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EINLEITUNG
1. Caritas in veritate – die Liebe in der Wahrheit, die
Jesus Christus mit seinem irdischen Leben und vor allem mit seinem Tod und
seiner Auferstehung bezeugt hat, ist der hauptsächliche Antrieb für die
wirkliche Entwicklung eines jeden Menschen und der gesamten Menschheit. Die
Liebe – »caritas« – ist eine außerordentliche Kraft, welche die
Menschen drängt, sich mutig und großherzig auf dem Gebiet der Gerechtigkeit
und des Friedens einzusetzen. Es ist eine Kraft, die ihren Ursprung in Gott
hat, der die ewige Liebe und die absolute Wahrheit ist. Jeder findet sein
Glück, indem er in den Plan einwilligt, den Gott für ihn hat, um ihn
vollkommen zu verwirklichen: In diesem Plan findet er nämlich seine
Wahrheit, und indem er dieser Wahrheit zustimmt, wird er frei (vgl. Joh
8, 32). Die Wahrheit zu verteidigen, sie demütig und überzeugt vorzubringen
und sie im Leben zu bezeugen, sind daher anspruchsvolle und unersetzliche
Formen der Liebe. Denn diese »freut sich an der Wahrheit« (1 Kor 13,
6). Alle Menschen spüren den inneren Impuls, wahrhaft zu lieben: Liebe und
Wahrheit weichen niemals gänzlich von ihnen, denn sie sind die Berufung, die
Gott ins Herz und in den Geist eines jeden Menschen gelegt hat. Jesus
Christus reinigt und befreit die Suche nach der Liebe und der Wahrheit von
unseren menschlichen Armseligkeiten und offenbart uns vollends die
Initiative der Liebe und den Plan eines wahren Lebens, das Gott für uns
vorbereitet hat. Die Liebe in der Wahrheit wird zum Gesicht Christi;
und in Christus wird sie zur Berufung für uns, unsere Mitmenschen in der
Wahrheit seines Planes zu lieben. Er selbst ist ja die Wahrheit (vgl. Joh
14, 6).
2. Liebe ist der Hauptweg der Soziallehre der Kirche.
Jede von dieser Lehre beschriebene Verantwortung und Verpflichtung geht aus
der Liebe hervor, die nach den Worten Jesu die Zusammenfassung des ganzen
Gesetzes ist (vgl. Mt 22, 36-40). Sie verleiht der persönlichen
Beziehung zu Gott und zum Nächsten einen wahren Gehalt; sie ist das Prinzip
nicht nur der Mikro-Beziehungen – in Freundschaft, Familie und kleinen
Gruppen –, sondern auch der Makro-Beziehungen – in gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen. Für die Kirche ist – vom
Evangelium her – die Liebe alles, denn, wie uns der heilige Johannes lehrt
(vgl. 1 Joh 4, 8.16) und ich in meiner ersten Enzyklika in Erinnerung
gerufen habe: »Gott ist Liebe« (Deus
caritas est): Aus der Liebe Gottes geht alles hervor, durch
sie nimmt alles Gestalt an, und alles strebt ihr zu. Die Liebe ist das
größte Geschenk, das Gott den Menschen gemacht hat, sie ist seine Verheißung
und unsere Hoffnung.
Ich weiß um die Entstellungen und die Sinnentleerungen, denen die Liebe
ausgesetzt war und ist, mit der entsprechenden Gefahr, daß sie mißverstanden,
aus der ethischen Lebenspraxis ausgeschlossen und in jedem Fall daran
gehindert wird, in rechter Weise zur Geltung zu kommen. Im
gesellschaftlichen, rechtlichen, kulturellen, politischen und
wirtschaftlichen Bereich, also in den Zusammenhängen, die für diese Gefahr
am anfälligsten sind, wird die Liebe leicht als unerheblich für die
Interpretation und die Orientierung der moralischen Verantwortung erklärt.
Daher ist es notwendig, die Liebe und die Wahrheit nicht nur in der vom
heiligen Paulus angegebenen Richtung der »veritas in caritate« (Eph
4, 15) miteinander zu verbinden, sondern auch in der entgegengesetzten und
komplementären von »caritas in veritate«. Die Wahrheit muß in der
»Ökonomie« der Liebe gesucht, gefunden und ausgedrückt werden, aber die
Liebe muß ihrerseits im Licht der Wahrheit verstanden, bestätigt und
praktiziert werden. Auf diese Weise werden wir nicht nur der von der
Wahrheit erleuchteten Liebe einen Dienst erweisen, sondern wir werden auch
dazu beitragen, daß sich die Wahrheit glaubwürdig erweist, indem wir ihre
Authentizität und ihre Überzeugungskraft im konkreten gesellschaftlichen
Leben deutlich machen. Das ist heute von nicht geringer Bedeutung in einem
sozialen und kulturellen Umfeld, das die Wahrheit relativiert und ihr
gegenüber oft gleichgültig und ablehnend eingestellt ist.
3. Wegen dieser engen Verbindung mit der Wahrheit kann
die Liebe als authentischer Ausdruck des Menschseins und als ein Element von
grundlegender Bedeutung in den menschlichen Beziehungen – auch im
öffentlichen Bereich – erkannt werden. Nur in der Wahrheit erstrahlt die
Liebe und kann glaubwürdig gelebt werden. Die Wahrheit ist ein Licht,
das der Liebe Sinn und Wert verleiht. Es ist das Licht der Vernunft wie auch
des Glaubens, durch das der Verstand zur natürlichen und übernatürlichen
Wahrheit der Liebe gelangt: er erfaßt ihre Bedeutung als Hingabe, Annahme
und Gemeinschaft. Ohne Wahrheit gleitet die Liebe in Sentimentalität ab. Sie
wird ein leeres Gehäuse, das man nach Belieben füllen kann. Das ist die
verhängnisvolle Gefahr für die Liebe in einer Kultur ohne Wahrheit. Sie wird
Opfer der zufälligen Gefühle und Meinungen der einzelnen, ein Wort, das
mißbraucht und verzerrt wird, bis es schließlich das Gegenteil bedeutet. Die
Wahrheit befreit die Liebe von den Verengungen einer Emotionalisierung, die
sie rationaler und sozialer Inhalte beraubt, und eines Fideismus, der ihr
die menschliche und universelle Weite nimmt. In der Wahrheit spiegelt die
Liebe die persönliche und zugleich öffentliche Dimension des Glaubens an den
biblischen Gott wider, der zugleich »Agape« und »Logos«
ist: Caritas und Wahrheit, Liebe und Wort.
4. Da die Liebe voll Wahrheit ist, kann sie vom Menschen
in ihrem Reichtum an Werten begriffen, zustimmend angenommen und vermittelt
werden. Denn die Wahrheit ist „lógos“, der „diá-logos“
schafft und damit Austausch und Gemeinschaft bewirkt. Indem die Wahrheit die
Menschen aus den subjektiven Meinungen und Empfindungen herausholt, gibt sie
ihnen die Möglichkeit, kulturelle und geschichtliche Festlegungen zu
überwinden und in der Beurteilung von Wert und Wesen der Dinge einander zu
begegnen. Die Wahrheit öffnet den Verstand der Menschen und vereint ihre
Intelligenz im Logos der Liebe: Das ist die Botschaft und das
christliche Zeugnis der Liebe. Wenn wir im augenblicklichen sozialen und
kulturellen Umfeld, in dem die Tendenz zur Relativierung der Wahrheit
verbreitet ist, die Liebe in der Wahrheit leben, kommen wir zu der Einsicht,
daß die Zustimmung zu den Werten des Christentums ein nicht nur nützliches,
sondern unverzichtbares Element für den Aufbau einer guten Gesellschaft und
einer echten ganzheitlichen Entwicklung des Menschen ist. Ein Christentum
der Liebe ohne Wahrheit kann leicht mit einem Vorrat an guten, für das
gesellschaftliche Zusammenleben nützlichen, aber nebensächlichen Gefühlen
verwechselt werden. Auf diese Weise gäbe es keinen eigentlichen Platz mehr
für Gott in der Welt. Ohne die Wahrheit wird die Liebe in einen begrenzten
und privaten Bereich von Beziehungen verbannt. Aus den Planungen und den
Prozessen zum Aufbau einer menschlichen Entwicklung von umfassender
Tragweite – im Dialog zwischen Wissen und Praxis – wird sie ausgeschlossen.
5. Caritas ist empfangene und geschenkte Liebe.
Sie ist »Gnade« (cháris). Ihre Quelle ist die ursprüngliche Liebe des
Vaters zum Sohn im Heiligen Geist. Sie ist Liebe, die vom Sohn her zu uns
herabfließt. Sie ist schöpferische Liebe, aus der wir unser Sein haben; sie
ist erlösende Liebe, durch die wir wiedergeboren sind. Sie ist von Christus
offenbarte und verwirklichte Liebe (vgl. Joh 13, 1), »ausgegossen in
unsere Herzen durch den Heiligen Geist« (Röm 5, 5). Als Empfänger der
Liebe Gottes sind die Menschen eingesetzt, Träger der Nächstenliebe zu sein,
und dazu berufen, selbst Werkzeuge der Gnade zu werden, um die Liebe Gottes
zu verbreiten und Netze der Nächstenliebe zu knüpfen.
Auf diese Dynamik der empfangenen und geschenkten Liebe geht die
Soziallehre der Kirche ein. Sie ist »caritas in veritate in re
sociali«: Verkündigung der Wahrheit der Liebe Christi in der
Gesellschaft. Diese Lehre ist Dienst der Liebe, aber in der Wahrheit. Die
Wahrheit ist Hüterin und Ausdruck der befreienden Kraft der Liebe in den
immer neuen Wechselfällen der Geschichte. Sie ist zugleich Wahrheit des
Glaubens und der Vernunft, in der Unterscheidung ebenso wie im
Zusammenwirken der beiden Erkenntnisbereiche. Für die Entwicklung, den
gesellschaftlichen Wohlstand und eine angemessene Lösung der schweren
sozioökonomischen Probleme, welche die Menschheit plagen, ist diese Wahrheit
notwendig. Und noch notwendiger dafür ist, daß diese Wahrheit geliebt und
bezeugt wird. Ohne Wahrheit, ohne Vertrauen und Liebe gegenüber dem Wahren
gibt es kein Gewissen und keine soziale Verantwortung: Das soziale Handeln
wird ein Spiel privater Interessen und Logiken der Macht, mit zersetzenden
Folgen für die Gesellschaft, um so mehr in einer Gesellschaft auf dem Weg
zur Globalisierung und in schwierigen Situationen wie der augenblicklichen.
6. »Caritas in veritate«ist das Prinzip, um das
die Soziallehre der Kirche kreist, ein Prinzip, das in
Orientierungsmaßstäben für das moralische Handeln wirksame Gestalt annimmt.
Besonders zwei von ihnen möchte ich erwähnen, die speziell beim Einsatz für
die Entwicklung in einer Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung
erforderlich sind: die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl.
Zunächst die Gerechtigkeit. Ubi societas, ibi ius: Jede
Gesellschaft erarbeitet ein eigenes Rechtssystem. Die Liebe geht über die
Gerechtigkeit hinaus, denn lieben ist schenken, dem anderen von dem
geben, was „mein“ ist; aber sie ist nie ohne die Gerechtigkeit, die mich
dazu bewegt, dem anderen das zu geben, was „sein“ ist, das, was ihm aufgrund
seines Seins und seines Wirkens zukommt. Ich kann dem anderen nicht von dem,
was mein ist, „schenken“, ohne ihm an erster Stelle das gegeben zu haben,
was ihm rechtmäßig zusteht. Wer den anderen mit Nächstenliebe begegnet, ist
vor allem gerecht zu ihnen. Die Gerechtigkeit ist der Liebe nicht nur in
keiner Weise fremd, sie ist nicht nur kein alternativer oder paralleler Weg
zur ihr: Die Gerechtigkeit ist untrennbar mit der Liebe verbunden,[1]
sie ist ein ihr innewohnendes Element. Die Gerechtigkeit ist der erste Weg
der Liebe oder – wie
Paul VI.
sagte – ihr »Mindestmaß«,[2]
ein wesentlicher Bestandteil jener Liebe »in Tat und Wahrheit« (1 Joh
3, 18), zu der der Apostel Johannes aufruft. Zum einen erfordert die Liebe
die Gerechtigkeit: die Anerkennung und die Achtung der legitimen Rechte der
einzelnen und der Völker. Sie setzt sich für den Aufbau der „Stadt des
Menschen“ nach Recht und Gerechtigkeit ein. Zum andern geht die Liebe über
die Gerechtigkeit hinaus und vervollständigt sie in der Logik des Gebens und
Vergebens.[3]
Die „Stadt des Menschen“ wird nicht nur durch Beziehungen auf der Grundlage
von Rechten und Pflichten gefördert, sondern noch mehr und zuerst durch
Verbindungen, die durch Unentgeltlichkeit, Barmherzigkeit und Gemeinsamkeit
gekennzeichnet sind. Die Nächstenliebe offenbart auch in den menschlichen
Beziehungen immer die Liebe Gottes; diese verleiht jedem Einsatz für
Gerechtigkeit in der Welt einen theologalen und heilbringenden Wert.
7. Ferner muß besonderer Wert auf das Gemeinwohl gelegt
werden. Jemanden lieben heißt sein Wohl im Auge haben und sich wirkungsvoll
dafür einsetzen. Neben dem individuellen Wohl gibt es eines, das an das
Leben der Menschen in Gesellschaft gebunden ist: das Gemeinwohl. Es ist das
Wohl jenes „Wir alle“, das aus einzelnen, Familien und kleineren Gruppen
gebildet wird, die sich zu einer sozialen Gemeinschaft zusammenschließen.[4]
Es ist nicht ein für sich selbst gesuchtes Wohl, sondern für die Menschen,
die zu der sozialen Gemeinschaft gehören und nur in ihr wirklich und
wirkungsvoller ihr Wohl erlangen können. Das Gemeinwohl wünschen und
sich dafür verwenden ist ein Erfordernis von Gerechtigkeit und Liebe.
Sich für das Gemeinwohl einzusetzen bedeutet, die Gesamtheit der
Institutionen, die das soziale Leben rechtlich, zivil, politisch und
kulturell strukturieren, einerseits zu schützen und andererseits sich ihrer
zu bedienen, so daß auf diese Weise die Polis, die Stadt Gestalt
gewinnt. Man liebt den Nächsten um so wirkungsvoller, je mehr man sich für
ein gemeinsames Gut einsetzt, das auch seinen realen Bedürfnissen
entspricht. Jeder Christ ist zu dieser Nächstenliebe aufgerufen, in der
Weise seiner Berufung und entsprechend seinen Einflußmöglichkeiten in der
Polis. Das ist der institutionelle – wir können auch sagen politische –
Weg der Nächstenliebe, der nicht weniger tauglich und wirksam ist als die
Liebe, die dem Nächsten unmittelbar, außerhalb der institutionellen
Vermittlungen der Polis entgegenkommt. Wenn der Einsatz für das
Gemeinwohl von der Liebe beseelt ist, hat er eine höhere Wertigkeit als der
nur weltliche, politische. Wie jeder Einsatz für die Gerechtigkeit gehört er
zu jenem Zeugnis der göttlichen Liebe, das, während es in der Zeit wirkt,
die Ewigkeit vorbereitet. Wenn das Handeln des Menschen auf Erden von der
Liebe inspiriert und unterstützt wird, trägt es zum Aufbau jener
universellen Stadt Gottes bei, auf die sich die Geschichte der
Menschheitsfamilie zubewegt. In einer Gesellschaft auf dem Weg zur
Globalisierung müssen das Gemeinwohl und der Einsatz dafür unweigerlich die
Dimensionen der gesamten Menschheitsfamilie, also der Gemeinschaft der
Völker und der Nationen,[5]
annehmen, so daß sie der Stadt des Menschen die Gestalt der Einheit
und des Friedens verleihen und sie gewissermaßen zu einer vorausdeutenden
Antizipation der grenzenlosen Stadt Gottes machen.
8. Durch die Veröffentlichung der Enzyklika Populorum
progressio im Jahr 1967 hat mein verehrter Vorgänger
Paul VI.
das große Thema der Entwicklung der Völker unter dem Glanz der Wahrheit und
dem Licht der Liebe Christi beleuchtet. Er hat bekräftigt, daß die
Verkündigung Christi der erste und hauptsächliche Entwicklungsfaktor ist,[6]
und er hat uns aufgegeben, auf dem Weg der Entwicklung mit unserem Herzen
und all unserer Intelligenz voranzugehen,[7]
das heißt mit dem Feuer der Liebe und der Weisheit der Wahrheit. Es ist die
ursprüngliche Wahrheit der Liebe Gottes, eine uns geschenkte Gnade, die
unser Leben für die Gabe öffnet und es möglich macht, eine Entwicklung »des
ganzen Menschen und der ganzen Menschheit«,[8]
einen Übergang »von weniger menschlichen zu menschlicheren Bedingungen«[9]
zu erhoffen, der durch die Überwindung der unweigerlich auf dem Weg
anzutreffenden Schwierigkeiten erreicht wird.
Über vierzig Jahre nach der Veröffentlichung der Enzyklika möchte ich dem
Gedenken des großen Papstes
Paul VI.
Anerkennung zollen und Ehre erweisen, indem ich seine Lehren über die
ganzheitliche Entwicklung des Menschen aufnehme und mich auf den von
ihnen vorgezeichneten Weg begebe, um sie in der gegenwärtigen Zeit zu
aktualisieren. Dieser Prozeß der Aktualisierung begann mit der Enzyklika
Sollecitudo rei
socialis, mit welcher der Diener Gottes Papst
Johannes Paul II. der Veröffentlichung von Populorum progressio
anläßlich ihres zwanzigsten Jahrestags gedenken wollte. Ein solches Andenken
war bis dahin nur der Enzyklika Rerum novarum zuteil geworden.
Nachdem nun weitere zwanzig Jahre vergangen sind, bringe ich meine
Überzeugung zum Ausdruck, daß die Enzyklika Populorum progressio
verdient, als »die Rerum novarum unserer Zeit« angesehen zu werden,
welche die Schritte der Menschheit auf dem Weg zu einer Einigung erleuchtet.
9. Die Liebe in der Wahrheit – caritas in veritate
– ist eine große Herausforderung für die Kirche in einer Welt der
fortschreitenden und um sich greifenden Globalisierung. Die Gefahr unserer
Zeit besteht darin, daß der tatsächlichen Abhängigkeit der Menschen und der
Völker untereinander keine ethische Wechselbeziehung von Gewissen und
Verstand der Beteiligten entspricht, aus der eine wirklich menschliche
Entwicklung als Ergebnis hervorgehen könnte. Nur mit der vom Licht der
Vernunft und des Glaubens erleuchteten Liebe ist es möglich,
Entwicklungsziele zu erreichen, die einen menschlicheren und
vermenschlichenderen Wert besitzen. Das Teilen der Güter und der Ressourcen,
aus dem die echte Entwicklung hervorgeht, wird nicht allein durch
technischen Fortschritt und durch bloß vom Kalkül bestimmte Beziehungen
gewährleistet, sondern durch das Potential der Liebe, die das Böse durch das
Gute besiegt (vgl. Röm 12, 21) und die Menschen dafür öffnet, in
ihrem Gewissen und mit ihrer Freiheit aufeinander einzugehen.
Die Kirche hat keine technischen Lösungen anzubieten[10]
und beansprucht keineswegs, »sich in die staatlichen Belange einzumischen«.[11]
Sie hat aber zu allen Zeiten und unter allen Gegebenheiten eine Sendung der
Wahrheit zu erfüllen für eine Gesellschaft, die dem Menschen und seiner
Würde und Berufung gerecht wird. Ohne Wahrheit verfällt man in eine
empiristische und skeptische Lebensauffassung, die unfähig ist, sich über
die Praxis zu erheben, weil sie nicht daran interessiert ist, die Werte –
und bisweilen sogar die Bedeutungen – zu erfassen, mit denen diese zu
beurteilen und nach denen sie auszurichten ist. Die Treue zum Menschen
erfordert die Treue zur Wahrheit, die allein Garant der Freiheit
(vgl. Joh 8, 32) und der Möglichkeit einer ganzheitlichen
menschlichen Entwicklung ist. Darum sucht die Kirche die Wahrheit,
verkündet sie unermüdlich und erkennt sie an, wo immer sie sich offenbart.
Diese Sendung der Wahrheit ist für die Kirche unverzichtbar. Ihre
Soziallehre ist ein besonderer Aspekt dieser Verkündigung: Sie ist Dienst an
der Wahrheit, die befreit. Offen für die Wahrheit, gleichgültig aus welcher
Wissensrichtung sie kommt, nimmt die Soziallehre der Kirche sie auf, setzt
die Bruchstücke, in der sie sie häufig vorfindet, zu einer Einheit zusammen
und vermittelt sie in die immer neue Lebenspraxis der Gesellschaft der
Menschen und der Völker hinein.[12]
ERSTES KAPITEL
DIE BOTSCHAFT VON POPULORUM PROGRESSIO
10. Die erneute Lektüre von Populorum progressio
über vierzig Jahre nach ihrer Veröffentlichung regt dazu an, ihrer Botschaft
der Liebe und der Wahrheit treu zu bleiben und sie im Kontext der
spezifischen Lehre Papst
Pauls VI.
und allgemeiner innerhalb der Tradition der Soziallehre der Kirche zu
betrachten. Alsdann sind die anderen Bedingungen zu erwägen, unter denen
sich das Problem der Entwicklung heute im Unterschied zu damals stellt. Der
richtige Gesichtspunkt ist also jener der Überlieferung des apostolischen
Glaubens,[13]
des alten und neuen Erbes, außerhalb dessen Populorum progressio ein
Dokument ohne Wurzeln wäre und die Entwicklungsfragen sich einzig auf
soziologische Daten reduzieren würden.
11. Die Publikation von Populorum progressio
geschah unmittelbar nach Abschluß des
Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Enzyklika selbst weist in den ersten
Absätzen auf ihre enge Beziehung zum Konzil hin.[14]
Papst
Johannes Paul II. unterstrich zwanzig Jahre danach in Sollicitudo rei
socialis seinerseits die fruchtbare Verbindung jener Enzyklika zum
Konzil, insbesondere zur Pastoralkonstitution
Gaudium et spes.[15]
Auch ich möchte hier an die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils für
die Enzyklika Papst
Pauls VI.
und für das gesamte nachfolgende Lehramt der Päpste in sozialen Fragen
erinnern. Das Konzil vertiefte, was seit jeher zur Wahrheit des Glaubens
gehört, daß nämlich die Kirche, da sie im Dienst Gottes steht, bezüglich der
Liebe und der Wahrheit im Dienst der Welt steht. Genau von dieser Sicht ging
Papst Paul
VI. aus, um uns zwei große Wahrheiten mitzuteilen. Die erste ist, daß
die ganze Kirche, wenn sie verkündet, Eucharistie feiert und in der Liebe
wirkt, in all ihrem Sein und Handeln darauf ausgerichtet ist, die
ganzheitliche Entwicklung des Menschen zu fördern. Sie hat eine
öffentliche Rolle, die sich nicht in ihrem Einsatz in der Fürsorge oder der
Erziehung erschöpft, sondern all ihre besonderen Kräfte im Dienst der
Förderung des Menschen und der weltweiten Geschwisterlichkeit offenbart,
wenn sie sich eines freiheitlichen Regimes bedienen kann. In nicht wenigen
Fällen ist diese Freiheit behindert durch Verbote und Verfolgungen oder auch
eingeschränkt, wenn die öffentliche Präsenz der Kirche einzig auf ihre
karitativen Aktivitäten begrenzt wird. Die zweite Wahrheit ist, daß die
echte Entwicklung des Menschen einheitlich die Gesamtheit der Person in all
ihren Dimensionen betrifft.[16]
Ohne die Aussicht auf ein ewiges Leben fehlt dem menschlichen Fortschritt in
dieser Welt der große Atem. Wenn er innerhalb der Geschichte eingeschlossen
bleibt, ist er der Gefahr ausgesetzt, sich auf eine bloße Zunahme des
Besitztums zu beschränken; so verliert die Menschheit den Mut, für die
höheren Güter aufnahmebereit zu sein, für die großen und selbstlosen
Initiativen, zu denen die universale Nächstenliebe drängt. Der Mensch
entwickelt sich nicht bloß mit den eigenen Kräften, noch kann die
Entwicklung ihm einfach von außen gegeben werden. Im Laufe der Geschichte
hat man oft gemeint, die Schaffung von Institutionen genüge, um der
Menschheit die Erfüllung ihres Rechtes auf Entwicklung zu gewährleisten.
Leider hat man in solche Institutionen ein übertriebenes Vertrauen gesetzt,
so als könnten sie das ersehnte Ziel automatisch erlangen. In Wirklichkeit
reichen die Institutionen allein nicht aus, denn die ganzheitliche
Entwicklung des Menschen ist vor allem Berufung und verlangt folglich von
allen eine freie und solidarische Übernahme von Verantwortung. Eine solche
Entwicklung erfordert außerdem eine transzendente Sicht der Person, sie
braucht Gott: Ohne ihn wird die Entwicklung entweder verweigert oder einzig
der Hand des Menschen anvertraut, der in die Anmaßung der Selbst-Erlösung
fällt und schließlich eine entmenschlichte Entwicklung fördert. Im übrigen
gestattet nur die Begegnung mit Gott, nicht »im anderen immer nur den
anderen zu sehen«,[17]
sondern in ihm das göttliche Bild zu erkennen und so dahin zu gelangen,
wirklich den anderen zu entdecken und eine Liebe reifen zu lassen, die
»Sorge um den anderen und für den anderen«[18]
wird.
12. Die Verbindung zwischen Populorum progressio
und dem Zweiten Vatikanischen Konzil stellt nicht etwa einen Bruch zwischen
dem Lehramt Papst
Pauls VI.
in sozialen Fragen und dem seiner Vorgänger auf dem Stuhl Petri dar, denn
das Konzil ist eine Vertiefung dieser Lehre in der Kontinuität des Lebens
der Kirche.[19]
In diesem Sinn tragen gewisse abstrakte Unterteilungen der modernen
Soziallehre der Kirche, die auf die sozialen Aussagen der Päpste ihr fremde
Kategorien anwenden, nicht zur Klärung bei. Es gibt nicht zwei Typologien
von Soziallehre, eine vorkonziliare und eine nachkonziliare, die sich
voneinander unterscheiden, sondern eine einzige kohärente und zugleich
stets neue Lehre.[20]
Es ist richtig, die Besonderheiten der einen oder der anderen Enzyklika, der
Lehre des einen oder des anderen Papstes hervorzuheben, man darf dabei aber
niemals die Kohärenz des gesamten Corpus der Lehre aus den Augen
verlieren.[21]
Kohärenz bedeutet nicht ein Einschließen in ein System, sondern vielmehr
dynamische Treue zu einem empfangenen Licht. Die Soziallehre der Kirche
beleuchtet die immer neuen Probleme, die auftauchen, mit einem Licht, das
sich nicht verändert.[22]
Das gewährleistet den sowohl permanent aktuellen als auch geschichtlichen
Charakter dieses doktrinellen »Erbes«,[23]
das mit seinen spezifischen Merkmalen Teil der stets lebendigen
Überlieferung der Kirche ist.[24]
Die Soziallehre der Kirche ist auf dem Fundament aufgebaut, das die Apostel
den Kirchenvätern übermittelt haben und das dann von den großen christlichen
Lehrmeistern aufgenommen und vertieft wurde. Diese Lehre greift letztlich
auf den Neuen Menschen zurück, auf den »Letzten Adam«, der »lebendig
machender Geist« wurde (1 Kor 15, 45) und Ursprung jener Liebe ist,
die »niemals aufhört« (1 Kor 13, 8). Sie ist bezeugt von den Heiligen
und von allen, die auf dem Gebiet der Gerechtigkeit und des Friedens ihr
Leben für Christus, den Erlöser, hingegeben haben. In ihr kommt die
prophetische Aufgabe der Päpste zum Ausdruck, die Kirche Christi apostolisch
zu leiten und die jeweils neuen Erfordernisse der Evangelisierung zu
erkennen. Aus diesen Gründen ist die in den großen Strom der Überlieferung
eingebettete Enzyklika Populorum progressio imstande, uns heute noch
etwas zu sagen.
13. Außer ihrer bedeutenden Verbindung mit der ganzen
Soziallehre der Kirche ist die Enzyklika Populorum progressio mit
dem gesamten Lehramt Papst
Pauls VI.
und insbesondere mit seinem Lehramt in sozialen Fragen verknüpft.
Seine Unterweisungen zu diesem Thema waren durchaus von großer Wichtigkeit:
Er betonte die unabdingbare Rolle des Evangeliums für den Aufbau der
Gesellschaft im Sinne von Freiheit und Gerechtigkeit, in der geistigen und
historischen Perspektive einer von der Liebe geleiteten Zivilisation. Papst
Paul VI.
erfaßte klar, daß die soziale Frage weltweit geworden war,[25]
und sah die innere Entsprechung zwischen dem Drängen auf eine
Vereinheitlichung der Menschheit und dem christlichen Ideal einer einzigen,
in der allgemeinen Brüderlichkeit solidarischen Familie der Völker. Er
bezeichnete die menschlich und christlich verstandene Entwicklung als das
Herz der christlichen Soziallehre und stellte die christliche Liebe als
die hauptsächliche Kraft im Dienst der Entwicklung dar. Von dem Wunsch
bewegt, die Liebe Christi dem heutigen Menschen ganz sichtbar zu machen,
ging Papst Paul VI. mit Festigkeit wichtige ethische Fragen an, ohne den
Schwächen der Kultur seiner Zeit nachzugeben.
14. Mit dem Apostolischen Schreiben Octogesima
adveniens von 1971 thematisierte Papst
Paul VI.
dann den Sinn der Politik und die Gefahr seitens utopistischer und
ideologischer Visionen, die ihre ethische und menschliche Qualität
beeinträchtigten. Es handelt sich um Argumente, die mit der Entwicklung eng
verbunden sind. Leider treiben die negativen Ideologien fortwährend Blüten.
