, wie sie gleichsam
gegeneinander den Anklagefinger erheben,(70) und dann den Sohn, der in seiner
Feindschaft zum Bruder so weit kommt, daß er ihm das Leben nimmt.(71)
Nach der Erzählung des Geschehens von Babel ist die Folge der Sünde die
Zersplitterung der Menschheitsfamilie, die schon mit der ersten Sünde begonnen
hatte und nun im gesellschaftlichen Bereich ihren Höhepunkt erreicht.
Wer das Geheimnis der Sünde erforschen will, muß diese Verkettung von Ursache
und Wirkung beachten. Als Bruch mit Gott ist die Sünde der Akt des Ungehorsams
eines Geschöpfes, das wenigstens einschlußweise den zurückweist, dem es seinen
Ursprung verdankt und der es am Leben hält; Sünde ist daher ein
selbstmörderischer Akt. Weil der Mensch in der Sünde sich weigert, sich Gott zu
unterstellen, zerbricht auch sein inneres Gleichgewicht, und in seinem Herzen
brechen Widerspruch und Streit auf. Innerlich zerrissen, erzeugt der Mensch fast
unvermeidlich einen Riß auch im Geflecht seiner Beziehungen mit den anderen
Menschen und mit der geschaffenen Welt. Das ist ein Gesetz und ein objektiver
Tatbestand, die sich in vielen Momenten der menschlichen Psychologie und des
geistigen Lebens bestätigen wie auch in der Wirklichkeit des gesellschaftlichen
Lebens, wo man die Auswirkungen und Zeichen innerer Unordnung leicht beobachten
kann.
Das Geheimnis der Sünde besteht in dieser doppelten Verwundung, die der
Sünder sich selbst und seiner Beziehung zum Nächsten zufügt. Deshalb kann man
von personaler und von sozialer Sünde sprechen: Jede Sünde ist in
einer Hinsicht personal; in anderer Hinsicht aber ist sie sozial,
insofern sie auch soziale Folgen hat.
Personale Sünde - soziale Sünde
16. Die Sünde im wahren und eigentlichen Sinne ist immer ein Akt der
Person, weil sie ein Akt der Freiheit des einzelnen Menschen ist, nicht
eigentlich einer Gruppe oder einer Gemeinschaft. Dieser Mensch kann von
mancherlei schwerwiegenden äußeren Faktoren abhängen, von ihnen bedrängt und
getrieben sein, wie er auch Neigungen, Belastungen und Gewohnheiten unterworfen
sein kann, die mit seiner persönlichen Verfassung gegeben sind. In zahlreichen
Fällen können solche äußeren und inneren Faktoren seine Freiheit und damit seine
Verantwortung und Schuld mehr oder weniger vermindern. Aber es ist eine
Glaubenswahrheit, von Erfahrung und Verstand bestätigt, daß die menschliche
Person frei ist. Man darf diese Wahrheit nicht übersehen und die Sünde der
einzelnen auf äußere Wirklichkeiten - auf Strukturen und Systeme oder auf die
anderen Menschen - abwälzen. Das würde vor allem bedeuten, die Würde und die
Freiheit der Person zu zerstören, die sich - wenn auch nur negativ und in
entstellter Weise - auch in der Verantwortung für die begangene Sünde zeigen.
Darum gibt es im Menschen nichts, was so persönlich und unübertragbar ist, wie
das Verdienst aus der Tugend oder die Verantwortung für die Schuld.
Als Akt der Person hat die Sünde ihre ersten und wichtigsten Auswirkungen
im Sünder selbst: in seiner Beziehung zu Gott, der tiefsten Grundlage
menschlichen Lebens; dann auch in seinem geistigen Leben, wo durch die Sünde der
Wille geschwächt und der Verstand verdunkelt werden.
An diesem Punkt müssen wir uns fragen, auf welche Wirklichkeit sich
diejenigen bezogen haben, die bei der Vorbereitung der Synode und im Verlauf der
synodalen Arbeiten oft die soziale Sünde erwähnten.
Dieser Ausdruck und der zugrundeliegende Begriff haben ja verschiedene
Bedeutungen.
Von sozialer Sünde sprechen heißt vor allem anerkennen, daß die Sünde eines
jeden einzelnen kraft einer menschlichen Solidarität, die so geheimnisvoll und
verborgen und doch real und konkret ist, sich in irgendeiner Weise auf die
anderen auswirkt. Das ist die Kehrseite jener Solidarität, die sich auf
religiöser Ebene im tiefen und wunderbaren Geheimnis der Gemeinschaft der
Heiligen darstellt, derentwegen jemand hat sagen können, daß »jede Seele,
die sich selbst emporhebt, die Welt emporhebt«.(72) Diesem Gesetz des
Aufstiegs entspricht leider das Gesetz des Abstiegs, so daß man auch
von einer Gemeinschaft der Sünde sprechen kann, durch die eine Seele, die
sich durch die Sünde erniedrigt, mit sich auch die Kirche erniedrigt und in
gewisser Weise die ganze Welt. Mit anderen Worten, es gibt keine Sünde, und sei
sie auch noch so intim und geheim und streng persönlich, die ausschließlich den
betrifft, der sie begeht. Jede Sünde wirkt sich mehr oder weniger heftig und zum
größeren oder kleineren Schaden aus auf die gesamte kirchliche Gemeinschaft und
auf die ganze menschliche Familie. Nach dieser ersten Bedeutung kann man jeder
Sünde unbestreitbar den Charakter einer sozialen Sünde zuerkennen.
Einige Sünden aber stellen schon durch ihren Inhalt selbst einen direkten
Angriff auf den Nächsten dar oder, besser gesagt in der Sprache des Evangeliums,
auf den Bruder. Sie sind eine Beleidigung Gottes, weil sie den Nächsten
beleidigen. Solchen Sünden pflegt man die Bezeichnung sozial zu geben;
und so liegt hierin die zweite Bedeutung des Begriffs der sozialen Sünde.
Sozial in diesem Sinne ist die Sünde gegen die Nächstenliebe, die im Gesetz
Christi noch schwerer wiegt, weil es hierbei ja um das zweite Gebot geht, das
dem »ersten gleich ist«.(73) Sozial ist ebenso jede Sünde gegen die
Gerechtigkeit in den Beziehungen von Person zu Person, von Person zu
Gemeinschaft oder auch von Gemeinschaft zu Person. Sozial ist jede Sünde
gegen die Rechte der menschlichen Person, angefangen vom Recht auf Leben, dabei
nicht ausgenommen das Recht des Kindes im Mutterschoß, oder gegen die leibliche
Unversehrtheit der einzelnen; jede Sünde gegen die Freiheit anderer,
insbesondere gegen jene höchste Freiheit, an Gott zu glauben und ihn zu
verehren; jede Sünde gegen die Würde und Ehre des Nächsten. Sozial ist
jede Sünde gegen das Gemeinwohl und seine Forderungen im weiten Bereich der
Rechte und Pflichten der Bürger. Sozial kann die Sünde einer Tat oder
Unterlassung auf seiten der Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und
Verwaltung sein, die sich, obwohl sie es könnten, nicht mit Klugheit um die
Verbesserung oder Reform der Gesellschaft entsprechend den Erfordernissen und
Möglichkeiten der jeweiligen Zeit bemühen; wie auch auf seiten der Arbeitnehmer,
die nicht ihren Pflichten der Präsenz am Arbeitsplatz und der Zusammenarbeit
nachkommen, auf daß die Unternehmen weiter zum Wohl der Arbeitnehmer selbst,
ihrer Familien und der ganzen Gesellschaft wirken können.
Die dritte Bedeutung von sozialer Sünde meint die Beziehungen zwischen
den verschiedenen Gemeinschaften der Menschen. Diese Beziehungen sind nicht
immer in Übereinstimmung mit dem Plan Gottes, der in der Welt Gerechtigkeit,
Freiheit und Frieden zwischen den Individuen, den Gruppen und den Völkern will.
So ist der Klassenkampf ein soziales Übel, wer immer auch dafür
verantwortlich ist oder seine Gesetze diktiert. So ist die Bildung fester
Fronten zwischen Blöcken von Nationen und von einer Nation gegen die andere und
zwischen Gruppen innerhalb desselben Volkes ebenfalls ein soziales Übel.
In beiden Fällen kann man sich fragen, ob jemandem die moralische Verantwortung
für solche Übel und somit die entsprechende Sünde zugeschrieben werden kann. Nun
ist zuzugeben, daß Wirklichkeiten und Situationen, wie die angegebenen als
soziale Tatbestände durch ihre weite Verbreitung und ihr Anwachsen bis zu
gigantischen Ausmaßen fast immer anonym bleiben, weil ja ihre Ursachen
vielschichtig und nicht immer nachweisbar sind. Wenn hierbei von sozialer
Sünde gesprochen wird, hat dieser Ausdruck also offensichtlich eine analoge
Bedeutung.
Auf jeden Fall darf das Sprechen von sozialen Sünden, und sei es nur
im analogen Sinne, niemanden dazu verführen, die Verantwortung der einzelnen zu
unterschätzen; es will vielmehr die Gewissen aller dazu aufrufen, daß jeder
seine eigene Verantwortung übernehme, um ernsthaft und mutig jene unheilvollen
Verhältnisse und unerträglichen Situationen zu ändern.
Dies klar und unmißverständlich vorausgeschickt, muß sogleich hinzufügt
werden, daß jene Auffassung von sozialer Sünde nicht berechtigt und annehmbar
ist - auch wenn sie heute in bestimmten Bereichen oft vorkommt(74) -, welche in
unklarer Weise die soziale Sünde der personalen Sünde
entgegenstellt und dadurch mehr oder weniger unbewußt dazu führt, die
personale Sünde abzuschwächen und fast zu beseitigen, um nur noch soziale
Schuld und Verantwortung zuzulassen. Nach dieser Auffassung, die ihre Herkunft
von nichtchristlichen Systemen und Ideologien leicht erkennen läßt - welche
vielleicht heute selbst von denen aufgegeben sind, die einst ihre offiziellen
Verfechter waren -, wäre praktisch jede Sünde sozial in dem Sinne, daß sie nicht
so sehr dem moralischen Gewissen einer Person angelastet werden könnte, sondern
nur einer vagen Wirklichkeit und einem namenlosen Kollektiv, welche die konkrete
Situation, das System, die Gesellschaft, die Strukturen, die Institution sein
können.
Wenn die Kirche von Situationen der Sünde spricht oder bestimmte
Verhältnisse und gewisse kollektive Verhaltensweisen von mehr oder weniger
breiten sozialen Gruppen oder sogar von ganzen Nationen und Blöcken von Staaten
als soziale Sünden anklagt, dann weiß sie und betont es auch, daß solche
Fälle von sozialer Sünde die Frucht, die Anhäufung und die Zusammenballung
vieler personaler Sünden sind. Es handelt sich dabei um sehr persönliche
Sünden dessen, der Unrecht erzeugt, begünstigt oder ausnutzt; der, obgleich er
etwas tun könnte, um gewisse soziale Übel zu vermeiden, zu beseitigen oder
wenigstens zu begrenzen, es aus Trägheit oder Angst, aus komplizenhaftem
Schweigen oder geheimer Beteiligung oder aus Gleichgültigkeit doch unterläßt;
der Zuflucht sucht in der behaupteten Unmöglichkeit, die Welt zu verändern, und
der sich den Mühen und Opfern entziehen will, indem er vorgebliche Gründe
höherer Ordnung anführt. Die wirkliche Verantwortung liegt also bei den
Personen.
Eine Situation - ebenso wie eine Institution, eine Struktur, eine
Gesellschaft - ist an sich kein Subjekt moralischer Akte; deshalb kann sie in
sich selbst nicht moralisch gut oder schlecht sein. Hinter jeder Situation
von Sünde stehen immer sündige Menschen. Dies ist so sehr wahr, daß selbst
dann, wenn eine solche Situation in ihren strukturellen und institutionellen
Elementen kraft des Gesetzes oder - wie es leider häufiger vorkommt - durch das
Gesetz der Gewalt verändert werden kann, diese Änderung sich in Wirklichkeit als
unvollständig und von kurzer Dauer und schließlich als nichtig und unwirksam -
wenn nicht sogar als kontraproduktiv - erweist, wenn sich nicht die Personen,
die für eine solche Situation direkt oder indirekt verantwortlich sind, selbst
bekehren.
Todsünde - läßliche Sünde
17. Im Geheimnis der Sünde gibt es eine weitere Dimension, über die der
menschliche Geist immer wieder nachgedacht hat: Gemeint ist die Schwere der
Sünde. Es handelt sich um eine Frage, die sich notwendig stellt und auf die das
christliche Gewissen stets eine Antwort gegeben hat: Weshalb und in
welchem Maße ist Sünde als Beleidigung Gottes und in ihrer Rückwirkung auf
den Menschen schwerwiegend? Die Kirche hat hierzu eine eigene Lehre, die sie in
ihren wesentlichen Elementen bestätigt, wobei sie jedoch weiß, daß es in
konkreten Situationen nicht immer leicht ist, klare Abgrenzungen vorzunehmen.
Schon das Alte Testament erklärte bei nicht wenigen Sünden - bei jenen, die
mit Überlegung begangen wurden,(75) bei den verschiedenen Formen von
Unzucht,(76) von falschem Gottesdienst(77) und der Anbetung falscher Götter(78)
-, daß der Schuldige »aus seinem Volk« entfernt werden müsse, was auch die
Verurteilung zum Tode bedeuten konnte.(79) Diesen Sünden wurden andere
gegenübergestellt, vor allem jene, die aus Unwissenheit begangen worden waren:
Sie wurden durch ein Opfer nachgelassen.(80)
Schon im Blick auf diese Texte spricht die Kirche seit Jahrhunderten von
Todsünde und von läßlicher Sünde. Diese Unterscheidung und die dabei
verwandten Begriffe erhalten jedoch im Neuen Testament ein besonderes Licht;
denn hier finden sich viele Texte, die mit kräftigen Ausdrücken die Sünden
aufzählen und mißbilligen, die in besonderer Weise verurteilenswert sind,(81)
und zwar über den von Jesus selbst bestätigten Dekalog hinaus.(82) Ich will mich
hier insbesondere auf zwei wichtige und eindrucksvolle Abschnitte beziehen.
In einem Text seines ersten Briefes spricht Johannes von einer
Sünde, die zum Tod führt (pròs thánaton), im Unterschied zu einer
Sünde, die nicht zum Tod führt (mä pròs thánaton).(83) Offensichtlich ist
der Tod hier geistlich gemeint: Es handelt sich um den Verlust des wahren Lebens
oder des »ewigen Lebens«, das für Johannes die Erkenntnis des Vaters und des
Sohnes ist,(84) die Gemeinschaft und innige Einheit mit ihnen. Die Sünde, die
zum Tode führt, scheint in diesem Abschnitt die Verleugnung des Sohnes(85)
oder die Anbetung falscher Gottheiten(86) zu sein. Jedenfalls will Johannes mit
dieser begrifflichen Unterscheidung anscheinend die unendliche Schwere der
Sünde, der Zurückweisung Gottes, hervorheben, die sich vor allem im Abfall
von Gott und im Götzendienst zeigt, das heißt in der Zurückweisung
des Glaubens an die geoffenbarte Wahrheit und in der Gleichsetzung Gottes mit
gewissen geschaffenen Wirklichkeiten, die man dabei zu Idolen oder falschen
Göttern macht.(87) Der Apostel möchte an jener Stelle aber auch die Zuversicht
hervorheben, die der Christ durch seine »Wiedergeburt aus Gott« und durch »das
Kommen des Sohnes« gewinnt: In ihm ist eine Kraft, die ihn vor dem Fall in die
Sünde bewahrt; Gott schützt ihn, »der Böse berührt ihn nicht«. Wenn er aus
Schwäche oder Unwissenheit sündigt, trägt er doch in sich die Hoffnung auf
Vergebung, auch wegen der Hilfe, die ihm durch das gemeinsame Gebet der Brüder
zuteil wird.
An einer anderen Stelle des Neuen Testamentes, im Matthäusevangelium,(88)
spricht Jesus selbst von einer »Lästerung gegen den Heiligen Geist«, die »nicht
vergeben wird«, weil sie in ihren verschiedenen Formen eine hartnäckige
Weigerung darstellt, sich zur Liebe des barmherzigen Vaters zu bekehren.
Das sind gewiß extreme und radikale Formen: die Zurückweisung Gottes, die
Verweigerung seiner Gnade und somit der Widerstand gegenüber der Quelle unseres
Heiles selbst,(89) wodurch sich der Mensch den Weg zur Vergebung willentlich zu
versperren scheint. Es ist zu hoffen, daß nur ganz wenige Menschen bis zu ihrem
Ende in dieser Haltung der Rebellion oder geradezu der Herausforderung gegen
Gott verharren wollen, der seinerseits - wie uns Johannes ebenfalls lehrt (90) -
in seiner barmherzigen Liebe größer ist als unser Herz und alle unsere
psychologischen und geistigen Widerstände überwinden kann, so daß man - wie
Thomas von Aquin schreibt - »am Heil keines Menschen in diesem Leben zu
verzweifeln braucht, wenn man die Allmacht und die Barmherzigkeit Gottes
betrachtet«.(91)
Aber angesichts der Frage des Zusammenstoßes eines rebellischen Willens mit
dem unendlich gerechten Gott kann man nur heilsame Gefühle von »Furcht und
Schrecken« empfinden, wie der hl. Paulus empfiehlt,(92) während die Mahnung Jesu
über die Sünde, die nicht vergeben werden kann, die Existenz von Schuld
bestätigt, die für den Sünder den »ewigen Tod« als Strafe nach sich ziehen kann.
Im Licht dieser und weiterer Texte der Heiligen Schrift haben die
Kirchenlehrer und Theologen, die geistlichen Meister und Hirten die Sünden in
Todsünden und läßliche Sünden unterschieden. Mit anderen spricht der
hl. Augustinus von tödlichen oder todbringenden Vergehen, die er
den läßlichen, leichten oder täglichen gegenüberstellt.(93) Die
Bedeutung, die er diesen Worten gibt, wird später in die offizielle Lehre der
Kirche einfließen. Nach Augustinus wird es Thomas von Aquin sein, der in
möglichst klaren Begriffen die Lehre formuliert hat, die sich dann in der Kirche
beständig erhalten hat.
Bei der Bestimmung und Unterscheidung von Todsünde und läßlicher Sünde mußten
der hl. Thomas und die Theologie der Sünde, die sich auf ihn beruft, den
biblischen Bezug und somit auch den Gedanken eines geistlichen Todes
einbeziehen. Nach dem Doctor Angelicus muß der Mensch, um geistlich zu leben, in
Gemeinschaft mit dem höchsten Lebensprinzip bleiben, das Gott ist, insofern
dieser das letzte Ziel all seines Seins und Handelns ist. Die Sünde nun ist ein
Vergehen, das der Mensch gegen dieses Lebensprinzip begeht. Wenn »die Seele
durch die Sünde eine Unordnung schafft, die bis zum Bruch mit dem letzten Ziel -
Gott - geht, an das er durch die Liebe gebunden ist, dann ist dies eine
Todsünde; wann immer jedoch die Unordnung unterhalb der Trennung von Gott
bleibt, ist es eine läßliche Sünde«.(94) Daher entzieht die läßliche Sünde nicht
die heiligmachende Gnade, die Freundschaft mit Gott, die Liebe und so auch nicht
die ewige Seligkeit, während ein solcher Entzug gerade die Folge der Todsünde
ist.
Wenn man die Sünde unter dem Aspekt der Strafe sieht, die sie mit sich
bringt, so nennt der hl. Thomas zusammen mit anderen Glaubenslehrern diejenige
Sünde tödlich, die eine ewige Strafe nach sich zieht, wenn sie nicht
zuvor vergeben wird; läßlich nennt er die Sünde, die eine einfache
zeitliche Strafe verdient, das heißt eine begrenzte Strafe, die auf Erden oder
im Fegfeuer abgebüßt werden kann.
Wenn man den Gegenstand der Sünde betrachtet, so verbindet sich der
Gedanke des Todes, des radikalen Bruches mit Gott, dem höchsten Gut, der Abkehr
vom Weg, der zu Gott führt, oder der Unterbrechung des Weges zu ihm (lauter
Weisen, um die Todsünde zu bestimmen) mit dem Gedanken der Schwere des
objektiven Inhaltes: Deshalb wird in Lehre und Pastoral der Kirche die
schwere Sünde praktisch mit der Todsünde gleichgesetzt.
