Georg Steinberger (2)
Der Gnadenstrom
"Georg Steinberger (1865-1904) fand
nach langem Suchen zum Glauben an Jesus Christus und damit zu seinem neuen
Lebensmotto: „Der Weg dem Lamme nach.“ Der gelernte Schuhmacher besuchte die
Bibelschule auf St. Chrischona und wurde Seelsorger in einem Züricher „Heim für
hilfsbedürftige Menschen“, wo viele durch seinen Dienst gesegnet wurden. „Der
Weg dem Lamme nach“ ist Steinbergers bekanntestes Buch ein Klassiker, der den
Lebensweg in der Nachfolge Jesu vorstellt: ein Weg, zu dem Glauben und
Vertrauen ebenso gehören wie Gehorsam, Selbstverleugnung und
Leidensbereitschaft.
Auszug:
Die Buße zu Gott ist aber nicht nur Beugung über das
Ungöttliche und Mangelhafte in uns, sondern sie ist auch zugleich der Schrei
nach dem, was noch fehlt. Alle die Ausdrücke in den Psalmen: „Meine Seele
hungert" -„meine Seele dürstet" -„meine Seele verlanget und sehnet sich", sind
der Ausdruck der Buße zu Gott. Bei der Umkehr zu Gott ist die Seele sozusagen
ihres bisherigen Inhalts entleert worden, ist aber nicht gefüllt mit der
Gottesfülle, darum der Schrei nach Gott, das Schmachten nach dem neuen
Lebensinhalt. Die Seele gleicht einem Glas, das luftleer gemacht worden ist und
das nun in Gefahr steht, jeden Augenblick von der umgebenden Luft zerdrückt und
zermalmt zu werden. So können wir es verstehen, warum Seelen trotz einer
gründlichen Bekehrung- oder gerade weil sie eine gründliche Bekehrung
durchgemacht und sich von allem ausgeleert haben - in solche Bedrängnis und
Angst kommen können, wie sie es in ihrem unbekehrten Zustand nie erfahren haben.
Das Gefäß ist geleert, aber nicht gefüllt. Und die Buße zu Gott ist der Kanal,
durch den das geleerte Gefäß allmählich gefüllt wird. Viele haben Buße und
Beugung nur an den Anfang ihres christlichen Lebens gelegt; darum haben sie
allmählich die Eignung verloren, weitere und tiefere Segnungen zu empfangen.
Denn nur solange wir in der Beugung sind, fließt der Segen, wie ja auch zu den
tiefsten Stellen das Wasser am schnellsten fließt.
Die Buße zu Gott ist auch die heilige Kraft, die in der
Beugung Gott fassen und überwinden lernt. Die Psalmen sind voll davon. Es ist
uns bekannt, wie viele Psalmen mit tiefer Beugung anfangen und mit einem Triumph
enden, mit dem Triumph, Gott auf seine Seite gebracht zu haben, Gott gewonnen zu
haben zum Vergeben, zum Helfen usw. Und besonders oft finden wir diese Art Buße
in den Geschichten der Männer der Bibel. Jakob sprach: „Ich lasse Dich nicht, Du
segnest mich denn!" Und Gott segnete ihn daselbst (1. Mose 32). Hiskia weinte
und flehte zu Gott, und Gott gab seinem Leben fünfzehn Jahre hinzu (Jesaja 3 8)
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