Vor der technokratischen Ideologie, die heute besonders verbreitet ist,
hatte Papst
Paul VI. bereits gewarnt,[26]
wohl wissend, daß es sehr gefährlich ist, den gesamten Entwicklungsprozeß
allein der Technik zu überlassen, denn auf diese Weise würde ihm die
Orientierung fehlen. Technik, für sich genommen, ist ambivalent. Wenn heute
einerseits die Neigung besteht, ihr den besagten Entwicklungsprozeß gänzlich
anzuvertrauen, ist andererseits das Aufkommen von Ideologien zu beobachten,
welche die Nützlichkeit der Entwicklung überhaupt leugnen, weil sie sie für
grundsätzlich anti-menschlich halten und meinen, sie führe zu allgemeinem
Verfall. So verurteilt man letztlich nicht nur die verzerrte und ungerechte
Weise, in der die Menschen manchmal den Fortschritt orientieren, sondern die
wissenschaftlichen Entdeckungen selbst, die hingegen, wenn sie recht genutzt
werden, eine Wachstumschance für alle darstellen. Die Vorstellung von einer
Welt ohne Entwicklung drückt Mißtrauen gegenüber dem Menschen und gegenüber
Gott aus. Es ist also ein schwerer Irrtum, die menschlichen Fähigkeiten zur
Kontrolle von Auswüchsen in der Entwicklung geringzuschätzen, oder sogar zu
ignorieren, daß der Mensch konstitutiv dem »Mehr-Sein« entgegenstrebt. Den
technischen Fortschritt ideologisch zu verabsolutieren oder die Utopie einer
zum ursprünglichen Naturzustand zurückgekehrten Menschheit zu erträumen,
sind zwei gegensätzliche Weisen, den Fortschritt von der moralischen
Bewertung und somit von unserer Verantwortung zu trennen.
15. Zwei weitere Dokumente Papst
Pauls VI.,
die nicht unmittelbar mit der Soziallehre zusammenhängen – die Enzyklika
Humanae vitae vom 25. Juli 1968 und das Apostolische Schreiben
Evangelii nuntiandi vom 8. Dezember 1975 – sind sehr wichtig, um den
vollkommen menschlichen Gehalt der von der Kirche vorgeschlagenen
Entwicklung zu beschreiben. Es ist also angebracht, auch diese beiden
Texte in Verbindung mit Populorum progressio zu lesen.
Die Enzyklika Humanae vitae unterstreicht die zweifache Bedeutung
der Sexualität als Vereinigung und als Zeugung und gründet damit die
Gesellschaft auf das Fundament des Ehepaares, eines Mannes und einer Frau,
die sich gegenseitig annehmen in ihrer Unterschiedenheit und
Komplementarität; eines Paares also, das offen ist für das Leben.[27]
Es handelt sich nicht um eine bloß individuelle Moral: Humanae vitae
zeigt die starken Verbindungen auf, die zwischen der Ethik des
Lebens und der Sozialethik bestehen, und hat damit eine lehramtliche
Thematik eröffnet, die nach und nach in verschiedenen Dokumenten Gestalt
gewonnen hat, zuletzt in der Enzyklika
Evangelium vitae Papst
Johannes Pauls II.[28]
Die Kirche betont mit Nachdruck diesen Zusammenhang zwischen der Ethik des
Lebens und der Sozialethik, denn sie weiß: Unmöglich »kann eine Gesellschaft
gesicherte Grundlagen haben, die – während sie Werte wie Würde der Person,
Gerechtigkeit und Frieden geltend macht – sich von Grund auf widerspricht,
wenn sie die verschiedensten Formen von Mißachtung und Verletzung des
menschlichen Lebens akzeptiert oder duldet, vor allem, wenn es sich um
schwaches oder ausgegrenztes Leben handelt«.[29]
Das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi hat seinerseits
eine sehr enge Beziehung zur Entwicklung, denn »die Evangelisierung wäre
nicht vollkommen«, schrieb Papst
Paul VI.,
»wenn sie nicht dem Umstand Rechnung tragen würde, daß sich im Lauf der Zeit
das Evangelium und das konkrete, persönliche und gemeinschaftliche Leben des
Menschen gegenseitig fordern«.[30]
»Zwischen Evangelisierung und menschlicher Förderung – Entwicklung und
Befreiung – bestehen in der Tat enge Verbindungen«:[31]
Von dieser Kenntnis ausgehend, stellte Papst
Paul VI.
die Beziehung zwischen der Verkündigung Christi und der Förderung des
Menschen in der Gesellschaft klar heraus. Das Zeugnis für die Liebe
Christi durch Werke der Gerechtigkeit, des Friedens und der Entwicklung
gehört zur Evangelisierung, denn dem uns in Liebe zugewandten Jesus
Christus liegt der ganze Mensch am Herzen. Auf diese wichtigen Lehren
gründet sich der missionarische Aspekt[32]
der Soziallehre der Kirche als wesentliches Element der Evangelisierung.[33]
Die Soziallehre der Kirche ist Glaubensverkündigung und Glaubenszeugnis. Sie
ist Instrument und unverzichtbarer Ort der Erziehung zum Glauben.
16. In der Enzyklika Populorum progressio wollte
Papst Paul
VI. uns vor allem sagen, daß der Fortschritt in seinem Ursprung und
seinem Wesen nach eine Berufung ist: »Nach dem Plan Gottes ist jeder
Mensch gerufen, sich zu entwickeln; denn das ganze Leben ist Berufung«.[34]
Genau dieses Faktum rechtfertigt das Eingreifen der Kirche in den
Problemkomplex der Entwicklung. Wenn es nur um technische Aspekte des
menschlichen Lebens ginge und der Mensch weder den Sinn seines
Voranschreitens in der Geschichte gemeinsam mit seinen Mitmenschen, noch die
Zielbestimmung dieses Weges beachten würde, dann hätte die Kirche kein
Recht, über diese Dinge zu sprechen. Papst
Paul VI.
war sich – wie schon sein Vorgänger Papst
Leo XIII.
in der Enzyklika Rerum novarum[35]
– bewußt, eine seinem Amt eigene Pflicht zu erfüllen, indem er das Licht des
Evangeliums auf die sozialen Fragen seiner Zeit warf.[36]
Wenn man sagt, daß die Entwicklung eine Berufung ist, bedeutet das
anzuerkennen, daß sie zum einen aus einem transzendenten Ruf hervorgeht und
zum andern nicht in der Lage ist, sich selbst ihren letzten Sinn zu geben.
Nicht ohne Grund kommt das Wort »Berufung« auch an einer anderen Stelle der
Enzyklika vor, wo es heißt: »Nur jener Humanismus also ist der wahre, der
sich zum Absoluten hin öffnet, in Dank für eine Berufung, die die richtige
Auffassung vom menschlichen Leben schenkt«.[37]
Diese Sicht der Entwicklung ist das Herz von Populorum progressio und
motiviert alle Reflexionen Papst
Pauls VI.
über die Freiheit, die Wahrheit und die Liebe in der Entwicklung. Sie ist
auch der Hauptgrund, warum diese Enzyklika in unseren Tagen noch aktuell
ist.
17. Die Berufung ist ein Appell, der eine freie und
verantwortliche Antwort verlangt. Die ganzheitliche menschliche
Entwicklung setzt die verantwortliche Freiheit der Person und der
Völker voraus: keine Struktur kann diese Entwicklung garantieren,
wenn sie die menschliche Verantwortung beiseite läßt oder sich über sie
stellt. Die »Messianismen«, reich an »Verheißungen, die doch nur Gaukler
einer Traumwelt sind«,[38]
gründen ihre eigenen Vorschläge immer auf die Leugnung der transzendenten
Dimension der Entwicklung, in der Sicherheit, daß diese ihnen ganz zur
Verfügung steht. Diese falsche Sicherheit verwandelt sich in Schwäche, weil
sie die Unterjochung des Menschen mit sich bringt, der zu einem Mittel für
die Entwicklung herabgewürdigt wird, während die Demut dessen, der eine
Berufung annimmt, sich in wahre Autonomie verwandelt, weil sie den Menschen
frei macht. Papst
Paul VI.
bezweifelt nicht, daß Hindernisse und Bedingtheiten die Entwicklung hemmen,
aber er ist auch sicher, daß »jeder seines Glückes Schmied, seines Versagens
Ursache [ist], wie immer auch die Einflüsse sind, die auf ihn wirken«.[39]
Diese Freiheit betrifft die Entwicklung, die wir vor uns haben, aber sie
betrifft zugleich auch die Situationen von Unterentwicklung, die nicht ein
Ergebnis des Zufalls oder einer geschichtlichen Notwendigkeit sind, sondern
von der menschlichen Verantwortung abhängen. Aus diesem Grund bitten »die
Völker, die Hunger leiden, … die Völker im Wohlstand dringend um Hilfe«.[40]
Auch das ist Berufung, ein von freien Menschen an freie Menschen gerichteter
Appell für eine gemeinsame Übernahme von Verantwortung. Papst
Paul VI.
hatte ein lebendiges Empfinden für die Wichtigkeit der wirtschaftlichen
Strukturen und der Institutionen, aber ebenso deutlich war sein Empfinden
für deren eigentliches Wesen als Werkzeuge der menschlichen Freiheit. Nur
wenn sie frei ist, kann die Entwicklung ganz menschlich sein; nur in
Verhältnissen von verantwortlicher Freiheit kann sie in angemessener Weise
wachsen.
18. Neben der Forderung nach Freiheit verlangt die
ganzheitliche menschliche Entwicklung als Berufung auch, daß ihre Wahrheit
respektiert wird. Die Berufung zum Fortschritt drängt die Menschen,
»mehr [zu] handeln, mehr [zu] erkennen, mehr [zu] besitzen, um mehr zu
sein«.[41]
Doch da stellt sich das Problem: Was bedeutet »mehr sein«? Auf diese Frage
antwortet Papst
Paul VI.,
indem er auf das wesentliche Kennzeichen der »wahren Entwicklung« verweist:
Sie muß »umfassend sein, sie muß den ganzen Menschen im Auge haben und die
gesamte Menschheit«.[42]
In der Konkurrenz der verschiedenen Auffassungen vom Menschen, von denen es
in der heutigen Gesellschaft noch mehr gibt als zur Zeit Papst
Pauls VI.,
hat die christliche Sichtweise die Besonderheit, den unveräußerlichen Wert
des Menschen und den Sinn seines Wachsens zu bekräftigen und zu
rechtfertigen. Die christliche Berufung zur Entwicklung hilft, die Förderung
aller Menschen und des ganzen Menschen zu verfolgen. Papst
Paul VI.
schrieb: »Was für uns zählt, ist der Mensch, der einzelne, die Gruppe von
Menschen bis zur gesamten Menschheit«.[43]
Der christliche Glaube kümmert sich um die Entwicklung, ohne sich auf
Privilegien oder auf Machtpositionen und nicht einmal auf die Verdienste der
Christen zu verlassen, auch wenn es sie gab und auch heute abgesehen von
natürlichen Grenzen gibt.[44]
Der Glaube setzt vielmehr einzig auf Christus, auf den jede echte Berufung
zur ganzheitlichen menschlichen Entwicklung zurückzuführen ist. Das
Evangelium ist grundlegendes Element der Entwicklung, denn darin macht
Christus »in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe
dem Menschen den Menschen selbst voll kund«.[45]
Von ihrem Herrn belehrt, erforscht die Kirche die Zeichen der Zeit, deutet
sie und bietet der Welt »ihr Ureigenstes: eine umfassende Sicht des Menschen
und der Menschheit«.[46]
Gerade weil Gott das größte »Ja« zum Menschen sagt,[47]
kann der Mensch nicht darauf verzichten, sich der göttlichen Berufung zu
öffnen, um die eigene Entwicklung zu verwirklichen. Die Wahrheit der
Entwicklung besteht in ihrer Ganzheit: Wenn die Entwicklung nicht den ganzen
Menschen und jeden Menschen betrifft, ist sie keine wahre Entwicklung. Das
ist die zentrale Botschaft von Populorum progressio, die heute und
immer gilt. Die ganzheitliche Entwicklung des Menschen auf der natürlichen
Ebene als Antwort auf eine Berufung durch den Schöpfergott[48]
erfordert ihre Verwirklichung in einem »Humanismus jenseitiger … Art, der
[dem Menschen] eine umgreifende Vollendung schenkt: das ist das Ziel und der
letzte Sinn menschlicher Entwicklung«.[49]
Die christliche Berufung zu dieser Entwicklung betrifft also sowohl die
natürliche als auch die übernatürliche Ebene; aus diesem Grund gilt: »Wenn
Gott in den Schatten gestellt wird, schwindet unsere Fähigkeit, die
natürliche Ordnung, ihr Ziel und das ‚Gute‘ zu erkennen, allmählich dahin«.[50]
19. Schließlich verlangt die Auffassung von der
Entwicklung als Berufung, daß in ihr die Liebe im Zentrum steht.
Papst Paul
VI. stellte in der Enzyklika Populorum progressio fest, daß die
Ursachen der Unterentwicklung nicht in erster Linie materieller Art sind. Er
forderte uns auf, sie in anderen Dimensionen des Menschen zu suchen. Vor
allem im Willen, der oft die Pflichten der Solidarität mißachtet. An zweiter
Stelle im Denken, das den Willen nicht immer in rechter Weise zu orientieren
weiß. Zu begleiten wäre die Entwicklung daher durch »weise Menschen mit
tiefen Gedanken, die nach einem neuen Humanismus Ausschau halten, der den
Menschen von heute sich selbst finden läßt«.[51]
Aber das ist nicht alles. Die Unterentwicklung hat eine Ursache, die noch
wichtiger ist als die Unzulänglichkeit im Denken: Es ist das »Fehlen des
brüderlichen Geistes unter den Menschen und unter den Völkern«.[52]
Können die Menschen eine solche Brüderlichkeit jemals aus eigenem Antrieb
erreichen? Die zunehmend globalisierte Gesellschaft macht uns zu Nachbarn,
aber nicht zu Geschwistern. Die Vernunft für sich allein ist imstande, die
Gleichheit unter den Menschen zu begreifen und ein bürgerliches
Zusammenleben herzustellen, aber es gelingt ihr nicht, Brüderlichkeit zu
schaffen. Diese hat ihren Ursprung in einer transzendenten Berufung durch
Gott den Vater, der uns zuerst geliebt hat und uns durch den Sohn lehrt, was
geschwisterliche Liebe ist. In seiner Darstellung der verschiedenen Ebenen
des Entwicklungsprozesses des Menschen stellte Papst Paul VI., nachdem er
den Glauben erwähnt hatte, an die Spitze »die Einheit in der Liebe Christi,
der alle gerufen hat, als Kinder am Leben des lebendigen Gottes
teilzunehmen, des Vaters aller Menschen«.[53]
20. Diese von Populorum progressio eröffneten
Perspektiven bleiben grundlegend, um unserem Einsatz für die Entwicklung der
Völker Schwung und Orientierung zu verleihen. Die Enzyklika unterstreicht
außerdem immer wieder die Dringlichkeit von Reformen[54]
und ruft dann auf, angesichts der großen Probleme der Ungerechtigkeit in der
Entwicklung der Völker mutig und ohne Zögern zu handeln. Auch die Liebe
in der Wahrheit schreibt diese Dringlichkeit vor. Die Liebe Christi ist
es, die uns drängt: »caritas Christi urget nos« (2 Kor 5, 14).
Die Dringlichkeit liegt nicht nur in den Gegebenheiten, sie ergibt sich
nicht nur daraus, daß die Ereignisse und Probleme sich überstürzen, sondern
auch aus der ausgesetzten Prämie: die Verwirklichung einer echten
Brüderlichkeit. Dieses Ziel hat eine solche Bedeutung, daß es unsere
Aufgeschlossenheit erfordert, damit wir es zutiefst begreifen und uns
konkret und »von Herzen« dafür engagieren, daß die aktuellen
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse zu wahrhaft menschlichen
Ergebnissen führen.
ZWEITES KAPITEL
DIE ENTWICKLUNG DES MENSCHEN IN UNSERER ZEIT
21. Papst
Paul VI.
hatte eine differenzierte Sicht der Entwicklung. Mit dem Begriff
»Entwicklung« wollte er das Ziel anzeigen, den Völkern vor allem zu einer
Überwindung von Hunger, Elend, endemischen Krankheiten und Analphabetismus
zu verhelfen. Das bedeutete vom ökonomischen Gesichtspunkt aus ihre aktive
Teilnahme am internationalen Wirtschaftsprozeß unter paritätischen
Bedingungen; vom sozialen Gesichtspunkt aus ihre Entwicklung zu gebildeten
und solidarischen Gesellschaften; vom politischen Gesichtspunkt aus die
Konsolidierung demokratischer Regime, die imstande sind, Freiheit und
Frieden zu sichern. Während wir nun nach vielen Jahren mit Besorgnis auf die
Entwicklungen und auf die Perspektiven der Krisen schauen, die in diesen
Zeiten einander folgen, fragen wir uns, wie weit die Erwartungen Papst
Pauls VI. von dem in den letzten Jahrzehnten angewendeten
Entwicklungsmodell befriedigt worden sind. Wir erkennen so, daß die
Befürchtungen der Kirche bezüglich der Fähigkeiten des rein technisch
orientierten Menschen, sich realistische Ziele zu setzen und die zur
Verfügung stehenden Mittel in angemessener Weise zu handhaben, begründet
waren. Der Gewinn ist nützlich, wenn er in seiner Eigenschaft als Mittel
einem Zweck zugeordnet ist, welcher der Art und Weise seiner Erlangung
ebenso wie der seiner Verwendung einen Sinn verleiht. Die ausschließliche
Ausrichtung auf Gewinn läuft, wenn dieser auf ungute Weise erzielt wird und
sein Endzweck nicht das Gemeinwohl ist, Gefahr, Vermögen zu zerstören und
Armut zu schaffen. Die von Papst
Paul VI.
herbeigewünschte wirtschaftliche Entwicklung sollte so geartet sein, daß sie
ein reales, auf alle ausdehnbares und konkret nachhaltiges Wachstum
hervorruft. Es trifft zu, daß die Entwicklung ein positiver Faktor war und
weiterhin ist, der Milliarden von Menschen aus dem Elend befreit und in
letzter Zeit vielen Ländern die Möglichkeit gegeben hat, wirksame Partner in
der internationalen Politik zu werden. Man muß jedoch zugeben, daß ebendiese
wirtschaftliche Entwicklung durch Verzerrungen und dramatische Probleme
belastet war und weiterhin ist, die durch die augenblickliche
Krisensituation noch mehr in den Vordergrund treten. Diese stellt uns
unaufschiebbar vor Entscheidungen, die zunehmend die Bestimmung des Menschen
selbst betreffen, der im übrigen nicht von seiner Natur absehen kann. Die
auf dem Plan befindlichen technischen Kräfte, die weltweiten
Wechselbeziehungen, die schädlichen Auswirkungen einer schlecht eingesetzten
und darüber hinaus spekulativen Finanzaktivität auf die Realwirtschaft, die
stattlichen, oft nur ausgelösten und dann nicht angemessen geleiteten
Migrationsströme, die unkontrollierte Ausbeutung der Erdressourcen – all das
veranlaßt uns heute, über die notwendigen Maßnahmen zur Lösung von Problemen
nachzudenken, die im Vergleich zu den von Papst
Paul VI.
unternommenen nicht nur neu sind, sondern auch und vor allem einen
entscheidenden Einfluß auf das gegenwärtige und zukünftige Wohl der
Menschheit haben. Die Aspekte der Krise und ihrer Lösungen wie auch die
einer zukünftigen neuen möglichen Entwicklung sind immer mehr miteinander
verbunden, sie bedingen sich gegenseitig, erfordern neue Bemühungen um ein
Gesamtverständnis und eine neue humanistische Synthese. Die
Kompliziertheit und Schwere der augenblicklichen wirtschaftlichen Krise
besorgt uns zu Recht, doch müssen wir mit Realismus, Vertrauen und Hoffnung
die neuen Verantwortungen übernehmen, zu denen uns das Szenario einer Welt
ruft, die einer tiefgreifenden kulturellen Erneuerung und der
Wiederentdeckung von Grundwerten bedarf, auf denen eine bessere Zukunft
aufzubauen ist. Die Krise verpflichtet uns, unseren Weg neu zu planen, uns
neue Regeln zu geben und neue Einsatzformen zu finden, auf positive
Erfahrungen zuzusteuern und die negativen zu verwerfen. So wird die Krise
Anlaß zu Unterscheidung und neuer Planung. In dieser eher
zuversichtlichen als resignierten Grundhaltung müssen die Schwierigkeiten
des gegenwärtigen Augenblicks in Angriff genommen werden.
22. Heute ist der Rahmen der Entwicklung polyzentrisch.
Die Akteure und die Ursachen sowohl der Unterentwicklung als auch der
Entwicklung sind vielgestaltig, Schuld und Verdienste sind voneinander zu
unterscheiden. Diese Gegebenheit müßte dazu drängen, sich von den Ideologien
zu befreien, die in oft künstlicher Weise die Realität vereinfachen, und
dazu veranlassen, objektiv die menschliche Komplexität der Probleme zu
überprüfen. Die Demarkationslinie zwischen reichen und armen Ländern ist
nicht mehr so deutlich wie zur Zeit der Enzyklika Populorum progressio;
darauf hatte schon Papst Johannes Paul II. hingewiesen.[55]
Absolut gesehen, nimmt der weltweite Reichtum zu, doch die Ungleichheiten
vergrößern sich. In den reichen Ländern verarmen neue
Gesellschaftsklassen, und es entstehen neue Formen der Armut. In ärmeren
Regionen erfreuen sich einige Gruppen einer Art verschwenderischer und
konsumorientierter Überentwicklung, die in unannehmbarem Kontrast zu
anhaltenden Situationen entmenschlichenden Elends steht. »Der Skandal
schreiender Ungerechtigkeit«[56]
hält an. Korruption und Illegalität gibt es leider im Verhalten
wirtschaftlicher und politischer Vertreter der alten und neuen reichen
Länder ebenso wie in den armen Ländern selbst. Manchmal sind es große
transnationale Unternehmen oder auch lokale Produktionsgruppen, welche die
Menschenrechte der Arbeiter nicht respektieren. Die internationalen Hilfen
sind oft durch Verantwortungslosigkeiten sowohl in der Kette der Geber als
auch in der der Nutznießer zweckentfremdet worden. Auch im Bereich der nicht
materiellen oder der kulturellen Ursachen der Entwicklung bzw. der
Unterentwicklung können wir die gleiche Aufteilung der Verantwortung finden.
Es gibt übertriebene Formen des Wissensschutzes seitens der reichen Länder
durch eine zu strenge Anwendung des Rechtes auf geistiges Eigentum, speziell
im medizinischen Bereich. Zugleich bestehen in einigen armen Ländern
kulturelle Leitbilder und gesellschaftliche Verhaltensnormen fort, die den
Entwicklungsprozeß bremsen.
23. Viele Regionen der Erde haben sich heute, wenn auch
auf problematische und nicht homogene Weise, fortentwickelt und sind in den
Kreis der großen Mächte eingetreten, die dazu bestimmt sind, in Zukunft
wichtige Rollen zu spielen. Es muß jedoch unterstrichen werden, daß ein
Fortschritt allein unter wirtschaftlichem und technologischem Gesichtspunkt
nicht genügt. Es ist notwendig, daß die Entwicklung vor allem echt und
ganzheitlich ist. Das Heraustreten aus dem wirtschaftlichen
Entwicklungsrückstand, ein an sich positives Faktum, löst nicht die komplexe
Problematik der Förderung des Menschen: weder für die unmittelbar von diesem
Fortschritt selbst betroffenen Länder, noch für die wirtschaftlich bereits
entwickelten, und auch nicht für die noch armen Länder, die nicht nur unter
den alten Formen der Ausbeutung, sondern auch unter den negativen
Konsequenzen eines durch Verzerrungen und Unausgeglichenheiten
gekennzeichneten Wachstums leiden können.
Nach dem Zusammenbruch der wirtschaftlichen und politischen Systeme der
kommunistischen Länder Osteuropas und dem Ende der sogenannten „gegnerischen
Blöcke“ wäre ein umfassendes Überdenken der Entwicklung nötig gewesen. Das
hatte Papst
Johannes Paul II. gefordert, der 1987 die Existenz dieser „Blöcke“ als
eine der Hauptursachen der Unterentwicklung ausgewiesen hatte,[57]
insofern die Politik der Wirtschaft und der Kultur Geldmittel entzog und die
Ideologie die Freiheit behinderte. Im Jahr 1991, nach den Ereignissen von
1989, forderte er auch, daß dem Ende der „Blöcke“ eine globale
Neuplanung der Entwicklung entsprechen müsse, und zwar nicht nur in jenen
Ländern, sondern auch im Westen und in jenen Teilen der Welt, die sich im
Stadium der Entwicklung befanden.[58]
Das ist nur zum Teil geschehen und bleibt weiter eine echte Verpflichtung,
der Genüge getan werden muß, indem man vielleicht gerade aus den zur
Überwindung der aktuellen wirtschaftlichen Probleme notwendigen
Entscheidungen Nutzen zieht.
24. Obwohl man angesichts des schon fortgeschrittenen
Prozesses der Sozialisierung von einer weltweit gewordenen sozialen Frage
sprechen konnte, war die Welt, die Papst
Paul VI.
vor sich hatte, noch viel weniger zusammengewachsen als die heutige.
Wirtschaftliche Aktivität und politische Tätigkeit spielten sich großenteils
im selben räumlichen Bereich ab und konnten sich so aufeinander verlassen.
Die produktive Tätigkeit geschah vornehmlich innerhalb der nationalen
Grenzen, und die finanziellen Investitionen hatten eine eher begrenzte
Zirkulation im Ausland, so daß die Politik vieler Staaten noch die
Prioritäten der Wirtschaft festsetzen und mit den ihr noch zur Verfügung
stehenden Mitteln deren Fortgang in gewisser Weise regeln konnte. Aus diesem
Grund schrieb Populorum progressio der »staatlichen Gewalt«[59]
eine zentrale, wenn auch nicht ausschließliche Aufgabe zu.
In unserer Zeit sieht sich der Staat mit der Situation konfrontiert, sich
mit den Beschränkungen auseinandersetzen zu müssen, die der neue
internationale ökonomisch-kommerzielle und finanzielle Kontext seiner
Souveränität in den Weg legt – ein Kontext, der sich auch durch eine
zunehmende Mobilität des Finanzkapitals und der materiellen wie nicht
materiellen Produktionsmittel auszeichnet. Dieser neue Kontext hat die
politische Macht der Staaten verändert.
Heute – auch unter dem Eindruck der Lektion, die uns die augenblickliche
Wirtschaftskrise erteilt, in der die staatliche Gewalt unmittelbar
damit beschäftigt ist, Irrtümer und Mißwirtschaft zu korrigieren – scheint
eine neue Wertbestimmung der Rolle und der Macht der Staaten
realistischer; beides muß klug neu bedacht und abgeschätzt werden, so daß
die Staaten wieder imstande sind – auch durch neue Modalitäten der Ausübung
–, sich den Herausforderungen der heutigen Welt zu stellen. Mit einer besser
ausgewogenen Rolle der staatlichen Gewalt kann man davon ausgehen, daß sich
jene neuen Formen der Teilnahme an der nationalen und internationalen
Politik stärken, die sich durch die Tätigkeit der in der Zivilgesellschaft
arbeitenden Organisationen verwirklichen. Es ist wünschenswert, daß in
dieser Richtung eine tiefer empfundene Aufmerksamkeit und Anteilnahme der
Bürger an der Res publica wachse.
25. Vom sozialen Gesichtspunkt aus haben die Schutz-
und Fürsorgeeinrichtungen, die es schon zur Zeit Papst
Pauls VI.
in vielen Ländern gab, Mühe – und in Zukunft könnte es noch schwieriger
werden –, ihre Ziele wirklicher sozialer Gerechtigkeit in einem zutiefst
veränderten Kräftespiel zu verfolgen. Der global gewordene Markt hat vor
allem bei den reichen Ländern die Suche nach Zonen angetrieben, in die die
Produktion zu Niedrigpreisen verlagert werden kann, mit dem Ziel, die Preise
vieler Waren zu senken, die Kaufkraft zu steigern und somit die auf
vermehrtem Konsum basierenden Wachstumsraten für den eigenen internen Markt
zu erhöhen. Folglich hat der Markt neue Formen des Wettstreits unter den
Staaten angeregt, die darauf abzielen, mit verschiedenen Mitteln – darunter
günstige Steuersätze und die Deregulierung der Arbeitswelt –
Produktionszentren ausländischer Unternehmen anzuziehen. Diese Prozesse
haben dazu geführt, daß die Suche nach größeren Wettbewerbsvorteilen auf dem
Weltmarkt mit einer Reduzierung der Netze der sozialen Sicherheit
bezahlt wurde, was die Rechte der Arbeiter, die fundamentalen Menschenrechte
und die in den traditionellen Formen des Sozialstaates verwirklichte
Solidarität in ernste Gefahr bringt. Die Systeme der sozialen Sicherheit
können die Fähigkeit verlieren, ihre Aufgabe zu erfüllen, und zwar nicht nur
in den armen Ländern, sondern auch in den Schwellenländern und in den seit
langem entwickelten Ländern. Hier kann die Haushaltspolitik mit Streichungen
in den Sozialausgaben, die häufig auch von den internationalen
Finanzinstituten angeregt werden, die Bürger machtlos neuen und alten
Gefahren aussetzen; diese Machtlosigkeit wird durch das Fehlen eines
wirksamen Schutzes durch die Arbeitnehmervereinigungen noch erhöht. Die
Gesamtheit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen
bewirkt, daß die Gewerkschaftsorganisationen bei der Ausübung ihrer
Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten, auf größere
Schwierigkeiten stoßen, auch weil die Regierungen aus Gründen des
wirtschaftlichen Nutzens oft die gewerkschaftlichen Freiheiten oder die
Verhandlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften selbst einschränken. So haben
die traditionellen Netze der Solidarität wachsende Hindernisse zu
überwinden. Der Vorschlag seitens der Soziallehre der Kirche – angefangen
von der Enzyklika Rerum novarum[60]
–, Arbeitnehmervereinigungen zur Verteidigung der eigenen Rechte ins Leben
zu rufen, sollte darum heute noch mehr nachgekommen werden als früher, indem
man vor allem eine sofortige und weitblickende Antwort auf die Dringlichkeit
gibt, neue Formen des Zusammenwirkens nicht nur auf lokaler, sondern auch
auf internationaler Ebene einzuführen.