Hier berühren wir den Kern der traditionellen Lehre der Kirche, wie er oft im
Verlauf der letzten Synode deutlich betont worden ist. Diese hat nämlich nicht
nur die vom Tridentinischen Konzil über Existenz und Natur von Todsünde
und läßlicher Sünde verkündete Lehre(95) bekräftigt, sondern hat auch
daran erinnern wollen, daß jene Sünde eine Todsünde ist, die eine schwerwiegende
Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachter
Zustimmung begangen wird. Man muß hinzufügen - wie es auch auf der Synode
geschehen ist -, daß einige Sünden, was ihre Materie betrifft, von innen her
schwer und todbringend sind. Das heißt, es gibt Handlungen, die durch sich
selbst und in sich, unabhängig von den Umständen, immer schwerwiegend unerlaubt
sind wegen ihres objektiven Inhaltes. Wenn solche Handlungen mit hinreichender
Bewußtheit und Freiheit begangen werden, stellen sie immer eine schwere Schuld
dar.(96)
Diese Lehre, die auf dem Dekalog und der Predigt des Alten Testamentes
gründet, von der Verkündigung der Apostel aufgenommen wurde und zur ältesten
Lehre der Kirche gehört, die sie bis heute wiederholt, entspricht genau der
menschlichen Erfahrung aller Zeiten. Aus Erfahrung weiß der Mensch gut, daß er
auf dem Weg des Glaubens und der Gerechtigkeit, der ihn zur Erkenntnis und zur
Liebe Gottes in diesem Leben und zur vollkommenen Gemeinschaft mit ihm in der
Ewigkeit führt, stehenbleiben oder sich ablenken kann, ohne freilich den Weg zu
Gott zu verlassen: In diesem Falle handelt es sich um läßliche Sünde, die
jedoch nicht abgeschwächt werden darf, als ob sie ohne weiteres etwas
Unwesentliches, eine Sünde von geringem Gewicht sei.
Der Mensch weiß allerdings auch durch schmerzliche Erfahrung, daß er mit
einem bewußten und freien Akt seines Willens auf dem Weg umkehren und in
entgegengesetzter Richtung zum Willen Gottes gehen kann und sich so von ihm
entfernt (aversio a Deo - Abkehr von Gott), wobei er die Gemeinschaft mit
ihm verweigert, sich von seinem Lebensprinzip, das Gott ist, trennt und so den
Tod wählt.
Mit der ganzen Tradition der Kirche nennen wir denjenigen Akt eine
Todsünde, durch den ein Mensch bewußt und frei Gott und sein Gesetz sowie
den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht,
sich selbst zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen und endlichen Wirklichkeit,
irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht (conversio
ad creaturam - Hinwendung zum Geschaffenen). Dies kann auf direkte und
formale Weise geschehen, wie bei den Sünden der Götzenverehrung, des Abfalles
von Gott und der Gottlosigkeit, oder auf gleichwertige Weise, wie in jedem
Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes bei schwerwiegender Materie. Der Mensch
spürt, daß dieser Ungehorsam Gott gegenüber die Verbindung mit seinem
Lebensprinzip abschneidet: Es ist eine Todsünde, das heißt ein Akt, der
Gott schwer beleidigt und sich schließlich gegen den Menschen selbst richtet mit
einer dunklen und mächtigen Gewalt der Zerstörung.
Während der Synodenversammlung wurde von einigen Vätern eine dreifache
Unterscheidung der Sünden vorgeschlagen, die in läßliche, schwere
und todbringende Sünden einzuteilen wären. Eine solche Dreiteilung könnte
deutlich machen, daß es bei den schweren Sünden Unterschiede gibt. Dabei bleibt
es jedoch wahr, daß der wesentliche und entscheidende Unterschied zwischen jener
Sünde besteht, die die Liebe zerstört, und der Sünde, die das übernatürliche
Leben nicht tötet: Zwischen Leben und Tod gibt es keinen mittleren Weg.
Gleichfalls muß man vermeiden, die Todsünde zu beschränken auf den Akt einer
Grundentscheidung gegen Gott (»optio fundamentalis«), wie man heute zu sagen
pflegt, unter der man dann eine ausdrückliche und formale Beleidigung Gottes
oder des Nächsten versteht. Es handelt sich nämlich auch um Todsünde, wenn sich
der Mensch bewußt und frei aus irgendeinem Grunde für etwas entscheidet, was in
schwerwiegender Weise der Ordnung widerspricht. Tatsächlich ist ja in einer
solchen Entscheidung bereits eine Mißachtung des göttlichen Gebotes enthalten,
eine Zurückweisung der Liebe Gottes zur Menschheit und zur ganzen Schöpfung: Der
Mensch entfernt sich so von Gott und verliert die Liebe. Die Grundentscheidung
kann also durch einzelne Akte völlig umgeworfen werden. Zweifellos kann es unter
psychologischem Aspekt viele komplexe und dunkle Situationen geben, die für die
subjektive Schuld des Sünders Bedeutung haben. Aus der Betrachtung des
psychologischen Bereichs kann man jedoch nicht zur Aufstellung einer
theologischen Kategorie übergehen, wie es gerade die »optio fundamentalis« ist,
wenn sie so verstanden wird, daß sie auf der objektiven Ebene die traditionelle
Auffassung von Todsünde ändert oder in Zweifel zieht.
Wenn auch jeder ehrliche und kluge Versuch, das psychologische und
theologische Geheimnis der Sünde zu klären, anerkannt werden muß, so hat die
Kirche doch die Pflicht, alle Erforscher dieser Materie einerseits an die
Notwendigkeit zu erinnern, dem Wort Gottes treu zu bleiben, das uns auch über
die Sünde belehrt, und andererseits auf die Gefahr hinzuweisen, daß man dazu
beiträgt, in der heutigen Welt den Sinn für die Sünde noch mehr abzuschwächen.
Verlust des Sündenbewußtseins
18. Durch die Heilige Schrift, wie sie in der Gemeinschaft der Kirche gelesen
wird, hat sich das christliche Gewissen die Generationen hindurch ein feines
Gespür und eine wache Aufmerksamkeit für die Fermente des Todes erworben,
die in der Sünde enthalten sind; ein Gespür und eine Aufmerksamkeit, um solche
Fermente auch in den tausenderlei Formen auszumachen, die die Sünde annimmt, in
den Tausenden von Gesichtern, mit denen sie sich zeigt. Das ist es, was man
Sündenbewußtsein zu nennen pflegt.
Dieses Bewußtsein hat seine Wurzel im Gewissen des Menschen und ist gleichsam
dessen Barometer. Es ist an das Bewußtsein für Gott gebunden, da es sich
von der bewußten Beziehung herleitet, die der Mensch zu Gott, seinem Schöpfer,
Herrn und Vater, hat. Wie man also das Bewußtsein für Gott nicht vollständig zum
Verschwinden bringen noch das Gewissen auslöschen kann, so kann man auch niemals
vollständig das Sündenbewußtsein beseitigen.
Und doch geschieht es nicht selten im Lauf der Geschichte über mehr oder
weniger lange Zeiten hin und unter dem Einfluß vielfältiger Faktoren, daß sich
das moralische Bewußtsein in vielen Menschen stark verdunkelt. »Haben wir eine
richtige Vorstellung vom Gewissen?«, so habe ich mich vor zwei Jahren an die
Gläubigen gewandt. - »Lebt der moderne Mensch nicht unter der Bedrohung einer
Verdunkelung seines Gewissens? Einer Verformung des Gewissens? Einer Trübung
oder Betäubung des Gewissens?«.(97)
Allzu viele Anzeichen deuten darauf hin, daß es in unserer Zeit tatsächlich
eine solche Verdunkelung gibt, die um so beunruhigender ist, als dieses
Gewissen, vom Konzil definiert als »die verborgenste Mitte und das Heiligtum im
Menschen«,(98) »eng an die Freiheit des Menschen gebunden ist... Deshalb
ist das Gewissen die erste Grundlage der inneren Würde des Menschen und zugleich
seiner Beziehung zu Gott«.(99) Deshalb ist es unvermeidlich, daß in dieser
Situation auch das Sündenbewußtsein verdunkelt wird, welches eng mit dem
moralischen Bewußtsein, mit der Suche nach der Wahrheit, mit dem Willen, die
Freiheit verantwortlich zu gebrauchen, verbunden ist. Mit dem Gewissen wird auch
das Gottesbewußtsein verdunkelt, und mit dem Verlust dieses
entscheidenden inneren Bezugspunktes verliert man dann auch das
Sündenbewußtsein. Deshalb konnte mein Vorgänger Pius XII. einmal mit einem
emphatischen Wort, das nahezu sprichwörtlich geworden ist, erklären, daß »die
Sünde des Jahrhunderts der Verlust des Bewußtseins von Sünde ist«.(100)
Warum gibt es dieses Phänomen in unserer Zeit? Ein Blick auf einige Elemente
heutiger Kultur kann uns helfen, das fortschreitende Schwinden und sogar
Erlöschen des Sündenbewußtseins zu verstehen, und das gerade wegen der Krise des
Gewissens und des Gottesbewußtseins, wie oben betont worden ist.
Der »Säkularismus«, der seiner Natur und Definition nach eine Bewegung von
Ideen und Haltungen ist, die für einen Humanismus völlig ohne Gott kämpft, der
sich ganz konzentriert auf den Kult des Machens und des Produzierens, der
überwältigt ist vom Rausch des Konsums und des Genusses, ohne Sorge um die
Gefahr, die eigene Seele zu verlieren, muß notwendigerweise das Sündenbewußtsein
untergraben. Bestenfalls wird sich dabei das Sündenbewußtsein auf das
reduzieren, was den Menschen beleidigt. Aber gerade hier drängt sich die bittere
Erfahrung auf, an die ich in meiner ersten Enzyklika erinnert habe, daß nämlich
der Mensch eine Welt ohne Gott bauen kann, diese Welt sich aber schließlich
gegen den Menschen selbst richten wird.(101) Gott ist jedoch tatsächlich der
Ursprung und das höchste Ziel des Menschen, und dieser trägt in sich einen
göttlichen Keim.(102) Deshalb ist es das Geheimnis Gottes, das das Geheimnis des
Menschen enthüllt und beleuchtet. Es ist also vergeblich, zu hoffen, daß ein
Sündenbewußtsein gegenüber den Menschen und den menschlichen Werten Bestand
haben könnte, wenn der Sinn für die gegen Gott begangene Beleidigung, das heißt
das wahre Sündenbewußtsein, fehlt.
Dieses Sündenbewußtsein schwindet in der heutigen Gesellschaft auch aufgrund
der Mißverständnisse, zu denen man kommt, wenn man gewisse Ergebnisse der
Humanwissenschaften übernimmt. Gestützt auf bestimmte Aussagen der Psychologie,
führt die Sorge, von Schuld zu sprechen oder die Freiheit nicht zu beschränken,
zum Beispiel dazu, überhaupt kein Vergehen mehr anzuerkennen. Durch eine
ungebührliche Ausweitung soziologischer Kriterien kommt man schließlich dazu -
wie ich bereits angedeutet habe -, alle Schuld auf die Gesellschaft abzuwälzen,
während der einzelne als unschuldig erklärt wird. Indem gewisse Lehren zur
menschlichen Kultur die gewiß unleugbaren Bedingungen und Einflüsse von Umwelt
und Geschichte, die auf den Menschen einwirken, erweitern, schränken auch sie
die Verantwortung des Menschen so stark ein, daß sie ihm nicht mehr die
Fähigkeit zuerkennen, wahre menschliche Akte zu setzen und somit auch zu
sündigen.
Das Sündenbewußtsein schwindet auch leicht infolge einer Ethik, die sich aus
einem gewissen Geschichtsrelativismus herleitet. Das geschieht auch durch eine
Ethik, die die moralische Norm relativiert und ihren absoluten, unbedingten Wert
leugnet und folglich bestreitet, daß es Akte geben könne, die in sich unerlaubt
sind, unabhängig von den Umständen, unter denen der Handelnde sie setzt. Es
handelt sich dabei um einen wahren »Umsturz und Verfall der moralischen Werte«;
»das Problem ist dann nicht so sehr die Unkenntnis der christlichen Ethik«,
sondern »vielmehr des Sinnes, der Grundlagen und der Kriterien einer moralischen
Haltung«.(103) Die Wirkung eines solchen Umsturzes der Ethik ist stets eine
derartige Schwächung des Sündenbegriffes, daß man bei der Behauptung endet, die
Sünde sei wohl vorhanden, aber man wisse nicht, wer sie begehe.
Schließlich schwindet das Sündenbewußtsein, wenn es - wie es in der
Unterweisung der Jugend, in den Massenmedien, ja selbst in der Erziehung zu
Hause geschehen kann - fälschlicherweise mit einem krankhaften Schuldgefühl
gleichgesetzt oder mit einer bloßen Übertretung von gesetzlichen Normen und
Vorschriften verbunden wird.
Der Verlust des Sündenbewußtseins ist also eine Form oder eine Frucht der
Verneinung Gottes nicht nur in ihrer atheistischen, sondern auch in ihrer
säkularistischen Spielart. Wenn Sünde ein Abbruch der Kindesbeziehung zu Gott
ist, um die eigene Existenz aus dem Gehorsam ihm gegenüber herauszunehmen, dann
ist Sündigen nicht nur eine Verneinung Gottes: Sündigen ist auch, so zu leben,
als ob er nicht existiere; Sündigen ist, ihn aus dem eigenen Alltag zu
beseitigen. Ein verstümmeltes oder in manchem Sinne unausgewogenes
Gesellschaftsmodell, wie es häufig von den Massenmedien vertreten wird, fördert
nicht wenig den fortschreitenden Verlust des Sündenbewußtseins. In einer solchen
Situation ist die Verdunkelung oder Schwächung des Sündenbewußtseins das
Ergebnis einer Ablehnung jeden Bezuges zur Transzendenz im Namen des Verlangens
nach personaler Autonomie; oder auch der Unterwerfung unter ethische Modelle,
welche der allgemeine Konsens und das generelle Verhalten aufdrängen, auch wenn
das Gewissen des einzelnen sie verurteilt; oder auch das Ergebnis der
dramatischen sozio-ökonomischen Verhältnisse, die einen so großen Teil der
Menschheit unterdrücken und dadurch die Tendenz erzeugen, Irrtum und Schuld nur
im Bereich der Gesellschaft zu sehen; schließlich und vor allem auch das
Ergebnis der Verdunkelung der Vaterschaft Gottes und seiner Herrschaft über das
Leben des Menschen.
Selbst im Bereich des kirchlichen Denkens und Lebens begünstigen einige
Tendenzen unvermeidlich den Niedergang des Sündenbewußtseins. Einige zum
Beispiel neigen dazu, übertriebene Einstellungen der Vergangenheit durch neue
Übertreibungen zu ersetzen: Nachdem die Sünde überall gesehen wurde, gelangt man
dazu, sie nirgendwo mehr zu sehen; von einer Überbetonung der Furcht vor den
ewigen Strafen kommt man zu einer Verkündigung der Liebe Gottes, die jede für
Sünde verdiente Strafe ausschließt; von der Strenge im Bemühen, irrige Gewissen
zu bessern, gelangt man zu einer scheinbaren Achtung des Gewissens, derentwegen
man sogar die Pflicht, die Wahrheit auszusprechen, unterdrückt. Warum sollte man
nicht hinzufügen, daß die Verwirrung, die in den Gewissen vieler
Gläubigen durch unterschiedliche Meinungen und Lehren in Theologie,
Verkündigung, Katechese und geistlicher Führung zu schwerwiegenden und
heiklen Fragen der christlichen Moral geschaffen worden ist, auch dazu
führt, das echte Sündenbewußtsein zu mindern und nahezu auszulöschen? Es sollen
auch nicht einige Mängel in der Praxis des Bußsakramentes verschwiegen werden:
so zum Beispiel die Tendenz, die kirchliche Dimension von Sünde und Bekehrung zu
verdunkeln, indem man sie zu rein individuellen Angelegenheiten macht, oder
umgekehrt die Tendenz, die personale Tragweite von Gut und Böse aufzuheben,
indem man ausschließlich ihre gemeinschaftliche Dimension beachtet; solcherart
ist auch die nie ganz gebannte Gefahr eines gewohnheitsmäßigen Ritualismus, der
dem Bußsakrament seine volle Bedeutung und seine formende Kraft nimmt.
Das echte Sündenbewußtsein wieder neu zu formen, das ist die erste Weise, um
die schwere geistige Krise, die den Menschen unserer Zeit bedrückt, anzugehen.
Das Sündenbewußtsein stellt man aber nur durch eine klare Berufung auf
unaufgebbare Prinzipien der Vernunft und des Glaubens wieder her, wie die
Morallehre der Kirche sie immer vertreten hat.
Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß vor allem im christlichen und
kirchlichen Bereich ein gesundes Sündenbewußtsein wieder aufbricht. Dem dienen
eine gute Katechese, erhellt durch die biblische Theologie des Bundes, ein
aufmerksames Hören auf das Lehramt der Kirche, das unaufhörlich den Gewissen
Licht bietet, und eine vertrauensvolle Annahme ihres Wortes sowie eine immer
sorgfältigere Praxis des Bußsakramentes.
ZWEITES KAPITEL
GEHEIMNIS DES GLAUBENS
19. Um die Sünde zu erkennen, mußten wir unseren Blick auf ihre Natur
richten, wie sie uns die Offenbarung der Heilsökonomie hat erkennen lassen: sie
ist Geheimnis des Bösen. In dieser Ökonomie ist die Sünde aber nicht der
Haupthandelnde und noch weniger der Sieger. Sie hat einen Gegenspieler in einem
anderen Wirkprinzip, das wir - um einen schönen und suggestiven Ausdruck des hl.
Paulus zu benutzen - das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens
nennen können. Die Sünde des Menschen wäre siegreich und am Ende zerstörerisch,
der Heilsplan Gottes würde unvollkommen bleiben und sogar vereitelt werden, wenn
dieses Geheimnis des Glaubens nicht seinen Platz in der Dynamik der
Geschichte erhalten hätte, um die Sünde des Menschen zu besiegen.
Wir finden diesen Ausdruck in einem der Pastoralbriefe des hl. Paulus,
im 1. Brief an Timotheus. Er tritt unerwartet auf, wie durch eine
plötzliche Eingebung. Der Apostel hat nämlich vorher lange Abschnitte seiner
Botschaft seinem Lieblingsjünger gewidmet, um ihm die Bedeutung der
Gemeindeordnung (die liturgische und die mit ihr verbundene hierarchische) zu
erklären; er hat also von der Aufgabe der Gemeindeleiter, vor allem der Diakone,
gesprochen, um schließlich das Verhalten von Timotheus selber in »der Kirche des
lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist«, zu
behandeln. Da ruft er am Ende des Abschnittes unvermittelt und doch wohlbedacht
aus, was allem, das er geschrieben hat, einen besonderen Sinn gibt: »Wahrhaftig,
das Geheimnis unseres Glaubens ist groß...«.(104)
Ohne den wörtlichen Sinn des Textes im geringsten zu verraten, können wir
diese großartige theologische Intuition des Apostels zu einer umfassenderen
Sicht von der Aufgabe ausweiten, die der von ihm verkündeten Wahrheit in der
Heilsökonomie zukommt. »Wahrhaftig«, wiederholen wir mit dem Apostel, »das
Geheimnis unseres Glaubens ist groß«, weil es die Sünde besiegt.
Was aber ist nach paulinischer Auffassung dieser »Glaube«?
Er ist Christus selber
20. Es ist von tiefer Bedeutung, daß Paulus zur Beschreibung dieses
»Geheimnisses des Glaubens«, ohne eine grammatikalische Verbindung mit dem
vorhergehenden Text herzustellen,(105) drei Verse eines Christushymnus
wörtlich zitiert, der nach der Meinung von Fachleuten in den
hellenistisch-christlichen Gemeinden in Gebrauch war.
Mit den Worten jenes Hymnus, der reich an theologischem Inhalt und voll edler
Schönheit ist, bekannten die Gläubigen des ersten Jahrhunderts ihren Glauben an
das Geheimnis Christi:
- daß er sich in der Wirklichkeit des menschlichen Fleisches geoffenbart hat
und vom Heiligen Geist zum Gerechten bestellt worden ist, der sich für die
Ungerechten hingibt;
- daß er den Engeln erschienen ist, größer als sie, und den Heiden als
Vermittler des Heils verkündet worden ist;
- daß er in der Welt als Gesandter des Vaters geglaubt und vom Vater selbst
als der Herr in den Himmel aufgenommen worden ist.(106)
Das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens ist deshalb das Geheimnis Christi
selber. Es ist in einer gedrängten Synthese das Geheimnis der Menschwerdung und
der Erlösung, des vollen Ostergeschehens Jesu, des Sohnes Gottes und des Sohnes
Marias: Geheimnis seines Leidens und Sterbens, seiner Auferstehung und
Verherrlichung. Was der hl. Paulus durch die Zitation dieser Sätze des Hymnus
hat unterstreichen wollen, ist dies, daß dieses Geheimnis das verborgene
Lebensprinzip ist, das die Kirche zum Hauswesen Gottes, zur Säule und zum
Fundament der Wahrheit macht. In der Linie der paulinischen Unterweisung können
wir sagen, daß dieses Geheimnis des unendlichen Erbarmens Gottes uns
gegenüber imstande ist, bis zu den verborgensten Wurzeln unserer Bosheit
vorzudringen, um die Seele zur Bekehrung zu bewegen, um sie zu erlösen und zur
Versöhnung zu führen.
