Katharina von Genua
Dialog über die
göttliche Liebe
Doch jene Liebe, die du zu erkennen
begehrst, kannst du nicht erfassen, denn sie hat weder Gestalt noch Maß. Du
kannst sie nicht mit deinem Verstand begreifen, weil sie unverständlich ist. Nur
an ihren Wirkungen kann der Mensch sie in etwa erkennen, und die sind klein oder
groß, je nach dem Maß der Liebe, die da tätig ist.
Auszug:
Die Seele: O meine Liebe, süßer Jesus, wer hat dich
vom Himmel herab auf die Erde gerufen? Die Liebe. Wer hat dich so viele und so
schreckliche Qualen bis zum Tode erdulden lassen? Die Liebe. Wer hat dich
bewogen, dich selbst als Speise der von dir geliebten Seele hinzugeben? Die
Liebe. Wer hat dich angetrieben, dass du uns zur Stärkung und Führung den
Heiligen Geist gesandt hast und immer noch sendest? Die Liebe. Viele andere
Dinge ließen sich noch von dir sagen. Nur aus Liebe bist du so armselig und
verachtet in dieser Welt erschienen und hast dich vor dem Angesicht des Volkes
so gedemütigt, dass du nicht nur nicht als Gott, sondern kaum als Mensch
angesehen wurdest. Der treueste und anhänglichste Diener würde für seinen Herrn
nicht so viel ertragen, selbst wenn ihm das Paradies dafür versprochen wäre.
Ohne deine innere Liebe, die du dem Menschen gibst, kann man keine Pein an Seele
oder Leib mit Geduld ertragen. Doch du, O Herr, hast vom Himmel jenes liebliche
Manna gebracht, diese süße Speise, die in sich solche Kraft besitzt, dass sich
mit ihrer Hilfe alle Drangsal erdulden lässt. Das haben wir zuerst an dir
erfahren und gesehen, lieber Meister, unser Herr und Führer, und dann bei deinen
Heiligen. O, was haben diese doch alle mit großer Geduld getan und gelitten
durch diese deine Liebe, die in ihre Herzen eingegossen war! Durch diese blieben
sie fortwährend so entbrannt und mit dir vereinigt, dass keine noch so große
Drangsal imstande war, sie von dir zu trennen..
Katharina von Genua - Dialog über die
göttliche Liebe
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