Die Arbeitsmobilität ist in Verbindung mit der verbreiteten
Deregulierung ein wichtiges Phänomen nicht ohne positive Aspekte gewesen,
denn sie ist imstande, die Produktion von neuem Vermögen und den Austausch
zwischen verschiedenen Kulturen anzuregen. Wenn jedoch die Unsicherheit
bezüglich der Arbeitsbedingungen infolge von Prozessen der Mobilität und der
Deregulierung um sich greift, bilden sich Formen psychologischer
Instabilität aus, Schwierigkeiten, eigene konsequente Lebensplanungen zu
entwickeln, auch im Hinblick auf die Ehe. In der Folge ergeben sich
Situationen nicht nur sozialer Kräftevergeudung, sondern auch menschlichen
Niedergangs. Vergleicht man dies mit dem, was in der Industriegesellschaft
der Vergangenheit geschah, so provoziert die Arbeitslosigkeit heute neue
Aspekte wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit, und die augenblickliche Krise
kann die Situation nur noch verschlechtern. Der langzeitige Ausschluß von
der Arbeit oder die längere Abhängigkeit von öffentlicher oder privater
Hilfe untergraben die Freiheit und die Kreativität der Person sowie ihre
familiären und gesellschaftlichen Beziehungen, was schwere Leiden auf
psychologischer und spiritueller Ebene mit sich bringt. Allen, besonders den
Regierenden, die damit beschäftigt sind, den Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnungen der Welt ein erneuertes Profil zu geben, möchte ich
in Erinnerung rufen, daß das erste zu schützende und zu nutzende Kapital
der Mensch ist, die Person in ihrer Ganzheit – »ist doch der Mensch
Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft«.[61]
26. Auf kultureller Ebene ist der Unterschied im
Vergleich zur Zeit Papst
Pauls VI.
noch markanter. Damals waren die Kulturen ziemlich gut umschrieben und
hatten größere Chancen, sich vor Versuchen kultureller Homogenisierung zu
schützen. Heute haben die Möglichkeiten der Wechselwirkung zwischen den
Kulturen beträchtlich zugenommen und geben Raum für neue Perspektiven
des interkulturellen Dialogs – eines Dialogs, der, um wirkungsvoll zu sein,
von den verschiedenen Gesprächspartnern als Ausgangspunkt das tiefe
Bewußtsein ihrer spezifischen Identität verlangt. Man darf dabei allerdings
nicht außer Acht lassen, daß die zunehmende Kommerzialisierung des
Kulturaustauschs heute eine zweifache Gefahr begünstigt. An erster Stelle
ist ein häufig unkritisch angenommener kultureller Eklektizismus zu
beobachten: Die Kulturen werden einfach nebeneinander gestellt und als im
wesentlichen gleichwertig und untereinander austauschbar betrachtet. Das
fördert das Abgleiten in einen Relativismus, der dem wahren interkulturellen
Dialog wenig hilfreich ist; auf gesellschaftlicher Ebene bewirkt der
kulturelle Relativismus ein getrenntes Nebeneinanderher-Leben der
Kulturgruppen ohne echten Dialog und folglich ohne wirkliche Integration. An
zweiter Stelle existiert die entgegengesetzte Gefahr, die in der
kulturellen Verflachung und der Vereinheitlichung der Verhaltensweisen
und der Lebensstile besteht. Auf diese Weise geht die tiefe Bedeutung der
Kultur der verschiedenen Nationen und der Traditionen der verschiedenen
Völker verloren, in denen der Mensch sich mit den Grundfragen der Existenz
auseinandersetzt.[62]
Eklektizismus und kulturelle Nivellierung laufen auf die Trennung der Kultur
von der menschlichen Natur hinaus. So können die Kulturen ihr Maß nicht mehr
in einer Natur finden, die über sie hinausgeht,[63]
und reduzieren den Menschen schließlich auf ein bloßes kulturelles Phänomen.
Wenn das geschieht, gerät die Menschheit in neue Gefahren der Hörigkeit und
der Manipulation.
27. In vielen armen Ländern hält als Folge der
Nahrungsmittelknappheit die extreme Unsicherheit des Lebens an und läuft
Gefahr, sich noch zu verschärfen: Der Hunger rafft noch zahllose
Opfer unter den vielen Menschen gleich dem »Lazarus« hinweg, denen es nicht
gestattet ist, mit dem Reichen an derselben Tafel zu sitzen – wie Papst
Paul VI.
es gewünscht hatte.[64]
Den Hungrigen zu essen geben (vgl. Mt 25, 35.37.42) ist ein
ethischer Imperativ für die Weltkirche, die den Lehren ihres Gründers Jesus
Christus über Solidarität und Teilen entspricht. Den Hunger in der Welt zu
beseitigen, ist darüber hinaus in der Ära der Globalisierung auch ein Ziel
geworden, das notwendigerweise verfolgt werden muß, um den Frieden und die
Stabilität auf der Erde zu bewahren. Der Hunger hängt weniger von einem
materiellen Mangel ab, als vielmehr von einem Mangel an gesellschaftlichen
Ressourcen, deren wichtigste institutioneller Natur ist. Das heißt, es fehlt
eine Ordnung wirtschaftlicher Institutionen, die in der Lage sind, sowohl
einen der richtigen Ernährung angemessenen regulären Zugang zu Wasser und
Nahrungsmitteln zu garantieren, als auch die Engpässe zu bewältigen, die mit
den Grundbedürfnissen und dem Notstand im Fall echter Nahrungsmittelkrisen
verbunden sind – Krisen, die natürliche Ursachen haben können oder auch
durch nationale und internationale politische Verantwortungslosigkeit
hervorgerufen werden. Das Problem der Unsicherheit auf dem Gebiet der
Ernährung muß in einer langfristigen Perspektive in Angriff genommen werden,
indem man die strukturellen Ursachen, die sie hervorrufen, beseitigt und die
landwirtschaftliche Entwicklung der ärmsten Länder fördert. Dies kann
geschehen durch Investitionen in die ländliche Infrastruktur, in
Bewässerungssysteme, in Transportwesen, in die Organisation von Märkten, in
die Bildung und Verbreitung von geeigneten landwirtschaftlichen Techniken –
also durch Investitionen, die geeignet sind, die menschlichen, natürlichen
und sozioökonomischen Ressourcen, die auf lokaler Ebene am zugänglichsten
sind, bestmöglich zu nutzen, so daß die Nachhaltigkeit dieser Investitionen
auch langfristig gewährleistet ist. All das muß verwirklicht werden, indem
man die lokalen Gemeinschaften in die Auswahl des Ackerlandes und die
Entscheidungen bezüglich seiner Nutzung mit einbezieht. Aus dieser Sicht
könnte es sich als hilfreich erweisen, die neuen Horizonte zu betrachten,
die sich durch einen richtigen Einsatz der traditionellen wie auch der
innovativen landwirtschaftlichen Produktionstechniken auftun, vorausgesetzt,
daß letztere nach angemessener Prüfung als zweckmäßig, umweltfreundlich und
für die am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen als zuträglich
erkannt wurden. Gleichzeitig sollte die Frage einer gerechten Agrarreform in
den Entwicklungsländern nicht vernachlässigt werden. Das Recht auf Ernährung
sowie das auf Wasser spielen eine wichtige Rolle für die Erlangung anderer
Rechte, angefangen vor allem mit dem Grundrecht auf Leben. Darum ist es
notwendig, daß ein solidarisches Bewußtsein reift, welches die Ernährung
und den Zugang zum Wasser als allgemeine Rechte aller Menschen
betrachtet, ohne Unterscheidungen und Diskriminierungen.[65]
Außerdem ist es wichtig zu verdeutlichen, wie der Weg der Solidarisierung
mit den armen Ländern ein Projekt zur Lösung der augenblicklichen weltweiten
Krise darstellen kann; Politiker und Verantwortliche internationaler
Institutionen haben das in letzter Zeit erfaßt. Indem man durch solidarisch
ausgerichtete Finanzierungspläne die armen Länder wirtschaftlich
unterstützt, damit sie selber dafür sorgen, die Nachfrage ihrer Bürger nach
Konsumgütern und Entwicklung zu befriedigen, kann man nicht nur ein echtes
Wirtschaftswachstum erzielen, sondern auch dazu beitragen, die
Produktionskapazitäten der reichen Länder zu erhalten, die Gefahr laufen,
durch die Krise in Mitleidenschaft gezogen zu werden.
28. Einer der augenscheinlichsten Aspekte der heutigen
Entwicklung ist die Wichtigkeit des Themas der Achtung vor dem Leben,
das in keiner Weise von den Fragen bezüglich der Entwicklung der Völker
getrennt werden kann. Es handelt sich um einen Aspekt, der in letzter Zeit
eine immer größere Bedeutung gewinnt und uns verpflichtet, die Begriffe von
Armut[66]
und Unterentwicklung auf die Fragen auszudehnen, die mit der Annahme des
Lebens verbunden sind, vor allem dort, wo dieses in verschiedener Weise
behindert wird.
Nicht nur die Situation der Armut verursacht noch in vielen Regionen hohe
Quoten der Kindersterblichkeit, sondern in verschiedenen Teilen der Welt
gibt es weiterhin Praktiken der Bevölkerungskontrolle durch die Regierungen,
die oft die Empfängnisverhütung verbreiten und sogar so weit gehen, die
Abtreibung anzuordnen. In den wirtschaftlich mehr entwickelten Ländern sind
die lebensfeindlichen Gesetzgebungen sehr verbreitet und haben bereits die
Gewohnheit und die Praxis entscheidend beeinflußt; sie tragen dazu bei, eine
geburtenfeindliche Mentalität zu lancieren, die man häufig auch auf andere
Staaten zu übertragen sucht, als stelle sie einen kulturellen Fortschritt
dar.
Einige Nichtregierungsorganisationen arbeiten aktiv für die Verbreitung
der Abtreibung und fördern manchmal in den armen Ländern die Entscheidung
für die Praxis der Sterilisierung, auch bei Frauen, die sich der Bedeutung
des Eingriffs nicht bewußt sind. Außerdem besteht der begründete Verdacht,
daß gelegentlich die Entwicklungshilfe selbst an bestimmte Formen der
Gesundheitspolitik geknüpft wird, die de facto die Auferlegung starker
Geburtenkontrollen einschließen. Besorgniserregend sind ferner
Gesetzgebungen, welche die Euthanasie vorsehen, und ebenso beunruhigend auch
der Druck von nationalen und internationalen Gruppen, die deren rechtliche
Anerkennung fordern.
Die Offenheit für das Leben steht im Zentrum der wahren Entwicklung.
Wenn eine Gesellschaft den Weg der Lebensverweigerung oder -unterdrückung
einschlägt, wird sie schließlich nicht mehr die nötigen Motivationen und
Energien finden, um sich für das wahre Wohl des Menschen einzusetzen. Wenn
der persönliche und gesellschaftliche Sinn für die Annahme eines neuen
Lebens verlorengeht, verdorren auch andere, für das gesellschaftliche Leben
hilfreiche Formen der Annahme.[67]
Die Annahme des Lebens stärkt die moralischen Kräfte und befähigt zu
gegenseitiger Hilfe. Wenn die reichen Völker die Offenheit für das Leben
pflegen, können sie die Bedürfnisse der armen Völker besser verstehen, die
Verwendung ungeheurer wirtschaftlicher und intellektueller Ressourcen zur
Befriedigung egoistischer Wünsche bei den eigenen Bürgern vermeiden und
statt dessen gute Aktionen im Hinblick auf eine moralisch gesunde und
solidarische Produktion fördern, in der Achtung des Grundrechtes jedes
Volkes und jedes Menschen auf das Leben.
29. Es gibt noch einen anderen Aspekt des heutigen
Lebens, der mit der Entwicklung sehr eng verbunden ist: die Verweigerung des
Rechtes auf Religionsfreiheit. Ich beziehe mich nicht nur auf die
Kämpfe und Konflikte, die in der Welt noch aus religiösen Gründen
ausgefochten werden, auch wenn das Religiöse manchmal nur der Deckmantel für
andersartige Gründe ist wie die Gier nach Herrschaft und Reichtum.
Tatsächlich wird heute oft im heiligen Namen Gottes getötet, wie mein
Vorgänger Papst
Johannes Paul II. und ich selbst wiederholt öffentlich betont und
mißbilligt haben.[68]
Gewalt aller Art bremst die authentische Entwicklung und behindert den
Übergang der Völker zu größerem sozioökonomischen und geistigen
Wohlbefinden. Das gilt speziell für den Terrorismus mit fundamentalistischem
Hintergrund,[69]
der Leid, Verwüstung und Tod verursacht, den Dialog zwischen den Nationen
blockiert und große Geldmittel von ihrem friedlichen und zivilen Einsatz
abzieht. Es muß jedoch hinzugefügt werden, daß außer dem religiösen
Fanatismus, der in einigen Bereichen die Ausübung des Rechtes auf
Religionsfreiheit verhindert, auch die planmäßige Förderung der religiösen
Indifferenz oder des praktischen Atheismus durch viele Länder den
Bedürfnissen der Entwicklung der Völker widerspricht, indem sie ihnen
spirituelle und humane Reichtümer entzieht. Gott ist der Garant der
wahren Entwicklung des Menschen, denn da er ihn nach seinem Bild
geschaffen hat, begründet er auch seine transzendente Würde und nährt sein
Grundverlangen, »mehr zu sein«. Der Mensch ist nicht etwa ein verlorenes
Atom in einem Zufalls-Universum,[70]
sondern ein Geschöpf Gottes, das von ihm eine unsterbliche Seele empfangen
hat und von Ewigkeit her geliebt worden ist. Wenn der Mensch nur das
Ergebnis des Zufalls bzw. der Notwendigkeit wäre oder wenn er seine
Bestrebungen auf den begrenzten Horizont der Situationen reduzieren müßte,
in denen er lebt, wenn alles allein Geschichte und Kultur wäre und der
Mensch nicht eine Natur besäße, die dazu bestimmt ist, sich in einem
übernatürlichen Leben selbst zu überschreiten, könnte man von Wachstum oder
Evolution sprechen, aber nicht von Entwicklung. Wenn der Staat Formen eines
praktischen Atheismus fördert, lehrt oder sogar durchsetzt, entzieht er
seinen Bürgern die moralische und geistige Kraft, die für den Einsatz in der
ganzheitlichen menschlichen Entwicklung unentbehrlich ist, und hindert sie,
mit neuer Lebendigkeit im eigenen Engagement für eine großherzigere
menschliche Antwort auf die göttliche Liebe voranzuschreiten.[71]
Es kommt auch vor, daß die wirtschaftlich entwickelten Länder oder die
Schwellenländer im Rahmen ihrer kulturellen, kommerziellen und politischen
Beziehungen diese herabwürdigende Sicht des Menschen und seiner Bestimmung
in die armen Länder exportieren. Das ist der Schaden, den die
»Überentwicklung«[72]
der echten Entwicklung zufügt, wenn sie von der »moralischen
Unterentwicklung«[73]
begleitet ist.
30. In dieser Richtung bekommt das Thema der
ganzheitlichen Entwicklung des Menschen eine noch umfassendere Tragweite:
Die Wechselbeziehung zwischen ihren vielfältigen Elementen erfordert, daß
man sich darum bemüht, die verschiedenen Ebenen des menschlichen Wissens
im Hinblick auf die Förderung einer wahren Entwicklung der Völker
interagieren zu lassen. Oft wird die Meinung vertreten, die Entwicklung
bzw. die entsprechenden sozioökonomischen Maßnahmen verlangten nur ihre
Realisierung als Frucht eines gemeinsamen Handelns. Dieses gemeinsame
Handeln muß aber orientiert werden, denn »alles soziale Handeln setzt eine
Lehre voraus«.[74]
Angesichts der Komplexität der Probleme ist es klar, daß die verschiedenen
Disziplinen mittels einer geordneten Interdisziplinarität zusammenarbeiten
müssen. Die Liebe schließt das Wissen nicht aus, ja, sie verlangt, fördert
und belebt es von innen her. Das Wissen ist niemals allein das Werk der
Intelligenz. Es kann zwar auf ein Kalkül oder Experiment reduziert werden,
wenn es aber Weisheit sein will, die imstande ist, den Menschen im Licht der
Grundprinzipien und seiner letzten Ziele zu orientieren, dann muß sie mit
dem »Salz« der Liebe »gewürzt« sein. Das Tun ist blind ohne das Wissen, und
das Wissen ist steril ohne die Liebe. Denn »der wahre Liebende [ist]
erfinderisch im Entdecken von Ursachen des Elends, im Finden der Mittel, es
zu überwinden und zu beseitigen«.[75]
Gegenüber den vor uns liegenden Phänomenen verlangt die Liebe in der
Wahrheit vor allem ein Erkennen und ein Verstehen im Bewußtsein und in der
Achtung der spezifischen Kompetenz jeder Ebene des Wissens. Die Liebe ist
keine nachträgliche Hinzufügung, gleichsam ein Anhängsel an die von den
verschiedenen Disziplinen bereits getane Arbeit, sondern sie steht mit
diesen von Anfang an im Dialog. Die Ansprüche der Liebe stehen zu denen der
Vernunft nicht im Widerspruch. Das menschliche Wissen ist ungenügend, und
die Schlußfolgerungen der Wissenschaften können allein den Weg zur
ganzheitlichen Entwicklung des Menschen nicht weisen. Es ist immer nötig,
darüber hinaus weiter vorzustoßen – das verlangt die Liebe in der
Wahrheit.[76]
Darüber hinaus zu gehen bedeutet jedoch niemals, von den Schlüssen der
Vernunft abzusehen, noch ihren Ergebnissen zu widersprechen. Intelligenz und
Liebe stehen nicht einfach nebeneinander: Es gibt die an Intelligenz
reiche Liebe und die von Liebe erfüllte Intelligenz.
31. Das bedeutet, daß die moralischen Bewertungen und
die wissenschaftliche Forschung gemeinsam wachsen müssen und daß die Liebe
sie in einer harmonischen interdisziplinären Ganzheit, die aus Einheit und
Unterschiedenheit besteht, beseelen muß. Die Soziallehre der Kirche, die »eine
wichtige interdisziplinäre Dimension«[77]
hat, kann aus dieser Perspektive eine Funktion von außerordentlicher
Wirksamkeit erfüllen. Sie gestattet dem Glauben, der Theologie, der
Metaphysik und den Wissenschaften, ihren Platz innerhalb einer
Zusammenarbeit im Dienst des Menschen zu finden. Vor allem hier realisiert
die Soziallehre der Kirche ihre auf der Weisheit beruhende Dimension. Papst
Paul VI. hatte deutlich gesehen, wie die Unterentwicklung unter anderem auch
dadurch verursacht wird, daß es an Weisheit, an Reflexion, an einem Denken
fehlt, das imstande ist, eine richtungweisende Synthese aufzustellen;[78]
für sie bedarf es »einer klaren Konzeption auf wirtschaftlichem, sozialem,
kulturellem und geistigem Gebiet«.[79]
Die übertriebene Aufteilung des Wissens in Fachbereiche,[80]
das Sich-Verschließen der Humanwissenschaften gegenüber der Metaphysik,[81]
die Schwierigkeiten im Dialog der Wissenschaften mit der Theologie schaden
nicht nur der Entwicklung des Wissens, sondern auch der Entwicklung der
Völker, denn in diesen Fällen wird der Blick auf das ganze Wohl des Menschen
in den verschiedenen Dimensionen, die es charakterisieren, verstellt. Die
»Ausweitung unseres Vernunftbegriffs und -gebrauchs«[82]
ist unerläßlich, um alle Elemente der Frage nach der Entwicklung und der
Lösung der sozioökonomischen Probleme angemessen abwägen zu können.
32. Die großen Neuheiten, die das Gesamtbild der
Entwicklung der Völker heute aufweist, machen in vielen Fällen neue
Lösungen erforderlich. Sie müssen unter Beachtung der Eigengesetze jeder
Realität und zugleich im Licht einer ganzheitlichen Sicht des Menschen
gesucht werden – einer Sicht, welche die verschiedenen Aspekte des Menschen
widerspiegelt, wie sie sich dem von der Liebe geläuterten Blick darstellen.
Dann wird man einzigartige Übereinstimmungen und konkrete
Lösungsmöglichkeiten entdecken, ohne auf irgendeinen fundamentalen
Bestandteil des menschlichen Lebens zu verzichten.
Die Würde der Person und die Erfordernisse der Gerechtigkeit verlangen,
daß – vor allem heute – die wirtschaftlichen Entscheidungen die Unterschiede
im Besitztum nicht in übertriebener und moralisch unhaltbarer Weise
vergrößern[83]
und daß als Priorität weiterhin das Ziel verfolgt wird, allen
Zugang zur Arbeit zu verschaffen und für den Erhalt ihrer
Arbeitsmöglichkeit zu sorgen. Recht besehen erfordert das auch die
»wirtschaftliche Vernunft«. Die systembedingte Zunahme der Ungleichheit
unter Gesellschaftsgruppen innerhalb eines Landes und unter den
Bevölkerungen verschiedener Länder bzw. das massive Anwachsen der relativen
Armut neigt nicht nur dazu, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu
untergraben, und bringt auf diese Weise die Demokratie in Gefahr. Auch auf
wirtschaftlicher Ebene wirkt sie sich negativ aus: durch fortschreitende
Abtragung des »Gesellschaftskapitals« bzw. durch Untergrabung jener
Gesamtheit von Beziehungen, die auf Vertrauen, Zuverlässigkeit und
Einhaltung der Regeln gründen und die unverzichtbar sind für jedes
bürgerliche Zusammenleben.
Zudem sagt uns die Wirtschaftswissenschaft, daß eine strukturelle
Situation der Unsicherheit Verhaltensweisen erzeugt, welche die Produktion
hemmen und menschliche Ressourcen verschwenden, insofern der Arbeitnehmer
dazu neigt, sich passiv den automatischen Mechanismen zu fügen, anstatt
Kreativität zu entwickeln. Auch in diesem Punkt gibt es eine Übereinstimmung
zwischen Wirtschaftswissenschaft und moralischer Bewertung. Der
menschliche Preis ist immer auch ein wirtschaftlicher Preis, und die
wirtschaftlichen Mißstände fordern immer auch einen menschlichen Preis.
Ferner muß daran erinnert werden, daß die Reduzierung der Kulturen auf
die technologische Dimension, selbst wenn sie kurzfristig die Erlangung
eines Gewinns fördern mag, auf lange Sicht die gegenseitige Bereicherung und
die Dynamiken der Zusammenarbeit behindert. Es ist wichtig, zwischen
kurzfristigen und langfristigen wirtschaftlichen oder soziologischen
Überlegungen zu unterscheiden. Die Senkung des Rechtsschutzniveaus für die
Arbeiter oder der Verzicht auf Mechanismen der Umverteilung des Gewinns,
damit das Land eine größere internationale Wettbewerbsfähigkeit erlangt,
verhindern, daß sich eine langfristige Entwicklung durchsetzen kann. So
sollten die Konsequenzen, welche die aktuellen Tendenzen zu einer
kurzfristig, bisweilen extrem kurzfristig angelegten Wirtschaft für die
Menschen haben, aufmerksam abgewogen werden. Das verlangt »eine neue und
vertiefte Reflexion über den Sinn der Wirtschaft und ihrer Ziele«[84]
sowie eine tiefgreifende und weitblickende Revision des Entwicklungsmodells,
um seine Mißstände und Verzerrungen zu korrigieren. Tatsächlich ist dies ein
Erfordernis der ökologischen Gesundheit des Planeten; und vor allem ist es
eine Notwendigkeit, die sich aus der kulturellen und moralischen Krise des
Menschen ergibt, deren Symptome seit langem in allen Teilen der Welt
sichtbar sind.
33. Über vierzig Jahre nach der Enzyklika Populorum
progressio ist ihr Grundthema, eben der Fortschritt, nach wie vor ein
noch offenes Problem, das sich durch die augenblickliche Wirtschafts-
und Finanzkrise verschärft hat und noch dringender geworden ist. Wenn einige
Regionen der Erde, die einst durch die Armut belastet waren, bemerkenswerte
Änderungen im Sinn eines wirtschaftlichen Wachstums und einer Beteiligung an
der Weltproduktion erfahren haben, so leben andere Zonen noch in einer
Situation des Elends, die jener zur Zeit Papst
Pauls VI.
vergleichbar ist, ja, in einigen Fällen kann man sogar von einer
Verschlechterung sprechen. Es ist bezeichnend, daß einige Ursachen dieser
Situation bereits in Populorum progressio ausgemacht worden waren,
wie zum Beispiel die von den wirtschaftlich entwickelten Ländern
festgesetzten hohen Grenzzölle, welche die Produkte aus den armen Ländern
immer noch daran hindern, auf die Märkte der reichen Länder zu gelangen.
Andere Ursachen hingegen, welche die Enzyklika nur angedeutet hatte, sind in
der Folge deutlicher hervorgetreten. Das trifft auf die Bewertung des
Entkolonisierungsprozesses zu, der damals in vollem Gange war. Papst
Paul VI.
wünschte sich einen autonomen Verlauf, der sich in Freiheit und Frieden
vollziehen sollte. Nach über vierzig Jahren müssen wir eingestehen, wie
schwierig dieser Verlauf gewesen ist, sei es aufgrund neuer Formen von
Kolonialismus und Abhängigkeit von alten und neuen Hegemonialländern, sei es
durch schwerwiegende Verantwortungslosigkeiten innerhalb der Länder selbst,
die sich unabhängig gemacht haben.
Die hauptsächliche Neuheit war die Explosion der weltweiten
wechselseitigen Abhängigkeit, die inzwischen unter der Bezeichnung
»Globalisierung« allgemein bekannt ist. Papst
Paul VI.
hatte sie teilweise vorausgesehen, doch das Ausmaß und die Heftigkeit, mit
der sie sich entwickelt hat, sind erstaunlich. In den wirtschaftlich
entwickelten Ländern entstanden, hat dieser Prozeß seiner Natur entsprechend
eine Einbeziehung sämtlicher Ökonomien verursacht. Er war der Hauptantrieb
für das Heraustreten ganzer Regionen aus der Unterentwicklung und stellt an
sich eine große Chance dar. Ohne die Führung der Liebe in der Wahrheit kann
dieser weltweite Impuls allerdings dazu beitragen, die Gefahr bisher
ungekannter Schäden und neuer Spaltungen in der Menschheitsfamilie
heraufzubeschwören. Darum stellen uns die Liebe und die Wahrheit vor einen
ganz neuen und kreativen Einsatz, der freilich sehr umfangreich und komplex
ist. Es geht darum, die Vernunft auszuweiten und sie fähig zu machen,
diese eindrucksvollen neuen Dynamiken zu erkennen und auszurichten,
indem man sie im Sinn jener »Kultur der Liebe« beseelt, deren Samen Gott in
jedes Volk und in jede Kultur gelegt hat.
DRITTES KAPITEL
BRÜDERLICHKEIT,
WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG UND ZIVILGESELLSCHAFT
34. Die Liebe in der Wahrheit stellt den
Menschen vor die staunenswerte Erfahrung des Geschenks. Die
Unentgeltlichkeit ist in seinem Leben in vielerlei Formen gegenwärtig, die
aufgrund einer nur produktivistischen und utilitaristischen Sicht des
Daseins jedoch oft nicht erkannt werden. Der Mensch ist für das Geschenk
geschaffen, das seine transzendente Dimension ausdrückt und umsetzt.
Manchmal ist der moderne Mensch fälschlicherweise der Überzeugung, der
einzige Urheber seiner selbst, seines Lebens und der Gesellschaft zu sein.
Diese Überheblichkeit ist eine Folge des egoistischen
Sich-in-sich-selbst-Verschließens und rührt – in Begriffen des Glaubens
gesprochen – von der Ursünde her. Die Weisheit der Kirche hat
stets vorgeschlagen, die Erbsünde auch bei der Interpretation der sozialen
Gegebenheiten und beim Aufbau der Gesellschaft zu beachten: »Zu übersehen,
daß der Mensch eine verwundete, zum Bösen geneigte Natur hat, führt zu
schlimmen Irrtümern im Bereich der Erziehung, der Politik, des
gesellschaftlichen Handelns und der Sittlichkeit«.[85]
Zur Aufzählung der Bereiche, in denen sich die schädlichen Auswirkungen der
Sünde zeigen, gehört nun schon seit langer Zeit auch jener der Wirtschaft.
Auch unsere Zeit liefert uns dafür einen offensichtlichen Beleg. Die
Überzeugung, sich selbst zu genügen und in der Lage zu sein, das in der
Geschichte gegenwärtige Übel allein durch das eigene Handeln überwinden zu
können, hat den Menschen dazu verleitet, das Glück und das Heil in
immanenten Formen des materiellen Wohlstands und des sozialen Engagements zu
sehen. Weiter hat die Überzeugung, daß die Wirtschaft Autonomie erfordert
und keine moralische „Beeinflussung“ zulassen darf, den Menschen dazu
gedrängt, das Werkzeug der Wirtschaft sogar auf zerstörerische Weise zu
mißbrauchen. Langfristig haben diese Überzeugungen zu wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und politischen Systemen geführt, die die Freiheit der
Person und der gesellschaftlichen Gruppen unterdrückt haben und genau aus
diesem Grund nicht in der Lage waren, für die Gerechtigkeit zu sorgen, die
sie versprochen hatten. Wie ich schon in meiner Enzyklika Spe salvi
geschrieben habe, entfernt man auf diese Weise die christliche Hoffnung
aus der Geschichte,[86]
die jedoch ein kraftvolles Potential im Dienste der umfassenden Entwicklung
des Menschen darstellt, die in der Freiheit und in der Gerechtigkeit gesucht
wird. Die Hoffnung ermutigt die Vernunft und gibt ihr die Kraft, den Willen
zu lenken.[87]
Sie ist bereits im Glauben gegenwärtig, von dem sie geradezu geweckt wird.