Indem sich der hl. Johannes ohne Zweifel auf dieses Geheimnis bezog, konnte
auch er in der ihm charakteristischen Sprache, die von der des hl. Paulus
verschieden ist, schreiben: »Wer von Gott stammt, sündigt nicht, sondern der von
Gott Gezeugte bewahrt ihn, und der Böse tastet ihn nicht an«.(107) In dieser
Aussage des Johannes liegt ein Zeichen von Hoffnung, die auf den göttlichen
Verheißungen gründet: Der Christ hat die Zusicherung und die notwendigen Kräfte
erhalten, nicht zu sündigen. Es handelt sich hier also nicht um eine durch
eigene Tugend erworbene Sündenlosigkeit oder gar um eine solche, die dem
Menschen angeboren wäre, wie die Gnostiker meinten. Sie ist ein Ergebnis des
Handelns Gottes. Um nicht zu sündigen, verfügt der Christ über die Kenntnis
Gottes, erinnert der hl. Johannes an derselben Stelle. Kurz vorher aber hatte er
geschrieben: »Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in
ihm bleibt«.(108) Wenn wir unter diesem »Samen Gottes«, wie einige Kommentatoren
vorschlagen, Jesus, den Sohn Gottes, verstehen, können wir also sagen, daß der
Christ, um nicht zu sündigen - oder sich von der Sünde zu befreien - über die
innere Gegenwart von Christus selbst und vom Geheimnis Christi verfügt, das
Geheimnis des Glaubens ist.
Das Bemühen des Christen
21. Es gibt im Geheimnis des Glaubens aber noch eine andere Seite: Das
Erbarmen Gottes dem Christen gegenüber muß eine Antwort in der
Frömmigkeit des Christen Gott gegenüber finden. In dieser zweiten Bedeutung
besagt die »pietas« (eusébeia) das Verhalten des Christen, der auf das
väterliche Erbarmen Gottes mit kindlicher Frömmigkeit antwortet.
Auch in diesem Sinn können wir mit dem hl. Paulus sagen, daß »das Geheimnis
unseres Glaubens groß ist«. Auch in diesem Sinn wendet sich die Frömmigkeit
als Kraft der Bekehrung und Versöhnung gegen die Bosheit und die Sünde. Auch in
diesem Fall sind die wesentlichen Aspekte des Geheimnisses Christ in dem Sinn
Gegenstand der Frömmigkeit, daß der Christ das Geheimnis annimmt, es
betrachtet und daraus die notwendige geistige Kraft schöpft, um nach dem
Evangelium zu leben. Auch hier muß man sagen, daß, »wer von Gott stammt, keine
Sünde tut«; diese Aussage aber hat einen imperativen Sinn: Gestärkt vom
Geheimnis Christi wie von einer inneren Quelle geistiger Kraft ist der Christ
gewarnt zu sündigen, ja er erhält sogar das Gebot, nicht zu sündigen, sondern
sich würdig zu verhalten »im Hauswesen Gottes, das heißt in der Kirche des
lebendigen Gottes«,(109) da er ein »Kind Gottes« ist.
Unterwegs zu einem versöhnten Leben
22. So öffnet das Wort der Schrift, indem es uns das Geheimnis des
Glaubens offenbart, den menschlichen Verstand für die Bekehrung und die
Versöhnung, verstanden nicht als abstrakte Größen, sondern als konkrete
christliche Werte, die es in unserem Alltag zu erwerben gilt.
Bedroht vom Verlust des Sündenbewußtseins und zuweilen versucht von einer
wenig christlichen Illusion von Sündenlosigkeit haben es auch die Menschen von
heute nötig, die Ermahnung des hl. Johannes als an jeden persönlich gerichtet
neu zu hören: »Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst
in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns«,(110) ja sogar »die ganze Welt
steht unter der Macht des Bösen«.(111) Jeder ist also durch die Stimme der
göttlichen Wahrheit eingeladen, realistisch sein Gewissen zu erforschen und zu
bekennen, daß er in Schuld geboren ist, wie wir im Psalm Miserere
beten.(112)
Dennoch können sich die Menschen von heute, die von Furcht und Verzweiflung
bedrängt sind, durch die göttliche Verheißung aufgerichtet fühlen, die ihnen die
Hoffnung auf die volle Versöhnung schenkt.
Das Geheimnis des Glaubens von seiten Gottes ist jene Barmherzigkeit, an der
der Herr, unser Vater, - ich wiederhole es noch einmal - unendlich reich
ist.(113) Wie ich in meiner Enzyklika, die dem Thema der göttlichen
Barmherzigkeit gewidmet ist,(114) gesagt habe, ist dies eine Liebe, die
stärker ist als die Sünde, stärker als der Tod. Wenn wir erkennen, daß die
Liebe, die Gott zu uns hat, vor unserer Sünde nicht Halt macht, vor unseren
Beleidigungen nicht zurückweicht, sondern an Sorge und hochherziger Zuwendung
noch wächst; wenn wir uns bewußt werden, daß diese Liebe sogar das Leiden und
den Tod des menschgewordenen Wortes bewirkt hat, das bereit war, uns um den
Preis seines Blutes zu erlösen, dann rufen wir voller Dankbarkeit aus: »Ja, der
Herr ist reich an Erbarmen« und sagen sogar: »Der Herr ist
Barmherzigkeit«.
Das Geheimnis des Glaubens ist der offene Weg von der göttlichen
Barmherzigkeit zum versöhnten Leben.
DRITTER TEIL
DIE PASTORAL DER BUSSE UND DER VERSÖHNUNG
Die Förderung von Buße und Versöhnung
23. Es ist die wesentliche Aufgabe der Kirche, den Menschen im Herzen zu
Umkehr und Buße zu führen und ihm das Geschenk der Versöhnung anzubieten,
wodurch sie das Erlösungswerk ihres göttlichen Stifters fortsetzt. Dies ist eine
Sendung, die sich nicht in einigen theoretischen Aussagen und in der
Verkündigung eines ethischen Ideals erschöpft, welche von keinen wirksamen
Kräften begleitet ist. Sie zielt vielmehr darauf ab, sich für eine konkrete
Praxis der Buße und der Versöhnung in bestimmten Amtshandlungen auszudrücken.
Diesen amtlichen Dienst, der auf den oben dargelegten Glaubensprinzipien
gründet und von ihnen erleuchtet wird, der auf bestimmte Ziele ausgerichtet und
durch angemessene Mittel gestützt wird, können wir als eine Pastoral der Buße
und der Versöhnung bezeichnen. Ihr Ausgangspunkt ist die Überzeugung der
Kirche, daß der Mensch, an den sich jede Form der Pastoral, hauptsächlich aber
die Pastoral der Buße und der Versöhnung richtet, der von der Sünde gezeichnete
Mensch ist, dessen typisches Bild wir im König David finden. Vom Propheten
Nathan zurechtgewiesen, ist er bereit, sich mit den eigenen ruchlosen Vergehen
auseinanderzusetzen, und bekennt: »Ich habe gegen den Herrn gesündigt«.(115) Er
ruft aus: »Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor
Augen«;(116) aber er bittet auch: »Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich
rein; wasche mich, dann bin ich weißer als Schnee«,(117) und er erhält die
Antwort der göttlichen Barmherzigkeit: »Der Herr hat dir deine Sünde vergeben;
du wirst nicht sterben«.(118)
Die Kirche findet also einen Menschen - eine ganze Welt des Menschen - vor,
der von der Sünde verwundet und von ihr in seinem innersten Sein getroffen ist,
der aber zugleich von einem unbändigen Wunsch nach Befreiung von der Sünde
erfüllt ist. Vor allem wenn er Christ ist, ist er sich auch dessen bewußt, daß
das Geheimnis der Barmherzigkeit, Christus, der Herr, schon in ihm und in
der Welt mit der Kraft der Erlösung am Werk ist.
Die versöhnende Funktion der Kirche muß somit jenen inneren Zusammenhang
beachten, der die Verzeihung und die Vergebung der Sünde jedes Menschen eng mit
der grundsätzlichen und vollen Versöhnung der Menschheit verbindet, die mit der
Erlösung geschehen ist. Dieser Zusammenhang läßt uns verstehen, daß aufgrund der
Tatsache, daß die Sünde das aktive Prinzip der Entzweiung ist - Entzweiung
zwischen dem Menschen und dem Schöpfer, Entzweiung im Herzen und im Sein des
Menschen, Entzweiung zwischen den einzelnen Menschen und Gruppen, Entzweiung
zwischen dem Menschen und der von Gott geschaffenen Natur -, nur die Bekehrung
von der Sünde imstande ist, dort, wo eine solche Entzweiung eingetreten ist,
eine tiefe und dauerhafte Versöhnung zu bewirken.
Es ist nicht nötig zu wiederholen, was ich schon über die Bedeutung des
»Dienstes der Versöhnung«(119) und der entsprechenden Pastoral gesagt habe, die
diesen Dienst im Bewußtsein und im Leben der Kirche konkretisiert. Die Kirche
würde in einem ihrer wesentlichen Aspekte und in einer unentbehrlichen Funktion
versagen, wenn sie nicht klar und entschlossen, gelegen oder ungelegen, die
»Botschaft der Versöhnung«(120) verkündete und der Welt das Geschenk der
Versöhnung nicht anbieten würde. Es ist sinnvoll, daran zu erinnern, daß sich
diese Bedeutung des kirchlichen Dienstes der Versöhnung über die Grenzen der
Kirche hinaus auf die ganze Welt erstreckt.
Von der Pastoral der Buße und der Versöhnung zu sprechen, bedeutet
also, auf die Gesamtheit der Aufgaben hinzuweisen, die der Kirche auf allen
Ebenen obliegen, um beides zu fördern. Noch konkreter, von dieser Pastoral
sprechen heißt, alle Handlungen in Erinnerung zu rufen, wodurch die Kirche durch
alle und jedes einzelne ihrer Glieder - Hirten und Gläubige auf allen Ebenen und
in allen Bereichen - und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln - Wort
und Tat, Unterweisung und Gebet - die Menschen, einzeln oder in Gruppen, zu
wahrer Buße führt und sie so auf den Weg zur vollen Versöhnung geleitet.
Die Bischöfe der Synode haben sich als Vertreter ihrer Mitbrüder im
Bischofsamt, der Hirten des ihnen anvertrauten Volkes, mit dieser Pastoral in
ihren mehr praktischen und konkreten Elementen befaßt. Mit Freude pflichte ich
ihnen bei und teile ihre Sorgen und Hoffnungen. Ich nehme die Frucht ihrer
Untersuchungen und Erfahrungen entgegen und ermutige sie in ihren Plänen und
Initiativen. Mögen sie in diesem Teil des Apostolischen Schreibens jenen Beitrag
wiederfinden, den sie selber für die Synode geleistet haben, einen Beitrag,
dessen Nutzen ich durch diese Seiten der ganzen Kirche zugänglich machen möchte.
Deshalb möchte ich das Wesen der Pastoral der Buße und der Versöhnung
darlegen, indem ich mit der Synode die beiden folgenden Punkte besonders
behandle:
- Die von der Kirche benutzten Mittel und Wege, um Buße und Versöhnung zu
fördern.
- Das eigentliche Sakrament der Buße und Versöhnung.
ERSTES KAPITEL
DIE FÖRDERUNG VON BUSSE UND VERSÖHNUNG:
MITTEL UND WEGE
24. Um Buße und Versöhnung zu fördern, hat die Kirche hauptsächlich zwei
Mittel zur Verfügung, die ihr von ihrem Stifter selber anvertraut worden sind:
die Katechese und die Sakramente. Ihre Anwendung, die von der Kirche immer in
vollem Einklang mit den Erfordernissen ihrer Heilssendung und zugleich als den
Erfordernissen und geistlichen Bedürfnissen der Menschen aller Zeiten angemessen
erachtet worden ist, kann in alten und neuen Formen erfolgen. Unter diesen ist
besonders an jene zu erinnern, die wir im Anschluß an meinen Vorgänger Paul VI.
die Methode des Dialoges nennen können.
Der Dialog
25. Der Dialog ist für die Kirche in gewissem Sinn ein Mittel und vor allem
eine Weise, um in der Welt von heute zu wirken.
Das II. Vatikanische Konzil hat nämlich verkündet, daß »die Kirche kraft
ihrer Sendung, die ganze Welt mit der Botschaft des Evangeliums zu erleuchten
und alle Menschen... in einem Geist zu vereinigen, zum Zeichen jener
Brüderlichkeit wird, die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen
läßt«. Es fügt hinzu, daß sie imstande sein muß, »ein immer fruchtbareres
Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes
bilden«,(121) und auch »mit der menschlichen Gesellschaft... in ein Gespräch zu
kommen«.(122)
Mein Vorgänger Paul VI. hat dem Dialog einen beträchtlichen Teil seiner
ersten Enzyklika Ecclesiam suam gewidmet, wo er ihn bezeichnenderweise
als Heilsdialog beschreibt und kennzeichnet.(123)
Die Kirche bedient sich in der Tat der Methode des Dialoges, um die Menschen
- jene, die sich durch Taufe und Glaubensbekenntnis als Glieder der christlichen
Gemeinschaft bekennen, und jene, die ihr fernstehen - besser zu Bekehrung und
Buße, auf den Weg einer tiefen Erneuerung ihres persönlichen Gewissens und ihres
Lebens sowie zum Licht des Geheimnisses der Erlösung und des Heiles zu führen,
das von Christus gewirkt und dem Dienst seiner Kirche anvertraut worden ist. Der
echte Dialog ist somit vor allem auf die Erneuerung eines jeden durch innere
Bekehrung und Buße gerichtet, wobei er jedoch die Gewissen besonders achtet und
mit Geduld und nur schrittweise vorgeht, was bei der Lage der Menschen unserer
Zeit unerläßlich ist.
Der pastorale Dialog für eine Versöhnung bleibt auch heute in verschiedenen
Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen eine grundlegende Aufgabe der Kirche.
Sie fördert vor allem einen ökumenischen Dialog, das heißt den Dialog
zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die sich auf den Glauben an
Christus, den Sohn Gottes und einzigen Erlöser, berufen, und einen Dialog mit
den anderen Gemeinschaften von Menschen, die Gott suchen und Gemeinschaft mit
ihm haben möchten.
Die Grundlage dieses Dialoges mit den anderen Kirchen und kirchlichen
Gemeinschaften und mit den anderen Religionen muß, als Bedingung für seine
Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit, ein aufrichtiges Bemühen um einen ständigen und
erneuerten Dialog im Innern der katholischen Kirche selber sein. Die Kirche ist
sich dessen bewußt, von Natur aus Sakrament der »universalen Gemeinschaft der
Liebe« zu sein;(124) aber sie ist sich auch der Spannungen bewußt, die in ihrem
Innern bestehen und die zu Ursachen der Spaltung zu werden drohen.
Der ernste und entschlossene Aufruf, den schon mein Vorgänger im Hinblick auf
das Heilige Jahr 1975 an alle gerichtet hat,(125) gilt auch noch im
gegenwärtigen Augenblick. Um die Konflikte zu überwinden und zu verhindern, daß
die normalen Spannungen der Einheit der Kirche schaden, müssen wir uns alle
unter das Wort Gottes stellen. Indem wir die eigenen subjektiven Ansichten
aufgeben, haben wir die Wahrheit dort zu suchen, wo sie zu finden ist, das heißt
im Wort Gottes und in der authentischen Interpretation, die das Lehramt der
Kirche davon gibt. In diesem Licht sind das gegenseitige Aufeinanderhören, die
Achtung voreinander und die Vermeidung jedes voreiligen Urteils, die Geduld und
die Fähigkeit, die Unterordnung des Glaubens, der eint, unter die Meinungen,
Modeerscheinungen und ideologischen Parteinahmen, die entzweien, zu vermeiden,
alles Eigenschaften eines Dialoges, der im Innern der Kirche mit Ausdauer,
bereitwillig und aufrichtig geübt werden muß. Es ist offenkundig, daß er nicht
von solcher Art wäre und nicht ein Faktor der Versöhnung werden könnte, wenn er
nicht auf das Lehramt achtet und es annimmt.
Indem sich die katholische Kirche auf diese Weise wirksam um die eigene
innere Einheit bemüht, kann sie - wie sie es schon seit geraumer Zeit tut - an
die anderen christlichen Kirchen, mit denen keine volle Einheit besteht, an die
anderen Religionen und sogar an jene, die Gott mit aufrichtigem Herzen suchen,
den Aufruf zur Versöhnung richten.
Im Licht des Konzils und des Lehramtes meiner Vorgänger, deren kostbares Erbe
ich übernommen habe und zu bewahren und zu verwirklichen mich bemühe, kann ich
feststellen, daß sich die katholische Kirche in allen ihren Bereichen mit
Redlichkeit um den ökumenischen Dialog bemüht, und zwar ohne leichtfertigen
Optimismus, aber auch ohne Mißtrauen, ohne Zögern und Zaudern. Die Grundregeln,
die sie in diesem Dialog zu befolgen sucht, sind einerseits die Überzeugung, daß
nur ein geistlicher Ökumenismus - das heißt einer, der im gemeinsamen Gebet und
in der gemeinsamen Verfügbarkeit dem einen Herrn gegenüber gründet - es
gestattet, aufrichtig und ernsthaft auf die anderen Erfordernisse ökumenischen
Handelns zu antworten;(126) andererseits die Überzeugung, daß ein gewisser
leichtfertiger Irenismus im Bereich der Lehre, vor allem im Dogma, allenfalls zu
einer nicht dauerhaften Form oberflächlichen Zusammengehens führen könnte, nicht
aber zu jener tiefen und beständigen Gemeinschaft, die wir uns alle wünschen. Zu
dieser Gemeinschaft wird man in der von der göttlichen Vorsehung bestimmten
Stunde gelangen; damit dies aber gelingt, weiß die katholische Kirche, daß sie
selber offen und empfänglich sein muß für »die wahrhaft christlichen Güter aus
dem gemeinsamen Erbe..., die sich bei den von uns getrennten Brüdern
finden«.(127) Gleichzeitig aber bilden Klarheit in der Gesprächsführung, Treue
und Übereinstimmung mit dem im Lauf der christlichen Tradition vom Lehramt
überlieferten und definierten Glauben die unerläßlichen Voraussetzungen für
einen ehrlichen und konstruktiven Dialog. Trotz der Gefahr eines gewissen
Defätismus und eines unvermeidlich langsamen Vorgehens, das niemals durch
Unbesonnenheit behoben werden kann, fährt die katholische Kirche fort, mit allen
anderen christlichen Brüdern die Wege zur Einheit und mit den Anhängern der
anderen Religionen einen aufrichtigen Dialog zu suchen. Möge dieser Dialog mit
den anderen Kirchen und Religionen zur Überwindung jeglicher Form von
Feindseligkeit, Mißtrauen, gegenseitigem Verurteilen und erst recht von
gegenseitigen Angriffen führen, Vorbedingung für eine Begegnung wenigstens im
Glauben an den einen Gott und in der Hoffnung auf ein ewiges Leben für die
unsterbliche Seele. Gebe Gott, daß der ökumenische Dialog zu einer aufrichtigen
Verständigung über all das führe, was wir mit diesen Kirchen bereits gemeinsam
haben können: der Glaube an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes,
unseren Erlöser und Herrn, das Hören auf das Wort, das Studium der Offenbarung,
das Sakrament der Taufe.
In dem Maße, wie die Kirche fähig ist, in ihrem eigenen Innern eine wirksame
Eintracht - die Einheit in der Verschiedenheit - zu verwirklichen und sich
gegenüber den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und den anderen
Religionen als Zeugin und demütige Dienerin der Versöhnung zu erweisen, wird sie
selber nach einem prägnanten Ausdruck des hl. Augustinus »versöhnte Welt«.(128)
So wird sie Zeichen der Versöhnung in der Welt und für die Welt sein können.
Im Bewußtsein der ungeheuer schwierigen Situation, die durch die Kräfte der
Entzweiung und des Krieges geschaffen worden ist und heute eine schwere
Bedrohung nicht nur für das Gleichgewicht und die Harmonie zwischen den
Nationen, sondern für das Überleben der Menschheit selbst darstellt, fühlt die
Kirche sich verpflichtet, ihre spezifische Mitarbeit für die Überwindung der
Konflikte und die Wiederherstellung der Eintracht anzubieten und zu empfehlen.
