Ein neuer Himmel
Eine neue Erde
-
Das
Ende beschert uns, wie uns Jesus Christus verkündet, einen neuen
Anfang, ja sogar einen ganz wunderbaren, das “was kein Auge gesehen und
kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist; das
Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben". (1Kor 2,9) Einen
neuen Himmel und eine neue Erde verheißt uns der Herr, eine Existenz in
jener Herrlichkeit, die weit über das hinausgeht, was uns die Werbung
mit ihren Lockangeboten vergeblich auszumalen versucht.
(V2000/2007)
I N H A L T
Einleitung
Kaum eine Gesellschaft hat sich wohl so viel den Kopf über die Zukunft
zerbrochen, wie unsere es heute tut: Budgets und Sparpläne werden
erstellt, Unternehmensziele definiert, Langfristkonzepte entwickelt,
Kinder geplant... Es gilt, die Zukunft im Griff zu haben. Schließlich
haben wir ja genaue Vorstellungen, was morgen, am Ende des Jahres oder
in der Pension geschehen soll.
Natürlich weiß jeder, daß es zu Überraschungen kommen kann. Aber das
verdrängt man. Das bekommen wir schon irgendwie in den Griff, denkt
jeder unwillkürlich.
In dieses Denkmodell paßt klarerweise die Vorstellung von einem
möglichen Ende, dem eigenen Tod - oder Gott behüte! - dem Ende der Zeit
gar nicht hinein. Das wären ja die Pannen schlechthin, das Ende aller
unserer Aktivitäten und Gestaltungsmöglichkeiten - nein, also bitte,
darüber will ich jetzt nicht nachdenken! Reden wir über Handfestes.
Aus dieser Sicht versteht man, daß die Themen Tod oder Ende der Zeit
absolut tabu sind. Sogar in der kirchlichen Verkündigung! Hat das nicht
damit zu tun, daß beim Gedanken an das Ende nur das - das ja ohne
Zweifel unlösbar mit jedem Ende auch einhergeht - gesehen wird?
Aber es gibt, Gott sei Dank, ja nicht nur diese negative Sicht. Das
Ende beschert uns doch, wie uns Jesus Christus verkündet, einen neuen
Anfang, ja sogar einen ganz wunderbaren, das “was kein Auge gesehen und
kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist; das
Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben". (1Kor 2,9) Einen
neuen Himmel und eine neue Erde verheißt uns der Herr, eine Existenz in
jener Herrlichkeit, die weit über das hinausgeht, was uns die Werbung
mit ihren Lockangeboten vergeblich auszumalen versucht.
Der folgende Schwerpunkt ist der schwache Versuch, diese Perspektive zu entfalten und attraktiv zu machen.
C. Gaspari
Was für eine Perspektive!
Mehr Mut, sich das Leben bei Gott auszumalen (Von C. Gaspari)
Vom
Ende der Welt zu reden, ist absolut tabu - sogar in der Kirche, dort
besonders. Haben Sie schon einmal eine Predigt über das Thema gehört?
Ich nicht. Und dabei gibt es Jahr für Jahr Sonntagsevangelien zum Thema.
Während Sekten mit dem Weltuntergang erfolgreich hausieren gehen,
scheint es vielen Christen, Priestern, Laien und Bischöfen fast
peinlich, das Thema anzuschneiden. Verwundert, wenn nicht sogar etwas
belustigt, nimmt man zur Kenntnis, daß die ersten Christen die
Wiederkunft des Herrn herbeisehnten und annahmen, sie könnte bald
bevorstehen. Heute scheint eher zu gelten: Nur nicht zu viel vom
Jenseits reden: Das könnte ja als Verströstung, als Ablenkung von den
drängenden Problemen jetzt und hier interpretiert werden.
Zugegeben: Man kann das auf diese Weise mißverstehen und es gab
zeitweise auch diese Form von Mißdeutung. Von dieser Fehlhaltung sind
wir jedoch heute meilenweit entfernt. Als Christen sind wir eher in
Gefahr, den eigentlichen Grund unserer Existenz, das Ziel unseres
Daseins aus den Augen zu verlieren. Und dabei: Das einzige Argument
gegen die totale Sinnlosigkeit der Existenz, ist die Rede vom neuen
Himmel und der neuen Erde. Nach jedem Tod gibt es Auferstehung. Und am
endgültigen Ende der zeitlichen Geschichte steht die Perspektive des
ewigen Lebens beim liebenden Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen
Geist.
Oder sollen wir uns etwa an der Perspektive begeistern, die uns heute
unausgesprochen als Triebfeder für unsere Existenz verschrieben wird?