Die Liebe in der Wahrheit nährt sich aus ihr und macht sie zugleich
sichtbar. Da die Hoffnung ein völlig unentgeltliches Geschenk Gottes ist,
tritt sie als etwas Ungeschuldetes in unser Leben herein, das über jedes
Gesetz der Gerechtigkeit hinausgeht. Das Geschenk übertrifft seinem Wesen
nach den Verdienst, sein Gesetz ist das Übermaß. Es kommt uns in unserer
Seele zuvor als Zeichen der Gegenwart Gottes in uns und seiner Erwartung an
uns. Die Wahrheit, die wie die Liebe ein Geschenk ist, ist, so lehrt der
heilige Augustinus, größer als wir.[88]
Auch die Wahrheit über uns selbst, über unsere eigene Erkenntnis, ist uns zu
aller erst „geschenkt“. Denn in jedem Erkenntnisvorgang wird die Wahrheit
nicht von uns erzeugt, sondern immer gefunden, oder besser, empfangen. Die
Wahrheit kommt wie die Liebe »nicht aus Denken und Wollen, sondern
übermächtigt gleichsam den Menschen«.[89]
Da die Liebe in der Wahrheit eine Gabe ist, die alle empfangen, stellt
sie eine Kraft dar, die Gemeinschaft stiftet, die die Menschen auf eine
Weise vereint, die keine Barrieren und Grenzen kennt. Die Gemeinschaft der
Menschen kann von uns selbst gestiftet werden, aber sie wird allein aus
eigener Kraft nie eine vollkommen brüderliche Gemeinschaft sein und jede
Abgrenzung überwinden, das heißt, eine wirklich universale Gemeinschaft
werden: Die Einheit des Menschengeschlechts, eine brüderliche Gemeinschaft
jenseits jedweder Teilung, wird aus dem zusammenrufenden Wort Gottes, der
die Liebe ist, geboren. Bei der Behandlung dieser entscheidenden Frage
müssen wir einerseits präzisieren, daß die Logik des Geschenks die
Gerechtigkeit nicht ausschließt oder ihr in einem zweiten Moment und von
außen hinzugefügt wird, und andererseits, daß eine wirtschaftliche,
gesellschaftliche und politische Entwicklung, die wahrhaft menschlich sein
will, dem Prinzip der Unentgeltlichkeit als Ausdruck der
Brüderlichkeit Raum geben muß.
35. Der Markt ist, wenn gegenseitiges und
allgemeines Vertrauen herrscht, die wirtschaftliche Institution, die die
Begegnung zwischen den Menschen ermöglicht, welche als Wirtschaftstreibende
ihre Beziehungen durch einen Vertrag regeln und die gegeneinander
aufrechenbaren Güter und Dienstleistungen austauschen, um ihre Bedürfnisse
und Wünsche zu befriedigen. Der Markt unterliegt den Prinzipien der
sogenannten ausgleichenden Gerechtigkeit, die die Beziehungen des
Gebens und Empfangens zwischen gleichwertigen Subjekten regelt. Aber die
Soziallehre der Kirche hat stets die Wichtigkeit der distributiven
Gerechtigkeit und der sozialen Gerechtigkeit für die
Marktwirtschaft selbst betont, nicht nur weil diese in das Netz eines
größeren sozialen und politischen Umfelds eingebunden ist, sondern auch
aufgrund des Beziehungsgeflechts, in dem sie abläuft. Denn wenn der Markt
nur dem Prinzip der Gleichwertigkeit der getauschten Güter überlassen wird,
ist er nicht in der Lage, für den sozialen Zusammenhalt zu sorgen, den er
jedoch braucht, um gut zu funktionieren. Ohne solidarische und von
gegenseitigem Vertrauen geprägte Handlungsweisen in seinem Inneren kann der
Markt die ihm eigene wirtschaftliche Funktion nicht vollkommen erfüllen.
Heute ist dieses Vertrauen verlorengegangen, und der Vertrauensverlust ist
ein schwerer Verlust.
Papst
Paul VI. hat in der Enzyklika Populorum progressio richtigerweise
die Tatsache unterstrichen, daß allgemein verbreitete gerechte
Handlungsweisen für das Wirtschaftssystem selbst einen Vorteil darstellen,
da die reichen Länder die ersten Nutznießer des wirtschaftlichen Aufschwungs
der armen Länder sind.[90]
Dabei handelte es sich nicht nur darum, Fehlfunktionen durch Hilfsleistungen
zu korrigieren. Die Armen dürfen nicht als eine »Last«[91]
angesehen werden, sondern als eine Ressource, auch unter streng
wirtschaftlichem Gesichtspunkt. Es muß jedoch die Sichtweise jener als
unrichtig verworfen werden, nach denen die Marktwirtschaft strukturell auf
eine Quote von Armut und Unterentwicklung angewiesen sei, um bestmöglich
funktionieren zu können. Es ist im Interesse des Marktes, Emanzipierung zu
fördern, aber um dies zu erreichen, darf er sich nicht nur auf sich selbst
verlassen, denn er ist nicht in der Lage, von sich aus das zu erreichen, was
seine Möglichkeiten übersteigt. Er muß vielmehr auf die moralischen Kräfte
anderer Subjekte zurückgreifen, die diese hervorbringen können.
36. Das Wirtschaftsleben kann nicht alle
gesellschaftlichen Probleme durch die schlichte Ausbreitung des
Geschäftsdenkens überwinden. Es soll auf das Erlangen des Gemeinwohls
ausgerichtet werden, für das auch und vor allem die politische
Gemeinschaft sorgen muß. Es darf daher nicht vergessen werden, daß die
Trennung zwischen der Wirtschaftstätigkeit, der die Aufgabe der Schaffung
des Reichtums zukäme, und der Politik, die sich mittels Umverteilung um die
Gerechtigkeit zu kümmern habe, schwere Störungen verursacht.
Die Kirche vertritt seit jeher, daß die Wirtschaftstätigkeit nicht als
antisozial angesehen werden darf. Der Markt ist an sich nicht ein Ort der
Unterdrückung des Armen durch den Reichen und darf daher auch nicht dazu
werden. Die Gesellschaft muß sich nicht vor dem Markt schützen, als ob seine
Entwicklung ipso facto zur Zerstörung wahrhaft menschlicher
Beziehungen führen würde. Es ist sicher richtig, daß der Markt eine negative
Ausrichtung haben kann, nicht weil dies seinem Wesen entspräche, sondern
weil eine gewisse Ideologie ihm diese Ausrichtung geben kann. Es darf nicht
vergessen werden, daß es den Markt nicht in einer Reinform gibt. Er erhält
seine Gestalt durch die kulturellen Gegebenheiten, die ihm eine konkrete
Prägung und Orientierung geben. Die Wirtschaft und das Finanzwesen können,
insofern sie Mittel sind, tatsächlich schlecht gebraucht werden, wenn der
Verantwortliche sich nur von egoistischen Interessen leiten läßt. So können
an sich gute Mittel in schadenbringende Mittel verwandelt werden. Doch diese
Konsequenzen bringt die verblendete Vernunft der Menschen hervor, nicht die
Mittel selbst. Daher muß sich der Appell nicht an das Mittel, sondern an den
Menschen richten, an sein moralisches Gewissen und an seine persönliche und
soziale Verantwortung.
Die Soziallehre der Kirche ist der Ansicht, daß wahrhaft menschliche
Beziehungen in Freundschaft und Gemeinschaft, Solidarität und
Gegenseitigkeit auch innerhalb der Wirtschaftstätigkeit und nicht nur
außerhalb oder »nach« dieser gelebt werden können. Der Bereich der
Wirtschaft ist weder moralisch neutral noch von seinem Wesen her
unmenschlich und antisozial. Er gehört zum Tun des Menschen und muß, gerade
weil er menschlich ist, nach moralischen Gesichtspunkten strukturiert und
institutionalisiert werden.
Vor uns liegt eine große Herausforderung, die von den Problemen der
Entwicklung in dieser Zeit der Globalisierung hervorgebracht und durch die
Wirtschafts- und Finanzkrise noch weiter erschwert wurde: Wir müssen in
unserem Denken und Handeln nicht nur zeigen, daß die traditionellen
sozialethischen Prinzipien wie die Transparenz, die Ehrlichkeit und die
Verantwortung nicht vernachlässigt oder geschwächt werden dürfen, sondern
auch, daß in den geschäftlichen Beziehungen das Prinzip der
Unentgeltlichkeit und die Logik des Geschenks als Ausdruck der
Brüderlichkeit im normalen wirtschaftlichen Leben Platz haben können und
müssen. Das ist ein Erfordernis des Menschen in unserer jetzigen Zeit, aber
auch ein Erfordernis des wirtschaftlichen Denkens selbst. Es ist zugleich
ein Erfordernis der Liebe und der Wahrheit.
37. Die Soziallehre der Kirche hat immer bekräftigt,
daß die Gerechtigkeit alle Phasen der Wirtschaftstätigkeit betrifft,
da diese stets mit dem Menschen und mit seinen Bedürfnissen zu tun hat. Die
Beschaffung von Ressourcen, die Finanzierung, die Produktion, der Konsum und
alle übrigen Phasen haben unvermeidbar moralische Folgen. So hat jede
wirtschaftliche Entscheidung eine moralische Konsequenz. All das
bestätigt sich auch in den Sozialwissenschaften und in den Tendenzen der
heutigen Wirtschaft. Vielleicht war es früher denkbar, der Wirtschaft die
Schaffung des Reichtums anzuvertrauen, um dann der Politik die Aufgabe zu
übertragen, diesen zu verteilen. Heute erscheint das schwieriger, da die
wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht an territoriale Grenzen gebunden sind,
während die Autorität der Regierungen weiter vorwiegend örtlich beschränkt
ist. Darum müssen die Regeln der Gerechtigkeit von Anfang an beachtet
werden, während der wirtschaftliche Prozeß in Gang ist, und nicht mehr
danach oder parallel dazu. Darüber hinaus ist es nötig, daß Räume für
wirtschaftliche Tätigkeiten geschaffen werden, die von Trägern durchgeführt
werden, die ihr Handeln aus freiem Entschluß nach Prinzipien ausrichten, die
sich vom reinen Profitstreben unterscheiden, die aber dennoch weiter
wirtschaftliche Werte hervorbringen wollen. Die vielen Ausdrucksformen der
Wirtschaft, die aus konfessionellen und nicht konfessionellen Initiativen
hervorgegangen sind, zeigen, daß das eine konkrete Möglichkeit ist.
In der Zeit der Globalisierung leidet die Wirtschaft an konkurrierenden
Modellen, die von sehr unterschiedlichen Kulturen abhängig sind. Die daraus
hervorgehenden wirtschaftlich-unternehmerischen Verhaltensweisen finden
vorwiegend in der Beachtung der ausgleichenden Gerechtigkeit einen
Berührungspunkt. Das Wirtschaftsleben braucht ohne Zweifel
Verträge, um den Tausch von einander entsprechenden Werten zu regeln.
Ebenso sind jedoch gerechte Gesetze, von der Politik geleitete
Mechanismen zur Umverteilung und darüber hinaus Werke, die vom Geist
des Schenkens geprägt sind, nötig. Die globalisierte Wirtschaft scheint
die erste Logik, jene des vertraglich vereinbarten Gütertausches, zu
bevorzugen, aber direkt und indirekt zeigt sie, daß sie auch die anderen
beiden Formen braucht, die Logik der Politik und die Logik des Geschenks
ohne Gegenleistung.
38. Mein Vorgänger Papst Johannes Paul II. hat auf
diese Problematik hingewiesen, als er in der Enzyklika Centesimus annus
die Notwendigkeit eines Systems mit drei Subjekten aufzeigte: dem
Markt, dem Staat und der Zivilgesellschaft.[92]
In der Zivilgesellschaft sah er den geeignetsten Bereich für eine
Wirtschaft der Unentgeltlichkeit und der Brüderlichkeit, aber er wollte
diese nicht für die anderen beiden Bereiche ausschließen. Heute können wir
sagen, daß das Wirtschaftsleben als eine mehrdimensionale Realität
verstanden werden muß: In allen muß in unterschiedlichem Umfang und in
eigenen Formen der Aspekt der brüderlichen Gegenseitigkeit vorhanden sein.
In der Zeit der Globalisierung kann die Wirtschaftstätigkeit nicht auf die
Unentgeltlichkeit verzichten, die die Solidarität und das
Verantwortungsbewußtsein für die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl in seinen
verschiedenen Subjekten und Akteuren verbreitet und nährt. Es handelt sich
dabei schließlich um eine konkrete und tiefgründige Form wirtschaftlicher
Demokratie. Solidarität bedeutet vor allem, daß sich alle für alle
verantwortlich fühlen,[93]
und daher kann sie nicht allein dem Staat übertragen werden. Während man
früher der Ansicht sein konnte, daß man zuerst für Gerechtigkeit sorgen
müsse und daß die Unentgeltlichkeit danach als ein Zusatz hinzukäme, muß man
heute festhalten, daß ohne die Unentgeltlichkeit auch die Gerechtigkeit
nicht erreicht werden kann. Es bedarf daher eines Marktes, auf dem
Unternehmen mit unterschiedlichen Betriebszielen frei und unter gleichen
Bedingungen tätig sein können. Neben den gewinnorientierten
Privatunternehmen und den verschiedenen Arten von staatlichen Unternehmen
sollen auch die nach wechselseitigen und sozialen Zielen strebenden
Produktionsverbände einen Platz finden und tätig sein können. Aus ihrem
Zusammentreffen auf dem Markt kann man sich erhoffen, daß es zu einer Art
Kreuzung und Vermischung der unternehmerischen Verhaltensweisen kommt und
daß in der Folge spürbar auf eine Zivilisierung der Wirtschaft
geachtet wird. Liebe in der Wahrheit bedeutet in diesem Fall, daß jenen
wirtschaftlichen Initiativen Gestalt und Struktur verliehen wird, die den
Gewinn zwar nicht ausschließen, aber über die Logik des Äquivalenzprinzips
und des Gewinns als Selbstzweck hinausgehen wollen.
39. Papst
Paul VI.
sprach sich in der Enzyklika Populorum progressio für die
Schaffung eines Marktwirtschaftsmodells aus, das wenigstens tendenziell alle
Völker einschließen kann und nicht nur jene, die über entsprechende
Möglichkeiten und Fähigkeiten verfügen. Er verlangte, sich dafür
einzusetzen, daß eine für alle menschlichere Welt entstehe, eine Welt, »wo
alle geben und empfangen können, ohne daß der Fortschritt der einen ein
Hindernis für die Entwicklung der anderen ist«.[94]
Damit dehnte er die Forderungen und Ziele der Enzyklika Rerum novarum
auf eine universale Ebene aus. Als jene Enzyklika als Antwort auf die
industrielle Revolution erschien, setzte sich zum ersten Mal der damals
sicher fortschrittliche Gedanke durch, daß der Fortbestand der
gesellschaftlichen Ordnung auch eines umverteilenden Eingreifens des Staates
bedarf. Heute erweist sich diese Sicht auch abgesehen davon, daß sie durch
die Öffnung der Märkte und der gesellschaftlichen Gruppen in Krise geraten
ist, als unvollständig und kann die Ansprüche an eine voll und ganz
menschliche Wirtschaft nicht erfüllen. Was die Soziallehre der Kirche
ausgehend von ihrer Sicht des Menschen und der Gesellschaft immer vertreten
hat, ist heute auch aufgrund der Dynamiken erforderlich, die die
Globalisierung mit sich bringt.
Wenn die Logik des Marktes und die Logik des Staates mit gegenseitigem
Einverständnis auf dem Monopol ihrer jeweiligen Einflußbereiche beharren,
gehen langfristig die Solidarität in den Beziehungen zwischen den Bürgern,
die Anteilnahme und die Beteiligung sowie die unentgeltliche Tätigkeit
verloren. Diese unterscheiden sich vom „Geben, um zu haben“, das die Logik
des Tausches ausmacht, und vom „Geben aus Pflicht“, das für die öffentlichen
Verhaltensweisen gilt, die durch staatliche Gesetze auferlegt werden. Die
Überwindung der Unterentwicklung erfordert ein Eingreifen nicht nur zur
Verbesserung der auf Gütertausch beruhenden Transaktionen, nicht nur im
Bereich der Leistungen der öffentlichen Hilfseinrichtungen, sondern vor
allem eine fortschreitende Offenheit auf weltweiter Ebene für
wirtschaftliche Tätigkeiten, die sich durch einen Anteil von
Unentgeltlichkeit und Gemeinschaft auszeichnen. Die exklusive
Kombination Markt-Staat zersetzt den Gemeinschaftssinn. Die Formen
solidarischen Wirtschaftslebens hingegen, die ihren fruchtbarsten Boden im
Bereich der Zivilgesellschaft finden, ohne sich auf diese zu beschränken,
schaffen Solidarität. Es gibt keinen Markt der Unentgeltlichkeit, und eine
Haltung der Unentgeltlichkeit kann nicht per Gesetz verordnet werden.
Dennoch brauchen sowohl der Markt als auch die Politik Menschen, die zur
Hingabe aneinander bereit sind.
40. Die derzeitigen internationalen wirtschaftlichen
Dynamiken mit ihren schwerwiegenden Verzerrungen und Mißständen erfordern,
daß sich auch das Verständnis des Unternehmens tiefgreifend verändern muß.
Alte Formen der Unternehmertätigkeit gehen ihrem Ende entgegen, doch am
Horizont werden neue vielversprechende Formen sichtbar. Eine der größten
Gefahren ist sicher die, daß das Unternehmen fast ausschließlich gegenüber
den Investoren verantwortlich ist und so letztendlich an Bedeutung für die
Gesellschaft einbüßt. Aufgrund der wachsenden Größe und des zunehmenden
Kapitalbedarfs hängen immer weniger Unternehmen von einem gleichbleibenden
Unternehmer ab, der sich langfristig – und nicht nur vorübergehend – für die
Tätigkeit und die Ergebnisse seines Unternehmens verantwortlich fühlt, und
immer seltener hängen Unternehmen nur von einer Region ab. Außerdem kann die
sogenannte Auslagerung der Produktionstätigkeit das Verantwortungsbewußtsein
des Unternehmers gegenüber Interessensträgern wie den Arbeitnehmern, den
Zulieferern, den Konsumenten, der Umwelt und dem größeren gesellschaftlichen
Umfeld zugunsten der Aktionäre verringern, die nicht an einen bestimmten Ort
gebunden sind und daher außerordentlich beweglich sind. Der internationale
Kapitalmarkt bietet heute tatsächlich einen großen Handlungsspielraum.
Zugleich wächst aber auch das Bewußtsein für die Notwendigkeit einer
weiterreichenden „sozialen Verantwortung“ des Unternehmens. Auch wenn
nicht alle ethischen Konzepte, die heute die Debatte über die soziale
Verantwortung des Unternehmens bestimmen, aus der Sicht der Soziallehre der
Kirche annehmbar sind, so ist es doch eine Tatsache, daß sich eine
Grundüberzeugung ausbreitet, nach der die Führung des Unternehmens nicht
allein auf die Interessen der Eigentümer achten darf, sondern auch auf die
von allen anderen Personenkategorien eingehen muß, die zum Leben des
Unternehmens beitragen: die Arbeitnehmer, die Kunden, die Zulieferer der
verschiedenen Produktionselemente, die entsprechende Gemeinde. In den
vergangenen Jahren war eine Zunahme einer kosmopolitischen Klasse von
Managern zu beobachten, die sich oft nur nach den Anweisungen der
Hauptaktionäre richten, bei denen es sich normalerweise um anonyme Fonds
handelt, die de facto den Verdienst der Manager bestimmen. Auch heute
gibt es jedoch viele Manager, die sich dank weitblickender Analysen immer
mehr der tiefgreifenden Verbindungen bewußt werden, die ihr Unternehmen mit
der Region oder den Regionen, in denen es arbeitet, hat. Papst
Paul VI.
lud dazu ein, ernsthaft zu bedenken, welchen Schaden es dem eigenen Land
zufügen kann, wenn Kapital nur zum persönlichen Vorteil ins Ausland
geschafft wird.[95]
Papst
Johannes Paul II. merkte an, daß eine Investition neben der
wirtschaftlichen immer auch eine moralische Bedeutung hat.[96]
Es muß betont werden, daß all das auch heute gilt, auch wenn der
Kapitalmarkt stark liberalisiert worden ist und die moderne technologische
Denkweise dazu verleiten kann, in einer Investition nur einen technischen
Vorgang und nicht auch eine menschliche und ethische Handlung zu sehen. Es
gibt keinen Grund zu leugnen, daß ein gewisses Kapital Gutes bewirken kann,
wenn es im Ausland und nicht in der Heimat investiert wird. Es müssen aber
die aus Gerechtigkeit bestehenden Ansprüche gewährt sein, wobei auch zu
beachten ist, wie dieses Kapital entstanden ist und welchen Schaden die
Menschen davontragen, wenn es nicht an den Orten eingesetzt wird, wo es
geschaffen wurde.[97]
Man muß vermeiden, daß die finanziellen Ressourcen zur Spekulation verwendet
werden und man der Versuchung nachgibt, nur einen kurzfristigen Gewinn zu
suchen und nicht auch den langfristigen Bestand des Unternehmens, den Nutzen
der Investition für die Realwirtschaft und die Sorge für die angemessene und
gelegene Förderung von wirtschaftlichen Initiativen in Entwicklungsländern.
Ebenso gibt es keinen Grund zu leugnen, daß eine Verlagerung ins Ausland,
wenn sie mit Investitionen und Ausbildung verbunden ist, für die Bevölkerung
des betreffenden Landes Gutes bewirken kann. Die Arbeit und das technische
Wissen werden überall gebraucht. Es ist aber nicht zulässig, eine
Auslagerung nur vorzunehmen, um von bestimmten Begünstigungen zu profitieren
oder gar um andere auszubeuten, ohne einen echten Beitrag für die
Gesellschaft vor Ort zur Schaffung eines stabilen Produktions- und
Sozialwesens zu leisten, das eine unverzichtbare Bedingung für eine
beständige Entwicklung darstellt.
41. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, darauf
hinzuweisen, daß die unternehmerische Tätigkeit eine mehrwertige
Bedeutung hat und dieser immer mehr gerecht werden muß. Die seit
längerer Zeit vorherrschende Kombination Markt-Staat hat uns daran gewöhnt,
nur an den privaten Unternehmer nach kapitalistischer Art und andererseits
an die Leiter staatlicher Unternehmen zu denken. In Wirklichkeit ist ein
differenziertes Verständnis der unternehmerischen Tätigkeit erforderlich.
Das resultiert aus einer Reihe von metaökonomischen Beweggründen. Die
unternehmerische Tätigkeit hat noch vor ihrer beruflichen eine menschliche
Bedeutung.[98]
Sie ist Teil einer jeden Arbeit, wenn sie als »actus personae«[99]
betrachtet wird; daher ist es gut, jedem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu
geben, seinen persönlichen Beitrag zu leisten, so daß er selbst »das
Bewußtsein hat, im eigenen Bereich zu arbeiten«.[100]
Nicht zufällig lehrte Papst
Paul VI.
daß »jeder, der arbeitet, schöpferisch tätig ist«.[101]
Gerade um den Erfordernissen und der Würde des arbeitenden Menschen sowie
den Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht zu werden, gibt es verschiedene
Arten von Unternehmen, weit hinaus über die alleinige Unterscheidung
zwischen »privat« und »staatlich«. Jede erfordert und verwirklicht eine
besondere unternehmerische Fähigkeit. Um eine Wirtschaft zu erreichen, die
sich in der nahen Zukunft in den Dienst des nationalen und weltweiten
Gemeinwohls stellen kann, ist es angebracht, diese weitreichende Bedeutung
der unternehmerischen Tätigkeit zu beachten. Diese umfassendere Sicht
fördert den Austausch und die gegenseitige Prägung unter den verschiedenen
Arten von unternehmerischer Tätigkeit mit einem Kompetenzfluß vom
nicht-gewinnorientierten Bereich zum gewinnorientierten und umgekehrt, vom
öffentlichen zu dem der Zivilgesellschaft, von den fortgeschrittenen
Wirtschaftsregionen zu jenen der Entwicklungsländer.
Auch die politische Autorität hat eine mehrwertige Bedeutung,
die auf dem Weg zur Verwirklichung einer neuen sozial verantwortlichen und
nach dem Maß des Menschen ausgerichteten wirtschaftlich-produktiven Ordnung
nicht vergessen werden darf. So wie man auf der ganzen Welt eine
differenzierte unternehmerische Tätigkeit pflegen will, so muß auch eine
verteilte und auf verschiedenen Ebenen wirkende politische Autorität
gefördert werden. Die zusammengewachsene Wirtschaft unserer Zeit eliminiert
die Rolle der Staaten nicht, sie verpflichtet die Regierungen vielmehr zu
einer engeren Zusammenarbeit untereinander. Gründe der Weisheit und der
Klugheit raten davon ab, vorschnell das Ende des Staates auszurufen.
Hinsichtlich der Lösung der derzeitigen Krise zeichnet sich ein Wachstum
seiner Rolle ab, indem er viele seiner Kompetenzen wiedererlangt. Es gibt
auch Länder, in denen der Aufbau oder der Wiederaufbau des Staates weiterhin
ein Schlüsselelement für ihre Entwicklung ist. Die internationale Hilfe
sollte gerade im Rahmen eines solidarischen Plans zur Lösung der
gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme die Festigung der Verfassungs-,
Rechts- und Verwaltungssysteme in den Ländern, die sich dieser Güter noch
nicht vollkommen erfreuen, eher fördern. Neben der wirtschaftlichen Hilfe
bedarf es der Unterstützung, um die dem Rechtsstaat eigenen
Garantien, ein wirksames System der öffentlichen Ordnung und des
Gefängniswesens unter Einhaltung der Menschenrechte und wirklich
demokratische Institutionen zu stärken. Der Staat muß nicht überall
dieselben Ausprägungen haben: Die Unterstützung zur Stärkung der schwachen
Verfassungssysteme kann auf hervorragende Weise von der Entwicklung anderer
politischer Akteure neben dem Staat begleitet werden, die kultureller,
sozialer, regionaler oder religiöser Art sind. Die Gliederung der
politischen Autorität auf lokaler Ebene, auf der Ebene der nationalen und
internationalen Zivilgesellschaft und auf der Ebene der übernationalen und
weltweiten Gemeinschaft ist auch einer der Hauptwege, um die wirtschaftliche
Globalisierung lenken zu können. Sie ist auch die Vorgangsweise, um zu
verhindern, daß diese de facto die Fundamente der Demokratie untergräbt.
42. Manchmal sind gegenüber der Globalisierung
fatalistische Einstellungen bemerkbar, als ob die herrschenden Dynamiken von
unpersönlichen anonymen Kräften und von vom menschlichen Wollen unabhängigen
Strukturen hervorgebracht würden.[102]
Diesbezüglich ist es gut, in Erinnerung zu rufen, daß die Globalisierung
gewiß einen sozioökonomischen Prozeß darstellt, dies aber nicht ihre einzige
Dimension ist. Hinter dem deutlicher sichtbaren Prozeß steht eine zunehmend
untereinander verflochtene Menschheit; diese setzt sich aus Personen und
Völkern zusammen, denen dieser Prozeß zum Nutzen und zur Entwicklung
gereichen soll,[103]
weil sowohl die Einzelnen als auch die Gesamtheit die jeweiligen
Verantwortungen auf sich nehmen. Die Überwindung der Grenzen ist nicht nur
eine materielle Angelegenheit, sondern hinsichtlich ihrer Gründe und
Auswirkungen auch eine kulturelle Frage. Wenn die Globalisierung
deterministisch interpretiert wird, gehen die Kriterien für ihre Bewertung
und ihre Ausrichtung verloren. Sie ist eine menschliche Realität, hinter der
verschiedene kulturelle Ausrichtungen stehen können, die sorgfältig
abgewogen werden müssen. Die Wahrheit des Globalisierungsprozesses und sein
grundlegendes ethisches Kriterium sind in der Einheit der Menschheitsfamilie
und in ihrem Voranschreiten im Guten gegeben. Es ist daher ein unablässiger
Einsatz zur Förderung einer personalistischen und gemeinschaftlichen
sowie für die Transzendenz offenen kulturellen Ausrichtung des globalen
Integrationsprozesses erforderlich.
Trotz einiger ihrer strukturell bedingten Dimensionen, die nicht zu
leugnen sind, aber auch nicht verabsolutiert werden dürfen, ist »die
Globalisierung a priori weder gut noch schlecht. Sie wird das sein, was die
Menschen aus ihr machen«.[104]
Wir dürfen nicht Opfer sein, sondern müssen Gestalter werden, indem wir mit
Vernunft vorgehen und uns von der Liebe und von der Wahrheit leiten lassen.
Blinder Widerstand wäre eine falsche Haltung, ein Vorurteil, das schließlich
dazu führen würde, einen Prozeß zu verkennen, der auch viele positive Seiten
hat, und so Gefahr zu laufen, eine große Chance zu verpassen, an den
vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten teilzuhaben, die dieser bietet. Die
angemessen geplanten und ausgeführten Globalisierungsprozesse machen auf
weltweiter Ebene eine noch nie dagewesene große Neuverteilung des Reichtums
möglich; wenn diese Prozesse jedoch schlecht geführt werden, können sie
hingegen zu einer Zunahme der Armut und der Ungleichheit führen sowie mit
einer Krise die ganze Welt anstecken. Es ist nötig, die auch schweren
Mängel dieser Prozesse zu beheben, die neue Spaltungen zwischen den
Völkern und innerhalb der Völker verursachen, und dafür zu sorgen, daß die
Umverteilung des Reichtums nicht mittels einer Umverteilung der Armut
erfolgt oder diese sogar noch zunimmt, wie es ein schlechter Umgang mit der
gegenwärtigen Lage befürchten lassen könnte. Lange Zeit dachte man, daß die
armen Völker in einem im voraus festgelegten Entwicklungsstadium verbleiben
und sich mit der Philanthropie der entwickelten Völker begnügen müßten.