Es ist ein komplexer und heikler Dialog der Versöhnung, um den sich die
Kirche vor allem durch das Wirken des Heiligen Stuhles und seiner
verschiedenen Organismen bemüht. Man kann sagen, daß der Heilige Stuhl
alle Kraft dafür verwendet, bei den Regierungen der Nationen und den
Verantwortlichen der verschiedenen internationalen Einrichtungen vorstellig zu
werden oder durch Gespräche mit ihnen und durch die Förderung des Dialogs
zwischen ihnen mit diesen zusammenzuwirken, um inmitten zahlreicher Konflikte
eine Aussöhnung herbeizuführen. Sie tut dies nicht sekundärer Zwecke oder
geheimer Interessen wegen - denn solche hat sie nicht -, sondern »aus
humanitärer Sorge«,(129) indem sie ihre einzigartige institutionelle Struktur
und moralische Autorität in den Dienst der Eintracht und des Friedens stellt.
Sie tut dies in der Überzeugung, daß wie »im Krieg sich zwei Seiten
gegeneinander erheben«, so auch »in der Frage des Friedens es immer und
notwendig zwei Seiten sind, die sich dafür einsetzen müssen«, und daß darin »der
wahre Sinn des Dialoges für den Frieden liegt«.(130)
Im Dialog für die Versöhnung setzt sich die Kirche auch durch die Bischöfe
ein entsprechend der ihnen eigenen Zuständigkeit und Verantwortung, sei es
individuell in der Leitung ihrer jeweiligen Teilkirchen, sei es vereint in ihren
Bischofskonferenzen, unter der Mitarbeit der Priester und aller Glieder der
christlichen Gemeinschaften. Sie erfüllen ihre Aufgaben dadurch, daß sie jenen
unentbehrlichen Dialog fördern und die menschlichen und christlichen Forderungen
nach Versöhnung und Frieden erheben. In Gemeinschaft mit ihren Hirten sind die
Laien, die als »eigentliches Feld ihrer evangelisierenden Tätigkeit die weite
und schwierige Welt der Politik, der sozialen Wirklichkeit, der Wirtschaft....
des internationalen Lebens«(131) haben, aufgerufen, sich unmittelbar um den
Dialog oder um die Förderung des Dialogs für den Frieden zu bemühen. Auch durch
sie verwirklicht die Kirche ihren Einsatz für Versöhnung.
In der Erneuerung der Herzen durch Bekehrung und Buße liegt also die
grundlegende Voraussetzung und das sichere Fundament für jede dauerhafte soziale
Erneuerung und für den Frieden unter den Völkern.
Es bleibt noch zu betonen, daß der Dialog von seiten der Kirche und ihrer
Glieder, in welcher Form er auch immer geschieht - und es sind und können sehr
verschiedene sein, so daß der Begriff Dialog eine analoge Bedeutung hat -,
niemals von einer indifferenten Haltung gegenüber der Wahrheit ausgehen darf,
sondern diese vielmehr zur Darstellung bringen soll, und zwar in einer
ausgeglichenen Weise, die auch den Verstand und das Gewissen der anderen achtet.
Der Dialog zur Versöhnung kann niemals die Verkündigung der Wahrheit des
Evangeliums ersetzen oder abschwächen, die eindeutig die Bekehrung von der Sünde
und die Gemeinschaft mit Christus und der Kirche zum Ziel hat, sondern muß ihrer
Weitervermittlung und Verwirklichung durch jene Mittel dienen, die Christus
seiner Kirche für die Pastoral der Versöhnung hinterlassen hat: die Katechese
und die Buße.
Die Katechese
26. Im weiten Bereich, in dem die Kirche mit dem Mittel des Dialoges ihre
Sendung auszufüren sucht, wendet sich die Pastoral der Buße und der
Versöhnung an die Glieder der kirchlichen Gemeinschaft vor allem mit einer
entsprechenden Katechese über diese zwei verschiedenen und sich
ergänzenden Wirklichkeiten, denen die Väter der Synode eine besondere Bedeutung
beigemessen haben und die von ihnen in einigen Schlußvorlagen besonders
herausgestellt worden sind: eben die Buße und die Versöhnung. Die Katechese ist
also das erste Mittel, das eingesetzt werden muß.
An der Wurzel dieser sehr zeitgemäßen Empfehlung der Synode liegt eine
grundlegende Voraussetzung: Was pastoral ist, steht nicht im Widerspruch
zur Lehre, noch kann das pastorale Wirken vom Glaubensinhalt absehen, von
dem es vielmehr seine Substanz und wirkliche Kraft erhält. Wenn die Kirche
»Säule und Fundament der Wahrheit«(132) ist und als Mutter und Lehrmeisterin in
die Welt gesandt ist, wie könnte sie dann die Aufgabe unterlassen, die Wahrheit
zu lehren, die den Weg zum Leben darstellt?
Von den Hirten der Kirche erwartet man zuallererst eine Katechese über die
Versöhnung. Diese muß sich unbedingt auf die Lehre der Bibel gründen,
besonders auf jene des Neuen Testamentes über die Notwendigkeit, den Bund mit
Gott in Christus, der erlöst und versöhnt, wiederherzustellen, und - im Licht
und als Ausweitung dieser neuen Gemeinschaft und Freundschaft - über die
Versöhnung mit dem Bruder, selbst wenn dafür die Darbringung des Opfers
unterbrochen werden müßte.(133) Jesus betont nachdrücklich dieses Thema der
brüderlichen Versöhnung: zum Beispiel wenn er einlädt, dem, der uns schlägt,
auch die andere Wange hinzuhalten, und dem, der uns das Hemd raubt, auch den
Mantel zu überlassen,(134) oder wenn er das Gesetz der Vergebung einschärft:
eine Vergebung, die jeder in dem Maß empfängt, wie er selber vergibt,(135) eine
Vergebung, die auch den Feinden anzubieten ist,(136) eine Vergebung, die man
siebzigmal siebenmal gewähren muß,(137) das heißt praktisch ohne jede
Einschränkung. Unter diesen Bedingungen, die nur in echt evangelischem Geist
verwirklicht werden können, ist wahre Versöhnung unter den einzelnen, zwischen
Familien, Gemeinschaften, Völkern und Nationen möglich. Von diesen biblischen
Aussagen über die Versöhnung leitet sich natürlich eine theologisch bestimmte
Katechese ab, die in ihre Synthese auch die Elemente der Psychologie, der
Soziologie und der Humanwissenschaften einbeziehen wird, weil sie dazu dienen
können, die Situationen zu klären, die Probleme richtig zu stellen, die Hörer
oder die Leser zu überzeugen, konkrete Entscheidungen zu treffen.
Von den Hirten der Kirche erwartet man ferner eine Katechese über die Buße.
Auch hierfür muß der Reichtum der biblischen Botschaft die Quelle sein. Diese
Botschaft unterstreicht in der Buße vor allem deren Wert für die Bekehrung,
ein Begriff, mit dem man das griechische Wort metánoia zu übersetzen
sucht,(138) das wörtlich besagt, den Geist umzuwenden, um ihn auf Gott
hinzuwenden. Dies sind übrigens auch die beiden Grundelemente, die im
Gleichnis vom verlorenen und wiedergefundenen Sohn deutlich hervortreten: das
»Insichgehen« (139) und die Entscheidung, zum Vater zurückzukehren. Es kann ohne
diese ursprünglichen Verhaltensweisen der Bekehrung keine Versöhnung geben. Die
Katechese muß sie mit Begriffen und Worten erklären, die den verschiedenen
Altersstufen und den unterschiedlichen kulturellen, sittlichen und sozialen
Verhältnissen angepaßt sind.
Dies ist ein erster Wert der Buße, der sich in einem zweiten fortsetzt: Buße
bedeutet auch Reue. Diese beiden Bedeutungen von metánoia zeigen
sich in der bezeichnenden Weisung, die Jesus gegeben hat: »Wenn dein Bruder...
sich ändert (und zurückkehrt), vergib ihm. Und wenn er sich siebenmal am Tag
gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will mich
ändern!, so sollst du ihm vergeben«.(140) Eine gute Katechese wird aufzeigen,
wie die Reue ebenso wie die Bekehrung, weit davon entfernt, nur ein
oberflächliches Gefühl zu sein, eine wirkliche Umwandlung der Seele darstellt.
Ein dritter Wert ist in der Buße enthalten. Es ist die Bewegung, durch die
sich die vorhergehenden Haltungen der Bekehrung und Reue nach außen zeigen: das
Bußetun. Diese Bedeutung ist im Begriff metánoia gut erkenntlich,
wie er vom Vorläufer Jesu im Text der Synoptiker benutzt wird.(141) Bußetun
will vor allem besagen, das Gleichgewicht und die Harmonie, die durch die Sünde
zerstört worden sind, wiederherzustellen und auch um den Preis von Opfern die
Richtung zu ändern.
Eine möglichst umfassende und angemessene Katechese über die Buße ist in
einer Zeit wie der unsrigen unverzichtbar, in der die vorherrschenden Haltungen
im gesellschaftlichen Denken und Verhalten in so offenem Gegensatz zu dem soeben
erläuterten dreifachen Wert stehen: Dem heutigen Menschen scheint es schwerer zu
fallen als je zuvor, seine eigenen Fehler zuzugeben und sich zu entscheiden,
seine Schritte zu überprüfen, um den Weg nach erfolgter Änderung der Richtung
wieder aufzunehmen. Es widerstrebt ihm sehr zu sagen »ich bereue« oder »es tut
mir leid«; er scheint instinktiv und oft unwiderstehlich alles abzulehnen, was
Buße im Sinn eines Opfers ist, das zur Korrektur der Sünde angenommen und getan
wird. Hierzu möchte ich betonen, daß die Bußdisziplin der Kirche, auch
wenn sie seit einiger Zeit erleichtert worden ist, nicht ohne großen Schaden für
das innere Leben der Christen und der kirchlichen Gemeinschaft wie für ihre
missionarische Ausstrahlungskraft aufgehoben werden könnte. Nicht selten sind
Nichtchristen über das geringe Zeugnis an wahrer Buße von seiten der Jünger
Christi überrascht. Selbstverständlich ist christliche Buße nur dann echt, wenn
sie von der Liebe und nicht von bloßer Furcht eingegeben ist; wenn sie sich
ernsthaft darum bemüht, den »alten Menschen« zu kreuzigen, damit durch das
Wirken Christi der »neue« geboren werden kann; wenn sie als Vorbild Christus
folgt, der, obwohl unschuldig, den Weg der Armut, der Geduld, der Entsagung und,
so kann man sagen, der Buße gewählt hat.
Von den Hirten der Kirche erwartet man ferner - wie die Synode in Erinnerung
gebracht hat - eine Katechese über das Gewissen und seine Formung. Auch
das ist ein Thema von großer Aktualität, wenn man beachtet, wie dieses innere
Heiligtum, das heißt die Ich-Mitte des Menschen, sein Gewissen, von den Stößen,
denen die Kultur unserer Zeit ausgesetzt ist, allzu oft bedrängt, auf die Probe
gestellt, verwirrt und verdunkelt wird. Für eine kluge Katechese über das
Gewissen kann man wertvolle Hinweise bei den Kirchenvätern, in der Theologie des
II. Vatikanischen Konzils, besonders in den zwei Dokumenten über die Kirche in
der Welt von heute(142) und über die Religionsfreiheit(143) finden. Ebenso hat
auch Papst Paul VI. oft dazu Stellung genommen, um an die Natur und die Rolle
des Gewissens in unserem Leben zu erinnern.(144) Ich selber unterlasse, indem
ich ihm darin folge, keine Gelegenheit, um diesen überaus wichtigen Teil der
Größe und Würde des Menschen deutlich herauszustellen,(145) diese »Art von
moralischem Sinn, der uns befähigt, zwischen gut und böse zu
unterscheiden... wie ein inneres Auge, eine Sehkraft des Geistes, die unsere
Schritte auf den Weg des Guten zu führen vermag«. Zugleich unterstreiche ich die
Notwendigkeit, das eigene Gewissen christlich zu formen, damit es nicht zu
»einer zerstörenden Macht des wahren Menschseins (der Person) werde, sondern
vielmehr zum heiligen Ort, wo Gott dieser ihr wahres Gut offenbart«.(146)
Auch über andere für die Versöhnung nicht weniger wichtige Punkte erwarten
die Menschen die Katechese der Hirten der Kirche:
- Über das Sündenbewußtsein, das - wie ich schon gesagt habe - in
unserer Welt nicht wenig verkümmert ist.
- Über die Versuchung und die Versuchungen: Jesus Christus
selber, der Sohn Gottes, »der wie wir in allem versucht worden ist, aber nicht
gesündigt hat«,(147) wollte vom Bösen versucht werden,(148) um zu zeigen, daß,
wie er, auch seine Jünger der Versuchung ausgesetzt sind und wie sie sich in
der Versuchung zu verhalten haben. Für den, der den Vater bittet, nicht über
seine Kräfte versucht zu werden(149) und der Versuchung nicht zu
unterliegen,(150) für den, der sich nicht den Gelegenheiten zur Sünde
aussetzt, bedeutet die Tatsache der Versuchung nicht, schon gesündigt zu
haben, sondern wird für ihn vielmehr zum Anlaß, in Treue und konsequenter
Lebensführung durch Demut und Wachsamkeit zu wachsen.
- Über das Fasten, das in alten und neuen Formen als Zeichen der
Bekehrung und Reue, der persönlichen Abtötung und zugleich der Einheit mit
Christus, dem Gekreuzigten, und der Solidarität mit den Hungernden und
Leidenden geübt werden kann.
- Über das Almosen, das ein Mittel ist, die Liebe konkret zu leben,
indem man das, was man besitzt, mit dem teilt, der unter den Folgen von Armut
leidet.
- Über den inneren Zusammenhang, der die Überwindung aller Spaltungen
in der Welt an die volle Gemeinschaft mit Gott und unter den Menschen bindet,
was das eschatologische Ziel der Kirche darstellt.
- Über die konkreten Umstände, in denen man die Versöhnung
verwirklichen soll (in der Familie, in der bürgerlichen Gesellschaft, in den
sozialen Strukturen) und besonders über die vier Versöhnungen, die die
vier grundlegenden Brüche heilen: Versöhnung des Menschen mit Gott, mit sich
selber, mit den Brüdern, mit der ganzen Schöpfung.
Auch kann die Kirche nicht ohne schwerwiegende Verstümmelung ihrer
wesentlichen Botschaft auf eine beständige Katechese darüber verzichten, was der
traditionelle christliche Sprachgebrauch als die vier Letzten Dinge des
Menschen bezeichnet: Tod, Gericht, Hölle und Paradies. In einer Kultur, die
den Menschen in sein mehr oder weniger gelungenes irdisches Leben einzuschließen
sucht, verlangt man von den Hirten der Kirche eine Katechese, die mit der
Gewißheit des Glaubens das Jenseits erschließt und erhellt: Jenseits der
geheimnisvollen Pforten des Todes zeichnet sich eine Ewigkeit der Freude in der
Gemeinschaft mit Gott oder der Strafe in der Ferne von ihm ab. Nur in dieser
eschatologischen Sicht kann man das richtige Maß für die Sünde erhalten und sich
entschieden zu Buße und Versöhnung angetrieben fühlen.
Eifrigen und fähigen Hirten fehlen niemals die Gelegenheiten, um diese
umfassende und vielfältige Katechese zu erteilen, wobei sie der Verschiedenheit
der Kultur und der religiösen Bildung derer Rechnung tragen, an die sie sich
richten. Solche Gelegenheiten bieten oft die biblischen Lesungen und die Riten
der hl. Messe und der anderen Sakramente wie auch die Anlässe selbst, zu denen
diese gefeiert werden. Zum selben Zweck können auch viele andere Anlässe benutzt
werden wie: Predigten, Lesungen, Diskussionen, Begegnungen, religiöse
Fortbildungskurse usw., wie es an vielen Orten geschieht. Ich möchte hier
besonders die Bedeutung und Wirksamkeit unterstreichen, die für die Katechese
die alten Volksmissionen haben. Wenn sie an die besonderen Erfordernisse
unserer Zeit angepaßt werden, können sie heute wie gestern ein geeignetes Mittel
für die Glaubenserziehung sein, auch was den Bereich der Buße und Versöhnung
betrifft.
Wegen der großen Bedeutung, die der Versöhnung, die auf der Bekehrung
gründet, im vielschichtigen Bereich der menschlichen Beziehungen und des
gesellschaftlichen Zusammenlebens auf allen Ebenen, einschließlich der
internationalen, zukommt, muß sich die Katechese auch des wertvollen Beitrages
der Soziallehre der Kirche bedienen. Die zeitgemäße und klare Lehre
meiner Vorgänger, angefangen von Papst Leo XIII., an die sich die wichtigen
Aussagen der Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen
Konzils und jene der verschiedenen Episkopate anschließen, mit denen diese auf
die verschiedenen Verhältnisse in den jeweiligen Ländern geantwortet haben,
bildet ein umfangreiches und solides Lehrgefüge für die vielfältigen
Erfordernisse im Leben der menschlichen Gemeinschaft, in den Beziehungen der
einzelnen, der Familien und Gruppen in ihren verschiedenen Bereichen und beim
Aufbau einer Gesellschaft, die dem Sittengesetz, der Grundlage der Zivilisation,
entsprechen will.
Dieser sozialen Unterweisung der Kirche liegt natürlich jene Sicht zugrunde,
die sich aus dem Wort Gottes über die Rechte und Pflichten der einzelnen, der
Familien und der Gemeinschaft herleitet; ferner über den Wert der Freiheit und
die Dimensionen der Gerechtigkeit; über den Primat der Liebe; über die Würde der
menschlichen Person und die Erfordernisse des Gemeinwohls, auf das Politik und
Wirtschaft hingeordnet sein müssen. Auf diesen Grundprinzipien der katholischen
Soziallehre, die die universalen Gebote der Vernunft und des Gewissens der
Völker bekräftigen und vorlegen, gründet in hohem Maße die Hoffnung auf eine
friedliche Lösung der vielen sozialen Konflikte und schließlich auf eine
weltweite Aussöhnung.
Die Sakramente
27. Das zweite Mittel, das von Gott gestiftet und von der Kirche der Pastoral
der Buße und Versöhnung angeboten wird, sind die Sakramente.
In der geheimnisvollen Dynamik der Sakramente, die so reich an Symbolen und
Inhalten ist, kann man einen Aspekt erkennen, der nicht immer deutlich
hervorgehoben wird: Jedes von ihnen ist über die ihm eigene Gnade hinaus auch
Zeichen der Buße und Versöhnung. Deshalb ist es möglich, in jedem von ihnen auch
diese Dimensionen des Geistes zu leben.
Die Taufe ist gewiß ein heiligendes Bad, das, wie der hl. Petrus sagt, »nicht
dazu dient, den Körper von Schmutz zu reinigen, sondern eine Bitte an Gott um
ein gutes Gewissen ist«.(151) Sie ist Tod, Bestattung und Auferstehung mit
Christus, der gestorben, begraben worden und auferstanden ist.(152) Es ist
Geschenk des Heiligen Geistes durch Christus.(153) Diese wesentliche und
grundlegende Eigenschaft der christlichen Taufe hebt aber das in ihr schon
vorhandene Bußelement keineswegs auf, sondern bereichert es. Jesus selbst hat
von Johannes die Taufe empfangen, um »die Gerechtigkeit ganz zu erfüllen«.(154)
Sie ist nämlich ein Akt der Bekehrung und der Eingliederung in die rechte
Ordnung der Beziehungen zu Gott, der Versöhnung mit Gott, wobei die Erbsünde
getilgt und der Mensch in die große Familie der Versöhnten aufgenommen wird.
Gleichermaßen bedeutet und verwirklicht die Firmung, auch als Bekräftigung
der Taufe und zusammen mit ihr als Initiationssakrament, indem sie die Fülle des
Heiligen Geistes mitteilt und das christliche Leben zum Vollalter führt, eine
tiefere Bekehrung des Herzens und eine innigere und wirksamere Zugehörigkeit zur
Gemeinschaft der Versöhnten, welche die Kirche Christi ist.
