Auszug:
Wille. Ein sehr wesentliches Kennzeichen. Verachte
die kleinen Dinge nicht. Niemals sind sie belanglos und nichtig, denn durch
ständige Überwindung und Selbstverleugnung in den Kleinigkeiten bildest und
stärkst du mit der Gnade Gottes deinen Willen. So wirst du zuerst einmal Herr
deiner selbst und dann Wegweiser und Führender, der die anderen durch sein
Beispiel und sein Wort, sein Wissen und seine Ausstrahlungskraft ermutigt,
anspornt und mitreißt.
Holz, aus dem man Heilige
schnitzt. − Von manchen Leuten wird gesagt, sie seien aus einem Holz gemacht,
aus dem man Heilige schnitzt. − Ganz abgesehen davon, daß die Heiligen nicht aus
Holz waren, genügt es nicht, das Holz dazu zu haben. Was not tut, ist viel
Gehorsam gegenüber dem Leiter und viel Fügsamkeit gegenüber der Gnade. − Denn
wenn man die Gnade Gottes und den Rat des Leiters nicht in sich wirken läßt,
kann das Profil nicht hervortreten, das Bild Jesu Christi, das der heilige
Mensch annimmt. Das "Holz zum Heiligen", von dem wir sprachen, wird ohne die
Bearbeitung ein unförmiges Scheit bleiben, für das Feuer bestimmt... Für ein
kräftiges Feuer, wenn es gutes Holz war!
"Et in meditatione mea
exardescit ignis." Wenn ich betrachte, beginnt ein Feuer zu lodern. − Das ist
der Sinn deines Gebetes: ein Feuer zu werden, lebendiges Glühen, das Wärme und
Licht verbreitet. Wenn du nicht mehr weiterkommst, wenn du merkst, daß du
erlischst, wenn du keine wohlriechenden Scheite mehr nachlegen kannst, dann wirf
die Zweige und das Reisig der kleinen mündlichen Gebete und der Stoßgebete
hinein, damit sie das Feuer weiter nähren. − Du wirst die Zeit gut genützt
haben.
Wie schön ist die heilige
Reinheit! Aber sie ist nicht heilig und nicht Gott wohlgefällig, wenn wir sie
von der Liebe trennen. Die Nächstenliebe ist der Keim, der mit dem Wasser der
Reinheit wächst und herrliche Früchte bringt. Ohne Liebe ist die Reinheit
unfruchtbar. Ihre leblosen Wasser verwandeln die Seele in einen Tümpel, in einen
faulen Teich, aus dem Dunstwellen des Hochmutes steigen.
Was ist mit dem Herzen? −
Beunruhige dich nicht: die Heiligen, normal veranlagte Menschen wie du und ich,
empfanden auch diese "natürlichen" Neigungen. Wenn sie sie nicht gespürt hätten,
wäre ihre "übernatürliche" Reaktion, ihr Herz − Seele und Leib − für Gott zu
bewahren, statt es einem Geschöpf auszuliefern, wenig verdienstvoll gewesen.
Deshalb glaube ich, daß die Schwäche des Herzens, wenn der Weg erst einmal
erkannt ist, kein Hindernis für einen entschlossenen und "sehr verliebten"
Menschen zu sein braucht.
Josemaria Escriva - Der Weg