Gegen diese Mentalität hat Papst
Paul VI.
in der Enzyklika Populorum progressio Stellung bezogen. Heute sind
die zur Verfügung stehenden materiellen Möglichkeiten, um diesen Völkern aus
der Armut herauszuhelfen, potentiell größer als früher, aber sie wurden
hauptsächlich von den entwickelten Völkern selbst in Beschlag genommen, die
sich den Prozeß der Liberalisierung des Finanz- und Arbeitskräfteverkehrs
besser zunutze machen konnten. Die weltweite Ausbreitung des Wohlstands darf
daher nicht durch egoistische, protektionistische und von Einzelinteressen
geleitete Projekte gebremst werden. Die Einbeziehung der Schwellen- und
Entwicklungsländer ermöglicht heute einen besseren Umgang mit der Krise. Die
zum Globalisierungsprozeß gehörende Veränderung bringt große Schwierigkeiten
und Gefahren mit sich, die nur dann überwunden werden können, wenn man sich
der anthropologischen und ethischen Seele bewußt wird, die aus der Tiefe die
Globalisierung selbst in Richtung einer solidarischen Humanisierung führt.
Leider ist diese Seele oft verschüttet und wird von individualistisch und
utilitaristisch geprägten ethisch-kulturellen Sichtweisen unterdrückt. Die
Globalisierung ist ein vielschichtiges und polyvalentes Phänomen, das in der
Verschiedenheit und in der Einheit all seiner Dimensionen – einschließlich
der theologischen – erfaßt werden muß. Dies wird es erlauben, die
Globalisierung der Menschheit im Sinne von Beziehung, Gemeinschaft und
Teilhabe zu leben und auszurichten.
VIERTES KAPITEL
ENTWICKLUNG DER VÖLKER, RECHTE UND PFLICHTEN, UMWELT
43. »Die Solidarität aller, die etwas Wirkliches ist,
bringt für uns nicht nur Vorteile mit sich, sondern auch Pflichten«.[105]
Viele Menschen neigen heute zu der Anmaßung, niemandem etwas schuldig zu
sein außer sich selbst. Sie meinen, nur Rechte zu besitzen, und haben oft
große Schwierigkeiten, eine Verantwortung für ihre eigene und die
ganzheitliche Entwicklung des anderen reifen zu lassen. Es ist deshalb
wichtig, eine neue Reflexion darüber anzuregen, daß die Rechte Pflichten
voraussetzen, ohne die sie zur Willkür werden.[106]
Wir erleben heutzutage einen bedrückenden Widerspruch. Während man
einerseits mutmaßliche Rechte willkürlicher und genießerischer Art unter dem
Vorwand beansprucht, sie würden von den staatlichen Strukturen anerkannt und
gefördert, werden andererseits einem großen Teil der Menschheit elementare
Grundrechte aberkannt und verletzt.[107]
Häufig festzustellen ist ein Zusammenhang zwischen der Beanspruchung des
Rechts auf Überfluß oder geradezu auf Rechtswidrigkeit und Laster in den
Wohlstandgesellschaften und dem Mangel an Nahrung, Trinkwasser, Schulbildung
oder medizinischer Grundversorgung in manchen unterentwickelten Weltregionen
wie auch am Rande von großen Metropolen. Der Zusammenhang beruht darauf, daß
die Individualrechte, wenn sie von einem sinngebenden Rahmen von Pflichten
losgelöst sind, verrückt werden und eine praktisch grenzenlose und alle
Kriterien entbehrende Spirale von Ansprüchen auslösen. Die Übertreibung der
Rechte mündet in die Unterlassung der Pflichten. Die Pflichten grenzen die
Rechte ein, weil sie sie auf den anthropologischen und ethischen Rahmen
verweisen, in dessen Wahrheit sich auch diese letzteren einfügen und daher
nicht zur Willkür werden. Die Pflichten stärken demnach die Rechte und
bieten deren Verteidigung und Förderung als eine Aufgabe im Dienst des Guten
an. Wenn hingegen die Rechte des Menschen ihr Fundament allein in den
Beschlüssen einer Bürgerversammlung finden, können sie jederzeit geändert
werden, und daher läßt die Pflicht, sie zu achten und einzuhalten, im
allgemeinen Bewußtsein nach. Die Regierungen und internationalen Organismen
können da die Objektivität und »Unverfügbarkeit« der Rechte außer Acht
lassen. Wenn das geschieht, ist die echte Entwicklung der Völker gefährdet.[108]
Derartige Einstellungen kompromittieren das Ansehen der internationalen
Organismen vor allem in den Augen der am meisten entwicklungsbedürftigen
Länder. Diese fordern nämlich, daß die internationale Gemeinschaft es als
eine Pflicht übernimmt, ihnen zu helfen, »Baumeister ihres Schicksals«[109]
zu sein, das heißt ihrerseits Pflichten zu übernehmen. Das Teilen der
wechselseitigen Pflichten mobilisiert viel stärker als die bloße
Beanspruchung von Rechten.
44. Die Auffassung von den Rechten und Pflichten in der
Entwicklung muß auch den Problemkreis im Zusammenhang mit dem
Bevölkerungswachstum berücksichtigen. Es handelt sich um einen sehr
wichtigen Aspekt der echten Entwicklung, weil er die unverzichtbaren Werte
des Lebens und der Familie betrifft.[110]
In der Bevölkerungszunahme die Hauptursache der Unterentwicklung zu sehen,
ist – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – unkorrekt. Man braucht nur
einerseits an den bedeutenden Rückgang der Kindersterblichkeit und die
Verlängerung des durchschnittlichen Lebensalters in neuen wirtschaftlich
entwickelten Ländern zu denken und andererseits an die deutlichen Zeichen
einer Krise in solchen Gesellschaften, die einen beunruhigenden
Geburtenrückgang verzeichnen. Die Kirche, der die wahre Entwicklung des
Menschen am Herzen liegt, empfiehlt ihm die umfassende Achtung menschlicher
Werte, und dies gilt auch für den Umgang mit der Sexualität: Man kann sie
nicht auf eine lediglich hedonistische und spielerische Handlung reduzieren,
so wie man die Sexualerziehung nicht auf eine technische Anleitung
reduzieren kann, deren einzige Sorge es ist, die Betroffenen vor eventuellen
Ansteckungen oder vor dem »Risiko« der Fortpflanzung zu schützen. Das würde
einer Verarmung und Mißachtung der tiefen Bedeutung der Sexualität
gleichkommen, die jedoch sowohl von der einzelnen Person wie von der
Gemeinschaft anerkannt und verantwortungsvoll angenommen werden soll. Die
Verantwortung verbietet es nämlich ebenso, die Sexualität lediglich als
Lustquelle zu betrachten, wie sie in politische Maßnahmen einer erzwungenen
Geburtenplanung einzubeziehen. In beiden Fällen steht man vor
materialistischen Auffassungen und deren politischen Umsetzungen, in denen
die Menschen schließlich verschiedene Formen von Gewalt erleiden. All dem
muß man in diesem Bereich die vorrangige Zuständigkeit der Familien[111]
gegenüber dem Staat und seinen restriktiven politischen Maßnahmen sowie eine
entsprechende Erziehung der Eltern entgegensetzen.
Die moralisch verantwortungsvolle Offenheit für das Leben ist ein
sozialer und wirtschaftlicher Reichtum. Große Nationen haben auch dank
der großen Zahl und der Fähigkeiten ihrer Einwohner aus dem Elend
herausfinden können. Umgekehrt erleben einst blühende Nationen jetzt wegen
des Geburtenrückgangs eine Phase der Unsicherheit und in manchen Fällen
sogar ihres Niedergangs – ein entscheidendes Problem gerade für die
Wohlstandsgesellschaften. Der Geburtenrückgang, der die Bevölkerungszahl
manchmal unter den kritischen demographischen Wert sinken läßt, stürzt auch
die Sozialhilfesysteme in die Krise, führt zur Erhöhung der Kosten, schränkt
die Rückstellung von Ersparnissen und in der Folge die für die Investitionen
nötigen finanziellen Ressourcen ein, reduziert die Verfügbarkeit
qualifizierter Arbeitskräfte und verringert das Reservoir der »Köpfe«, aus
dem man für die Bedürfnisse der Nation schöpfen muß. Außerdem laufen die
kleinen, manchmal sehr kleinen Familien Gefahr, die sozialen Beziehungen zu
vernachlässigen und keine wirksamen Solidaritätsformen zu gewährleisten.
Diese Situationen weisen die Symptome eines geringen Vertrauens in die
Zukunft sowie einer moralischen Müdigkeit auf. Daher wird es zu einer
sozialen und sogar ökonomischen Notwendigkeit, den jungen Generationen
wieder die Schönheit der Familie und der Ehe vor Augen zu stellen sowie die
Übereinstimmung dieser Einrichtungen mit den tiefsten Bedürfnissen des
Herzens und der Würde des Menschen. In dieser Hinsicht sind die Staaten dazu
aufgerufen, politische Maßnahmen zu treffen, die die zentrale Stellung
und die Unversehrtheit der auf die Ehe zwischen einem Mann und einer
Frau gegründeten Familie, der Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft,[112]
dadurch fördern, indem sie sich auch um deren wirtschaftliche und
finanzielle Probleme in Achtung vor ihrem auf Beziehung beruhenden Wesen
kümmern.
45. Antworten auf die tiefsten moralischen Ansprüche
des Menschen haben auch wichtige und wohltuende Auswirkungen auf
wirtschaftlicher Ebene. Die Wirtschaft braucht nämlich für ihr korrektes
Funktionieren die Ethik; nicht irgendeine Ethik, sondern eine
menschenfreundliche Ethik. Heute spricht man viel von Ethik im Bereich der
Wirtschaft, der Finanzen und der Betriebe. Es entstehen Studienzentren und
Ausbildungsgänge für business ethics; in der Welt der
hochentwickelten Länder verbreitet sich im Gefolge der rund um die soziale
Verantwortung des Betriebs entstandenen Bewegung das System der ethischen
Zertifikate. Die Banken bieten sogenannte »ethische« Konten und
Investitionsfonds an. Es entwickelt sich ein »ethisches Finanzwesen«, vor
allem durch den Kleinkredit und allgemeiner die Mikrofinanzierung. Diese
Entwicklungen rufen Anerkennung hervor und verdienen eine breite
Unterstützung. Ihre positiven Auswirkungen sind auch in weniger entwickelten
Zonen der Erde wahrzunehmen. Es ist jedoch gut, auch ein gültiges
Unterscheidungskriterium zu erarbeiten, da man eine gewisse Abnützung des
Adjektivs »ethisch« feststellt, das, wenn es allgemein gebraucht wird, auch
sehr verschiedene Inhalte bezeichnet. Das kann so weit gehen, daß unter
seinem Deckmantel Entscheidungen und Beschlüsse durchgehen, die der
Gerechtigkeit und dem wahren Wohl des Menschen widersprechen.
Viel hängt nämlich vom moralischen Bezugssystem ab. Zu diesem Thema hat
die Soziallehre der Kirche einen besonderen Beitrag zu leisten, der sich auf
die Erschaffung des Menschen »als Abbild Gottes« (Gen 1, 27) gründet,
eine Tatsache, von der sich die unverletzliche Würde der menschlichen Person
ebenso herleitet wie der transzendente Wert der natürlichen moralischen
Normen. Eine Wirtschaftsethik, die von diesen beiden Säulen absähe, würde
unvermeidlich Gefahr laufen, ihre moralische Qualität zu verlieren und sich
instrumentalisieren zu lassen; genauer gesagt, sie würde riskieren, zu einer
Funktion für die bestehenden Wirtschafts- und Finanzsysteme zu werden, statt
zum Korrektiv ihrer Mißstände. Unter anderem würde sie schließlich auch die
Finanzierung von ethisch nicht vertretbaren Projekten rechtfertigen. Ferner
soll das Wort »ethisch« nicht in ideologisch diskriminierender Weise
angewandt werden, indem man damit zu verstehen gibt, daß die Initiativen,
die sich nicht formell mit dieser Bezeichnung zieren, nicht ethisch seien.
Man muß sich nicht nur darum bemühen – die Bemerkung ist hier wesentlich! –
, daß »ethische« Sektoren und Bereiche der Ökonomie oder des Finanzwesens
entstehen, sondern daß die gesamte Wirtschaft und das gesamte Finanzwesen
ethisch sind und das nicht nur durch eine äußerliche Etikettierung, sondern
aus Achtung vor den ihrer Natur selbst wesenseigenen Ansprüchen.
Diesbezüglich spricht die jüngste Soziallehre der Kirche mit aller Klarheit,
wenn sie daran erinnert, daß die Wirtschaft mit allen ihren Zweigen ein
Teilbereich des vielfältigen menschlichen Tuns sei.[113]
46. Betrachtet man die mit der Beziehung zwischen
Unternehmen und Ethik befaßten Themenbereiche sowie die Entwicklung, die
das Produktionssystem durchmacht, so scheint es, daß die bisher allgemein
verbreitete Unterscheidung zwischen gewinnorientierten (profit)
Unternehmen und nicht gewinnorientierten (non profit) Organisationen
nicht mehr imstande ist, über die tatsächliche Situation vollständig
Rechenschaft zu geben oder zukünftige Entwicklungen effektiv zu gestalten.
In diesen letzten Jahrzehnten ist ein großer Zwischenbereich zwischen den
beiden Unternehmenstypologien entstanden. Er besteht aus traditionellen
Unternehmen, die allerdings Hilfsabkommen für rückständige Länder
unterzeichneten; aus Unternehmensgruppen, die Ziele mit sozialem Nutzen
verfolgen; aus der bunten Welt der Vertreter der sogenannten öffentlichen
und Gemeinschaftswirtschaft. Es handelt sich nicht nur um einen »dritten
Sektor«, sondern um eine neue umfangreiche zusammengesetzte Wirklichkeit,
die das Private und das Öffentliche einbezieht und den Gewinn nicht
ausschließt, ihn aber als Mittel für die Verwirklichung humaner und sozialer
Ziele betrachtet. Die Tatsache, daß diese Unternehmen die Gewinne nicht
verteilen oder daß sie die eine oder andere von den Rechtsnormen vorgesehene
Struktur haben, wird nebensächlich angesichts ihrer Bereitschaft, den Gewinn
als ein Mittel zu begreifen, um eine Humanisierung des Marktes und der
Gesellschaft zu erreichen. Es ist zu wünschen, daß diese neuen
Unternehmensformen in allen Ländern auch eine entsprechende rechtliche und
steuerliche Gestalt finden. Ohne den herkömmlichen Unternehmensformen etwas
von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Nützlichkeit zu nehmen, bewirken
die neuen Formen, daß sich das System zu einer klareren und vollkommeneren
Übernahme der Verpflichtungen seitens der Wirtschaftsvertreter entwickelt.
Nicht nur das. Gerade die Vielfalt der institutionellen
Unternehmensformen sollte einen humaneren und zugleich wettbewerbsfähigeren
Markt hervorbringen.
47. Die Vermehrung der verschiedenen
Unternehmenstypologien und besonders derjenigen, die dazu fähig sind, den
Gewinn als ein Mittel zu begreifen, um den Zweck der Humanisierung des
Marktes und der Gesellschaften zu erreichen, muß auch in den Ländern
verfolgt werden, die unter Ausschluß oder Ausgrenzung aus den globalen
Wirtschaftskreisläufen leiden. Dort ist es sehr wichtig, mit Projekten
angemessen konzipierter und verwalteter Subsidiarität voranzukommen, die vor
allem die Rechte zu stärken trachten, wobei jedoch immer auch die Übernahme
entsprechender Verantwortlichkeiten vorgesehen ist. In den Beiträgen zur
Entwicklung muß das Prinzip der zentralen Stellung der menschlichen
Person sichergestellt sein, die das Subjekt ist, das in erster Linie die
Verpflichtung zur Entwicklung auf sich nehmen muß. Das Hauptinteresse gilt
der Verbesserung der Lebenssituationen der konkreten Menschen in einer
bestimmten Region, damit sie jenen Verpflichtungen nachkommen können, deren
Erfüllung ihnen ihre derzeitige Notlage unmöglich macht. Die Sorge kann
niemals eine abstrakte Haltung sein. Um an die einzelnen Situationen
angepaßt werden zu können, müssen die Entwicklungsprogramme von Flexibilität
gekennzeichnet sein; und die Empfänger der Hilfe sollten direkt in die
Planung der Projekte einbezogen und zu Hauptakteuren ihrer Umsetzung werden.
Ebenso ist es notwendig, die Kriterien eines stufenweisen und begleitenden
Fortschreitens – einschließlich der laufenden Kontrolle der Ergebnisse –
anzuwenden, da es keine universal gültigen Rezepte gibt. Viel hängt von der
konkreten Durchführung der Interventionen ab. »Weil die Völker die
Baumeister ihres eigenen Fortschritts sind, müssen sie selbst auch an erster
Stelle die Last und Verantwortung dafür tragen. Aber sie werden es nicht
schaffen, wenn sie gegenseitig isoliert bleiben«.[114]
Angesichts der Konsolidierung des Prozesses der fortschreitenden Integration
der Erde hat diese Mahnung Papst
Pauls VI.
heute noch größere Gültigkeit. Die Dynamik der Einbeziehung hat nichts
Mechanisches an sich. Die Lösungen müssen auf der Grundlage einer behutsamen
Einschätzung der Situation genau auf das Leben der Völker und konkreten
Personen zugeschnitten werden. Neben den Großprojekten braucht es die
kleinen Projekte und vor allem die tatkräftige Mobilisierung aller
Angehörigen der Zivilgesellschaft, sowohl der juristischen wie der
physischen Personen.
Die internationale Zusammenarbeit benötigt Personen, die den
wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklungsprozeß durch die Solidarität
ihrer Präsenz, der Begleitung, der Ausbildung und des Respekts teilen. Unter
diesem Gesichtspunkt müßten sich die internationalen Organismen selbst nach
der tatsächlichen Wirksamkeit ihrer oft viel zu kostspieligen bürokratischen
Verwaltungsapparate fragen. Es kommt mitunter vor, daß der Hilfeempfänger zu
einem Mittel für den Helfer wird und die Armen dazu dienen, aufwendige
bürokratische Organisationen aufrechtzuerhalten, die für ihren eigenen
Bestand allzu hohe Beträge aus jenen Ressourcen für sich behalten, die
eigentlich für die Entwicklung bestimmt sein sollten. Aus dieser Sicht wäre
es wünschenswert, daß sich alle internationalen Organismen und die
Nichtregierungsorganisationen zu einer größeren Transparenz verpflichteten,
indem sie die Spender sowie die öffentliche Meinung über den prozentualen
Anteil der erhaltenen Gelder, der für die Programme der Zusammenarbeit
bestimmt ist, über den tatsächlichen Inhalt solcher Programme und
schließlich über die Zusammensetzung der Ausgaben der Einrichtung selbst
informieren.
48. Das Thema Entwicklung ist heute stark an die
Verpflichtungen gebunden, die aus der Beziehung des Menschen zur
natürlichen Umwelt entstehen. Diese Beziehung wurde allen von Gott
geschenkt. Der Umgang mit ihr stellt für uns eine Verantwortung gegenüber
den Armen, den künftigen Generationen und der ganzen Menschheit dar. Wenn
die Natur und allen voran der Mensch als Frucht des Zufalls oder des
Evolutionsdeterminismus angesehen werden, wird das Verantwortungsbewußtsein
in den Gewissen schwächer. Der Gläubige erkennt hingegen in der Natur das
wunderbare Werk des schöpferischen Eingreifens Gottes, das der Mensch
verantwortlich gebrauchen darf, um in Achtung vor der inneren Ausgewogenheit
der Schöpfung selbst seine berechtigten materiellen und geistigen
Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn diese Auffassung schwindet, wird am Ende
der Mensch die Natur entweder als ein unantastbares Tabu betrachten oder, im
Gegenteil, sie ausbeuten. Beide Haltungen entsprechen nicht der christlichen
Anschauung der Natur, die Frucht der Schöpfung Gottes ist.
Die Natur ist Ausdruck eines Plans der Liebe und der Wahrheit. Sie
geht uns voraus und wird uns von Gott als Lebensraum geschenkt. Sie spricht
zu uns vom Schöpfer (vgl. Röm 1, 20) und von seiner Liebe zu den
Menschen. Sie ist dazu bestimmt, am Ende der Zeiten in Christus »vereint zu
werden« (vgl. Eph 1, 9-10; Kol 1, 19-20). Auch sie ist also
eine »Berufung«.[115]
Die Natur steht uns nicht als »ein Haufen zufällig verstreuter Abfälle«[116]
zur Verfügung, sondern als eine Gabe des Schöpfers, der die ihr
innewohnenden Ordnungen gezeichnet hat, damit der Mensch daraus die
gebotenen Aufschlüsse bezieht, »damit er [sie] bebaue und hüte« (Gen
2, 15). Aber es muß auch betont werden, daß es der wahren Entwicklung
widerspricht, die Natur für wichtiger zu halten als die menschliche Person.
Diese Einstellung verleitet zu neu-heidnischen Haltungen oder einem neuen
Pantheismus: Aus der in einem rein naturalistischen Sinn verstandenen Natur
allein kann man nicht das Heil für den Menschen ableiten. Allerdings muß man
auch die gegenteilige Position zurückweisen, die eine vollständige
Technisierung der Natur anstrebt, weil das natürliche Umfeld nicht nur
Materie ist, über die wir nach unserem Belieben verfügen können, sondern
wunderbares Werk des Schöpfers, das eine „Grammatik“ in sich trägt, die
Zwecke und Kriterien für eine weise, nicht funktionelle und willkürliche
Nutzung angibt. Viele Schäden für die Entwicklung rühren heute aus diesen
verzerrten Auffassungen her. Die Natur vollständig auf eine Menge einfacher
Gegebenheiten zu verkürzen, erweist sich schließlich als Quelle der Gewalt
gegenüber der Umwelt und motiviert zu respektlosen Handlungen gegenüber der
Natur des Menschen. Da diese nicht nur aus Materie, sondern auch aus Geist
besteht und als solche reich an Bedeutungen und zu erreichenden
transzendenten Zielen ist, hat sie auch einen normativen Charakter für die
Kultur. Der Mensch deutet und bildet die natürliche Umwelt durch die Kultur
nach, die ihrerseits durch die verantwortliche, auf die Gebote des
Sittengesetzes achtende Freiheit bestimmt wird. Die Projekte für eine
ganzheitliche menschliche Entwicklung dürfen daher die nachfolgenden
Generationen nicht ignorieren, sondern müssen zur Solidarität und
Gerechtigkeit zwischen den Generationen bereit sein, indem sie den
vielfältigen Bereichen – dem ökologischen, juristischen, ökonomischen,
politischen und kulturellen – Rechnung tragen.[117]
49. Die mit der Sorge und dem Schutz für die Umwelt
zusammenhängenden Fragen müssen heute der Energieproblematik
entsprechende Beachtung schenken. Das Aufkaufen der nicht erneuerbaren
Energiequellen durch einige Staaten, einflußreiche Gruppen und Unternehmen
stellt nämlich ein schwerwiegendes Hindernis für die Entwicklung der armen
Länder dar. Diese verfügen weder über die ökonomischen Mittel, um sich
Zugang zu den bestehenden nicht erneuerbaren Energiequellen zu verschaffen,
noch können sie die Suche nach neuen und alternativen Quellen finanzieren.
Das Aufkaufen der natürlichen Ressourcen, die sich in vielen Fällen gerade
in den armen Ländern befinden, führt zu Ausbeutung und häufigen Konflikten
zwischen den Nationen und auch innerhalb der Länder selbst. Solche Konflikte
werden häufig gerade auf dem Boden dieser Länder ausgetragen, mit einer
bedrückenden Schlußbilanz von Tod, Zerstörung und weiterem Niedergang. Die
internationale Gemeinschaft hat die unumgängliche Aufgabe, die
institutionellen Wege zu finden, um der Ausbeutung der nicht erneuerbaren
Ressourcen Einhalt zu gebieten, und das auch unter Einbeziehung der armen
Länder, um mit ihnen gemeinsam die Zukunft zu planen.
Auch an dieser Front besteht die dringende moralische Notwendigkeit
einer erneuerten Solidarität, besonders in den Beziehungen zwischen den
Entwicklungsländern und den hochindustrialisierten Ländern.[118]
Die technologisch fortschrittlichen Gesellschaften können und müssen ihren
Energieverbrauch verringern, weil die Produktion in der verarbeitenden
Industrie sich weiter entwickelt, aber auch weil sich unter ihren Bürgern
eine größere Sensibilität für die Umwelt verbreitet. Man muß außerdem
hinzufügen, daß heute eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Energie
realisierbar und es gleichzeitig möglich ist, die Suche nach alternativen
Energien voranzutreiben. Es ist jedoch auch eine weltweite Neuverteilung der
Energiereserven notwendig, so daß auch die Länder, die über keine eigenen
Quellen verfügen, dort Zugang erhalten können. Ihr Schicksal darf nicht den
Händen des zuerst Angekommenen oder der Logik des Stärkeren überlassen
werden. Es handelt sich um beachtliche Probleme, die, wenn sie in
entsprechender Weise angegangen werden sollen, von seiten aller die
verantwortungsvolle Bewußtwerdung der Folgen verlangen, die über die neuen
Generationen hereinbrechen werden, vor allem über die sehr vielen
Jugendlichen in den armen Völkern, die »ihren Anteil am Aufbau einer
besseren Welt fordern«.[119]
50. Diese Verantwortung ist global, weil sie nicht nur
die Energie, sondern die ganze Schöpfung betrifft, die wir den neuen
Generationen nicht ausgebeutet hinterlassen dürfen. Es ist dem Menschen
gestattet, eine verantwortungsvolle Steuerung über die Natur
auszuüben, um sie zu schützen, zu nutzen und auch in neuen Formen und mit
fortschrittlichen Technologien zu kultivieren, so daß sie die Bevölkerung,
die sie bewohnt, würdig aufnehmen und ernähren kann. Es gibt Platz für alle
auf dieser unserer Erde: Auf ihr soll die ganze Menschheitsfamilie die
notwendigen Ressourcen finden, um mit Hilfe der Natur selbst, dem Geschenk
Gottes an seine Kinder, und mit dem Einsatz ihrer Arbeit und ihrer
Erfindungsgabe würdig zu leben. Wir müssen jedoch auf die sehr ernste
Verpflichtung hinweisen, die Erde den neuen Generationen in einem Zustand zu
übergeben, so daß auch sie würdig auf ihr leben und sie weiter kultivieren
können. Das schließt ein, »es sich zur Pflicht zu machen, nach
verantwortungsbewußter Abwägung gemeinsam zu entscheiden, welcher Weg
einzuschlagen ist, mit dem Ziel, jenen Bund zwischen Mensch und Umwelt
zu stärken, der ein Spiegel der Schöpferliebe Gottes sein soll – des Gottes,
in dem wir unseren Ursprung haben und zu dem wir unterwegs sind«.[120]
Man kann nur wünschen, daß die internationale Gemeinschaft und die einzelnen
Regierungen es wirksam verhindern können, daß die Umwelt zu ihrem Schaden
ausgenutzt wird. Es ist ebenso erforderlich, daß die zuständigen Autoritäten
alle nötigen Anstrengungen unternehmen, damit die wirtschaftlichen und
sozialen Kosten für die Benutzung der allgemeinen Umweltressourcen offen
dargelegt sowie von den Nutznießern voll getragen werden und nicht von
anderen Völkern oder zukünftigen Generationen: Der Schutz der Umwelt, der
Ressourcen und des Klimas erfordert, daß alle auf internationaler Ebene
Verantwortlichen gemeinsam handeln und bereit sind, in gutem Glauben, dem
Gesetz entsprechend und in Solidarität mit den schwächsten Regionen unseres
Planeten zu arbeiten.[121]
Eine der größten Aufgaben der Ökonomie ist gerade der äußerst effiziente
Gebrauch der Ressourcen, nicht die Verschwendung, wobei man sich bewußt sein
muß, daß der Begriff der Effizienz nicht wertneutral ist.
51. Die Verhaltensmuster, nach denen der Mensch die
Umwelt behandelt, beeinflussen die Verhaltensmuster, nach denen er sich
selbst behandelt, und umgekehrt. Das fordert die heutige Gesellschaft
dazu heraus, ernsthaft ihren Lebensstil zu überprüfen, der in vielen Teilen
der Welt zum Hedonismus und Konsumismus neigt und gegenüber den daraus
entstehenden Schäden gleichgültig bleibt.[122]
Notwendig ist ein tatsächlicher Gesinnungswandel, der uns dazu anhält,
neue Lebensweisen anzunehmen, »in denen die Suche nach dem Wahren,
Schönen und Guten und die Gemeinschaft mit den anderen Menschen für ein
gemeinsames Wachstum die Elemente sein sollen, die die Entscheidungen für
Konsum, Sparen und Investitionen bestimmen«.[123]
Jede Verletzung der bürgerlichen Solidarität und Freundschaft ruft
Umweltschäden hervor, so wie die Umweltschäden ihrerseits Unzufriedenheit in
den sozialen Beziehungen auslösen. Die Natur ist besonders in unserer Zeit
so sehr in die Dynamik der sozialen und kulturellen Abläufe integriert, daß
sie fast keine unabhängige Variable mehr darstellt. Die fortschreitende
Wüstenbildung und die Verelendung mancher Agrargebiete sind auch Ergebnis
der Verarmung der dort wohnenden Bevölkerungen und der Rückständigkeit.