Die Definition, die der hl. Augustinus von der Eucharistie als Sakrament
des Glaubens, Zeichen der Einheit und Band der Liebe(155) gibt, stellt
deutlich die Wirkungen der persönlichen Heiligung (pietas) und der
gemeinschaftlichen Versöhnung (unitas und caritas) heraus, die
sich aus dem Wesen des eucharistischen Geheimnisses selbst als unblutige
Erneuerung des Kreuzesopfers und Quelle des Heiles und der Versöhnung für alle
herleiten. Es ist jedoch notwendig, daran zu erinnern, daß die Kirche, geleitet
vom Glauben an dieses erhabene Sakrament, lehrt, daß kein Christ, der sich einer
schweren Sünde bewußt ist, die Eucharistie empfangen darf, bevor er von Gott
Vergebung erlangt hat. So lesen wir in der Instruktion Eucharisticum
mysterium, die, von Papst Paul VI. ordnungsgemäß approbiert, die Lehre des
Tridentinischen Konzils voll bestätigt: »Die Eucharistie soll den Gläubigen auch
vorgestellt werden 'als Gegengift, durch das wir von den täglichen Vergehen
befreit und vor den schweren Sünden bewahrt' werden; auch werde ihnen gezeigt,
wie sie in angemessener Weise vom Bußritus der Meßliturgie Gebrauch machen
können. Wer kommunizieren will, soll an das Gebot erinnert werden: Jeder soll
sich selbst prüfen (1 Kor 11, 28). Die Praxis der Kirche zeigt, daß
eine solche Prüfung notwendig ist, damit niemand, der sich einer schweren Sünde
bewußt ist, zur Heiligen Kommunion hinzutrete, ohne daß er vorher das
Bußsakrament empfangen hat, selbst wenn er bereits die vollkommene Reue erweckt
hätte. Wenn jemand sich in einer Notlage befindet und keinen Beichtvater
erreichen kann, so muß er zuvor 'einen Akt vollkommener Reue erwecken'«.(156)
Das Weihesakrament ist dazu bestimmt, der Kirche die Hirten zu geben, die als
Lehrer und Vorsteher auch dazu berufen sind, Zeugen und Vermittler der Einheit,
Erbauer der Familie Gottes, Verteidiger und Beschützer der Gemeinschaft dieser
Familie gegen die Einwirkungen von Spaltung und Zersplitterung zu sein.
Das Ehesakrament, Erhöhung der menschlichen Liebe unter dem Wirken der Gnade,
ist gewiß Zeichen der Liebe Christi zur Kirche, aber auch des Sieges, den er den
Eheleuten über jene Kräfte gewährt, die die Liebe entstellen und zerstören, so
daß die Familie, die aus diesem Sakrament entsteht, auch zum Zeichen der
versöhnten und versöhnenden Kirche wird für eine in allen ihren Strukturen und
Institutionen versöhnte Welt.
Die Krankensalbung schließlich ist in der Prüfung durch Krankheit und Alter,
besonders in der letzten Stunde des Christen, ein Zeichen der endgültigen
Bekehrung zum Herrn sowie der vollen Annahme von Leid und Tod als Buße für die
Sünden. Und darin vollzieht sich die tiefste Versöhnung mit dem Vater.
Doch gibt es unter den Sakramenten eines, das, wenn auch oft wegen des darin
erfolgenden Sündenbekenntnisses Beichte genannt, im eigentlichen Sinn als
das Sakrament der Buße angesehen werden kann, wie es denn auch
tatsächlich heißt. Es ist das Sakrament der Bekehrung und der
Versöhnung. Wegen seiner Bedeutung für die Versöhnung hat sich die letzte
Versammlung der Synode mit diesem Sakrament besonders befaßt.
ZWEITES KAPITEL
DAS SAKRAMENT DER BUSSE UND DER VERSÖHNUNG
28. Die Synode hat während ihres ganzen Verlaufs und auf allen ihren Ebenen
mit größter Aufmerksamkeit jenes sakramentale Zeichen betrachtet, welches auf
Buße und Versöhnung hinweist und sie zugleich verwirklicht. Gewiß schöpft dieses
Sakrament für sich allein nicht aus, was mit Bekehrung und Versöhnung gemeint
ist. In der Tat kennt und schätzt die Kirche von ihren ersten Anfängen her
zahlreiche und vielfältige Formen der Buße: einige von liturgischer oder
paraliturgischer Art, vom Bußakt der hl. Messe bis zu Sühneandachten und
Pilgerfahrten, andere von aszetischer Art wie das Fasten. Doch ist unter all
diesen Akten keiner bedeutsamer, von Gott her wirksamer, erhabener und in seiner
Vollzugsform so leicht zugänglich wie das Bußsakrament.
Schon von ihrer Vorbereitung her, dann in zahlreichen Wortmeldungen während
ihres Verlaufs, bei den Arbeiten der Sprachgruppen und in den abschließenden
Schlußvorlagen wurde die Synode mit der oft wiederholten und mit verschiedenem
Ton und Inhalt vorgebrachten Feststellung konfrontiert: Das Bußsakrament
befindet sich in einer Krise. Dieser Tatsache hat sich die Synode gestellt.
Sie empfahl eine Vertiefung der Katechese, aber auch eine ebenso eingehende
Untersuchung theologischer, geschichtlicher, psychologischer, soziologischer und
rechtlicher Art über die Buße im allgemeinen und das Bußsakrament im besonderen.
Dadurch beabsichtigte sie, die Gründe der Krise zu klären und zum Wohl der
Menschheit Wege zu einer positiven Lösung aufzuzeigen. Zugleich aber hat die
Kirche von der Synode eine klare Bestätigung ihres Glaubens hinsichtlich dieses
Sakramentes erhalten, durch das jedem Christen und der ganzen Gemeinschaft der
Gläubigen die Gewißheit der Vergebung kraft des erlösenden Blutes Christi zuteil
wird.
Es ist angebracht, diesen Glauben zu erneuern und zu bekräftigen in
einem Augenblick, da er unter den bedrohlichen negativen Einwirkungen der
erwähnten Krise schwächer werden, etwas von seiner Vollständigkeit verlieren
oder in ein schattenhaftes und stummes Dasein abgleiten könnte. In der Tat, das
Bußsakrament ist gefährdet: auf der einen Seite durch eine Verdunkelung des
sittlich-religiösen Gewissens, durch eine Schwächung des Sündenbewußtseins,
durch eine falsche Vorstellung von Reue, durch mangelndes Streben nach echt
christlicher Lebensführung; auf der anderen Seite durch die mitunter verbreitete
Meinung, man könne die Vergebung gewöhnlich auch unmittelbar von Gott erlangen,
ohne das Sakrament der Versöhnung zu empfangen, und durch die Routine
einer sakramentalen Praxis, der es, vielleicht wegen einer irrigen oder
abwegigen Auffassung von den Wirkungen des Sakramentes, zuweilen an echter
geistlicher Tiefe und Spontaneität mangelt.
Darum ist es angebracht, sich die wichtigsten Dimensionen dieses großen
Sakramentes ins Gedächtnis zu rufen.
»Welchen ihr die Sünden nachlaßt«
29. Die erste grundlegende Wirklichkeit erkennen wir aus den heiligen Büchern
des Alten und Neuen Testamentes: die Barmherzigkeit Gottes und seine Vergebung.
In den Psalmen und in der Verkündigung der Propheten wird Gott wohl am
häufigsten als der Barmherzige bezeichnet, ganz im Gegensatz zu dem
hartnäckigen Vorurteil, nach welchem der Gott des Alten Testamentes vor allem
streng und strafend erscheint. So ruft uns unter den Psalmen ein langes
Weisheitslied, das aus der Tradition des Exodus schöpft, das gnädige Handeln
Gottes inmitten seines Volkes in Erinnerung. Selbst in seiner menschlichen
Darstellungsweise ist dieses Handeln Gottes wohl eine der ausdrucksstärksten
alttestamentlichen Aussagen über die göttliche Barmherzigkeit. Es mag hier
genügen, die folgenden Verse zu zitieren: « Er aber vergab ihnen voll Erbarmen
die Schuld und tilgte sein Volk nicht aus. Oftmals ließ er ab von seinem Zorn
und unterdrückte seinen Groll. Denn er dachte daran, daß sie nichts sind als
Fleisch, nur ein Hauch, der vergeht und nicht wiederkehrt ».(157)
Als dann in der Fülle der Zeiten der Sohn Gottes kommt als das Lamm, das die
Sünde der Welt hinwegnimmt und selber trägt,(158) erscheint er als
derjenige, der Vollmacht hat, zu richten(159) und Sünden zu verzeihen,(160) als
einer, der kommt, nicht um zu verurteilen, sondern um zu verzeihen und zu
heilen.(161)
Diese Vollmacht, von den Sünden zu lösen, verleiht Christus durch Vermittlung
des Heiligen Geistes auch an einfache Menschen, die selbst den Nachstellungen
der Sünde ausgesetzt sind, an seine Apostel: »Empfangt den Heiligen Geist! Wem
ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert,
dem ist sie verweigert«.(162) Das ist eine der erstaunlichsten Neuheiten des
Evangeliums! Er teilt diese Vollmacht den Aposteln zugleich mit - wie es die
Kirche von ihren frühesten Anfängen her verstanden hat - als übertragbar an ihre
Nachfolger, denen von den Aposteln selbst die Sendung und Verantwortung
anvertraut wurde, die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst am
Erlösungswerk Christi fortzusetzen.
Hier zeigt sich in ihrer ganzen Größe die Gestalt dessen, der das
Bußsakrament verwaltet und nach ältestem Brauch oft Beichtvater genannt wird.
Wie bei der Feier der Eucharistie am Altar und bei jedem anderen Sakrament
handelt der Priester auch als Verwalter des Bußsakramentes »in der Person
Christi«. Christus, der durch den Priester gegenwärtig gesetzt wird und durch
ihn das Geheimnis der Sündenvergebung wirkt, erscheint als der Bruder des
Menschen,(163) als barmherziger, treuer und mitfühlender Hoherpriester,(164) als
Hirt, der entschlossen ist, das verlorene Schaf zu suchen,(165) als Arzt, der
heilt und stärkt,(166) als einziger Meister, der die Wahrheit lehrt und die Wege
Gottes aufzeigt,(167) als Richter der Lebenden und der Toten,(168) der nach der
Wahrheit und nicht nach dem Augenschein richtet.(169)
Ohne Zweifel ist dieser Dienst des Priesters der schwierigste und
delikateste, der am meisten ermüdet und die höchsten Anforderungen stellt;
zugleich aber ist er auch eine seiner schönsten und trostreichsten Aufgaben.
Eben darum und auch wegen des nachdrücklichen Aufrufs der Synode werde ich nicht
müde, meine Brüder, Bischöfe und Priester, zu einer treuen und sorgfältigen
Erfüllung dieses Dienstes zu ermahnen.(170) Gegenüber dem Gläubigen, der ihm
sein Gewissen in einer Mischung von Angst und Vertrauen eröffnet, ist der
Beichtvater zu der hohen Aufgabe berufen, diesen zu Buße und menschlicher
Versöhnung zu führen. Er muß die Schwächen und das Versagen des Gläubigen
erkennen, sein Verlangen nach Besserung und sein Bemühen darum richtig bewerten,
das Wirken des heiligmachenden Geistes im Herzen des Beichtenden aufspüren und
ihm eine Vergebung zusprechen, die nur Gott zu gewähren vermag; er muß seine
Wiederversöhnung mit Gott, dem Vater, »feiern«, wie sie im Gleichnis vom
verlorenen Sohn versinnbildet ist, den von seiner Schuld befreiten Sünder wieder
in die kirchliche Gemeinschaft der Brüder und Schwestern aufnehmen und ihn
väterlich und bestimmt, ermutigend und freundschaftlich ermahnen: »Sündige von
jetzt an nicht mehr«.(171)
Zur wirksamen Erfüllung eines solchen Dienstes muß der Beichtvater unbedingt
mit besonderen menschlichen Qualitäten ausgestattet sein: Klugheit,
Diskretion, Unterscheidungsgabe, sanfte Festigkeit und Güte. Darüber hinaus
bedarf er einer seriösen und gründlichen, nicht nur bruchstückhaften, sondern
vollständigen und harmonischen Vorbereitung in den verschiedenen Bereichen der
Theologie, in der Pädagogik und der Psychologie, in den Methoden der
Gesprächsführung und vor allem in der lebendigen und mitteilungsfähigen Kenntnis
des Wortes Gottes. Aber noch dringlicher ist, daß er ein tiefes und echtes
geistliches Leben führt. Um andere auf den Weg der christlichen Vollkommenheit
zu bringen, muß der Verwalter des Bußsakramentes selbst zuerst diesen Weg
gehen und mehr durch Taten als mit wortreichen Reden unter Beweis stellen, daß
er wirklich erfahren ist im gelebten Gebet, in der Übung der theologischen und
sittlichen Tugenden des Evangeliums, im treuen Gehorsam gegenüber dem Willen
Gottes, in der Liebe zur Kirche und in der Befolgung ihres Lehramtes.
Diese Ausstattung mit menschlichen Gaben, christlichen Tugenden und
pastoralen Fähigkeiten kann man nicht aus dem Stegreif besitzen oder ohne
Anstrengung erwerben. Für den Dienst des Bußsakramentes muß jeder Priester schon
vom Seminar an vorbereitet werden durch das Studium der Dogmatik, der
Moraltheologie, der Spiritualität und der Pastoraltheologie (Fächer, die stets
nur eine Theologie bilden), dazu die Humanwissenschaften, die Methoden der
Gesprächsführung, vor allem des pastoralen Gesprächs. Ferner muß er in seine
ersten Erfahrungen als Beichtvater eingeführt und darin begleitet werden. Durch
ständiges Studium soll er sich um seine eigene Vervollkommnung und eine
zeitgemäße Weiterbildung bemühen. Welch großen Schatz an Gnade, echtem Leben und
geistlicher Ausstrahlungskraft würde die Kirche gewinnen, wenn jeder Priester
dafür Sorge trüge, niemals, weder aus Nachlässigkeit noch aus sonstigen
Vorwänden, die Begegnung mit den Gläubigen im Beichtstuhl zu versäumen und vor
allem niemals unvorbereitet oder ohne die notwendige menschliche Eignung und die
geistigen und pastoralen Voraussetzungen in den Beichtstuhl zu gehen!
Hier kann ich es nicht unterlassen, in ehrfürchtiger Bewunderung an die
außergewöhnlichen Apostel des Beichtstuhls zu erinnern: an den hl. Johannes
Nepomuk, den hl. Johannes Maria Vianney, den hl. Josef Cafasso und den hl.
Leopold von Castelnuovo, um nur die bekanntesten zu nennen, die die Kirche in
das Verzeichnis ihrer Heiligen aufgenommen hat. Ich möchte aber auch jene
unzählbare Schar heiliger und fast stets unbekannter Beichtväter ehrend
erwähnen, denen so viele Seelen ihr Heil verdanken. Sie haben diesen
beigestanden bei ihrer Bekehrung, in ihrem Kampf gegen Sünde und Versuchung, in
ihrem geistlichen Fortschritt und in ihrer gesamten Heiligung. Ich zögere nicht
zu sagen, daß auch die großen Heiligen allgemein aus jenen Beichtstühlen
hervorgegangen sind; und mit den Heiligen auch das geistige Erbe der Kirche und
die Blüte einer Kultur, die von christlichem Geist durchdrungen ist! Ehre
gebührt also dieser stillen Schar unserer Mitbrüder, die Tag für Tag durch den
Dienst der sakramentalen Buße für die Sache der Versöhnung gewirkt haben und
weiterhin wirken!
Das Sakrament der Vergebung
30. Aus der Offenbarung der großen Bedeutung dieses Dienstes und der
Vollmacht, Sünden zu vergeben, die von Christus den Aposteln und deren
Nachfolgern übertragen worden ist, entwickelte sich in der Kirche das Bewußtsein
vom Zeichen der Vergebung, die im Bußsakrament vermittelt wird; das
Bewußtsein davon, daß Jesus, der Herr, selber - als Geschenk seiner Güte und
»Menschenliebe«(172) für alle - ein eigenes Sakrament für die Vergebung der
Sünden, die nach der Taufe begangen wurden, der Kirche anvertraut hat.
Die konkrete Feier und Form dieses Sakramentes haben sich langsam entwickelt.
Das bezeugen die ältesten Sakramentare, die Akten von Konzilien und
Bischofssynoden, die patristische Verkündigung und die Unterweisung der
Kirchenlehrer. Was jedoch das Wesen des Sakramentes betrifft, so war sich
die Kirche stets und ohne Schwanken dessen sicher bewußt, daß die
Vergebung nach dem Willen Christi jedem einzelnen in der sakramentalen
Lossprechung durch den Spender des Bußsakramentes zuteil wird. Diese Gewißheit
wurde nachdrücklich bekräftigt durch das Konzil von Trient(173) und das II.
Vatikanische Konzil: »Die zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre
Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden
zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und
die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt«(174). Als
wesentliches Element des Glaubens über den Wert und Sinn der Buße muß erneut
festgestellt werden, daß unser Heiland Jesus Christus in seiner Kirche das
Bußsakrament gestiftet hat, damit die Gläubigen, die nach der Taufe in Sünde
gefallen sind, die Gnade wiedererlangen und sich mit Gott versöhnen.(175)
Der Glaube der Kirche an dieses Sakrament schließt einige andere grundlegende
Wahrheiten ein, die unverzichtbar sind. Der sakramentale Bußritus hat diese
Wahrheiten während seiner geschichtlichen Entfaltung und in seinen verschiedenen
konkreten Ausdrucksformen stets bewahrt und deutlich herausgestellt. Als das II.
Vatikanische Konzil eine Reform dieses Ritus anordnete, war es von der Absicht
geleitet, diese Wahrheiten noch klarer zum Ausdruck zu bringen.(176) Das geschah
in der neuen Bußordnung,(177) in welche die wesentlichen Lehraussagen der
Tradition unverkürzt aufgenommen worden sind, die das Konzil von Trient
zusammengestellt hatte, allerdings so, daß diese Aussagen aus ihrem besonderen
geschichtlichen Zusammenhang (dem ausdrücklichen Bemühen um Klarstellung der
Lehre gegenüber den schwerwiegenden Abweichungen von der wahren
Glaubensunterweisung der Kirche) herausgelöst und inhaltsgetreu in eine Sprache
übersetzt wurden, die unserer Zeit besser entspricht.
Einige grundlegende Glaubensüberzeugungen
31. Die erwähnten Wahrheiten, die von der Synode nachdrücklich und deutlich
bekräftigt wurden und in den Schlußvorlagen enthalten sind, können in den
folgenden Glaubensüberzeugungen zusammengefaßt werden, um die sich alle anderen
katholischen Lehraussagen über das Bußsakrament gruppieren lassen.
I. Die erste Überzeugung besteht darin, daß für den Christen das
Bußsakrament der ordentliche Weg ist, um Vergebung und Nachlaß seiner
schweren Sünden zu erlangen, die nach der Taufe begangen worden sind. Gewiß sind
der Erlöser und sein Heilswirken nicht in der Weise an ein sakramentales Zeichen
gebunden, daß sie nicht jederzeit und überall in der Heilsgeschichte auch
außerhalb der Sakramente und über sie hinaus wirksam werden können. Aber wir
wissen aus der Schule des Glaubens, daß derselbe Erlöser es so gewollt und
verfügt hat, daß die schlichten und kostbaren Sakramente des Glaubens für
gewöhnlich die wirksamen Mittel sind, durch die seine erlösende Kraft vermittelt
und wirksam wird. Es wäre deshalb unvernünftig, ja vermessen, willkürlich von
den Gnaden- und Heilsmitteln abzusehen, die der Herr bestimmt hat; das heißt in
unserem Zusammenhang, Verzeihung erlangen zu wollen ohne das Sakrament, das
Christus gerade für die Sündenvergebung eingesetzt hat. Die nach dem Konzil
vorgenommene Erneuerung der Liturgie berechtigt zu keinerlei Illusion und
Änderung in dieser Richtung. Vielmehr sollte und soll diese nach der Absicht der
Kirche jedem einzelnen von uns helfen, einen neuen Anlauf zu nehmen zu
einer Erneuerung unserer inneren Haltung: hin zu einem tieferen Verständnis der
Natur des Bußsakramentes; zu einer Annahme dieses Sakramentes, die mehr vom
Glauben, nicht von Angst, sondern von Vertrauen geprägt ist; zu einem häufigeren
Empfang dieses Sakramentes, das wir von der barmherzigen Liebe des Herrn ganz
umfangen wissen.
II. Die zweite Überzeugung betrifft die Bedeutung des Bußsakramentes
für den, der es empfängt. Nach ältester Überlieferung ist es eine Art von
Gerichtsverfahren. Aber dieses Verfahren vollzieht sich vor einem Gericht,
das mehr von Erbarmen als von strenger Gerechtigkeit bestimmt wird, so daß es
mit menschlichen Gerichten nur in analoger Weise vergleichbar ist.(178) Der
Sünder bekennt nämlich hier seine Sünden und sich selbst als ein der Sünde
unterworfenes Geschöpf; er verpflichtet sich, der Sünde zu entsagen und sie zu
bekämpfen, nimmt die Strafe an (sakramentale Buße), welche der
Beichtvater ihm auferlegt, und empfängt die Lossprechung.
Beim tieferen Nachdenken über die Bedeutung dieses Sakramentes erblickt das
Bewußtsein der Kirche in ihm außer dem gerade beschriebenen Gerichtscharakter
auch eine heilende Funktion. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, daß
Christus im Evangelium häufig gleichsam als Arzt erscheint(179) und sein
erlösendes Wirken von den frühesten christlichen Anfängen an oft als »heilende
Medizin« bezeichnet wird. »Heilen will ich, nicht anklagen«, sagte der hl.
