Brigitta von Schweden
(1)
Erstes Buch -
Einleitung
Kaum hatte Brigitta ihren irdischen
Wandel beschlossen, als man sorgfältig zu sammeln anfing, was an authentischen
Nachrichten über die Ereignisse ihres Lebens und namentlich über die von ihr
verrichteten Wunder aufzutreiben war. Schon ihre Tochter, die heilige Catharina,
hinterließ eine ziemlich starke handschriftliche Zusammenstellung, welche durch
Beifügung urkundlich ausgefertigter Zeugnisse von geistlichen und weltlichen
Herren und Frauen aus allen Theilen Europas eine große Authenticität besaß.
Dieses Werk war, wie Wulf (Ulpho), ein fast gleichzeitiger Lebensbeschreiber
Brigittens, versichert, von Catharina in Rom niedergelegt. Aus demselben, so wie
aus den über die 1375 —1389 gewirkten Wunder zusammengebrachten Nachrichten
erwuchs das sogenannte Buch der Zeugnisse, liber attestationum, welches Magnus
Persson, ein Enkel von Brigittens Bruder Israel, behufs Nachsuchung der
Canonisation 1390 nach Rom brachte und sammt einer Handschrift der Revelationen
seiner Großtante dem Papste Bonifaz IX. überreichte. Magnus Persson ließ vom
liber attestationum sechzehn Abschriften fertigen und jedem Cardinale eine
derselben zustellen, damit unter diesen ein Jeder daraus als Vorbereitung zur
Verhandlung des Canonisations - Processes sich informiren möchte. Dieser liber
attestationum ist ohne Zweifel mit den legendae S. Brigitta einerlei, welche
Petrus von Alvastra in seinen Anmerkungen zu Brigittens Revelationen aufführt,
und wovon der Eremit und ehemalige Bischof von Jaen Alfonso im Capitel III.
seiner Vorrede zum achten Buche von Brigittens Offenbarungen spricht. Leider
aber ist der liber 4 attestationum, der ursprünglichen Vervielfältigung
ungeachtet, verloren gegangen. Schon der Brigittiner-Mönch Johann Michael van
der Ketten stellte im siebenzehnten Jahrhundert in mehreren Klöstern seines
Ordens vergebliche Forschungen darnach an. Auch in Rom, wo noch im sechzehnten
Jahrhundert in der Herberge des Brigittiner-Ordens ein Exemplar existirte, ist
neuerdings jede Spur dieses Buches verloren gegangen.
Auszug:
Ich bin der Schöpfer aller Dinge und der Herr. Ich
habe die Welt geschaffen, und die Welt hat mich verachtet. Ich vernehme von der
Welt her eine Stimme, wie einer Hummel, die auf Erden Honig sammelt. Denn wie
die Hummel, wenn sie fliegt, bald wieder zur Erde sich herabdrückt und eine gar
heisere Stimme von sich gibt, so höre ich jetzt in der Welt eine rauhe Stimme
sprechen: Ich kümmere mich nicht darum, was hiernächst folgen wird, denn Alle
rufen ja schon: Ich kümmere mich nicht. — Wahrlich, der Mensch beachtet nicht
und kümmert sich nicht um das, was ich aus Liebe gethan, indem ich durch die
Propheten mahnte, auch selber predigte und für sie litt. Er achtet nicht, was
ich in meinem Zorn gethan habe, indem ich die Ungehorsamen und Bösen strafte.
Sie sehen, daß sie sterblich, aber des Todes ungewiß sind, gleichwohl kümmern
sie sich nicht. Sie hören und sehen meine Gerechtigkeit, die ich wegen ihrer
Sünden an Pharao und den Sodomitern, die ich an Königen und andern Fürsten geübt
habe, und die ich täglich durch das Schwert und andere Trübsale geschehen lasse.
Für das Alles sind sie wie blind. Darum fliegen sie wie die Hummeln, auf was sie
wollen. Sie fliegen bisweilen sprungweise, weil sie sich vermöge ihrer Hoffart
erheben, drücken sich selbst aber sehr bald wieder zur Erde, weil sie zu ihrer
Ueppigkeit und Gefräßigkeit zurückkehren. Sie sammeln auch Süßes, allein für
sich selber und auf der Erde, weil der Mensch für den Nutzen des Leibes, aber
nicht der Seele, und für irdische, aber nicht für ewige Ehre sammelt. Sie
verwandeln sich das Zeitliche in Pein, und das, was zu nichts nutz ist, in ewige
Strafe. Deßhalb will ich um des Gebetes meiner Mutter willen diesen Hummeln (von
denen meine Freunde ausgenommen werden, die nur mit dem Leibe in der Welt sind)
meine klare Stimme senden, die meine Barmherzigkeit verkündigen wird; wenn sie
auf dieselbe hören, werden sie errettet werden.
Brigitta von Schweden - Erstes Buch -
Einleitung
|