Durch die Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung jener
Bevölkerungen schützt man auch die Natur. Wie viele natürliche Ressourcen
werden zudem durch Kriege zerstört! Der Friede der Völker und zwischen den
Völkern würde auch einen größeren Schutz der Natur erlauben. Das Aufkaufen
der Ressourcen, besonders des Wassers, kann schwere Konflikte unter der
betroffenen Bevölkerung hervorrufen. Ein friedliches Einvernehmen über die
Nutzung der Ressourcen kann die Natur und zugleich das Wohlergehen der
betroffenen Gesellschaften schützen.
Die Kirche hat eine Verantwortung für die Schöpfung und muß diese
Verantwortung auch öffentlich geltend machen. Und wenn sie das tut, muß sie
nicht nur die Erde, das Wasser und die Luft als Gaben der Schöpfung
verteidigen, die allen gehören. Sie muß vor allem den Menschen gegen seine
Selbstzerstörung schützen. Es muß so etwas wie eine richtig verstandene
Ökologie des Menschen geben. Die Beschädigung der Natur hängt nämlich eng
mit der Kultur zusammen, die das menschliche Zusammenleben gestaltet.
Wenn in der Gesellschaft die »Humanökologie«[124]
respektiert wird, profitiert davon auch die Umweltökologie. Wie die
menschlichen Tugenden miteinander verbunden sind, so daß die Schwächung
einer Tugend auch die anderen gefährdet, so stützt sich das ökologische
System auf die Einhaltung eines Planes, der sowohl das gesunde Zusammenleben
in der Gesellschaft wie das gute Verhältnis zur Natur betrifft.
Um die Natur zu schützen, genügt es nicht, mit anspornenden oder
einschränkenden Maßnahmen einzugreifen, und auch eine entsprechende
Anleitung reicht nicht aus. Das sind wichtige Hilfsmittel, aber das
entscheidende Problem ist das moralische Verhalten der Gesellschaft.
Wenn das Recht auf Leben und auf einen natürlichen Tod nicht respektiert
wird, wenn Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt des Menschen auf
künstlichem Weg erfolgen, wenn Embryonen für die Forschung geopfert werden,
verschwindet schließlich der Begriff Humanökologie und mit ihm der Begriff
der Umweltökologie aus dem allgemeinen Bewußtsein. Es ist ein Widerspruch,
von den neuen Generationen die Achtung der natürlichen Umwelt zu verlangen,
wenn Erziehung und Gesetze ihnen nicht helfen, sich selbst zu achten. Das
Buch der Natur ist eines und unteilbar sowohl bezüglich der Umwelt wie des
Lebens und der Bereiche Sexualität, Ehe, Familie, soziale Beziehungen, kurz
der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen. Unsere Pflichten gegenüber der
Umwelt verbinden sich mit den Pflichten, die wir gegenüber dem Menschen an
sich und in Beziehung zu den anderen haben. Man kann nicht die einen
Pflichten fordern und die anderen unterdrücken. Das ist ein schwerwiegender
Widerspruch der heutigen Mentalität und Praxis, der den Menschen demütigt,
die Umwelt erschüttert und die Gesellschaft beschädigt.
52. Die Wahrheit und die Liebe, die sie erschließt,
lassen sich nicht produzieren, man kann sie nur empfangen. Ihre letzte
Quelle ist nicht und kann nicht der Mensch sein, sondern Gott, das heißt Er,
der Wahrheit und Liebe ist. Dieses Prinzip ist sehr wichtig für die
Gesellschaft und für die Entwicklung, da weder die eine noch die andere
lediglich menschliche Produkte sein können; ebenso gründet sich die Berufung
zur Entwicklung der Menschen und der Völker nicht auf eine lediglich
menschliche Entscheidung, sondern sie ist in einen Plan eingeschrieben, der
uns vorausgeht und für uns alle eine Pflicht darstellt, die freiwillig
angenommen werden muß. Das, was uns vorausgeht, und das, was uns
konstituiert – die Liebe und die Wahrheit –, zeigt uns, was das Gute ist und
worin unser Glück besteht. Es zeigt uns somit den Weg zur wahren
Entwicklung.
FÜNFTES
KAPITEL
DIE ZUSAMMENARBEIT DER
MENSCHHEITSFAMILIE
53. Eine der schlimmsten Arten von Armut, die der
Mensch erfahren kann, ist die Einsamkeit. Genau betrachtet haben auch die
anderen Arten von Armut, einschließlich der materiellen Armut, ihren
Ursprung in der Isolation, im Nicht-geliebt-Sein oder in der Schwierigkeit
zu lieben. Oft entstehen die Arten der Armut aus der Zurückweisung der Liebe
Gottes, aus einem ursprünglichen tragischen Verschließen des Menschen in
sich selbst, der meint, sich selbst genügen zu können oder nur eine
unbedeutende und vorübergehende Erscheinung, ein »Fremder« in einem zufällig
gebildeten Universum zu sein. Der Mensch ist entfremdet, wenn er allein ist
oder sich von der Wirklichkeit ablöst, wenn er darauf verzichtet, an ein
Fundament zu denken und zu glauben.[125]
Die Menschheit insgesamt ist entfremdet, wenn sie sich bloß menschlichen
Plänen, Ideologien und falschen Utopien verschreibt.[126]
Heute erscheint die Menschheit interaktiver als gestern: Diese größere Nähe
muß zu echter Gemeinschaft werden. Die Entwicklung der Völker hängt vor
allem davon ab, sich als eine einzige Familie zu erkennen, die in einer
echten Gemeinschaft zusammenarbeitet und von Subjekten gebildet wird, die
nicht einfach nebeneinander leben.[127]
Papst
Paul VI. bemerkte, daß »die Welt krank ist, weil ihr Gedanken fehlen«.[128]
Diese Aussage enthält eine Feststellung, vor allem aber einen Wunsch: Es
bedarf eines neuen Schwungs des Denkens, um die Implikationen unseres
Familieseins besser zu verstehen; die wechselseitigen Unternehmungen der
Völker dieser Erde fordern uns zu diesem Schwung auf, damit die Integration
im Zeichen der Solidarität[129]
und nicht der Verdrängung vollzogen wird. Ein solches Denken verpflichtet
auch zu einer kritischen und beurteilenden Vertiefung der Kategorie der
Beziehung. Es handelt sich um eine Aufgabe, die nicht von den
Sozialwissenschaften allein durchgeführt werden kann, insofern sie den
Beitrag von Wissen wie Metaphysik und Theologie verlangt, um die
transzendente Würde des Menschen klar zu begreifen.
Der Mensch als Geschöpf von geistiger Natur verwirklicht sich in den
zwischenmenschlichen Beziehungen. Je echter er diese lebt, desto mehr reift
auch seine eigene persönliche Identität. Nicht durch Absonderung bringt sich
der Mensch selber zur Geltung, sondern wenn er sich in Beziehung zu den
anderen und zu Gott setzt. Die Bedeutung solcher Beziehungen wird also
grundlegend. Dies gilt auch für die Völker. Ihrer Entwicklung ist daher eine
metaphysische Sicht der Beziehung zwischen den Personen sehr
zuträglich. Diesbezüglich findet die Vernunft Anregung und Orientierung in
der christlichen Offenbarung. Gemäß dieser wird die Person nicht durch die
Gemeinschaft der Menschen absorbiert, beziehungsweise ihre Autonomie
zunichte gemacht, wie es in den verschiedenen Formen des Totalitarismus
geschieht. Vielmehr bringt die Gemeinschaft im christlichen Denken die
Person weiter zur Geltung, da die Beziehung zwischen Person und Gemeinschaft
der eines Ganzen gegenüber einem anderen Ganzen entspricht.[130]
Wie die Gemeinschaft der Familie in sich die Personen, die sie bilden, nicht
auflöst und wie die Kirche selbst die »neue Schöpfung« (vgl. Gal
6, 15; 2 Kor 5, 17), die durch die Taufe ihrem Leib eingegliedert
wird, voll hervorhebt, so löst auch die Einheit der Menschheitsfamilie in
sich die Personen, Völker und Kulturen nicht auf, sondern macht sie
füreinander transparenter und vereint sie stärker in ihrer legitimen
Vielfalt.
54. Das Thema der Entwicklung der Völker fällt mit dem
der Einbeziehung aller Personen und Völker in die eine Gemeinschaft der
Menschheitsfamilie zusammen, die auf der Basis der Grundwerte der
Gerechtigkeit und des Friedens in Solidarität gebildet wird. Diese Sicht
findet von der Beziehung der Personen der Dreifaltigkeit in dem einen
Göttlichen Wesen her eine klare Erhellung. Die Dreifaltigkeit ist völlige
Einheit, insofern die drei Göttlichen Personen reine Beziehung sind. Die
gegenseitige Transparenz zwischen den Göttlichen Personen ist völlig und die
Verbindung untereinander vollkommen, denn sie bilden eine absolute Einheit
und Einzigkeit. Gott will auch uns in diese Wirklichkeit der Gemeinschaft
aufnehmen: »denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind« (Joh 17,
22). Die Kirche ist Zeichen und Werkzeug dieser Einheit.[131]
Auch die Beziehungen zwischen Menschen in der Geschichte können nur Nutzen
aus dem Bezug auf dieses göttliche Modell ziehen. Insbesondere im Licht des
offenbarten Geheimnisses der Dreifaltigkeit versteht man, daß eine echte
Öffnung nicht zentrifugale Zerstreuung bedeutet, sondern tiefe
Durchdringung. Dies ergibt sich auch aus der gemeinsamen menschlichen
Erfahrung der Liebe und der Wahrheit. Wie die sakramentale Liebe die
Eheleute geistig als »ein Fleisch« (Gen 2, 24; Mt 19, 5;
Eph 5, 31) verbindet und aus den zweien eine echte Einheit in der
Beziehung macht, verbindet auf analoge Weise die Wahrheit die Vernunftwesen
untereinander und läßt sie im Einklang denken, indem sie sie anzieht und in
sich vereint.
55. Die christliche Offenbarung über die Einheit des
Menschengeschlechts setzt eine metaphysische Interpretation des humanum
voraus, in dem die Fähigkeit zur Beziehung ein wesentliches Element
darstellt. Auch andere Kulturen und Religionen lehren Brüderlichkeit und
Frieden und sind daher für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen von
großer Bedeutung. Es fehlen aber nicht religiöse und kulturelle Haltungen,
in denen das Prinzip der Liebe und der Wahrheit nicht vollständig angenommen
und am Ende so die echte menschliche Entwicklung gebremst oder sogar
behindert wird. Die Welt von heute ist von einigen Kulturen mit religiösem
Hintergrund durchzogen, die den Menschen nicht zur Gemeinschaft
verpflichten, sondern ihn auf der Suche nach dem individuellen Wohl
isolieren, indem sie sich darauf beschränken, psychologische Erwartungen zu
befriedigen. Auch eine gewisse Verbreitung von religiösen Wegen kleiner
Gruppen oder sogar einzelner Personen und der religiöse Synkretismus können
Faktoren einer Zerstreuung und eines Mangels an Engagement sein. Ein
möglicher negativer Effekt des Globalisierungsprozesses ist die Tendenz,
solchen Synkretismus zu begünstigen[132]
und dabei Formen von „Religionen“ zu nähren, die die Menschen einander
entfremden, anstatt sie einander begegnen zu lassen, und sie von der
Wirklichkeit entfernen. Gleichzeitig bleiben mitunter kulturelle und
religiöse Vermächtnisse weiter bestehen, die die Gesellschaft in feste
soziale Kasten eingrenzen, in Formen von magischem Glauben, die die Würde
der Person mißachten, und in Haltungen der Unterwerfung unter okkulte
Mächte. Auf dieser Ebene ist es für die Liebe und die Wahrheit schwierig,
sich zu behaupten, was Schaden für die echte Entwicklung mit sich bringt.
Wenn es einerseits wahr ist, daß die Entwicklung die Religionen und
Kulturen der verschiedenen Völker braucht, ist es aus diesem Grund
andererseits ebenso wahr, daß eine angemessene Unterscheidung vonnöten ist.
Religionsfreiheit bedeutet nicht religiöse Gleichgültigkeit und bringt nicht
mit sich, daß alle Religionen gleich sind.[133]
Die Unterscheidung hinsichtlich des Beitrags der Kulturen und Religionen zum
Aufbau der sozialen Gemeinschaft in der Achtung des Gemeinwohls ist vor
allem für den, der politische Gewalt ausübt, erforderlich. Solche
Unterscheidung muß sich auf das Kriterium der Liebe und der Wahrheit
stützen. Da die Entwicklung der Menschen und der Völker auf dem Spiel steht,
wird sie die Möglichkeit der Emanzipation und der Einbeziehung im Hinblick
auf eine wirklich universale Gemeinschaft der Menschen berücksichtigen. »Der
ganze Mensch und alle Menschen« sind das Kriterium, um auch die Kulturen und
die Religionen zu beurteilen. Das Christentum, die Religion des »Gottes, der
ein menschliches Angesicht hat«,[134]
trägt in sich selbst ein solches Kriterium.
56. Die christliche Religion und die anderen Religionen
können ihren Beitrag zur Entwicklung nur leisten, wenn Gott auch im
öffentlichen Bereich mit spezifischem Bezug auf die kulturellen, sozialen,
wirtschaftlichen und insbesondere politischen Aspekte Platz findet. Die
Soziallehre der Kirche ist entstanden, um dieses »Statut des Bürgerrechts«[135]
der christlichen Religion geltend zu machen. Die Verweigerung des Rechts,
öffentlich die eigene Religion zu bekennen und dafür tätig zu sein, daß auch
das öffentliche Leben über die Wahrheiten des Glaubens unterrichtet wird,
bringt negative Folgen für die wahre Entwicklung mit sich. Der Ausschluß der
Religion vom öffentlichen Bereich wie andererseits der religiöse
Fundamentalismus behindern die Begegnung zwischen den Menschen und ihre
Zusammenarbeit für den Fortschritt der Menschheit. Das öffentliche Leben
verarmt an Motivationen, und die Politik nimmt ein unerträgliches und
aggressives Gesicht an. Die Menschenrechte laufen Gefahr, nicht geachtet zu
werden, weil sie entweder ihres transzendenten Fundaments beraubt werden
oder weil die persönliche Freiheit nicht anerkannt wird. Im Laizismus und im
Fundamentalismus verliert man die Möglichkeit eines fruchtbaren Dialogs und
einer gewinnbringenden Zusammenarbeit zwischen Vernunft und religiösem
Glauben. Die Vernunft bedarf stets der Reinigung durch den Glauben, und dies
gilt auch für die politische Vernunft, die sich nicht für allmächtig halten
darf. Die Religion bedarf ihrerseits stets der Reinigung durch die Vernunft,
um ihr echtes menschliches Antlitz zu zeigen. Der Abbruch dieses Dialogs ist
mit einem schwer lastenden Preis für die Entwicklung der Menschheit
verbunden.
57. Der fruchtbare Dialog zwischen Glaube und Vernunft
kann nur das Werk der sozialen Nächstenliebe wirksamer machen und bildet den
sachgemäßen Rahmen, um die brüderliche Zusammenarbeit zwischen Gläubigen und
Nichtgläubigen in der gemeinsamen Sicht, für die Gerechtigkeit und den
Frieden der Menschheit zu arbeiten, zu fördern. In der Pastoralkonstitution
Gaudium et spes sagten die Konzilsväter: »Es ist fast einmütige
Auffassung der Gläubigen und Nichtgläubigen, daß alles auf Erden auf den
Menschen als seinen Mittel- und Höhepunkt hinzuordnen ist«.[136]
Für die Gläubigen ist die Welt nicht das Produkt des Zufalls noch der
Notwendigkeit, sondern eines Planes Gottes. Von daher kommt die Pflicht der
Gläubigen, ihre Bemühungen mit allen Menschen guten Willens – Angehörige
anderer Religionen oder Nichtgläubige – zu vereinen, damit unsere Welt
wirklich dem göttlichen Plan entspricht: als eine Familie unter dem Blick
des Schöpfers zu leben. Besonderes Zeichen der Liebe und Leitkriterium für
die brüderliche Zusammenarbeit von Gläubigen und Nichtgläubigen ist ganz
sicher das Prinzip der Subsidiarität,[137]
Ausdruck der unveräußerlichen Freiheit des Menschen. Die Subsidiarität ist
vor allem eine Hilfe für die Person durch die Autonomie der mittleren
Gruppen und Verbände. Solche Hilfe wird geboten, wenn die Person und die
sozialen Subjekte es nicht aus eigener Kraft schaffen, und schließt immer
emanzipatorische Zielsetzungen ein, da sie die Freiheit und die
Partizipation, insofern sie Übernahme von Verantwortung ist, fördert. Die
Subsidiarität achtet die Würde der Person, in der sie ein Subjekt sieht, das
immer imstande ist, anderen etwas zu geben. Indem sie in der Gegenseitigkeit
die innerste Verfassung des Menschen anerkennt, ist die Subsidiarität das
wirksamste Gegenmittel zu jeder Form eines bevormundenden Sozialsystems. Sie
kann sowohl die vielfache Gliederung der Ebenen und daher der Vielfalt der
Subjekte erklären als auch ihre Koordinierung. Es handelt sich demnach um
ein besonders geeignetes Prinzip, um die Globalisierung zu lenken und sie
auf eine echte menschliche Entwicklung auszurichten. Um nicht eine
gefährliche universale Macht monokratischer Art ins Leben zu rufen, muß die
Steuerung der Globalisierung von subsidiärer Art sein, und zwar in mehrere
Stufen und verschiedene Ebenen gegliedert, da sie die Frage nach einem
globalen Gemeingut aufwirft, das zu verfolgen ist; eine solche Autorität muß
aber auf subsidiäre und polyarchische Art und Weise organisiert sein,[138]
um die Freiheit nicht zu verletzen und sich konkret wirksam zu erweisen.
58. Das Prinzip der Subsidiarität muß in enger
Verbindung mit dem Prinzip der Solidarität gewahrt werden und umgekehrt.
Denn wenn die Subsidiarität ohne die Solidarität in einen sozialen
Partikularismus abrutscht, so ist ebenfalls wahr, daß die Solidarität ohne
die Subsidiarität in ein Sozialsystem abrutscht, das den Bedürftigen
erniedrigt. Diese Regel allgemeiner Art muß ebenso sehr beachtet werden,
wenn Fragen bezüglich internationaler Entwicklungshilfen angegangen werden.
Diese können jenseits der Absichten der Geber mitunter ein Volk in einer
Lage der Abhängigkeit halten oder sogar Situationen von lokaler Herrschaft
und Ausbeutung innerhalb des Hilfeempfängerlandes begünstigen. Damit die
Wirtschaftshilfen auch wirklich solche sind, dürfen sie keine Hintergedanken
verfolgen. Sie müssen unter Miteinbeziehung nicht nur der Regierungen der
betroffenen Länder geleistet werden, sondern auch der örtlichen
Wirtschaftstreibenden und der Kulturträger der Zivilgesellschaft,
einschließlich der örtlichen Kirchen. Die Hilfsprogramme müssen in immer
größerem Ausmaß die Merkmale von Programmen annehmen, die Ergänzung und
Partizipation von unten einbeziehen. Es ist nämlich wahr, daß in den
Ländern, die Entwicklungshilfe empfangen, die größte hervorzuhebende
Ressource der Reichtum an Menschen ist: Das ist das echte Kapital, das
wachsen muß, um den ärmsten Ländern eine wahre autonome Zukunft zu sichern.
Es ist auch daran zu erinnern, daß auf wirtschaftlichem Gebiet die
Haupthilfe, derer die Entwicklungsländer bedürfen, darin besteht, die
schrittweise Eingliederung ihrer Produkte auf den Weltmärkten zu erlauben
und zu fördern und so ihre volle Teilnahme am internationalen
Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Zu oft haben in der Vergangenheit die
Hilfen dazu genützt, nur Nebenmärkte für die Produkte dieser Länder zu
schaffen. Dies ist oft vom Fehlen einer echten Nachfrage nach diesen
Produkten bedingt: Daher ist es notwendig, diesen Ländern zu helfen, ihre
Produkte zu verbessern und sie besser der Nachfrage anzupassen. Überdies
haben einige oft die Konkurrenz der Einfuhr von – normalerweise
landwirtschaftlichen – Produkten aus den wirtschaftlich ärmeren Ländern
gefürchtet. Dennoch muß daran erinnert werden, daß für diese Länder die
Möglichkeit zur Vermarktung solcher Produkte sehr oft bedeutet, ihr
Überleben auf kurze und lange Zeit zu sichern. Ein gerechter und
ausgeglichener Welthandel im Agrarbereich kann für alle Vorteile bringen,
sowohl auf Seiten des Angebots wie der Nachfrage. Aus diesem Grund ist es
nicht nur notwendig, diese Produktionen kommerziell auszurichten, sondern
Welthandelsregeln festzulegen, die sie unterstützen, und die Finanzierungen
für die Entwicklung zu verstärken, um diese Wirtschaften produktiver zu
machen.
59. Die Entwicklungszusammenarbeit darf nicht die
wirtschaftliche Dimension allein betreffen; sie muß eine gute Gelegenheit
zur kulturellen und menschlichen Begegnung werden. Wenn die Träger der
Kooperation in den wirtschaftlich entwickelten Ländern nicht der eigenen und
der fremden kulturellen und auf menschlichen Werten gründenden Identität
Rechnung tragen, wie es mitunter geschieht, können sie keinen tiefen Dialog
mit den Bürgern der armen Ländern aufnehmen. Wenn letztere ihrerseits sich
gleichgültig und unterschiedslos jedem kulturellen Angebot öffnen, sind sie
nicht in der Lage, die Verantwortung für ihre echte Entwicklung zu
übernehmen.[139]
Die technologisch fortgeschrittenen Gesellschaften dürfen die eigene
technologische Entwicklung nicht mit einer vermeintlichen kulturellen
Überlegenheit verwechseln, sondern müssen bei sich selber zuweilen
vergessene Tugenden wiederentdecken, die ihnen eine Blüte in der Geschichte
gebracht haben. Die aufstrebenden Gesellschaften müssen dem treu bleiben,
was in ihren Traditionen an echt Menschlichem vorhanden ist, indem sie eine
automatische Überlagerung mit den Mechanismen der globalisierten
technologischen Zivilisation vermeiden. In allen Kulturen gibt es besondere
und vielfältige ethische Übereinstimmungen, die Ausdruck derselben
menschlichen, vom Schöpfer gewollten Natur sind und die von der ethischen
Weisheit der Menschheit Naturrecht genannt wird.[140]
Ein solches universales Sittengesetz ist die feste Grundlage eines jeden
kulturellen, religiösen und politischen Dialogs und erlaubt dem vielfältigen
Pluralismus der verschiedenen Kulturen, sich nicht von der gemeinsamen Suche
nach dem Wahren und Guten und nach Gott zu lösen. Die Zustimmung zu diesem
in die Herzen eingeschriebenen Gesetz ist daher die Voraussetzung für jede
konstruktive soziale Zusammenarbeit. In allen Kulturen gibt es
Beschwerliches, von dem man sich befreien, und Schatten, denen man sich
entziehen muß. Der christliche Glaube, der in den Kulturen Gestalt annimmt
und sie dabei transzendiert, kann ihnen helfen, in universaler Gemeinschaft
und Solidarität zum Vorteil der gemeinsamen weltweiten Entwicklung zu
wachsen.
60. Bei der Suche nach Lösungen in der gegenwärtigen
Wirtschaftskrise muß die Entwicklungshilfe für die armen Länder als ein
echtes Mittel zur Vermögensschaffung für alle angesehen werden. Welches
andere Hilfsprojekt kann eine selbst für die Weltwirtschaft so bedeutende
Wertsteigerung in Aussicht stellen wie die Unterstützung von Völkern, die
sich noch in einer Anfangsphase oder wenig fortgeschrittenen Phase ihres
wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses befinden? Aus diesem Blickwinkel
werden die wirtschaftlich mehr entwickelten Länder das Mögliche tun, um
höhere Sätze ihres Bruttoinlandprodukts für die Entwicklungshilfe
bereitzustellen, wobei natürlich die auf der Ebene der internationalen
Gemeinschaft übernommenen Verpflichtungen einzuhalten sind. Sie können dies
unter anderem durch eine Revision der Politik der Fürsorge und sozialen
Solidarität in ihrem Inneren tun, indem sie das Prinzip der Subsidiarität
anwenden und besser integrierte Systeme sozialer Vorsorge mit aktiver
Teilnahme der Privatpersonen und der Zivilgesellschaft schaffen. Auf diese
Weise ist es sogar möglich, die Sozial- und Fürsorgeleistungen zu verbessern
und gleichzeitig Geldmittel zu sparen – auch unter Beseitigung von
Verschwendungen und mißbräuchlichen Bezügen –, die für die internationale
Solidarität zu bestimmen sind. Ein System sozialer Solidarität, das eine
größere Beteiligung kennt und organischer aufgebaut ist, das weniger
bürokratisch, aber nicht weniger koordiniert ist, würde es erlauben, viele
heute schlummernde Energien auch zum Nutzen der Solidarität unter den
Völkern zur Geltung zu bringen.
Eine Möglichkeit der Entwicklungshilfe könnte auf der wirksamen Anwendung
der sogenannten steuerlichen Subsidiarität beruhen, die es den Bürgern
gestatten würde, über den Bestimmungszweck von Anteilen ihrer dem Staat
erbrachten Steuern zu entscheiden. Wenn partikularistische Ausartungen
vermieden werden, kann dies dazu verhelfen, Formen sozialer Solidarität von
unten zu fördern, wobei offensichtliche Vorteile auch auf Seiten der
Solidarität für die Entwicklung bestehen.
61. Eine auf internationaler Ebene breitere Solidarität
drückt sich vor allem in der weiteren Förderung – selbst unter den
Verhältnissen einer Wirtschaftskrise – eines größeren Zugangs zur Bildung
aus, die andererseits eine wesentliche Bedingung für die Wirksamkeit der
internationalen Zusammenarbeit selber ist. Der Begriff „Bildung“ bezieht
sich nicht allein auf Unterricht und Ausbildung zum Beruf, die beide
wichtige Gründe für die Entwicklung sind, sondern auf die umfassende Formung
der Person. Diesbezüglich ist ein problematischer Aspekt hervorzuheben: Bei
der Erziehung muß man wissen, was die menschliche Person ist, und ihre Natur
kennen. Die Behauptung einer relativistischen Sicht dieser Natur stellt die
Erziehung, vor allem die moralische Erziehung, vor ernste Probleme, indem
sie ihre erweiterte Bedeutung auf universaler Ebene beeinträchtigt. Wenn man
einem solchen Relativismus nachgibt, werden alle ärmer, was negative
Auswirkungen auch auf die Wirksamkeit der Hilfe für die notleidenden Völker
hat, die nicht nur der wirtschaftlichen und technischen Mittel bedürfen,
sondern auch pädagogische Möglichkeiten und Mittel brauchen, die die
Personen in ihrer vollen menschlichen Verwirklichung unterstützen.
Ein Beispiel für die Bedeutung dieses Problems bietet uns das Phänomen
des internationalen Tourismus,[141]
der einen beträchtlichen Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung und das
kulturelle Wachstum darstellen kann, sich aber auch in eine Gelegenheit zu
Ausbeutung und moralischem Verfall verwandeln kann. Die gegenwärtige
Situation bietet außergewöhnliche Möglichkeiten, denn die wirtschaftlichen
Aspekte der Entwicklung, das heißt die Geldflüsse und der Anfang bedeutender
unternehmerischer Erfahrungen vor Ort, können sich mit den kulturellen
Aspekten, in erster Linie mit jenem der Bildung, verbinden. In vielen Fällen
geschieht dies, aber in vielen anderen ist der internationale Tourismus ein
in erzieherischer Hinsicht verderbliches Ereignis sowohl für den Touristen
als auch für die örtliche Bevölkerung. Letztere wird oft mit unmoralischem
oder sogar perversem Verhalten konfrontiert, wie es beim sogenannten
Sextourismus der Fall ist, dem viele Menschen, selbst in jugendlichem Alter,
zum Opfer fallen. Es ist schmerzlich festzustellen, daß dies sich oft mit
Zustimmung der örtlichen Regierungen, mit dem Schweigen der Regierungen der
Herkunftsländer der Touristen und in Komplizenschaft vieler, die in der
Branche tätig sind, abspielt. Auch wenn es nicht zu solchen Auswüchsen
kommt, wird der internationale Tourismus nicht selten als Konsum und in
hedonistischer Form gelebt, als Flucht und unter den für die Herkunftsländer
typischen Bedingungen organisiert, so daß eine echte Begegnung mit den
Menschen und der Kultur nicht begünstigt wird. Man muß daher an einen
anderen Tourismus denken, der in der Lage ist, ein echtes gegenseitiges
Kennenlernen zu fördern, ohne der Erholung und dem gesunden Vergnügen Raum
wegzunehmen: Ein Tourismus dieser Art muß – auch dank einer engeren
Verbindung der Erfahrung von internationaler Zusammenarbeit und zugunsten
der Entwicklung – gefördert werden.
62. Ein anderer Aspekt, der in bezug auf die
ganzheitliche menschliche Entwicklung Beachtung verdient, ist das Phänomen
der Migrationen. Dieses Phänomen erschüttert einen wegen der Menge
der betroffenen Personen, wegen der sozialen, wirtschaftlichen, politischen,
kulturellen und religiösen Probleme, die es aufwirft, wegen der dramatischen
Herausforderungen, vor die es die Nationen und die internationale
Gemeinschaft stellt. Wir können sagen, daß wir vor einem sozialen Phänomen
epochaler Art stehen, das eine starke und weitblickende Politik der
internationalen Kooperation verlangt, um es in angemessener Weise anzugehen.
Eine solche Politik muß ausgehend von einer engen Zusammenarbeit zwischen
Herkunfts- und Aufnahmeländern der Migranten entwickelt werden; sie muß mit
angemessenen internationalen Bestimmungen einhergehen, die imstande sind,
die verschiedenen gesetzgeberischen Ordnungen in Einklang zu bringen in der
Aussicht, die Bedürfnisse und Rechte der ausgewanderten Personen und
Familien sowie zugleich der Zielgesellschaften der Emigranten selbst zu
schützen. Kein Land kann sich allein dazu imstande sehen, den
Migrationsproblemen unserer Zeit zu begegnen. Wir alle sind Zeugen der Last
an Leid, Entbehrung und Hoffnung, die mit den Migrationsströmen einhergeht.