Augustinus gerade mit Bezug auf die Bußpastoral; (180) und es geschieht dank der
Medizin der Beichte, daß die Erfahrung der Sünde nicht zur Verzweiflung
führt.(181) Der Bußritus deutet auf diesen heilenden Charakter des
Sakramentes hin,(182) für den der heutige Mensch vielleicht besonders
empfänglich ist; sieht er doch in der Sünde nicht nur eine Verirrung, sondern
mehr noch menschliche Schwäche und Anfälligkeit.
Mag man dieses Sakrament als Gericht der Barmherzigkeit oder als Ort
geistlicher Heilung betrachten, beides erfordert eine Kenntnis der inneren
Verfassung des Sünders, um ihn beurteilen und lossprechen, ihn betreuen und
heilen zu können. Gerade deshalb ist vom Beichtenden das aufrichtige und
vollständige Bekenntnis seiner Sünden erforderlich. Dieses geschieht also nicht
nur aus aszetischen Motiven (als Übung von Demut und Selbstverleugnung), sondern
gründet im Wesen des Sakramentes selbst.
III. Die dritte Überzeugung, auf die ich hinweisen möchte, betrifft jene
Wirklichkeiten oder Teilakte, die das sakramentale Zeichen der
Sündenvergebung und der Versöhnung ausmachen. Einige davon sind dem Tun des
Beichtenden zugeordnet. Sie sind zwar von unterschiedlicher Bedeutung, doch
im einzelnen unerläßlich zur Gültigkeit, Vollständigkeit oder Fruchtbarkeit des
Zeichens.
Eine unerläßliche Voraussetzung ist vor allem, daß das Gewissen des
Beichtenden richtig gebildet und klar ist. Niemand gelangt zu wahrer und
echter Buße, wenn er nicht einsieht, daß die Sünde der sittlichen Norm
widerspricht, die seinem innersten Wesen eingestiftet ist;(183) wenn er nicht
erkennt, daß er die persönlich zu verantwortende Erfahrung eines solchen
Widerspruchs gemacht hat; wenn er nicht nur sagt, »es gibt die Sünde«, sondern
»ich habe gesündigt«, und wenn er nicht zugibt, daß die Sünde in seinem
Bewußtsein einen Riß bewirkt hat, der sein ganzes Sein durchzieht und ihn von
Gott und den Brüdern trennt. Das sakramentale Zeichen, das zu einer solchen
Klarheit des Gewissens führt, wird traditionsgemäß Gewissenserforschung
genannt. Diese sollte keineswegs eine ängstliche psychologische
Selbstbeobachtung sein, sondern eine aufrichtige und ruhige Konfrontation mit
dem inneren sittlichen Gesetz, mit den Normen des Evangeliums, wie sie von der
Kirche vorgelegt werden, ja mit Jesus Christus selbst, der für uns Meister und
Vorbild des Lebens ist, und mit dem himmlischen Vater, der uns zum Heil und zur
Vollkommenheit beruft.(184)
Der für den Beichtenden wesentliche Bußakt aber ist die Reue, die
klare und entschiedene Verwerfung der begangenen Sünde zusammen mit dem Vorsatz,
sie nicht mehr zu begehen(185) aufgrund der Liebe zu Gott, die mit der Reue
wiedererwacht. Die so verstandene Reue ist also Anfang und Mitte der
Bekehrung, jener Metánoia des Evangeliums, die den Menschen zu Gott
zurückführt wie den verlorenen Sohn zu seinem Vater und die im Bußsakrament ihr
sichtbares Zeichen hat, welches das einfache Bedauern zu seiner Vollendung
führt. »Von dieser inneren Reue hängt die Echtheit der Buße ab«.(186)
Während ich auf all das verweise, was die Kirche, vom Wort Gottes geleitet,
über die Reue lehrt, drängt es mich, hier wenigstens einen Gesichtspunkt dieser
Lehre hervorzuheben, damit er besser erkannt und berücksichtigt werde. Nicht
selten betrachtet man die Bekehrung und Reue nur im Hinblick auf
die Anforderungen, die sie zweifellos stellen, und auf die Selbstverleugnung,
die sie für eine grundlegende Änderung des Lebens auferlegen. Es ist aber gut,
daran zu erinnern und hervorzuheben, daß Reue und Bekehrung mehr
noch eine Annäherung an die Heiligkeit Gottes sind, eine Rückgewinnung der
eigenen inneren Wahrheit, die durch die Sünde entstellt wurde, eine im tiefsten
sich vollziehende Befreiung von sich selbst und darum eine Rückgewinnung
verlorener Freude, der Freude darüber, erlöst zu sein,(187) welche die meisten
Menschen von heute nicht mehr recht zu verkosten vermögen.
So wird verständlich, daß die Kirche seit den ersten christlichen Zeiten, die
mit den Aposteln und mit Christus selbst noch in unmittelbarer Verbindung
standen, das Bekenntnis der Sünden in das sakramentale Zeichen der Buße
einbezogen hat. Dieses erscheint als so wichtig, daß das Bußsakrament seit
Jahrhunderten und bis heute gewöhnlich als Beichte bezeichnet wird. Das
Bekenntnis der eigenen Sünden ist vor allem deshalb erforderlich, weil der
Spender des Sakramentes, insofern er Richter ist, den Sünder kennen sowie
die Schwere der Sünden und die Ernsthaftigkeit der Reue beurteilen muß, so wie
er in seiner Funktion als Arzt den Zustand des Kranken kennen muß, um ihn
behandeln und heilen zu können. Doch hat das persönliche Bekenntnis auch den
Sinn eines Zeichens: Es ist Zeichen der Begegnung des Sünders mit der
vermittelnden Kirche in der Person des Beichtvaters, Zeichen seiner
Selbsterkenntnis als Sünder im Angesicht Gottes und der Kirche sowie Zeichen
dafür, daß er vor Gott mit sich selbst ins klare kommt. Das Sündenbekenntnis
läßt sich also nicht auf irgendeinen Versuch psychologischer Selbstbefreiung
reduzieren, auch wenn es jenem berechtigten und natürlichen, dem menschlichen
Herzen innewohnenden Bedürfnis entspricht, sich jemandem zu eröffnen. Es ist
vielmehr eine liturgische Handlung, feierlich in ihrer Dramatik, demütig und
nüchtern angesichts ihrer großen Bedeutung. Es ist die Geste des verlorenen
Sohnes, der zum Vater zurückkehrt und von ihm mit dem Friedenskuß empfangen
wird; eine Geste der Redlichkeit und des Mutes; eine Geste, in der man sich über
die Sünde hinaus dem verzeihenden Erbarmen anvertraut.(188) So versteht man, daß
das Bekenntnis der Sünden gewöhnlich individuell und nicht kollektiv geschehen
muß; denn die Sünde ist ein zutiefst personales Geschehen. Zugleich aber
entreißt das Bekenntnis die Sünde in gewisser Weise dem Geheimnis des Herzens
und somit dem Bereich der reinen Individualität und macht ihren sozialen
Charakter offenbar, weil in der Person des Beichtvaters die kirchliche
Gemeinschaft, die durch die Sünde verletzt worden ist, den reuigen Sünder durch
die Vergebung wieder aufnimmt.
Ein anderer, wesentlicher Bestandteil des Bußsakramentes betrifft den
Beichtvater, sofern er Richter und Arzt ist, Abbild Gottes, des Vaters, der
denjenigen, der zurückkehrt, aufnimmt und ihm verzeiht: die Lossprechung.
Die Worte, mit denen sie zugesprochen wird, und die Gesten, die sie im alten wie
im neuen Bußritus begleiten, sind von bedeutungsschwerer Einfachheit. Die
sakramentale Formel »Ich spreche dich los...« sowie die Auflegung der Hände und
das Zeichen des Kreuzes über den Beichtenden zeigen an, daß der reuige und
bekehrte Sünder in diesem Augenblick der Macht und dem Erbarmen Gottes
begegnet. Es ist der Augenblick, da als Antwort auf den Beichtenden die
Dreifaltigkeit gegenwärtig wird, um seine Sünde zu löschen und ihm die Unschuld
wieder zurückzugeben; ihm wird die heilende Kraft des Leidens, Sterbens und der
Auferstehung Christi zuteil, als »Erbarmen, das stärker als Schuld und
Beleidigung« ist, wie ich es in der Enzyklika Dives in misericordia
beschrieben habe. Gott ist immer der erste, der durch die Sünde beleidigt wird -
»tibi soli peccavi!« -, und nur Gott kann verzeihen. Darum ist die Lossprechung,
die der Priester als Diener der Vergebung, obgleich selbst Sünder, dem
Beichtenden erteilt, das wirksame Zeichen des Eingreifens des Vaters und der
»Auferstehung« vom »geistlichen Tod«, das sich bei jeder Spendung des
Bußsakramentes wiederholt. Nur der Glaube kann uns versichern, daß in diesem
Augenblick jede Sünde vergeben und ausgelöscht wird durch das geheimnisvolle
Eingreifen des Erlösers.
Die Genugtuung ist der Schlußakt, der das Zeichen des Bußsakramentes
krönt. In einigen Ländern wird das, was der Beichtende nach dem Empfang der
Vergebung und der Lossprechung auszuführen hat, auch Buße genannt.
Welches ist nun die Bedeutung dieser Genugtuung oder Buße, die es
zu verrichten gilt? Gewiß ist sie nicht der Preis, den man für die Lossprechung
von der Sünde und die erlangte Vergebung bezahlt; kein menschlicher Preis kann
dem entsprechen, was man als Frucht des kostbaren Blutes Christi empfangen hat.
Die Werke der Genugtuung - die, obwohl stets einfach und bescheiden, noch besser
zum Ausdruck bringen sollten, was sie bezeichnen - wollen einige kostbare Werte
anzeigen: Sie sind Zeichen der persönlichen Verpflichtung, die der Christ
mit Gott im Sakrament eingegangen ist, nämlich ein neues Leben zu beginnen
(darum dürfte sich die Genugtuung nicht nur auf die Verrichtung einiger
Gebetsformeln beschränken, sondern sollte in Werken der Gottesverehrung, der
Nächstenliebe, der Barmherzigkeit oder der Wiedergutmachung bestehen). Sie
schließen den Gedanken ein, daß der Sünder, dem vergeben wurde, imstande ist,
seine eigene körperliche und geistige Abtötung, die er sich selbst auferlegt
oder zumindest angenommen hat, mit dem Leiden Jesu zu vereinen, der ihm die
Vergebung erlangt hat. Die Werke der Genugtuung erinnern daran, daß im Christen
auch nach der Lossprechung eine Zone des Schattens verbleibt als Folge der durch
die Sünde verursachten Wunden, der unvollkommenen Liebesreue und der Schwächung
der geistlichen Fähigkeiten, in denen noch immer ein ansteckender Krankheitsherd
der Sünde wirksam bleibt, den es durch stete Abtötung und Buße zu bekämpfen
gilt. Darin liegt der Sinn der bescheidenen, aber aufrichtigen Genugtuung.(189)
IV. Es bleibt noch, kurz auf einige andere wichtige Überzeugungen
hinsichtlich des Bußsakramentes hinzuweisen. Es ist vor allem hervorzuheben, daß
nichts persönlicher und inniger ist als dieses Sakrament, in welchem der Sünder
Gott allein gegenübersteht mit seiner Schuld, seiner Reue und seinem Vertrauen.
Niemand kann ihn vertreten in seiner Reue und Bitte um Vergebung. In seiner
Schuld ist der Sünder gewissermaßen einsam. Das läßt sich auf dramatische Weise
an Kain ersehen mit der Sünde, die »an seiner Tür lauert«, wie es das Buch
Genesis so eindrucksvoll sagt, und mit dem besonderen Zeichen, das auf
seiner Stirn eingeprägt ist;(190) ebenso an David, der vom Propheten Nathan
zurechtgewiesen wird,(191) oder am verlorenen Sohn, der, als er sich seiner Lage
bewußt wird, in die er durch die Trennung von seinem Vater geraten ist, sich
entschließt, zu ihm heimzukehren:(192) Dies alles geschieht nur zwischen dem
Menschen und Gott. Zugleich aber hat dieses Sakrament unleugbar eine soziale
Dimension; in ihm steht die ganze Kirche - die streitende, die leidende und die
im Himmel verherrlichte - dem Büßenden bei und nimmt ihn wieder in ihre
Gemeinschaft auf, und das um so mehr, als die ganze Kirche durch seine Sünde
verletzt und verwundet worden ist. Der Priester als Diener des Bußsakramentes
bezeugt und versinnbildet diese kirchliche Dimension kraft seines geistlichen
Amtes. Beide Aspekte des Sakramentes, die subjektive Seite und die kirchliche
Dimension, ergänzen einander. Dies haben die fortschreitende Reform des Bußritus
und vor allem der von Paul VI. veröffentlichte Ordo Paenitentiae
hervorzuheben und für seine Feier noch deutlicher zu machen versucht.
V. Ferner ist zu betonen, daß die kostbarste Frucht der Vergebung, die im
Bußsakrament empfangen wird, in der Versöhnung mit Gott besteht; sie vollzieht
sich in der Verborgenheit des Herzens des verlorenen und wieder zurückkehrenden
Sohnes, wie es jeder Beichtende ist. Man muß zugleich hinzufügen, daß diese
Versöhnung mit Gott gleichsam noch andere Arten von Versöhnung zur Folge hat,
die noch andere von der Sünde verursachte Risse heilen: Der Beichtende, dem
verziehen wird, wird in seinem innersten Sein mit sich selbst versöhnt, wodurch
er seine innere Wahrheit wiedererlangt; er versöhnt sich mit seinen Brüdern, die
von ihm in gewisser Weise angegriffen und verletzt worden sind; er versöhnt sich
mit der Kirche und der ganzen Schöpfung. Aus dieser inneren Erfahrung entsteht
im Beichtenden am Ende des Ritus das Bewußtsein, Gott für das Geschenk seines
gütigen Erbarmens danken zu müssen, wozu ihn auch die Kirche einlädt.
Jeder Beichtstuhl ist ein privilegierter und gesegneter Ort, von dem her nach
der Behebung der Spaltungen neu und makellos ein versöhnter Mensch, eine
versöhnte Welt entstehen!
VI. Schließlich liegt mir noch eine letzte Betrachtung besonders am
Herzen, welche uns Priester alle angeht, die wir die Verwalter des
Bußsakramentes sind, aber auch Empfänger seiner Wohltaten sind und sein müssen.
Reife und Eifer im geistlichen Leben und pastoralen Einsatz des Priesters wie
auch der Laien und Ordensleute, die seine Brüder sind, hängen von seinem
häufigen und bewußten Empfang des Bußsakramentes ab.(193) Die Feier der
Eucharistie und der Dienst der anderen Sakramente, der pastorale Eifer, die
Beziehung zu den Gläubigen, die Verbundenheit mit den Mitbrüdern, die
Zusammenarbeit mit dem Bischof, das Gebetsleben, ja die ganze priesterliche
Existenz würden unweigerlich schweren Schaden nehmen, wenn man es aus
Nachlässigkeit oder anderen Gründen unterließe, regelmäßig und mit echtem
Glauben und tiefer Frömmigkeit das Bußsakrament zu empfangen. Wenn ein Priester
nicht mehr zur Beichte geht oder nicht gut beichtet, so schlägt sich das sehr
schnell in seinem priesterlichen Leben und Wirken nieder, und auch die
Gemeinde, deren Hirte er ist, wird dessen bald gewahr.
Ich füge noch hinzu, daß der Priester, sogar um ein guter und wirksamer
Diener des Bußsakramentes zu sein, auch selber aus dieser Quelle der Gnade und
Heiligkeit schöpfen muß. Aus unserer persönlichen Erfahrung können wir Priester
zu Recht sagen, daß wir unseren Dienst als Beichtväter zum Segen für die
Beichtenden um so besser erfüllen, je mehr uns selbst daran gelegen ist, das
Bußsakrament häufig und gut vorbereitet zu empfangen. Dieser unser Dienst würde
hingegen viel von seiner Wirksamkeit verlieren, wenn wir es irgendwie
versäumten, selbst gute Beichtende zu sein. Das gehört zur inneren Logik
dieses großen Sakramentes. Wir Priester Christi sind darum alle eingeladen, mit
erneuter Aufmerksamkeit auf unsere persönliche Beichte zu achten.
Die persönliche Erfahrung muß heute ihrerseits zum Ansporn werden, den
heiligen Dienst des Bußsakramentes, zu dem wir durch unser Priestertum, durch
unsere Berufung zu Hirten und Dienern unserer Brüder verpflichtet sind,
sorgfältig und treu, mit Geduld und Eifer zu versehen. Darum richte ich auch in
diesem Apostolischen Schreiben an alle Priester in der Welt, besonders an meine
Mitbrüder im Bischofsamt und an die Pfarrer, die eindringliche Bitte, den
häufigen Empfang dieses Sakramentes bei den Gläubigen mit allen Kräften zu
fördern, alle möglichen und geeigneten Mittel einzusetzen sowie alle Wege zu
versuchen, um unsere Brüder wieder in größerer Zahl zu der »uns gewährten Gnade«
hinzuführen, die uns durch das Bußsakrament zur Versöhnung jedes einzelnen und
der ganzen Welt mit Gott in Christus vermittelt wird.
Formen der Bußfeier
32. Entsprechend den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils legt die heutige
Bußordnung, der Ordo Paenitentiae, drei mögliche Formen vor, die es unter
jeweiliger Wahrung der wesentlichen Bestandteile gestatten, die Feier des
Bußsakramentes an bestimmte pastorale Situationen anzupassen.
Die erste Form - Feier der Versöhnung für einzelne - ist die einzige
normale und ordentliche Weise der sakramentalen Feier; sie kann und darf nicht
außer Gebrauch kommen oder vernachlässigt werden. Die zweite Form -
Gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der
einzelnen - läßt bei der Vorbereitung den Gemeinschaftsbezug des
Bußsakramentes besonders hervortreten, erreicht aber die erste Form im krönenden
sakramentalen Akt, in der Beichte und Lossprechung eines jeden einzelnen; darum
kann sie, was den Charakter eines normalen Ritus betrifft, der ersten Form
gleichgesetzt werden. Die dritte Form hingegen - Gemeinschaftliche Feier der
Versöhnung mit allgemeinem Bekenntnis und Generalabsolution - hat den
Charakter einer Ausnahme und ist darum nicht der freien Wahl überlassen, sondern
wird durch eigens dafür erlassene Bestimmungen geregelt.
Die erste Form ermöglicht es, die mehr persönlichen - und wesentlichen -
Aspekte auf dem Weg zur Umkehr besser zur Geltung zu bringen. Das Gespräch
zwischen Beichtendem und Beichtvater sowie alle benutzten Mittel (Worte aus der
Bibel, die Wahl der »Genugtuung« usw.) sind Elemente, welche die sakramentale
Feier besser an die konkrete Situation des Beichtenden anpassen. Man entdeckt
den Wert dieser Elemente, wenn man die verschiedenen Gründe bedenkt, die einen
Christen zum Bußsakrament führen: ein Bedürfnis nach persönlicher Versöhnung und
Wiederzulassung zur Freundschaft mit Gott, indem man die durch die Sünde
verlorene Gnade wiedererlangt; ein Bedürfnis nach Klärung des eigenen
geistlichen Weges und mitunter nach einer besseren Erkenntnis seiner Berufung;
oftmals auch ein Bedürfnis und Verlangen, sich aus geistlicher Gleichgültigkeit
und einer religiösen Krise zu befreien. Schließlich erlaubt die erste Form der
Feier dank ihres persönlichen Charakters, das Bußsakrament mit etwas zu
verbinden, das von ihm zwar verschieden, aber doch mit ihm gut zu vereinbaren
ist: Ich meine die geistliche Führung. Es ist also offensichtlich, daß in
dieser ersten Form die persönliche Entscheidung und das eigene Engagement
deutlich unterstrichen und gefördet werden.
Die zweite Form der Feier unterstreicht gerade wegen ihres
Gemeinschaftscharakters und der besonderen Art ihrer Gestaltung einige andere
Aspekte von großer Bedeutung. Das Wort Gottes, das man gemeinsam hört, hat
gegenüber der privaten Bibellesung eine besondere Wirkung und verdeutlicht
besser den kirchlichen Charakter von Bekehrung und Versöhnung. Diese Form
erweist sich als besonders geeignet für die verschiedenen Zeiten des
Kirchenjahres und im Zusammenhang mit Ereignissen von besonderer pastoraler
Bedeutung. Es genügt hier, darauf hinzuweisen, daß für diese Form der Feier die
Anwesenheit einer genügenden Zahl von Beichtvätern zweckmäßig ist.
Es ist selbstverständlich, daß die Kriterien für die Entscheidung, in welcher
der beiden Formen das Sakrament gespendet werden soll, nicht durch zufällige und
subjektive Beweggründe bestimmt werden dürfen, sondern vom Willen, im Gehorsam
gegenüber der Bußordnung der Kirche dem wahren geistlichen Wohl der Gläubigen zu
dienen.