Das Phänomen zu steuern ist bekanntermaßen komplex; dennoch steht fest, daß
die Fremdarbeiter trotz der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ihrer
Integration durch ihre Arbeit einen bedeutenden Beitrag zur wirtschaftlichen
Entwicklung des Gastlandes leisten und darüber hinaus dank der Geldsendungen
auch einen Beitrag zur Entwicklung ihrer Herkunftsländer erbringen.
Offensichtlich können diese Arbeitnehmer nicht als Ware oder reine
Arbeitskraft angesehen werden. Sie dürfen folglich nicht wie irgendein
anderer Produktionsfaktor behandelt werden. Jeder Migrant ist eine
menschliche Person, die als solche unveräußerliche Grundrechte besitzt, die
von allen und in jeder Situation respektiert werden müssen.[142]
63. Bei der Betrachtung der Probleme der Entwicklung
kann man nicht anders, als den direkten Zusammenhang zwischen Armut und
Arbeitslosigkeit hervorzuheben. In vielen Fällen sind die Armen das Ergebnis
der Verletzung der Würde der menschlichen Arbeit, da sowohl ihre
Möglichkeiten beschränkt werden (Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung) als
auch »die Rechte, die sich aus ihr ergeben, vor allem das Recht auf
angemessene Entlohnung und auf die Sicherheit der Person des Arbeitnehmers
und seiner Familie, entleert werden«.[143]
Deswegen hat mein Vorgänger seligen Angedenkens Johannes Paul II. schon am
1. Mai 2000 anläßlich des Jubiläums der Arbeiter zu einer »weltweiten
Koalition für würdige Arbeit«[144]
aufgerufen und dabei die Strategie der Internationalen Arbeitsorganisation
gefördert. Auf diese Weise hat er diesem Ziel als Bestrebung der Familien in
allen Ländern der Welt eine starke moralische Bestätigung verliehen. Was
bedeutet das Wort „Würde“ auf die Arbeit angewandt? Es bedeutet eine Arbeit,
die in jeder Gesellschaft Ausdruck der wesenseigenen Würde jedes Mannes und
jeder Frau ist: eine frei gewählte Arbeit, die die Arbeitnehmer, Männer und
Frauen, wirksam an der Entwicklung ihrer Gemeinschaft teilhaben läßt; eine
Arbeit, die auf diese Weise den Arbeitern erlaubt, ohne jede Diskriminierung
geachtet zu werden; eine Arbeit, die es gestattet, die Bedürfnisse der
Familie zu befriedigen und die Kinder zur Schule zu schicken, ohne daß diese
selber gezwungen sind zu arbeiten; eine Arbeit, die den Arbeitnehmern
erlaubt, sich frei zu organisieren und ihre Stimme zu Gehör zu bringen; eine
Arbeit, die genügend Raum läßt, um die eigenen persönlichen, familiären und
spirituellen Wurzeln wiederzufinden; eine Arbeit, die den in die Rente
eingetretenen Arbeitnehmern würdige Verhältnisse sichert.
64. Beim Nachdenken über das Thema Arbeit ist auch ein
Hinweis auf den dringenden Bedarf angebracht, daß die
Gewerkschaftsorganisationen der Arbeitnehmer, die von der Kirche stets
gefördert und unterstützt wurden, sich den neuen Perspektiven öffnen, die im
Bereich der Arbeit auftauchen. In Überwindung der eigenen Grenzen der
kategorialen Gewerkschaften sind die Gewerkschaftsorganisationen dazu
aufgerufen, sich um die neuen Probleme unserer Gesellschaft zu kümmern: Ich
beziehe mich zum Beispiel auf die Gesamtheit der Fragen, die die
Sozialwissenschaftler im Konflikt zwischen Arbeitnehmer und Konsument
ermitteln. Ohne notwendigerweise die These eines erfolgten Übergangs von der
zentralen Rolle des Arbeiters zu der des Konsumenten vertreten zu müssen,
scheint es jedenfalls, daß auch das ein Gebiet für innovative
Gewerkschaftserfahrungen ist. Der globale Rahmen, in dem die Arbeit ausgeübt
wird, verlangt auch, daß die nationalen Gewerkschaftsorganisationen, die
sich vorwiegend auf die Verteidigung der Interessen der eigenen Mitglieder
beschränken, den Blick ebenso auf die Nichtmitglieder richten und
insbesondere auf die Arbeitnehmer in den Entwicklungsländern, wo die
Sozialrechte oft verletzt werden. Die Verteidigung dieser Erwerbstätigen,
die auch durch geeignete Initiativen gegenüber ihren Herkunftsländern
gefördert wird, erlaubt den Gewerkschaftsorganisationen, die echten
ethischen und kulturellen Gründe hervorzuheben, die es ihnen unter anderen
sozialen und Arbeitszusammenhängen gestattet haben, ein entscheidender
Faktor für die Entwicklung zu sein. Stets bleibt die traditionelle Lehre der
Kirche gültig, die eine Rollen- und Aufgabenunterscheidung von Gewerkschaft
und Politik vorschlägt. Diese Unterscheidung erlaubt den
Gewerkschaftsorganisationen, in der Zivilgesellschaft jenen Bereich
herauszufinden, der am meisten ihrer Tätigkeit entspricht, für die
notwendige Verteidigung und Förderung der Arbeitswelt vor allem zugunsten
der ausgebeuteten und nicht vertretenen Arbeitnehmer Sorge zu tragen, deren
bittere Lage dem zerstreuten Blick der Gesellschaft oft entgeht.
65. Ferner bedarf das Finanzwesen als solches
einer notwendigen Erneuerung der Strukturen und Bestimmungen seiner
Funktionsweisen, deren schlechte Anwendung die Realwirtschaft zuvor
geschädigt hat. Auf diese Weise kann es dann wieder ein auf die bessere
Vermögensschaffung und auf die Entwicklung zielgerichtetes Instrument
werden. Die ganze Wirtschaft und das ganze Finanzwesen – nicht nur einige
ihrer Bereiche – müssen nach ethischen Maßstäben als Werkzeuge gebraucht
werden, so daß sie angemessene Bedingungen für die Entwicklung des Menschen
und der Völker schaffen. Es ist gewiß nützlich und unter manchen Umständen
unerläßlich, Finanzinitiativen ins Leben zu rufen, bei denen die humanitäre
Dimension vorherrscht. Dies darf aber nicht vergessen lassen, daß das
Finanzsystem insgesamt auf die Unterstützung einer echten Entwicklung
zielgerichtet sein muß. Vor allem darf die Absicht, Gutes zu tun, nicht der
Intention nach der tatsächlichen Güterproduktionskapazität gegenübergestellt
werden. Die Finanzmakler müssen die eigentlich ethische Grundlage ihrer
Tätigkeit wieder entdecken, um nicht jene hoch entwickelten Instrumente zu
mißbrauchen, die dazu dienen können, die Sparer zu betrügen. Redliche
Absicht, Transparenz und die Suche nach guten Ergebnissen sind miteinander
vereinbar und dürfen nie voneinander gelöst werden. Wenn die Liebe klug ist,
kann sie auch die Mittel finden, um gemäß einer weitblickenden und gerechten
Wirtschaftlichkeit zu handeln, wie viele Erfahrungen auf dem Gebiet der
Kreditgenossenschaften deutlich unterstreichen.
Sowohl eine Regulierung des Bereichs, welche die schwächeren Subjekte
absichert und skandalöse Spekulationen verhindert, als auch der Versuch
neuer Finanzformen, die zur Förderung von Entwicklungsprojekten bestimmt
sind, bedeuten positive Erfahrungen, die vertieft und gefördert werden
müssen und zugleich an die Eigenverantwortung des Sparers appellieren. Auch
die Erfahrung des Mikrofinanzwesens, das seine eigenen Wurzeln in den
Überlegungen und Werken der bürgerlichen Humanisten hat – ich denke vor
allem an das Entstehen der Leihhäuser –, muß bestärkt und ausgearbeitet
werden, besonders in diesen Momenten, in denen die Finanzprobleme für viele
verwundbarere Teile der Bevölkerung, die vor den Risiken von Wucher oder vor
der Hoffnungslosigkeit geschützt werden müssen, dramatisch werden können.
Die schwächeren Subjekte müssen angeleitet werden, sich vor dem Wucher zu
verteidigen. Ebenso sind die armen Völker darin zu schulen, realen Nutzen
aus dem Mikrokredit zu ziehen. Auf diese Weise werden die Möglichkeiten von
Ausbeutung in diesen zwei Bereichen gebremst. Da es auch in den reichen
Ländern neue Formen von Armut gibt, kann das Mikrofinanzwesen Hilfen geben,
neue Initiativen und Bereiche zugunsten der schwachen Gesellschaftsschichten
selbst in Phasen einer möglichen Verarmung der Gesellschaft zu schaffen.
66. Die weltweite Vernetzung hat eine neue politische
Macht aufsteigen lassen, und zwar jene der Konsumenten und ihrer
Verbände. Es handelt sich um ein Phänomen, das eingehend zu studieren ist,
weil es positive Elemente enthält, die gefördert werden müssen, wie auch
Übertreibungen, die zu vermeiden sind. Es ist gut, daß sich die Menschen
bewußt werden, daß das Kaufen nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern
immer auch eine moralische Handlung ist. Die Konsumenten haben daher eine
klare soziale Verantwortung, die mit der sozialen Verantwortung des
Unternehmens einhergeht. Sie müssen ständig zu der Rolle erzogen werden,[145]
die sie täglich ausüben und die sie in der Achtung vor den moralischen
Grundsätzen ausführen können, ohne die eigene wirtschaftliche Vernünftigkeit
des Kaufakts herabzusetzen. Gerade in Zeiten wie denen, die wir erleben, in
denen die Kaufkraft sich verringern könnte und man sich beim Konsum mäßigen
sollte, ist es auch im Bereich des Erwerbs notwendig, andere Wege zu
beschreiten, wie zum Beispiel die Formen von Einkaufskooperativen wie die
Konsumgenossenschaften, die seit dem neunzehnten Jahrhundert auch dank der
Initiative von Katholiken tätig sind. Ferner ist es nützlich, neue Formen
der Vermarktung von Produkten, die aus unterdrückten Gebieten der Erde
stammen, zu fördern, um den Erzeugern einen annehmbaren Lohn zu sichern
unter der Bedingung, daß es sich wirklich um einen transparenten Markt
handelt, daß die Erzeuger nicht nur eine höhere Gewinnspanne, sondern auch
eine bessere Ausbildung, Professionalität und Technologie erhalten und daß
sich schließlich mit solchen Wirtschaftserfahrungen für die Entwicklung
nicht parteiideologische Ansichten verbinden. Eine wirksamere Rolle der
Verbraucher, wenn diese selbst nicht von Verbänden manipuliert werden, die
sie nicht wirklich vertreten, ist als Faktor einer wirtschaftlichen
Demokratie wünschenswert.
67. Gegenüber der unaufhaltsamen Zunahme weltweiter
gegenseitiger Abhängigkeit wird gerade auch bei einer ebenso weltweit
anzutreffenden Rezession stark die Dringlichkeit einer Reform sowohl der
Organisation der Vereinten Nationen als auch der internationalen
Wirtschafts- und Finanzgestaltung empfunden, damit dem Konzept einer
Familie der Nationen reale und konkrete Form gegeben werden kann.
Desgleichen wird als dringlich gesehen, innovative Formen zu finden, um das
Prinzip der Schutzverantwortung[146]
anzuwenden und um auch den ärmeren Nationen eine wirksame Stimme in den
gemeinschaftlichen Entscheidungen zuzuerkennen. Dies scheint gerade im
Hinblick auf eine politische, rechtliche und wirtschaftliche Ordnung
notwendig, die die internationale Zusammenarbeit auf die solidarische
Entwicklung aller Völker hin fördert und ausrichtet. Um die Weltwirtschaft
zu steuern, die von der Krise betroffenen Wirtschaften zu sanieren, einer
Verschlimmerung der Krise und sich daraus ergebenden Ungleichgewichten
vorzubeugen, um eine geeignete vollständige Abrüstung zu verwirklichen,
sowie Ernährungssicherheit und Frieden zu verwirklichen, den Umweltschutz zu
gewährleisten und die Migrationsströme zu regulieren, ist das Vorhandensein
einer echten politischen Weltautorität, wie sie schon von meinem
Vorgänger, dem seligen Papst
Johannes
XXIII., angesprochen wurde, dringend nötig. Eine solche Autorität muß
sich dem Recht unterordnen, sich auf konsequente Weise an die Prinzipien der
Subsidiarität und Solidarität halten, auf die Verwirklichung des Gemeinwohls
hingeordnet sein,[147]
sich für die Verwirklichung einer echten ganzheitlichen menschlichen
Entwicklung einsetzen, die sich von den Werten der Liebe in der Wahrheit
inspirieren läßt. Darüber hinaus muß diese Autorität von allen anerkannt
sein, über wirksame Macht verfügen, um für jeden Sicherheit, Wahrung der
Gerechtigkeit und Achtung der Rechte zu gewährleisten.[148]
Offensichtlich muß sie die Befugnis besitzen, gegenüber den Parteien den
eigenen Entscheidungen wie auch den in den verschiedenen internationalen
Foren getroffenen abgestimmten Maßnahmen Beachtung zu verschaffen. In
Ermangelung dessen würde nämlich das internationale Recht trotz der großen
Fortschritte, die auf den verschiedenen Gebieten erzielt worden sind, Gefahr
laufen, vom Kräftegleichgewicht der Stärkeren bestimmt zu werden. Die
ganzheitliche Entwicklung der Völker und die internationale Zusammenarbeit
erfordern, daß eine übergeordnete Stufe internationaler Ordnung von
subsidiärer Art für die Steuerung der Globalisierung errichtet wird[149]
und daß eine der moralischen Ordnung entsprechende Sozialordnung sowie jene
Verbindung zwischen moralischem und sozialem Bereich, zwischen Politik und
wirtschaftlichem und zivilem Bereich, die schon in den Statuten der
Vereinten Nationen dargelegt wurde, endlich verwirklicht werden.
SECHSTES KAPITEL
DIE ENTWICKLUNG DER VÖLKER
UND DIE TECHNIK
68. Das Thema der Entwicklung der Völker ist eng mit
dem der Entwicklung jedes einzelnen Menschen verbunden. Der Mensch ist von
seiner Natur aus in dynamischer Weise auf die eigene Entwicklung
ausgerichtet. Dabei handelt es sich nicht um eine von natürlichen
Mechanismen gewährleistete Entwicklung, denn jeder von uns weiß, daß er
imstande ist, freie und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Es
handelt sich auch nicht um eine Entwicklung, die unserer Willkür überlassen
ist, da wir alle wissen, daß wir Geschenk sind und nicht Ergebnis einer
Selbsterzeugung. Die Freiheit ist in uns ursprünglich von unserem Sein und
dessen Grenzen bestimmt. Niemand formt eigenmächtig das eigene Bewußtsein,
sondern alle bauen das eigene „Ich“ auf der Grundlage eines „Selbst“ auf,
das uns gegeben ist. Wir können über andere Menschen und auch über uns
selbst nicht verfügen. Die Entwicklung des Menschen verkommt, wenn er
sich anmaßt, sein eigener und einziger Hervorbringer zu sein. Ähnlich
gerät die Entwicklung der Völker aus den Bahnen, wenn die Menschheit meint,
sich wiedererschaffen zu können, wenn sie sich der „Wunder“ der Technik
bedient. So wie sich die wirtschaftliche Entwicklung als trügerisch und
schädlich herausstellt, wenn sie sich den „Wundern“ der Finanzwelt
anvertraut, um ein unnatürliches und konsumorientiertes Wachstum zu
unterstützen. Gegenüber dieser prometheischen Anmaßung müssen wir die Liebe
zu einer Freiheit stärken, die nicht willkürlich ist, sondern durch die
Anerkennung des ihr vorausgehenden Guten menschlicher geworden ist. Dazu muß
der Mensch wieder zu sich kommen, um die Grundnormen des natürlichen
Sittengesetzes zu erkennen, das Gott ihm ins Herz geschrieben hat.
69. Das Problem der Entwicklung ist heute eng mit dem
technologischen Fortschritt und mit dessen erstaunlichen Anwendungen
im Bereich der Biologie verbunden. Die Technik – das sei hier unterstrichen
– ist eine zutiefst menschliche Erscheinung, die an die Autonomie und
Freiheit des Menschen geknüpft ist. In der Technik kommt zum Ausdruck und
bestätigt sich die Herrschaft des Geistes über die Materie. »Der Geist des
Menschen kann sich, von der Versklavung unter die Sachwelt befreit,
ungehinderter zur Kontemplation und Anbetung des Schöpfers erheben«.[150]
Die Technik gestattet es, die Materie zu beherrschen, die Risiken zu
verringern, Mühe zu sparen, die Lebensbedingungen zu verbessern. Sie
entspricht der eigentlichen Berufung der menschlichen Arbeit: In der
Technik, die als Werk seines Geistes gesehen wird, erkennt der Mensch sich
selbst und verwirklicht das eigene Menschsein. Die Technik ist der objektive
Aspekt der menschlichen Arbeit,[151]
deren Ursprung und Daseinsberechtigung im subjektiven Element liegt: dem
arbeitenden Menschen. Darum ist die Technik niemals nur Technik. Sie zeigt
den Menschen und sein Streben nach Entwicklung, sie ist Ausdruck der
Spannung des menschlichen Geistes bei der schrittweisen Überwindung gewisser
materieller Bedingtheiten. Die Technik fügt sich daher in den Auftrag
ein, »die Erde zu bebauen und zu hüten« (vgl. Gen 2, 15), den
Gott dem Menschen erteilt hat, und muß darauf ausgerichtet sein, jenen Bund
zwischen Mensch und Umwelt zu stärken, der Spiegel der schöpferischen Liebe
Gottes sein soll.
70. Die technologische Entwicklung kann zur Idee
verleiten, daß sich die Technik selbst genügt, wenn der Mensch sich nur die
Frage nach dem Wie stellt und die vielen Warum unbeachtet läßt,
von denen er zum Handeln angespornt wird. Das ist der Grund dafür, daß die
Technik ein zwiespältiges Gesicht annimmt. Da sie aus der menschlichen
Kreativität als dem Werkzeug der Freiheit der Person hervorgegangen ist,
kann die Technik als Element absoluter Freiheit verstanden werden, jener
Freiheit, die von den Grenzen absehen will, die die Dinge in sich tragen.
Der Globalisierungsprozeß könnte die Ideologien durch die Technik ersetzen,[152]
die selbst zu einer ideologischen Macht geworden ist und die Menschheit der
Gefahr aussetzt, sich in einem Apriori eingeschlossen zu finden, aus
dem sie nicht ausbrechen kann, um dem Sein und der Wahrheit zu begegnen. In
diesem Fall würden wir alle unsere Lebensumstände innerhalb eines
technokratischen Kulturhorizonts, dem wir strukturell angehören würden,
erkennen, einschätzen und bestimmen, ohne je einen Sinn finden zu können,
den wir nicht selbst erzeugt haben. Diese Vorstellung macht heute die
technizistische Mentalität so stark, daß sie das Wahre mit dem Machbaren
zusammenfallen läßt. Wenn aber die Effizienz und der Nutzen das einzige
Kriterium der Wahrheit sind, wird automatisch die Entwicklung geleugnet.
Denn die echte Entwicklung besteht nicht in erster Linie im Tun. Schlüssel
der Entwicklung ist ein Verstand, der in der Lage ist, die Technik zu
durchdenken und den zutiefst menschlichen Sinn des Tuns des Menschen im
Sinnhorizont der in der Gesamtheit ihres Seins genommenen Person zu
erfassen. Auch wenn der Mensch durch einen Satelliten oder einen
ferngesteuerten elektronischen Impuls tätig ist, bleibt sein Tun immer
menschlich, Ausdruck verantwortlicher Freiheit. Die Technik wirkt auf den
Menschen sehr anziehend, weil sie ihn den physischen Beschränkungen entreißt
und seinen Horizont erweitert. Aber die menschliche Freiheit ist nur dann
im eigentlichen Sinn sie selbst, wenn sie auf den Zauber der Technik mit
Entscheidungen antwortet, die Frucht moralischer Verantwortung sind.
Daraus ergibt sich die Dringlichkeit einer Erziehung zur sittlichen
Verantwortung im Umgang mit der Technik. Ausgehend von der Faszination, die
die Technik auf den Menschen ausübt, muß man den wahren Sinn der Freiheit
wiedergewinnen, die nicht in der Trunkenheit einer totalen Autonomie
besteht, sondern in der Antwort auf den Aufruf des Seins, angefangen bei dem
Sein, das wir selbst sind.
71. Dieses mögliche Abweichen der technischen Denkweise
von ihrem ursprünglichen humanistischen Lauf ist heute in den Phänomenen der
Technisierung sowohl der Entwicklung wie des Friedens offenkundig. Häufig
wird die Entwicklung der Völker als eine Frage der Finanzierungstechnik, der
Öffnung der Märkte, der Zollsenkung, der Produktionsinvestitionen, der
institutionellen Reformen – letztlich als eine rein technische Frage
gesehen. Alle diese Bereiche sind äußerst wichtig, aber man muß sich fragen,
warum die Entscheidungen technischer Art bis jetzt nur einigermaßen
funktioniert haben. Der Grund dafür muß tiefer gesucht werden. Die
Entwicklung wird niemals von gleichsam automatischen und unpersönlichen
Kräften – seien es jene des Marktes oder jene der internationalen Politik –
vollkommen garantiert werden. Ohne rechtschaffene Menschen, ohne
Wirtschaftsfachleute und Politiker, die in ihrem Gewissen den Aufruf zum
Gemeinwohl nachdrücklich leben, ist die Entwicklung nicht möglich.
Sowohl die berufliche Vorbereitung wie die moralische Konsequenz sind
vonnöten. Wenn sich die Verabsolutierung der Technik durchsetzt, kommt es zu
einer Verwechslung von Zielen und Mitteln; der Unternehmer wird als einziges
Kriterium für sein Handeln den höchsten Gewinn der Produktion ansehen; der
Politiker die Festigung der Macht; der Wissenschaftler das Ergebnis seiner
Entdeckungen. So geschieht es, daß oft unter dem Netz der Wirtschafts-,
Finanz- oder politischen Beziehungen Unverständnis, Unbehagen und
Ungerechtigkeiten weiterbestehen; die Ströme technischen Fachwissens
vervielfachen sich, allerdings zum Vorteil ihrer Eigentümer, während die
tatsächliche Situation der Völker, die jenseits und fast immer im Schatten
dieser Ströme leben, weiter unverändert und ohne reale
Emanzipationsmöglichkeiten bleibt.
72. Auch der Friede läuft mitunter Gefahr, als ein
technisches Produkt – lediglich als Ergebnis von Abkommen zwischen
Regierungen oder von Initiativen zur Sicherstellung effizienter
Wirtschaftshilfen – betrachtet zu werden. Es stimmt, daß der Aufbau des
Friedens das ständige Knüpfen diplomatischer Kontakte, wirtschaftlichen
und technologischen Austausch, kulturelle Begegnungen, Abkommen über
gemeinsame Vorhaben ebenso erfordert wie die Übernahme gemeinsam geteilter
Verpflichtungen, um kriegerische Bedrohungen einzudämmen und die regelmäßig
wiederkehrenden terroristischen Versuchungen an der Wurzel freizulegen.
Damit diese Bemühungen dauerhafte Wirkungen hervorbringen können, müssen sie
sich allerdings auf Werte stützen können, die in der Wahrheit des Lebens
verwurzelt sind. Das heißt, man muß die Stimme der betreffenden Bevölkerung
hören und sich ihre Lage anschauen, um ihre Erwartungen entsprechend zu
deuten. Hier muß man sich sozusagen ständig in eine Linie mit der anonym
geleisteten Anstrengung so vieler Menschen stellen, die sich sehr dafür
engagieren, die Begegnung zwischen den Völkern zu fördern und die
Entwicklung ausgehend von Liebe und gegenseitigem Verständnis zu
begünstigen. Unter diesen Personen sind auch gläubige Christen, die an der
großen Aufgabe beteiligt sind, der Entwicklung und dem Frieden einen vollauf
menschlichen Sinn zu geben.
73. Mit der technologischen Entwicklung verbunden ist
die gestiegene Verbreitung der sozialen Kommunikationsmittel. Es ist
bereits fast unmöglich, sich die Existenz der menschlichen Familie ohne sie
vorzustellen. Im guten wie im bösen sind sie dermaßen im Leben der Welt
präsent, daß die Einstellung derjenigen, die die Neutralität der sozialen
Kommunikationsmittel behaupten und daher ihre Autonomie in bezug auf die die
Menschen betreffende Moral fordern, wirklich absurd erscheint. Derartige
Sichtweisen, die die strikt technische Natur der Medien nachdrücklich
betonen, begünstigen tatsächlich oft ihre Unterordnung unter das
wirtschaftliche Kalkül, unter die Absicht, die Märkte zu beherrschen, und
nicht zuletzt unter das Verlangen, kulturelle Parameter aufzuerlegen, die
Projekten ideologischer und politischer Macht dienen. Angesichts ihrer
fundamentalen Bedeutung bei der Bestimmung von Veränderungen in der Art und
Weise, wie die Wirklichkeit und die menschliche Person selbst wahrgenommen
und kennengelernt wird, wird ein aufmerksames Nachdenken über ihren Einfluß
besonders gegenüber der ethisch-kulturellen Dimension der Globalisierung und
der solidarischen Entwicklung der Völker notwendig. Entsprechend dem, was
von einem korrekten Umgang mit der Globalisierung und Entwicklung gefordert
wird, müssen Sinn und Zielsetzung der Medien auf anthropologischer
Grundlage gesucht werden. Das heißt, daß sie nicht nur dann
Gelegenheit zur Humanisierung werden können, wenn sie dank der
technologischen Entwicklung größere Kommunikations- und
Informationsmöglichkeiten bieten, sondern vor allem dann, wenn sie im Licht
eines Bildes vom Menschen und vom Gemeinwohl, das deren universale Bedeutung
widerspiegelt, organisiert und ausgerichtet werden. Die sozialen
Kommunikationsmittel begünstigen weder die Freiheit noch globalisieren sie
die Entwicklung und die Demokratie für alle einfach deshalb, weil sie die
Möglichkeiten der Verbindung und Zirkulation von Ideen vervielfachen. Um
solche Ziele zu erreichen, müssen sie auf die Förderung der Würde der
Menschen und der Völker ausgerichtet sein, ausdrücklich von der Liebe
beseelt sein und im Dienst der Wahrheit, des Guten sowie der natürlichen und
übernatürlichen Brüderlichkeit stehen. In der Menschheit ist die Freiheit
nämlich mit diesen höheren Werten innerlich verbunden. Die Medien können
eine wertvolle Hilfe darstellen, um die Gemeinschaft der menschlichen
Familie und das Ethos der Gesellschaften wachsen zu lassen, wenn sie
Werkzeuge zur Förderung der allgemeinen Teilnahme an der gemeinsamen Suche
nach dem, was gerecht ist, werden.
74. Der wichtigste und entscheidende Bereich der
kulturellen Auseinandersetzung zwischen dem Absolutheitsanspruch der Technik
und der moralischen Verantwortung des Menschen ist heute die Bioethik,
wo auf radikale Weise die Möglichkeit einer ganzheitlichen menschlichen
Entwicklung selbst auf dem Spiel steht. Es handelt sich um einen äußerst
heiklen und entscheidenden Bereich, in dem mit dramatischer Kraft die
fundamentale Frage auftaucht, ob sich der Mensch selbst hervorgebracht hat
oder ob er von Gott abhängt. Die wissenschaftlichen Entdeckungen auf diesem
Gebiet und die Möglichkeiten technischer Eingriffe scheinen so weit
vorangekommen zu sein, daß sie uns vor die Wahl zwischen den zwei Arten der
Rationalität stellen: die auf Transzendenz hin offene Vernunft oder die in
der Immanenz eingeschlossene Vernunft. Man steht also vor einem
entscheidenden Entweder-Oder. Die Rationalität des auf sich selbst
zentrierten technischen Machens erweist sich jedoch als irrational, weil sie
eine entschiedene Ablehnung von Sinn und Wert mit sich bringt. Nicht
zufällig prallen das Sich-Verschließen gegenüber der Transzendenz und die
Schwierigkeit zu denken, wie aus dem Nichts das Sein hervorgegangen und wie
aus dem Zufall der Verstand entstanden sein soll, aufeinander.[153]
Angesichts dieser dramatischen Probleme helfen sich Vernunft und Glaube
gegenseitig. Nur gemeinsam werden sie den Menschen retten. Die vom reinen
technischen Tun gefesselte Vernunft ist ohne den Glauben dazu verurteilt,
sich in der Illusion der eigenen Allmacht zu verlieren. Der Glaube ist ohne
die Vernunft der Gefahr der Entfremdung vom konkreten Leben der Menschen
ausgesetzt.[154]
75. Schon Papst
Paul VI.
hatte den weltweiten Horizont der sozialen Frage erkannt und auf ihn
hingewiesen.[155]
Wenn man ihm auf diesem Weg folgt, muß man heute feststellen, daß die
soziale Frage in radikaler Weise zu einer anthropologischen Frage
geworden ist, insofern sie die Möglichkeit selbst beinhaltet, das Leben, das
von den Biotechnologien immer mehr in die Hände des Menschen gelegt wird,
nicht nur zu verstehen, sondern auch zu manipulieren. In der heutigen Kultur
der totalen Ernüchterung, die glaubt, alle Geheimnisse aufgedeckt zu haben,
weil man bereits an die Wurzel des Lebens gelangt ist, kommt es zur
Entwicklung und Förderung von In-vitro-Fertilisation, Embryonenforschung,
Möglichkeiten des Klonens und der Hybridisierung des Menschen. Hier findet
der Absolutheitsanspruch der Technik seinen massivsten Ausdruck. In dieser
Art von Kultur ist das Gewissen nur dazu berufen, eine rein technische
Möglichkeit zur Kenntnis zu nehmen. Man kann jedoch nicht die beunruhigenden
Szenarien für die Zukunft des Menschen und die neuen mächtigen Instrumente,
die der »Kultur des Todes« zur Verfügung stehen, bagatellisieren. Zur
verbreiteten tragischen Plage der Abtreibung könnte in Zukunft – aber
insgeheim bereits jetzt schon in nuce vorhanden – eine systematische
eugenische Geburtenplanung hinzukommen. Auf der entgegengesetzten Seite wird
einer mens euthanasica der Weg bereitet, einem nicht weniger
mißbräuchlichen Ausdruck der Herrschaft über das Leben, das unter bestimmten
Bedingungen als nicht mehr lebenswert betrachtet wird. Hinter diesen
Szenarien stehen kulturelle Auffassungen, welche die menschliche Würde
leugnen. Diese Praktiken sind ihrerseits dazu bestimmt, eine materielle und
mechanistische Auffassung vom menschlichen Leben zu nähren. Wer wird die
negativen Auswirkungen einer solchen Mentalität auf die Entwicklung ermessen
können? Wie wird man sich noch über die Gleichgültigkeit gegenüber den
Situationen menschlichen Verfalls wundern können, wenn die Gleichgültigkeit
sogar unsere Haltung gegenüber dem, was menschlich ist oder nicht,
kennzeichnet? Es verwundert einen die willkürliche Selektivität all dessen,
was heute als achtenswert vorgeschlagen wird. Während viele gleich bereit
sind, sich über Nebensächlichkeiten zu entrüsten, scheinen sie unerhörte
Ungerechtigkeiten zu tolerieren. Während die Armen der Welt noch immer an
die Türen der Üppigkeit klopfen, läuft die reiche Welt Gefahr, wegen eines
Gewissens, das bereits unfähig ist, das Menschliche zu erkennen, jene
Schläge an ihre Tür nicht mehr zu hören. Gott enthüllt dem Menschen den
Menschen; die Vernunft und der Glaube arbeiten zusammen, ihm das Gute zu
zeigen, wenn er es nur sehen wollte; das Naturrecht, in dem die
schöpferische Vernunft aufscheint, zeigt die Größe des Menschen auf, aber
auch sein Elend, wenn er den Ruf der moralischen Wahrheit nicht annimmt.