Es wird auch gut sein, daran zu erinnern, daß es für eine ausgewogene
geistliche und pastorale Orientierung notwendig ist, weiterhin sehr darauf zu
achten und die Gläubigen dazu zu erziehen, daß sie auch für läßliche Sünden das
Bußsakrament empfangen, wie es die überlieferte Lehre und Praxis seit
Jahrhunderten bezeugen.
Obwohl die Kirche weiß und lehrt, daß läßliche Sünden auch auf andere Weise
vergeben werden - man denke an Reueakte, an Werke der Nächstenliebe, an das
Gebet, an Bußfeiern usw. -, so weist sie doch stets alle auf den einzigartigen
Reichtum des Sakramentes auch hinsichtlich solcher Sünden hin. Der häufige
Empfang des Bußsakramentes - zu dem einige Gruppen von Gläubigen sogar
verpflichtet sind - stärkt das Bewußtsein, daß auch die kleineren Sünden Gott
beleidigen und die Kirche, den Leib Christi, verwunden; zugleich bietet er
Gelegenheit und Anlaß, »Christus gleichförmiger zu werden und sorgfältiger dem
Anruf des Geistes zu folgen«.(194) Vor allem ist hervorzuheben, daß die Gnade,
die dieser sakramentalen Feier eigen ist, eine große Heilkraft besitzt und die
Wurzeln der Sünde auszureißen hilft.
Die sorgfältige Pflege der äußeren Feier mit besonderer Betonung des Wortes
Gottes,(195) das den Gläubigen und zusammen mit ihnen, soweit es möglich und
angemessen ist, verlesen, in Erinnerung gerufen und erklärt wird, kann dazu
beitragen, die Praxis dieses Sakramentes lebendiger zu gestalten und zu
verhindern, daß sie in Formalismus und reine Gewohnheit abgleitet. Vielmehr soll
dem Beichtenden geholfen werden zu entdecken, daß sich an ihm ein Heilsgeschehen
vollzieht, das ihm neue Lebenskraft und wahren Frieden des Herzens zu vermitteln
vermag. Die Sorge für eine gute Gestaltung wird die einzelnen Kirchen unter
anderem dazu veranlassen, feste Zeiten für die Feier des Bußsakramentes
festzusetzen und die Gläubigen, besonders die Kinder und Jugendlichen, dazu zu
erziehen, daß sie sich in der Regel daran halten - abgesehen von Notsituationen,
in denen der Seelsorger jedem gern zur Verfügung stehen soll, der ihn darum
bittet.
Die Feier des Sakramentes mit Generalabsolution
33. In der neuen Liturgieordnung und nun auch im neuen Kirchenrecht(196)
werden die Bedingungen genau angegeben, unter denen die »Gemeinschaftliche Feier
der Versöhnung mit allgemeinem Bekenntnis und Generalabsolution« rechtmäßig
benutzt werden kann. Die hierzu erlassenen Bestimmungen und Anordnungen, die aus
reifen und ausgewogenen Überlegungen erwachsen sind, müssen angenommen und
beobachtet werden, wobei man jede Art von willkürlicher Interpretation
vermeidet.
Es ist nützlich, tiefer über die Beweggründe nachzudenken, welche die
Bußfeier in einer der ersten beiden Formen gebieten oder den Gebrauch der
dritten Form erlauben. Ein Grund ist vor allem die Treue gegenüber dem
Willen des Herrn, der von der Lehre der Kirche überliefert worden ist. Ein
weiterer ist der Gehorsam gegenüber den kirchlichen Gesetzen. In einer
ihrer Schlußvorlagen hat die Bischofssynode die unveränderte Lehre der
Kirche bekräftigt, die auf ältester Überlieferung beruht, sowie das Gesetz,
durch das sie die antike Bußpraxis rechtlich festgelegt hat: Das persönliche und
vollständige Bekenntnis der Sünden mit individueller Lossprechung ist der
einzige ordentliche Weg, auf dem der Gläubige, der sich schwerer
Schuld bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird. Aus dieser Bestätigung
der Lehre der Kirche ergibt sich eindeutig, daß jede schwere Sünde stets in
persönlicher Beichte unter Angabe ihrer bestimmenden Umstände bekannt
werden muß.
Ferner gibt es auch einen Grund pastoraler Natur. Wenn es auch wahr
ist, daß man unter den von der kirchlichen Disziplin geforderten Bedingungen das
Bußsakrament in der dritten Form spenden kann, so darf doch nicht vergessen
werden, daß diese keine normale Form werden darf. Wie die Synode erneut
betont hat, kann und darf sie nur in »schweren Notlagen« angewandt werden mit
der Verpflichtung zur persönlichen Beichte der schweren Sünden vor dem Empfang
einer weiteren Generalabsolution. Der Bischof, dem allein es zusteht, für den
Bereich seiner Diözese zu erwägen, ob die vom Kirchenrecht für den Gebrauch der
dritten Form aufgestellten Bedingungen konkret gegeben sind, wird dieses Urteil
als schwerwiegende Gewissensentscheidung und in voller Beachtung von
Gesetz und Praxis der Kirche abgeben. Dabei wird er ebenso die Kriterien und
Richtlinien berücksichtigen, wie sie auf der Grundlage der oben dargelegten
theologischen und pastoralen Überlegungen mit den anderen Mitgliedern der
Bischofskonferenz vereinbart worden sind. Zugleich wird es stets eine echte
pastorale Sorge bleiben, jene Bedingungen zu schaffen und zu gewährleisten, daß
auch diese dritte Form die von ihr erhofften geistlichen Früchte erbringen kann.
Niemals darf der ausnahmsweise Gebrauch der dritten Form der Bußfeier zu einer
Geringachtung oder gar zur Aufgabe der gewöhnlichen Formen führen. Ebensowenig
darf diese Form als Alternative zu den beiden anderen angesehen werden: Es ist
nämlich nicht der Freiheit der Hirten und Gläubigen überlassen, sich einfach für
diejenige der genannten Formen zu entscheiden, die man für die geeignetste hält.
Den Seelsorgern obliegt die Pflicht, den Gläubigen die Praxis des vollständigen
und persönlichen Bekenntnisses ihrer Sünden zu erleichtern, zu dem diese nicht
nur verpflichtet sind, sondern auf das sie ein unverletzliches und
unveräußerliches Recht haben, abgesehen davon, daß es auch ein Bedürfnis der
Seele ist. Bei der dritten Bußform sind die Gläubigen dazu verpflichtet, alle
Bestimmungen zu beachten, die deren Anwendung regeln, einschließlich der
Anordnung, vor dem Empfang einer weiteren Generalabsolution so bald wie möglich
eine reguläre vollständige und persönliche Beichte der schweren Sünden
abzulegen. Auf diese Anordnung und deren verpflichtende Beobachtung müssen die
Gläubigen durch den Priester vor der Lossprechung hingewiesen und darüber
entsprechend unterrichtet werden.
Mit diesem nachdrücklichen Hinweis auf die Lehre und das Gesetz der Kirche
möchte ich bei allen das lebendige Gespür für die Verantwortung wachrütteln, die
uns im Umgang mit den heiligen Dingen leiten muß, die - wie die Sakramente -
nicht unser Eigentum sind oder - wie das Gewissen der Menschen - ein Anrecht
darauf haben, nicht in Ungewißheit und Verwirrung belassen zu werden. Ich
wiederhole: Beides sind heilige Dinge, die Sakramente und das Gewissen der
Menschen, und sie fordern von uns, daß wir ihnen in Wahrheit dienen.
Das ist der Grund für das Gesetz der Kirche.
Einige schwierigere Fälle
34. Ich erachte es als meine Pflicht, hier wenigstens kurz auf einen
pastoralen Fall einzugehen, den die Synode, soweit es ihr möglich war, erörtert
und auch in den Schlußvorlagen berücksichtigt hat. Ich meine gewisse,
heute nicht seltene Situationen, in denen sich Christen befinden, die weiterhin
am sakramentalen Leben teilnehmen möchten, aber daran gehindert sind durch ihre
persönliche Situation, die in Widerspruch zu ihren vor Gott und der Kirche
freiwillig übernommenen Verpflichtungen steht. Diese Situationen erscheinen als
besonders schwierig und fast unentwirrbar.
Im Verlauf der Synode haben eine Reihe von Wortmeldungen, welche die
allgemeine Ansicht der Väter hierzu zum Ausdruck brachten, hervorgehoben, daß es
angesichts dieser Fälle zwei Grundsätze gibt, die zusammen gelten, gleich
wichtig sind und sich gegenseitig bedingen. Der erste ist der Grundsatz des
Mitgefühls und der Barmherzigkeit, nach welchem die Kirche, die in der
Geschichte die Gegenwart und das Werk Christi fortsetzt, der nicht den Tod des
Sünders, sondern dessen Bekehrung und Leben will,(197) darauf bedacht ist, das
geknickte Rohr nicht zu brechen oder den glimmenden Docht nicht zu löschen.(198)
Sie ist vielmehr immer darum bemüht, soweit es ihr möglich ist, dem Sünder den
Weg der Rückkehr zu Gott und zur Versöhnung mit ihm zu weisen. Der andere ist
der Grundsatz der Wahrheit und Folgerichtigkeit, aufgrund dessen die Kirche es
nicht duldet, gut zu nennen, was böse ist, und böse, was gut ist. Die Kirche,
welche sich auf diese beiden sich ergänzenden Grundsätze stützt, kann ihre Söhne
und Töchter, die sich in jener schmerzlichen Lage befinden, nur dazu einladen,
sich auf anderen Wegen der Barmherzigkeit Gottes zu nähern, jedoch nicht auf dem
Weg der Sakramente der Buße und der Eucharistie, solange sie die erforderlichen
Voraussetzungen noch nicht erfüllt haben.
Zu diesem Problem, das auch unser Herz als Hirten schwer bedrückt, habe ich
mich verpflichtet gefühlt, im Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio
ein deutliches Wort zu sagen, was den Fall der wiederverheirateten Geschiedenen
betrifft(199) oder allgemein jener Christen, die unrechtmäßig zusammenleben.
Zugleich empfinde ich es als meine besondere Pflicht, zusammen mit der Synode
die kirchlichen Gemeinschaften und vor allem die Bischöfe aufzufordern, den
Priestern, die ihren mit der Weihe übernommenen schweren Verpflichtungen nicht
nachkommen und sich deshalb in einer irregolären Lage befinden, jede mögliche
Hilfe zu gewähren. Keiner dieser Mitbrüder darf sich von der Kirche verlassen
fühlen.
Für alle diejenigen, die gegenwärtig die objektiven Bedingungen nicht
erfüllen, die vom Bußsakrament gefordert sind, können die Beweise der
mütterlichen Güte von seiten der Kirche, die Übung anderer Formen der
Frömmigkeit als die der Sakramente, das aufrichtige Bemühen um Verbundenheit mit
dem Herrn, die Teilnahme an der heiligen Messe, die häufige Erneuerung von
möglichst vollkommenen Akten des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der Reue
den Weg bereiten zur vollen Versöhnung in einer Stunde, die nur der göttlichen
Vorsehung bekannt ist.
ABSCHLIESSENDER WUNSCH
35. Zum Abschluß dieses Dokumentes höre ich wie ein Echo in mir die
Ermahnung, die der erste Bischof von Rom in einem kritischen Augenblick am
Anfang der Kirche an die Gläubigen »in der Zerstreuung, ... von Gott von jeher
ausersehen«, gerichtet hat. Ich möchte sie für euch alle wiederholen: »Seid alle
eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und
demütig!«.(200) Der Apostel mahnt: »Seid alle eines Sinnes...«; gleich darauf
weist er auf die Sünden gegen die Eintracht und den Frieden hin, die es zu
vermeiden gilt: »Vergeltet nicht Böses mit Bösem noch Kränkung mit Kränkung!
Statt dessen segnet; denn ihr seid dazu berufen, Segen zu erlangen«. Er schließt
mit einem Wort der Ermutigung und der Hoffnung: »Wer wird euch Böses zufügen,
wenn ihr euch voll Eifer um das Gute bemüht?«.(201)
In einer nicht weniger kritischen Stunde der Geschichte wage ich es, mich mit
meinem Schreiben der Ermahnung jenes Apostelfürsten anzuschließen, der als
erster diesen römischen Bischofssitz als Zeuge Christi und Hirte der Kirche
innehatte und gegenüber der ganzen Welt den »Vorsitz in der Liebe« führte. Auch
ich habe in Gemeinschaft mit den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, und
unterstützt durch die kollegiale Beratung, die viele von ihnen im Rahmen der
Synode den Themen und Problemen der Versöhnung gewidmet haben, im selben Geist
des Fischers von Galiläa euch zurufen wollen, was er unseren Glaubensbrüdern,
die uns zeitlich zwar fern, aber unserem Herzen so nahe sind, gesagt hat: »Seid
alle eines Sinnes, ... vergeltet nicht Böses mit Bösem ..., bemüht euch voll
Eifer um das Gute«.(202) Und er fügt hinzu: »Es ist besser, für gute Taten zu
leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse«.(203)
Diese Weisung ist zutiefst geprägt von den Worten, die Petrus von Jesus
selbst gehört hat, und von Inhalten, die zur »Frohen Botschaft« gehören: das
neue Gebot gegenseitiger Liebe; Streben und Einsatz für Einheit; die
Seligpreisung der Barmherzigkeit und der Geduld in der Verfolgung um der
Gerechtigkeit willen; die Vergeltung des Bösen mit Gutem; die Vergebung der
Beleidigungen und die Feindesliebe. In diesen Worten und Themen findet sich die
ursprüngliche und alles Vorläufige übersteigende Zusammenfassung der
christlichen Ethik, oder besser und treffender, der Spiritualität des Neuen
Bundes in Jesus Christus.
Ich empfehle Gott dem Vater, der reich an Erbarmen
ist, dem Sohn Gottes, der Mensch wurde und uns erlöst und versöhnt hat, und dem
Heiligen Geist, der Quelle der Einheit und des Friedens, diesen meinen Aufruf
als Vater und Hirte zu Buße und Versöhnung. Möge die allerheiligste und
anbetungswürdige Dreifaltigkeit in der Kirche und in der Welt das kleine
Samenkorn aufkeimen lassen, das ich in dieser Stunde dem fruchtbaren Erdreich so
vieler Menschenherzen anvertraue.
Auf daß daraus an einem nicht allzu fernen Tag reiche Früchte erwachsen, lade
ich euch alle ein, euch zusammen mit mir an das Herz Jesu zu wenden, Zeichen und
Ausdruck des göttlichen Erbarmens, »Sühne für unsere Sünden«, »unser Friede und
unsere Versöhnung«,(204) um von dorther den inneren Antrieb zu erhalten, die
Sünde zu verabscheuen und zu Gott umzukehren, und um dort die göttliche Güte zu
erfahren, die auf menschliche Reue in Liebe antwortet.
Ebenso lade ich euch ein, euch gemeinsam mit mir an das Unbefleckte Herz
Marias, der Mutter Jesu, zu wenden, in der »die Versöhnung Gottes mit der
Menschheit gewirkt worden ist... und sich das Werk der Versöhnung erfüllte, da
sie von Gott aus der Kraft des erlösenden Opfers Christi die Fülle der Gnade
empfangen hat«.(205) Dank ihrer göttlichen Mutterschaft ist sie in Wahrheit zur
»Verbündeten Gottes« im Werk der Versöhnung geworden.(206)
Der Hand dieser Mutter, deren »Fiat« den Anfang jener »Fülle der Zeit«
anzeigt, in welcher Christus die Versöhnung des Menschen mit Gott erwirkt hat,
und ihrem Unbefleckten Herzen - dem wir wiederholt die ganze Menschheit, die von
der Sünde bedrängt und von Spannungen und Konflikten zerrissen ist, anvertraut
haben - empfehle ich heute in besonderer Weise meinen Wunsch: Möge auf ihre
Fürsprache hin die ganze Menschheit den Weg der Buße entdecken und beschreiten,
der sie allein zur vollen Versöhnung führen kann.
Euch allen, die ihr im Geist kirchlicher Gemeinschaft in Gehorsam und
Glauben(207) die in diesem Dokument enthaltenen Hinweise, Empfehlungen und
Weisungen annehmt und euch bemüht, sie in eine lebendige pastorale Praxis zu
übertragen, erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen.
Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 2. Dezember, dem 1. Adventssonntag 1984,
im siebten Jahr meines Pontifikates.
1 Mk 1, 15.
2 Vgl. JOHANNES PAUL II., Ansprache zur Eröffnung der III. Vollsammlung
des lateinamerikanischen Episkopates, III, 1-7: AAS 71 (1979)
198-204.
3 Die Sicht einer »zerrissenen Welt« ist in den Werken nicht weniger
Schriftsteller von heute, Christen und Nichtchristen, enthalten, die von der
Lage des Menschen in dieser unserer geplagten Geschichtsepoche zeugen.
4 Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium
et spes, 43-44; Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum
Ordinis, 12; PAUL VI., Enzyklika Ecclesiam suam: AAS 56 (1964)
609-659.
5 Über die Spaltungen am Leibe der Kirche schrieb zu ihren Anfängen der
Apostel Paulus mit flammenden Worten in jenem berühmten Abschnitt 1 Kor
1, 10-16. An dieselben Korinther wird sich Jahre danach der hl. Klemens von Rom
wenden, um die Spaltungen im Schoß jener Gemeinde anzuprangern: vgl. Brief an
die Korinther, III-VI; LVII: Patres Apostolici, ed. FUNK, I, 103-109;
171-173. Bekanntlich ist seit den ältesten Vätern der aus einem Stück gefertigte
Rock Christi, den die Soldaten deshalb nicht zerteilt hatten, ein Bild für die
Einheit der Kirche geworden: vgl. CYPRIAN, De Ecclesiae catholicae unitate,
7: CCL 3/1, 254 f.; AUGUSTINUS, In Ioannis Evangelium tractatus, 118, 4:
CCL 36, 656 f.; BEDA VENERABILIS, In Marci Evangelium expositio, IV, 15:
CCL 120, 630; In Lucae Evangelium expositio, VI, 23: CCL 120, 403; In
S. Ioannis Evangelium expositio, 19: PL 92, 911 f.
6 Die Enzyklika Pacem in terris, das geistliche Testament von Johannes
XXIII. (vgl. AAS 55 [1963] 257-304), wird oft als ein »soziales Dokument« und
auch als eine »politische Botschaft« angesehen, und das ist sie auch, wenn man
diese Begriffe in ihrer ganzen Breite nimmt. Dieses päpstliche Lehrschreiben ist
tatsächlich - so erscheint es mehr als zwanzig Jahre nach seiner
Veröffentlichung - nicht nur eine Strategie für das Zusammenleben der Völker und
Nationen, sondern vor allem eine eindringliche Erinnerung an die höchsten Werte,
ohne die der Friede auf Erden zu einem bloßen Traumbild wird. Einer dieser Werte
ist gerade die Versöhnung unter den Menschen, ein Thema, auf das sich Papst
Johannes XXIII. so oft bezogen hat. Was Paul VI. betrifft, genügt es, daran zu
erinnern, daß er bei seinem Aufruf an die ganze Kirche und an alle Welt, das
Heilige Jahr 1975 zu feiern, verfügt hat, daß »Erneuerung und Versöhnung« die
zentrale Idee dieses wichtigen Jubiläumsjahres sein sollten. Hierbei dürfen auch
die Katechesen nicht unerwähnt bleiben, die er diesem Leitthema, auch zur
Verdeutlichung des Jubiläumsjahres selbst, gewidmet hat.
7 »Diese besonders dichte Zeit, in der jeder Christ dazu aufgefordert ist,
seine Berufung zur Versöhnung mit Gott, dem Vater, im Sohn Jesus Christus tiefer
zu verwirklichen«, so habe ich in der Verkündigungsbulle zum außerordentlichen
Jubiläumsjahr der Erlösung geschrieben, »erreicht ihr Ziel nur dann voll und
ganz, wenn sie in einen neuen Einsatz aller und jedes einzelnen für den Dienst
an der Versöhnung nicht nur zwischen allen Jüngern Christi, sondern zwischen
allen Menschen... einmündet«: Bulle Aperite portas Redemptori, 3: AAS 75
(1983) 93.
8 Das Thema der Synode lautete genauer: Versöhnung und Buße in der Sendung
der Kirche.
9 Vgl. Mt 4, 17; Mk 1, 15.
10 Vgl. Lk 3, 8.
11 Vgl. Mt 16, 24-26; Mk 8, 34-36; Lk 9, 23-25.
12 Vgl. Eph 4, 23 f
13 Vgl. 1 Kor 3, 1-20.
14 Vgl. Kol 3, 1 f.
15 »Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!«: 2 Kor
5, 20
16 »Wir rühmen uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir
jetzt schon die Versöhnung empfangen haben«: Röm 5, 11; vgl. Kol
1, 20.
17 Das II. Vatikanische Konzil hat hervorgehoben: »In Wahrheit hängen die
Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, mit jener tiefer
liegenden Störung des Gleichgewichts zusammen, die im Herzen des Menschen ihren
Ursprung hat. Denn im Menschen selbst sind viele widersprüchliche Elemente
gegeben. Einerseits erfährt er sich nämlich als Geschöpf vielfältig begrenzt,
andererseits empfindet er sich in seinem Verlangen unbegrenzt und berufen zu
einem Leben höherer Ordnung. Zwischen vielen Möglichkeiten, die ihn anrufen, muß
er dauernd unweigerlich eine Wahl treffen und so auf dieses oder jenes
verzichten. Als schwacher Mensch und Sünder tut er oft das, was er nicht will,
und was er tun wollte, tut er nicht (vgl. Röm 7, 14 ff.). So leidet er an
einer inneren Zwiespältigkeit, und daraus entstehen viele und schwere
Zerwürfnisse auch in der Gesellschaft«: Pastoralkonstitution über die Kirche in
der Welt von heute Gaudium et spes, 10.
18 Vgl. Kol 1, 19 ff.
19 Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Dives in misericordia, IV, 5-6:
AAS 72 (1980) 1193-1199.
20 Vgl. Lk 15, 11-32.
21 Das Buch Jona ist im Alten Testament in wunderbarer Weise
Vorwegnahme und Bild dieser Seite des Gleichnisses. Die Sünde des Jona ist es,
starkes Mißfallen zu empfinden und zornig zu werden, weil Gott gnädig und
barmherzig, langmütig und voll Güte ist und sich erweichen läßt; er ist es, dem
der Rizinusstrauch leidtut, der über Nacht da war und über Nacht wieder
eingegangen ist, und nicht versteht, daß es dem Herrn leidtut um Ninive (vgl.
Jon 4).
22 Röm 5, 10 f.; vgl. Kol 1, 20-22.
23 2 Kor 5,18. 20.
24 Joh 11, 52.
25 Vgl. Kol 1, 20.
26 Sir 44, 17.
27 Eph 2, 14.
28 Eucharistisches Hochgebet III.
29 Vgl. Mt 5, 23 f.
30 Mt 27, 46; Mk 15, 34; Ps 22, 2
31 Vgl. Eph 2, 14-16.
32 LEO DER GROSSE Tractatus 63 (De passione Domini 12), 6: CCL
138/A, 386.
33 2 Kor 5, 18f
34 Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1.
35 »Die Kirche ist von Natur aus immer versöhnend, weil sie den anderen das
Geschenk weitergibt, das sie selbst empfangen hat, das Geschenk der Vergebung
und der Einheit mit Gott«: Johannes Paul II., Ansprache in Liverpool (30. Mai
1982), 3: Insegnamenti, V, 2 (1982) 1992.
36 Vgl. Apg 15, 2-33.
37 Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 13: AAS 68 (1976)
12 f.
38 Vgl. JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae,
24: AAS 71 (1979) 1297.
39 Vgl. PAUL VI., Enzyklika Ecclesiam suam: AAS 56 (1964) 609-659.
40 2 Kor 5, 20.
41 Vgl .1 Joh 4, 8
42 Vgl. Weish 11, 23-26; Gen 1, 27; Ps 8, 4-8.
43 Vgl. Weish 2, 24.
44 Vgl. Gen 3, 12 f.; 4, 1-16.
45 Eph 2, 4.
46 Vgl. Eph 1, 10.
47 Joh 13, 34.
48 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution über die Kirche in der
Welt von heute Gaudium et spes, 38.
49 Vgl. Mk 1, 15.
50 2 Kor 5, 20.
51 Eph 2, 14-16.
52 Vgl. AUGUSTINUS, De Civitate Dei, XXII, 17: CCL 48, 835 f., THOMAS
VON AQUIN, Summa Theologiae, pars III, q. 64, a. 2 ad tertium.
53 Vgl. PAUL VI., Ansprache zum Abschluß der 3. Sitzungsperiode des II.
Vatikanischen Konzils (21. November 1964): AAS 56 (1964) 1015-1018.
54 II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche
Lumen gentium, 39.
55 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret über den Ökumenismus Unitatis
redintegratio, 4.
56 1 Joh 1, 8f.
57 1 Joh 3, 20; vgl. das Zitat dieser Stelle in meiner Ansprache bei
der Generalaudienz vom 14 März 1984: Insegnamenti VII, 1 (1984) 683.
58 Vgl. 2 Sam 11-12.
59 Ps 51, 5f.
60 Lk 15, 18. 21
61 »Conoscimento di sé«, wie Katharina von Siena oft schreibt: Lettere,
Florenz 1970, I, S. 3 f.; Il Dialogo della Divina Provvidenza, Rom 1980, passim.
62 Vgl. Röm 3, 23-26.
63 Vgl. Eph 1, 18.
64 Vgl. Gen 11, 1-9.
65 Vgl. Ps 127, 1
66 2 Thess 2, 7.
67 Vgl. Röm 7, 7-25; Eph 2, 2; 6, 12.
68 Die Terminologie, die die griechische Übersetzung der Septuaginta und das
Neue Testament benutzen, wenn sie von Sünde sprechen, enthält mehrere
Bedeutungsgehalte. Das am meisten benutzte Wort ist hamartía mit den
Ableitungen aus derselben Wurzel. Diese bezeichnet eine mehr oder weniger
schwere Verfehlung gegen eine Norm oder ein Gesetz, gegen eine Person oder sogar
gegen eine Gottheit. Die Sünde wird aber auch adikía genannt; gemeint ist
hierbei das Unrechttun. Man spricht auch von parábasis oder
Übertretung; von asébeia, Gottlosigkeit, u.a. Alle diese Ausdrucksweisen
ergeben zusammen das Bild von der Sünde.
69 Gen 3, 5: ».. ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse»; vgl.
auch. v. 22.
70 Vgl. Gen 3, 12.
71 Vgl. Gen 4, 2-16.
72 Der Ausdruck stammt von der französischen Schriftstellerin ELISABETH
LESEUR: Journal et pensées de chaque jour, Ed. J. de Gigord, Paris 1918,
S. 31.
73 Vgl. Mt 22, 39; Mk 12, 31; Lk 10, 27 f.
74 Vgl. KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Instruktion über einige Aspekte
der »Theologie der Befreiung« Libertatis nuntius (6. August 1984), IV,
14-15: AAS 76 (1984) 885 f.
75 Vgl. Num 15, 30.
76 Vgl. Lev 18, 26-30.
77 Vgl. Lev 19, 4.
78 Vgl. Lev 20, 1-7.
79 Vgl. Ex 21, 17.
80 Vgl. Lev 4, 2 ff.; 5, 1 ff., Num 15, 22-29.
81 Vgl. Mt 5, 28; 6, 23; 12, 31 f., 15, 19; Mk 3, 28-30; Röm 1,
29-31; 13, 13, Jak 4.
82 Vgl. Mt 5, 17; 15, 1-10; Mk 10, 19; Lk 18, 20.
83 Vgl. 1 Joh 5, 16 f.
84 Vgl. Joh 17, 3.
85 Vgl. 1 Joh 2, 22.
86 Vgl 1 Joh 5, 21.
87 Vgl. 1 Joh 5, 16-21.
88 Mt 12, 31 f.
89 Vgl. THOMAS VON AQUIN, Summa Theologiae, IIa-IIae, q. 14, aa. 1-3.
90 Vgl. 1 Joh 3, 20.
91 THOMAS VON AQUIN, Summa Theologiae, IIa-IIae, q. 14, a. 3, ad
primum.
92 Vgl. Phil 2, 12.
93 Vgl. AUGUSTINUS, De Spiritu et littera, XXVIII: CSEL 60, 202f.;
Enarrat. in ps. 39, 22: CCL 38, 441; Enchiridion ad Laurentium de fide et
spe et caritate, XIX, 71: CCL 46, 88; In Ioannis Evangelium tractatus,
12, 3, 14: CCL 36, 129.
94 THOMAS VON AQUIN, Summa Theologiae, Ia-IIae, q. 72, a. 5.
95 Vgl. KONZIL VON TRIENT, Sessio VI, De iustificatione, Kap. 2 und
Kan. 23, 25, 27: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Bologna 1973³, S.
671, 680f. (DS 1573, 1575, 1577).
96 Vgl. KONZIL VON TRIENT, Sessio VI, De iustificatione, Kap. XV:
Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. cit., S. 677 (DS 1544).
97 JOHANNES PAUL II., Engel-des-Herrn vom 14. März 1982:
Insegnamenti, V, 1 (1982) 861.
98 Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et
spes, 16.
99 JOHANNES PAUL II., Engel-des-Herrn vom 14. März 1982:
Insegnamenti, V, 1 (1982) 860.
100 PIUS XII., Radiobotschaft an den Nationalen Katechetischen Kongreß der
Vereinigten Staaten von Amerika in Boston (26. Oktober 1946): Discorsi e
Radiomessaggi, VIII (1946) 288.
101 Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptor hominis, 15: AAS
71 (1979) 286-289.
102 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution über die Kirche in
der Welt von heute Gaudium et spes, 3; vgl. auch 1 Joh 3, 9.
103 IOHANNES PAUL II., Ansprache an die Bischöfe der Region Ost in
Frankreich (1. April 1982), 2: Insegnamenti, V, 1 (1982) 1081.
104 1 Tim 3, 15 f.
105 Der Text bereitet darum der Interpretation eine gewisse Schwierigkeit:
Das Relativpronomen, das das wörtliche Zitat eröffnet, stimmt nicht mit dem
Neutrum mysterion überein. Einige späte Manuskripte haben den Text
verändert, um ihn grammatikalisch zu verbessern; Paulus aber ging es lediglich
darum, seinem Text einen anderen, angesehenen, zur Seite zu stellen, der für ihn
vollkommen klar war.
106 Die Urkirche glaubt an den verherrlichten Gekreuzigten, den die Engel
anbeten und der Herr ist. Das erregende Moment dieser Botschaft bleibt aber, daß
er sich »im Fleisch offenbart« hat: Das »große Geheimnis« besteht dann, daß der
ewige Sohn Gottes Mensch geworden ist.
107 1 Joh 5, 18.
108 1 Joh 3, 9.
109 1 Tim 3, 15.
110 1 Joh 1, 8.
111 1 Joh 5, 19.
112 Vgl. Ps 51, 7.
113 Vgl. Eph 2, 4.
114 Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Dives in misericordia, 8; 15:AAS
72 (1980) 1203-1207; 1231.
115 2 Sam 12, 13.
116 Ps 51, 5.
117 Ps 51, 9.
118 2 Sam 12, 13.
119 Vgl. 2 Kor 5, 18.
120 Vgl. 2 Kor 5, 19.
121 Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et
spes, 92.
122 Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus
Dominus, 13; vgl. Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum
educationis, 8; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes,
11-12.
123 Vgl. PAUL VI., Enzyklika Ecclesiam suam, III: AAS 56 (1964)
639-659.
124 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche
Lumen gentium, 1.9.13.
125 PAUL VI., Apostolisches Schreiben Paterna cum benevolentia: AAS 67
(1975) 5-23.
126 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret über den Ökumenismus Unitatis
redintegratio, 7-8.
127 Ebenda, 4.
128 AUGUSTINUS, Sermo 96, 7: PL 38, 588.
129 Vgl. JOHANNES PAUL II., Ansprache an die Mitglieder des Diplomatischen
Korps beim Heiligen Stuhl (15. Januar 1983), 4. 6. 11: AAS 75 (1983)
376. 378 f. 381.
130 JOHANNES PAUL II., Homilie in der Messe zum XVI. Weltfriedenstag
(1. Januar 1983), 6: Insegnamenti, VI, 1(1983) 7.
131 PAUL VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 70: AAS
68 (1976) 59 f.
132 1 Tim 3, 15.
133 vgl. Mt 5, 23 f.
134 Vgl. Mt 5, 38-40.
135 Vgl. Mt 6, 12.
136 Vgl. Mt 5, 43 ff.
137 Vgl. Mt 18, 21 f.
138 Vgl. Mk 1, 4. 14; Mt 3, 2; 4, 17: Lk 3, 8.
139 Vgl. Lk 15, 17.
140 Lk 17, 3 f.
141 Vgl. Mt 3, 2; Mk 1, 4; Lk 3, 3.
142 Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 8. 16. 19. 26. 41. 48.
143 Vgl. Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 2.
3. 4.
144 Vgl. unter vielen anderen die Ansprachen zu den Generalaudienzen vom 28.
März 1973: Insegnamenti, XI (1973) 294 ff.; 8. August 1973: ebenda,
772 ff.; 7. November 1973: ebenda 1054 ff.; 13. März 1974:
Insegnamenti, XII (1974) 230 ff.; 8. März 1974: ebenda, 402 ff.; 12.
Februar 1975: Insegnamenti, XIII (1975) 154 ff.; 9. April 1975: ebenda,
290 ff.; 13. Juli 1977: Insegnamenti, XV (1977) 710 ff.
145 Vgl. JOHANNES PAUL II., Engel-des-Herrn vom 14. März 1982:
Insegnamenti, V, 1 (1982) 860 f.
146 Vgl. JOHANNES PAUL II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 17.
August 1983, 1-3: Insegnamenti, VI 2 (1983) 256 f.
147 Hebr 4, 15.
148 Vgl. Mt 4, 1-11; Mk 1, 12 f.; Lk 4, 1-13.
149 Vgl. 1 Kor 10, 13.
150 Vgl. Mt 6, 13; Lk 11, 4.
151 1 Petr 3, 21.
152 Vgl. Röm 6, 3 f.; Kol 2, 12.
153 Vgl. Mt 3, 11; Lk 3,16; Joh 1, 33; Apg 1, 5;
11,16.
154 Vgl. Mt 3, 15.
155 AUGUSTINUS, In Joannis Evangelium tractatus, 26, 13: CCL
36, 266.
156 RITENKONGREGATION, Instruktion über Feier und Verehrung des
eucharistischen Geheimnisses Eucharisticum mysterium (25. Mai 1967), 35:
AAS 59 (1967) 560 f.
157 Ps 78, 38.
158 Vgl. Joh 1, 29; Jes 53, 7.12.
159 Vgl. Joh 5, 27.
160 Vgl. Mt 9, 2-7; Lk 5, 18-25; 7, 47-49; Mk 2, 3-12.
161 Vgl. Joh 3, 17.
162 Joh 20, 22; Mt 18, 18; vgl. auch, was Petrus betrifft,
Mt 16, 19. Isaak von Stella betont in einer Predigt die volle Einheit
Christi mit seiner Kirche bei der Vergebung der Sünde: »Nichts kann die Kirche
vergeben ohne Christus, und Christus will nichts vergeben ohne die Kirche.
Vergeben kann die Kirche nur demjenigen, der bereut, das heißt, der von Christus
berührt worden ist; Christus will nichts als vergeben ansehen bei dem, der die
Kirche verachtet«: Sermo 11 (In dominica III post Epiphaniam,
I): PL 194, 1729.
163 Vgl. Mt 12, 49 f.; Mk 3, 33 f.; Lk 8, 20 f.; Röm
8, 29: »der Erstgeborene von vielen Brüdern«.
164 Vgl. Hebr 2, 17; 4, 15.
165 Vgl. Mt 18, 12 f.; Lk 15, 4-6.
166 Vgl. Lk 5, 31 f.
167 Vgl. Mt 22, 16.
168 Vgl. Apg 10, 42.
169 Vgl. Joh 8, 16.
170 Vgl. die Ansprache an die Pönitenziare der Patriarchalbasiliken Roms und
an die Beichtväter zum Abschluß des Jubiläumsjahres der Erlösung (9. Juli 1984):
L'Osservatore Romano, 9.-10. Juli 1984.
171 Joh 8, 11.
172 Vgl. Tit 3, 4.
173 Vgl. KONZIL VON TRIENT, Sessio XIV De sacramento Paenitentiae,
Kap. I und Kanon 1: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Bologna 1973³, 703
f.; 711 (DS 1668-1670; 1701).
174 Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 11.
175 Vgl. KONZIL VON TRIENT, a.a.O.
176 Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium,
72.
177 Vgl. Rituale Romanum ex Decreto Sacrosancti Concilii Oecumenici
Vaticani II instauratum, auctoritate Pauli VI promulgatum. Ordo Paenitentiae,
Typis Polyglottis Vaticanis, 1974.
178 Das Konzil von Trient gebraucht den zurückhaltenden Ausdruck »eine Art
von Gerichtsverfahren« (Sessio XIV, De sacramento Paenitentia, Kap 6:
Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Bologna 1973³, 707 (DS 1685), um
so den Unterschied zu weltlichen Gerichtshöfen zu unterstreichen. Auch der neue
Bußritus spielt hierauf an: Nr. 6 b und 10 a.
179 Vgl. Lk 5, 31 f.: »Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern
die Kranken«, mit der abschließenden Feststellung: »Ich bin gekommen, um die
Sünder zur Umkehr zu rufen,...«; Lk 9, 2: »Und er sandte sie aus mit dem
Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen«. Das Bild Christi als
eines Arztes erscheint in einem neuen, beeindruckenden Licht, wenn wir es in
einen Zusammenhang bringen mit der Gestalt jenes »Knechtes Yahwe«, von dem das
Buch Jesaja prophetisch sagt: »Er hat unsere Krankheiten getragen und
unsere Schmerzen auf sich genommen«, und »durch seine Wunden sind wir geheilt« (Jes
53, 4 f.).
180 AUGUSTINUS, Sermo 82, 8: PL 38, 511.
181 Vgl. AUGUSTINUS, Sermo 352, 3. 8-9: PL 39, 1558 f.
182 Vgl. Ordo Paenitentiae, 6c.
183 Schon die Heiden - wie Sophokles (Antigone, vv. 450-460) und
Aristoteles (Rhetor., Buch I, Kap. 15, 1375 a-b) - erkannten die Existenz
von »göttlichen« moralischen Normen an, die »schon immer« beständen und dem
Herzen des Menschen tief eingeschrieben seien.
184 Zu dieser Rolle des Gewissens vgl. Ansprache zur Generalaudienz vom 14.
März 1984: Insegnamenti VII, 1 (1984) 683.
185 Vgl. KONZIL VON TRIENT, Sessio XIV, De sacramento Paenitentiae,
Kap. IV, De contritione: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. cit., 705
(DS 1676-1677). Bekanntlich genügt für den Empfang des Bußsakramentes die
attritio, das heißt die unvollkommene Reue, die mehr von Furcht als von
Liebe getragen ist; unter dem Wirken des Heiligen Geistes, den der reuige Sünder
empfängt, wird dieser aus einem attritus zu einem contritus, da
das Bußsakrament dem Beichtenden, der die rechte Einstellung mitbringt, zur
Bekehrung aus Liebe verhilft: vgl. KONZIL VON TRIENT, a.a.O. 705 (DS
1678).
186 Ordo Paenitentiae, 6a.
187 Vgl. Ps 51, 14.
188 Von all diesen grundlegenden Aspekten der Buße habe ich bei folgenden
Generalaudienzen gesprochen: 19. Mai 1982: Insegnamenti, V, 2 (1982) 1758
ff.; 28. Februar 1979: Insegnamenti, II (1979) 475-478; 21. März 1984:
Insegnamenti, VII, 1 (1984) 720-722. Es wird außerdem an die Normen des
Kirchenrechtes zum Ort der Spendung des Bußsakramentes und über den Beichtstuhl
erinnert (can. 964 § 2 und 3).
189 Ich habe dieses Thema kurz behandelt bei der Generalaudienz vom 7. März
1984: Insegnamenti, VII, 1 (1984) 631-633.
190 Vgl. Gen 4, 7. 15.
191 Vgl. 2 Sam 12.
192 Vgl. Lk 15, 17-21.
193 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret über Leben und Dienst der Priester
Presbyterorum Ordinis, 18.
194 Ordo Paenitentiae, 7 b.
195 Ordo Paenitentiae, 17.
196 Kanones 961-963.
197 Vgl. Ez 18, 23.
198 Vgl. Jes 42, 3; Mt 12, 20.
199 Vgl. Apostoliches Schreiben Familiaris consortio, 84; AAS
74 (1982) 184-186.
200 1 Petr 1, 1 f. und 3, 8.
201 1 Petr 3, 9. 13.
202 Petr 3, 8. 9. 13.
203 1 Petr 3, 17.
204 Litanei vom Heiligsten Herzen Jesu; vgl. 1 Joh 2, 2; Eph 2,
14; Röm 3, 25; 5, 11.
205 JOHANNES PAUL II., Ansprache zur Generalaudienz vom 7. Dezember
1983, 2: Insegnamenti, VI, 2 (1983) 1264.
206 JOHANENS PAUL II., Ansprache zur Generalaudienz vom 4. Januar
1984: Insegnamenti, VII, 1 (1984) 16-18.
207 Vgl. Röm 1, 5; 16, 26.
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