76. Einer der Aspekte des modernen technisierten
Geistes besteht in der Neigung, die mit dem Innenleben verbundenen Fragen
und Regungen nur unter einem psychologischen Gesichtspunkt bis hin zum
neurologischen Reduktionismus zu betrachten. Die Innerlichkeit des Menschen
wird so entleert, und das Bewußtsein von der ontologischen Beschaffenheit
der menschlichen Seele mit ihren Tiefen, die die Heiligen auszuloten wußten,
geht allmählich verloren. Die Frage der Entwicklung ist auch mit unserer
Auffassung von der Seele des Menschen eng verbunden, da unser Ich oft
auf die Psyche reduziert wird und die Gesundheit der Seele mit dem
emotionalen Wohlbefinden verwechselt wird. Diesen Verkürzungen liegt ein
tiefes Unverständnis des geistlichen Lebens zugrunde. Sie führen dazu, nicht
anerkennen zu wollen, daß die Entwicklung des Menschen und der Völker jedoch
auch von der Lösung von Problemen geistlicher Art abhängt. Die
Entwicklung muß außer dem materiellen auch ein geistig-geistliches Wachstum
umfassen, weil der Mensch eine »Einheit aus Seele und Leib«[156]
ist, geboren von der schöpferischen Liebe Gottes und zum ewigen Leben
bestimmt. Der Mensch entwickelt sich, wenn er im Geist wächst, wenn seine
Seele sich selbst und die Wahrheiten erkennt, die Gott ihr keimhaft
eingeprägt hat, wenn er mit sich selbst und mit seinem Schöpfer redet. Fern
von Gott ist der Mensch unstet und krank. Die soziale und psychologische
Entfremdung und die vielen Neurosen, die für die reichen Gesellschaften
kennzeichnend sind, verweisen auch auf Ursachen geistlicher Natur. Eine
materiell entwickelte, aber für die Seele bedrückende Wohlstandsgesellschaft
ist an und für sich nicht auf echte Entwicklung ausgerichtet. Die neuen
Formen der Knechtschaft der Droge und die Verzweiflung, in die viele
Menschen geraten, finden nicht nur eine soziologische und psychologische,
sondern eine im wesentlichen geistliche Erklärung. Die Leere, der sich die
Seele trotz vieler Therapien für Leib und Psyche überlassen fühlt, ruft
Leiden hervor. Es gibt keine vollständige Entwicklung und kein
universales Gemeinwohl ohne das geistliche und moralische Wohl der
in ihrer Gesamtheit von Seele und Leib gesehenen Personen.
77. Der Absolutheitsanspruch der Technik neigt dazu,
eine Unfähigkeit entstehen zu lassen, das wahrzunehmen, was sich nicht mit
der bloßen Materie erklären läßt. Und doch erfahren alle Menschen so viele
immaterielle und geistige Aspekte ihres Lebens. Erkennen ist nicht ein nur
materieller Akt, weil das Erkannte immer etwas verbirgt, was über die
empirische Gegebenheit hinausgeht. Jede Erkenntnis, auch die einfachste, ist
immer ein kleines Wunder, weil sie sich mit den materiellen Mitteln, die wir
anwenden, nie vollständig erklären läßt. In jeder Wahrheit steckt mehr, als
wir selbst es uns erwartet hätten, in der Liebe, die wir empfangen, ist
immer etwas für uns Überraschendes. Wir sollten niemals aufhören, angesichts
dieser Wunder zu staunen. In jeder Erkenntnis und in jeder Liebeshandlung
erlebt die Seele des Menschen ein »Mehr«, das sehr einer empfangenen Gabe
gleicht, einer Erhabenheit, zu der wir uns erhöht fühlen. Auch die
Entwicklung des Menschen und der Völker steht auf einer ähnlichen Höhe, wenn
wir die geistige Dimension betrachten, die diese Entwicklung
notwendigerweise kennzeichnen muß, damit sie echt sein kann. Sie erfordert
neue Augen und ein neues Herz, die imstande sind, die materialistische
Sicht der menschlichen Geschehnisse zu überwinden und in der Entwicklung
ein „darüber hinaus“ zu sehen, das die Technik nicht geben kann. Auf diesem
Weg wird es möglich sein, jene ganzheitliche menschliche Entwicklung
fortzusetzen, die ihr Orientierungskriterium in der Antriebskraft der Liebe
in der Wahrheit hat.
SCHLUSS
78. Ohne Gott weiß der Mensch nicht, wohin er gehen
soll, und vermag nicht einmal zu begreifen, wer er ist. Angesichts der
enormen Probleme der Entwicklung der Völker, die uns fast zur Mutlosigkeit
und zum Aufgeben drängen, kommt uns das Wort des Herrn Jesus Christus zu
Hilfe, der uns wissen läßt: »Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen«
(Joh 15, 5) und uns ermutigt: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum
Ende der Welt« (Mt 28, 20). Angesichts der Arbeitsfülle, die zu
bewältigen ist, werden wir im Glauben an die Gegenwart Gottes
aufrechterhalten an der Seite derer, die sich in seinem Namen zusammentun
und für die Gerechtigkeit arbeiten. Papst
Paul VI.
hat uns in Populorum progressio daran erinnert, daß der Mensch nicht
in der Lage ist, seinen Fortschritt allein zu betreiben, weil er nicht von
sich aus einen echten Humanismus begründen kann. Nur wenn wir daran denken,
daß wir als einzelne und als Gemeinschaft dazu berufen sind, als seine
Kinder zur Familie Gottes zu gehören, werden wir auch dazu fähig sein, ein
neues Denken hervorzubringen und neue Kräfte im Dienst eines echten
ganzheitlichen Humanismus zu entfalten. Die große Kraft im Dienst der
Entwicklung ist daher ein christlicher Humanismus,[157]
der die Liebe belebt und sich von der Wahrheit leiten läßt, indem er die
eine und die andere als bleibende Gabe Gottes empfängt. Die Verfügbarkeit
gegenüber Gott öffnet uns zur Verfügbarkeit gegenüber den Brüdern und
gegenüber einem Leben, das als solidarische und frohe Aufgabe verstanden
wird. Umgekehrt stellen die ideologische Verschlossenheit gegenüber Gott und
der Atheismus der Gleichgültigkeit, die den Schöpfer vergessen und Gefahr
laufen, auch die menschlichen Werte zu vergessen, heute die größten
Hindernisse für die Entwicklung dar. Der Humanismus, der Gott
ausschließt, ist ein unmenschlicher Humanismus. Nur ein für das Absolute
offener Humanismus kann uns bei der Förderung und Verwirklichung von
sozialen und zivilen Lebensformen – im Bereich der Strukturen, der
Einrichtungen, der Kultur, des Ethos – leiten, indem er uns vor der Gefahr
bewahrt, zu Gefangenen von Moden des Augenblicks zu werden. Es ist das
Wissen um die unzerstörbare Liebe Gottes, das uns in dem mühsamen und
erhebenden Einsatz für die Gerechtigkeit und für die Entwicklung der Völker
zwischen Erfolgen und Mißerfolgen in der unablässigen Verfolgung rechter
Ordnungen für die menschlichen Angelegenheiten unterstützt. Die Liebe
Gottes ruft uns zum Aussteigen aus allem, was begrenzt und nicht endgültig
ist; sie macht uns Mut, weiter zu arbeiten in der Suche nach dem Wohl für
alle, auch wenn es sich nicht sofort verwirklichen läßt, auch wenn das,
was uns zu verwirklichen gelingt – uns und den politischen Autoritäten und
Wirtschaftsfachleuten –, stets weniger ist als das, was wir anstreben.[158]
Gott gibt uns die Kraft, zu kämpfen und aus Liebe für das gemeinsame Wohl zu
leiden, weil er unser Alles, unsere größte Hoffnung ist.
79. Die Entwicklung braucht Christen, die die Arme
zu Gott erheben in der Geste des Gebets, Christen, die von dem
Bewußtsein getragen sind, daß die von Wahrheit erfüllte Liebe, caritas in
veritate, von der die echte Entwicklung ausgeht, nicht unser Werk ist,
sondern uns geschenkt wird. Darum müssen wir auch in den schwierigsten und
kompliziertesten Angelegenheiten nicht nur bewußt reagieren, sondern uns vor
allem auf seine Liebe beziehen. Die Entwicklung beinhaltet Aufmerksamkeit
für das geistliche Leben, ernsthafte Beachtung der Erfahrungen des
Gottvertrauens, der geistlichen Brüderlichkeit in Christus, des
Sich-Anvertrauens an die göttliche Vorsehung und Barmherzigkeit, der Liebe
und Vergebung, des Selbstverzichts, der Annahme des Nächsten, der
Gerechtigkeit und des Friedens. Das alles ist unverzichtbar, um die »Herzen
von Stein« in »Herzen von Fleisch« zu verwandeln (Ez 36, 26), um so
das Leben auf der Erde „göttlich“ und damit menschenwürdiger zu machen. Das
alles gehört dem Menschen, weil der Mensch Subjekt seiner Existenz
ist; und zugleich gehört es Gott, weil Gott am Anfang und am Ende von
all dem steht, was gilt und erlöst: »Welt, Leben, Tod, Gegenwart und
Zukunft: alles gehört euch; ihr aber gehört Christus, und Christus gehört
Gott« (1 Kor 3, 22-23). Das tiefe Verlangen des Christen ist, daß die
ganze menschliche Familie Gott als »Vater unser!« anrufen kann. Zusammen mit
dem Eingeborenen Sohn können alle Menschen lernen, zum Vater zu beten und
ihn mit den Worten, die Jesus selbst uns gelehrt hat, zu bitten, ihn
heiligen zu können, wenn sie nach seinem Willen leben, und dann das nötige
tägliche Brot zu haben sowie Verständnis und Großzügigkeit gegenüber den
Schuldigern, nicht zu sehr auf die Probe gestellt und vom Bösen befreit zu
werden (vgl. Mt 6, 9-13).
Zum Abschluß des Paulusjahres möchte ich diesen Wunsch mit den
Worten des Apostels aus dem Brief an die Römer zum Ausdruck bringen:
»Eure Liebe sei ohne Heuchelei. Verabscheut das Böse, haltet fest am
Guten! Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in
gegenseitiger Achtung« (12, 9-10). Die Jungfrau Maria, die von Papst
Paul VI. zur Mater Ecclesiae erklärt wurde und vom christlichen Volk als
Speculum iustitiae und Regina pacis verehrt wird, beschütze
uns und erhalte uns durch ihre himmlische Fürsprache die Kraft, die Hoffnung
und die Freude, die wir brauchen, um uns weiterhin großzügig der
Verpflichtung zu widmen, »die Entwicklung des ganzen Menschen und aller
Menschen«[159]
zu verwirklichen.
Gegeben zu Rom, Sankt Peter, am 29. Juni, dem Fest der heiligen
Apostel Petrus und Paulus, im Jahr 2009, dem fünften Jahr meines Pontifikats.
BENEDICTUS PP. XVI
[1] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März
1967), 22: AAS 59 (1967), 268; Zweites Vatikanisches Konzil,
Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 69.
[2] Ansprache zum Tag der Entwicklung (23. August 1968):
AAS 60 (1968), 626-627.
[3] Vgl. Johannes Paul II.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2002: AAS 94 (2002),
132-140.
[4] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die
Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 26.
[5] Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris (11.
April 1963): AAS 55 (1963), 268-270.
[6] Vgl. Nr. 16: a.a.O., 265.
[7] Vgl. ebd., 82: a.a.O., 297.
[8] Ebd., 42: a.a.O., 278.
[9] Ebd., 20: a.a.O., 267.
[10] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über
die Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 36; Paul VI., Apostolisches Schreiben
Octogesima adveniens (14. Mai 1971), 4: AAS 63 (1971),
403-404; Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus (1. Mai 1991), 43: AAS 83 (1991), 847.
[11] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 13: a.a.O.,
263-264.
[12] Vgl. Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden,
Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nr. 76.
[13] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache zur Eröffnung der V. Generalkonferenz der Bischofskonferenzen
von Lateinamerika und der Karibik (13. Mai 2007):
Insegnamenti III, 1 (2007), 854-870.
[14] Vgl. Nrn. 3-5: a.a.O., 258-260.
[15] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis (30. Dezember 1987), 6-7: AAS 80 (1988),
517-519.
[16] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 14:
a.a.O., 264.
[17] Benedikt XVI., Enzyklika
Deus caritas est (25. Dezember 2005), 18: AAS 98 (2006),
232.
[18] Ebd., 6: a.a.O., 222.
[19] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Mitglieder der Römischen Kurie beim Weihnachtsempfang
(22. Dezember 2005): Insegnamenti I (2005), 1023-1032.
[20] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 3: a.a.O., 515.
[21] Vgl. ebd., 1: a.a.O., 513-514.
[22] Vgl. ebd., 3: a.a.O., 515.
[23] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Laborem
exercens (14. September 1981), 3: AAS 73 (1981), 583-584.
[24] Vgl. ders., Enzyklika
Centesimus
annus, 3: a.a.O., 794-796.
[25] Vgl. Enzyklika Populorum progressio, 3: a.a.O.,
258.
[26] Vgl. ebd., 34: a.a.O., 274.
[27] Vgl. Nrn. 8-9: AAS 60 (1968), 485-487; Benedikt XVI.,
Ansprache
an die Teilnehmer am Internationalen Kongreß der Päpstlichen
Lateranuniversität anläßlich des 40. Jahrestags der Enzyklika »Humanae
vitae« (10. Mai 2008): Insegnamenti, IV, 1 (2008),
753-756.
[28] Vgl. Enzyklika
Evangelium vitae (25. März 1995), Nr. 93: AAS 87 (1995),
507-508.
[29] Ebd., 101: a.a.O., 516-518.
[30] Nr. 29: AAS 68 (1976), 25.
[31] Ebd., 31: a.a.O., 26.
[32] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 41: a.a.O., 570-572.
[33] Vgl. ebd.; ders., Enzyklika
Centesimus
annus, 5.54: a.a.O., 799.859-860.
[34] Nr. 15: a.a.O., 491.
[35] Vgl. ebd, 2: a.a.O., 258; Leo XIII., Enzyklika
Rerum novarum (15. Mai 1891): Leonis XIII P.M. Acta, XI,
Romae 1892, 97-144; Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 8: a.a.O., 519-520; ders., Enzyklika
Centesimus
annus, 5: a.a.O., 799.
[36] Vgl. Enzyklika Populorum progressio, 2.13: a.a.O.,
258. 263-264.
[37] Ebd., 42: a.a.O., 278.
[38] Ebd., 11: a.a.O., 262; Johannes Paul II.,
Enzyklika
Centesimus annus, 25: a.a.O., 822-824.
[39] Enzyklika Populorum progressio, 15: a.a.O., 265.
[40] Ebd., 3: a.a.O., 258.
[41] Ebd., 6: a.a.O., 260.
[42] Ebd., 14: a.a.O., 264.
[43] Ebd.; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 53-62: a.a.O., 859-867; ders., Enzyklika
Redemptor
hominis (4. März 1979), 13-14: AAS 71 (1979), 282-286.
[44] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 12:
a.a.O., 262-263.
[45] Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die
Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 22.
[46] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 13: a.a.O.,
263-264.
[47] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Teilnehmer des IV. Nationalen Kongresses der
Kirche in Italien (19. Oktober 2006): Insegnamenti II, 2
(2006), 465-477.
[48] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 16:
a.a.O., 265.
[49] Ebd.
[50] Benedikt XVI.,
Ansprache an die Jugendlichen am Barangaroo East Darling
Harbour (Sydney, 17. Juli 2008): L’Osservatore Romano (dt.),
38. Jg., Nr. 30/31, S. 10.
[51] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 20: a.a.O.,
267.
[52] Ebd., 66: a.a.O., 289-290.
[53] Ebd., 21: a.a.O., 267-268.
[54] Nrn. 3.29.32: a.a.O., 258.272.273.
[55] Vgl. Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 28: a.a.O., 548-550.
[56] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 9: a.a.O.,
261-262.
[57] Vgl. Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 20: a.a.O., 536-537.
[58] Vgl. Enzyklika
Centesimus
annus, 22-29: a.a.O., 819-830.
[59] Vgl. Nrn. 23.33: a.a.O., 268-269.273-274.
[60] Vgl. a.a.O., 135.
[61] Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die
Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 63.
[62] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 24: a.a.O., 821-822.
[63] Vgl. ders., Enzyklika
Veritatis
splendor (6. August 1993), 33.46.51: AAS 85 (1993),
1160.1169-1171.1174-1175; ders., Ansprache an die UN-Vollversammlung
zum 50. Jahrestag ihrer Gründung (5. Oktober 1995), 3:
Insegnamenti XVIII, 2 (1995), 732-733.
[64] Vgl. Enzyklika Populorum progressio, 47: a.a.O.,
280-281; Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 42: a.a.O., 572-574.
[65] Vgl. Benedikt XVI.,
Botschaft zum Welternährungstag 2007: AAS 99
(2007), 933-935.
[66] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Evangelium vitae, 18.59.63.64: a.a.O.,
419-421.467-468.472-475.
[67] Vgl. Benedikt XVI.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2007, 5: Insegnamenti II, 2
(2006), 778.
[68] Vgl. Johannes Paul II.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2002, 4-7.12-15: AAS 94
(2002), 134-136.138-140; ders.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2004, 8: AAS 96 (2004),
119; ders.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2005, 4: AAS 97 (2005),
177-178; Benedikt XVI.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2006, 9-10: AAS 98 (2006),
60-61; ders.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2007, 5.14: a.a.O.,
778.782-783.
[69] Vgl. Johannes Paul II.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2002, 6: a.a.O., 135;
Benedikt XVI.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2006, 9-10: a.a.O., 60-61.
[70] Vgl. Benedikt XVI.,
Homilie bei der Meßfeier auf dem »Islinger Feld« in Regensburg
(12. September 2006): Insegnamenti II, 2 (2006), 252-256.
[71] Vgl. ders., Enzyklika
Deus caritas est, 1: a.a.O., 217-218.
[72] Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 28: a.a.O., 548-550.
[73] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 19: a.a.O.,
266-267.
[74] Ebd., 39: a.a.O., 276-277.
[75] Ebd., 75: a.a.O., 293-294.
[76] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika
Deus caritas est, 28: a.a.O., 238-240.
[77] Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 59: a.a.O., 864.
[78] Vgl. Enzyklika Populorum progressio, 40.85: a.a.O.,
277.298-299.
[79] Ebd., 13: a.a.O., 263-264.
[80] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Fides et ratio
(14. September 1998), 85: AAS 91 (1999), 72-73.
[81] Vgl. ebd., 83: a.a.O., 70-71.
[82] Benedikt XVI., Vorlesung
in der Universität Regensburg (12. September 2006):
Insegnamenti II, 2 (2006), 265.
[83] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 33:
a.a.O., 273-274.
[84] Johannes Paul II., Botschaft
zum Weltfriedenstag 2000, 15: AAS 92 (2000), 366.
[85]
Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 407; vgl. Johannes Paul
II., Enzyklika
Centesimus
annus, 25: a.a.O., 822-824.
[86] Vgl. Nr. 17: AAS 99 (2007), 1000.
[87] Vgl. ebd., 23: a.a.O., 1004-1005.
[88] Der hl. Augustinus behandelt diese Lehre ausführlich im Dialog
über den freien Willen (De libero arbitrio II 3,8ff). Er spricht
von einem »inneren Sinn«, der in der menschlichen Seele existiert.
Dieser Sinn besteht in einem Akt, der außerhalb der normalen Funktionen
der Vernunft vollzogen wird, ein unreflektierter und gleichsam
instinktiver Akt, durch den die Vernunft, indem sie sich ihrer
vergänglichen und fehlbaren Verfaßtheit bewußt wird, über sich die
Existenz von etwas Ewigem, absolut Wahrem und Gewissem annimmt. Der hl.
Augustinus nennt diese innere Wahrheit manchmal Gott (Bekenntnisse
X,24,35; XII,25,35; De libero arbitrio II 3,8) und häufiger
Christus (De magistro 11,38; Bekenntnisse VII,18,24;
XI,2,4).
[89] Benedikt XVI., Enzyklika
Deus caritas est, 3: a.a.O., 219.
[90] Vgl. Nr. 49: a.a.O., 281.
[91] Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 28: a.a.O., 827-828.
[92] Vgl. Nr. 35: a.a.O., 836-838.
[93] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 38: a.a.O., 565-566.
[94] Nr. 44: a.a.O., 279.
[95] Vgl. ebd., 24: a.a.O., 269.
[96] Vgl. Enzyklika
Centesimus
annus, 36: a.a.O., 838-840.
[97] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 24:
a.a.O., 269.
[98] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 32: a.a.O., 832-833; Paul VI., Enzyklika
Populorum progressio, 25: a.a.O., 269-270.
[99] Johannes Paul II., Enzyklika
Laborem
exercens, 24: a.a.O., 637-638.
[100] Ebd., 15: a.a.O., 616-618.
[101] Enzyklika Populorum progressio, 27: a.a.O., 271.
[102] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die
christliche Freiheit und die Befreiung Libertatis conscientia
(22. März 1986), 74: AAS 79 (1987), 587.
[103] Vgl. Johannes Paul II., Interview mit der katholischen
Tageszeitung »La Croix« vom 20. August 1997.
[104] Johannes Paul II.,
Ansprache an die Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften
(27. April 2001): Insegnamenti, XXIV, 1 (2001), 800.
[105] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 17: a.a.O.,
265-266.
[106] Vgl. Johannes Paul II.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2003, 5: AAS 95 (2003),
343.
[107] Vgl. ebd.
[108] Vgl. Benedikt XVI.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2007, 13: a.a.O., 781-782.
[109] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 65: a.a.O.,
289.
[110] Ebd., 36-37: a.a.O., 275-276.
[111] Vgl. ebd., 37: a.a.O., 275-276.
[112] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über das
Laienapostolat
Apostolicam actuositatem, 11.
[113] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 14:
a.a.O., 264; Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 32: a.a.O., 832-833.
[114] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 77: a.a.O.,
295.
[115] Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990,
6: AAS 82 (1990), 150.
[116] Heraklit von Ephesus (ca. 535-475 v. Chr.), Fragment 22B124,
in: H. Diehls – W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker,
Weidmann, Berlin 19526.
[117] Vgl. Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden,
Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nrn. 451-487.
[118] Vgl. Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990,
10: AAS 82 (1990), 152-153.
[119] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 65: a.a.O.,
289.
[120] Benedikt XVI.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2008, 7: AAS 100 (2008),
41.
[121] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Mitglieder der UN-Vollversammlung (18. April
2008): Insegnamenti IV, 1 (2008), 618-626.
[122] Vgl. Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1990,
13: a.a.O., 154-155.
[123] Ders., Enzyklika
Centesimus
annus, 36: a.a.O., 838-840.
[124] Ebd., 38: a.a.O., 840-841; Benedikt XVI.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 2007, 8: a.a.O., 779.
[125] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 41: a.a.O., 843-845.
[126] Vgl. ebd.
[127] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Evangelium vitae, 20: a.a.O., 422-424.
[128] Enzyklika Populorum progressio, 85: a.a.O.,
298-299.
[129] Vgl. Johannes Paul II.,
Botschaft zum Weltfriedenstag 1998, 3: AAS 90 (1998),
150; ders., Ansprache an die Mitglieder der Stiftung »Centesimus
annus« (9. Mai 1998), 2: Insegnamenti XXI, 1 (1998), 873-874;
ders.,
Ansprache bei der Begegnung mit den Autoritäten und dem Diplomatischen
Corps in der Wiener Hofburg (20. Juni 1998), 8: Insegnamenti
XXI, 1 (1998), 1435-1436; ders., Botschaft an den Rektor
Magnificus der Katholischen Universität Sacro Cuore anläßlich des
jährlichen Tags der Universität (5. Mai 2000), 6: Insegnamenti
XXIII, 1 (2000), 759-760.
[130] Nach Thomas von Aquin: »ratio partis contrariatur rationi
personae«, in: III Sent. d. 5,3,2; auch: »Homo non ordinatur ad
communitatem politicam secundum se totum et secundum omnia sua«, in:
Summa Theologiae I-II, q. 21, a. 4, ad 3.
[131] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution
Lumen gentium, 1.
[132] Vgl. Johannes Paul II.,
Ansprache an die Öffentliche Sitzung der Päpstlichen Akademie für
Theologie und der Päpstlichen Akademie des heiligen Thomas von Aquin
(8. November 2001), 3: Insegnamenti XXIV, 2 (2001), 676-677.
[133] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung über
die Einzigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche
Dominus Jesus (6. August 2000), 22: AAS 92 (2000),
763-764; dies.,
Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der
Katholiken im politischen Leben (24. November 2002), 8: AAS
96 (2004), 369-370.
[134] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika
Spe salvi, 31: a.a.O., 1010; ders.,
Ansprache an die Teilnehmer des IV. Nationalen Kongresses der Kirche in
Italien (19. Oktober 2006), a.a.O., 465-477.
[135] Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 5: a.a.O., 798-800; vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Teilnehmer des IV. Nationalen Kongresses der Kirche in
Italien (19. Oktober 2006), a.a.O., 471.
[136] Nr. 12.
[137] Vgl. Pius XI., Enzyklika Quadragesimo anno (15. Mai
1931), AAS 23 (1931), 203; Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 48: a.a.O., 852-854;
Katechismus
der Katholischen Kirche, Nr. 1883.
[138] Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris:
a.a.O., 274.
[139] Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 10.41;
a.a.O., 262.277-278.
[140] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission
(5. Oktober 2007): Insegnamenti, III, 2 (2007), 418-421; ders.,
Ansprache an die Teilnehmer am von der Päpstlichen Lateranuniversität
veranstalteten Internationalen Kongreß über das »natürliche
Sittengesetz« (12. Februar 2007): Insegnamenti, III, 1
(2007), 209-212.
[141] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Bischöfe der Thailändischen Bischofskonferenz beim
Ad-limina-Besuch (16. Mai 2008): Insegnamenti , IV, 1
(2008), 798-801.
[142] Vgl. Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und die
Menschen unterwegs, Instruktion
Erga migrantes caritas Christi (3. Mai 2004): AAS 96
(2004), 762-822.
[143] Johannes Paul II., Enzyklika
Laborem
exercens, 8: a.a.O., 594-598.
[144]
Ansprache am Ende der Eucharistiefeier anläßlich des Jubiläums der
Arbeiter (1. Mai 2000): Insegamenti XXIII, 1 (2000), 720.
[145] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Centesimus
annus, 36: a.a.O., 838-840.
[146] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Mitglieder der UN-Vollversammlung (18. April
2008): a.a.O., 618-626.
[147] Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris:
a.a.O., 293; Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden,
Kompendium der Soziallehre der Kirche, Nr. 441.
[148] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über
die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 82.
[149] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Sollicitudo rei
socialis, 43: a.a.O., 574-575.
[150] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 41: a.a.O.,
277-278; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über
die Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 57.
[151] Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika
Laborem
exercens, 5: a.a.O., 586-589.
[152] Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens,
29: a.a.O., 420.
[153] Vgl. Benedikt XVI.,
Ansprache an die Teilnehmer des IV. Nationalen Kongresses der Kirche in
Italien (19. Oktober 2006): a.a.O., 465-477; ders.,
Homilie bei der Meßfeier auf dem »Islinger Feld« in Regensburg
(12. September 2006): a.a.O., 252-256.
[154] Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über
einige Fragen der Bioethik
Dignitas personae (8. September 2008): AAS 100 (2008),
858-887.
[155] Vgl. Enzyklika Populorum progressio, 3: a.a.O.,
258.
[156] Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die
Kirche in der Welt von heute
Gaudium et spes, 14.
[157] Vgl. Nr. 42: a.a.O., 278.
[158] Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika
Spe salvi, 35: a.a.O., 1013-1014.
[159] Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 42: a.a.O.,
278.
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