Alles geht so weiter wie bisher, wir schaffen es, haben es bisher immer
geschafft, es geht aufwärts, die Zukunft ist voller Verheißung, wir
verlängern die Trends: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer
ärmer - also gut, wir finden einen annehmbaren Kompromiß und werden
alle immer reicher: immer mehr Autos, immer mehr Häuser, immer mehr
Festessen, immer mehr Reisen auf die Fidschi-Inseln, immer mehr
Fernsehstationen, Audio- und Video-CDs... und: immer längeres Leben
(100, 120, 140, 180, 250... Jahre), immer mehr Kinder nach Maß, immer
mehr Kinderbetreuung für immer weniger Kinder, immer mehr
Berufstätigkeit, immer größere Städte ... Der Phantasie sind keine
Grenzen gesetzt.
Und das alles auf dem Hintergrund der Vorstellung, alles sei durch
Zufall entstanden und löse sich einmal im Nichts auf - spätestens wenn
alles dem Gesetz der wachsenden Entropie, also dem Wärmetod, dem
physikalischen Abbau der Ordnungen unterlegen ist. In letzter Konsequenz
also Sinnlosigkeit pur.
Muß man dann als Träumerei abtun, was uns die Heilige Schrift in
Aussicht stellt - einen neuen Himmel und eine neue Erde? Entspricht ihre
Botschaft nicht viel eher dem, was uns Menschen im tiefsten Inneren
vorschwebt, was wir eigentlich ersehnen? Und ist der, der verkündet hat,
Er würde vorausgehen und uns eine Wohnung bereiten, nicht extrem
glaubwürdig? Und ist das Wunder des 2000jährigen Fortbestehens der
Kirche nicht ein schlagender Beweis dafür, daß Jesus Christus
tatsächlich Worte ewigen Lebens hat, die nicht vergehen werden - auch
jene nicht, die das Ende betreffen?
Ob dieses Ende und das neue Leben unmittelbar bevorstehen, das wissen
wir nicht(*). Es geht auch nicht darum, es auszurechnen, das Ende
vorherzusagen, sich ängstlich nach Zeichen des Untergangs umzusehen, um
die Katastrophe möglichst in einer “light-Version" über sich ergehen zu
lassen. Das lustvolle Ausmalen apokalyptischer Katastrophen kann man
getrost den Untergangspropheten überlassen.
(*)Hermann: Die Zeichen deuten jedoch darauf hin, dass es BALD sein sollte!
Wohl aber gilt es, schon jetzt den Neubeginn, die Auferstehung im
Kleinen, im Alltag, inmitten der vielen kleinen und größeren
Enttäuschungen, Rückschläge, Untergänge, mit denen wir Tag für Tag
konfrontiert sind, aus der Hand Gottes annehmen zu lernen und darauf zu
vertrauen, daß der allmächtige Vater imstande ist, jede Misere in ein
Instrument des Heils umzuwandeln. Das sagt uns ja schließlich das letzte
Buch der Heiligen Schrift, die Apokalypse: Es mag noch so drunter und
drüber gehen: Der lebendige Gott schläft nicht, Er bleibt Herr der
Geschichte und Er wendet letztendlich alles, wirklich alles, zum Guten -
für jene, die das Geschenk annehmen wollen.
Was aber ist nun dieses wunderbar Gute, das uns in Aussicht gestellt
ist? Warum fällt es so schwer, eine Vorstellung von dem zu entwickeln,
was uns in der Ewigkeit an Erfüllung erwartet? Ein Grund dafür ist
sicher, daß wir zwar recht gut unsere alltäglichen Bedürfnisse
beschreiben können, uns aber schwertun, unsere tiefe Sehnsucht zu
erfassen.
Und dennoch geben da nicht Erfahrungen, die wir im Alltag machen,
Auskunft? Etwa die Erfahrung des Unfriedens: ein Streit mit der Ehefrau,
dem Kind, egal wodurch er ausgelöst wurde: Welche innere Unruhe - bis
endlich der Friede wiederhergestellt ist! Welche Erlösung im Kleinen!
Wir tragen eben eine ganz große Sehnsucht nach Frieden in uns. Und: Wir
fühlen uns erleichtert, wenn uns Schuld vergeben wird. Nun: Im neuen
Himmel, auf der neuen Erde wird ein unvorstellbarer Friede herrschen,
ein Einklang mit allen Wesen, die uns umgeben.
Das wird mehr sein als nur friedliche Koexistenz: Wir werden uns für
die anderen zu öffnen vermögen, weil wir nicht mehr ängstlich unser
Inneres verbergen müssen. Die vielen Schwächen und Schattenseiten
unserer Persönlichkeit, die uns behindern und belasten, vor denen wir
selbst gern die Augen verschließen und die wir sorgsam vor den anderen
verbergen, werden wir im Licht Gottes erkannt und mithilfe Seiner
barmherzigen Liebe gereinigt haben. Alle Tränen, die wir über das Leid,
das wir selbst erlitten und anderen bereitet haben, werden getrocknet
sein. Endlich werden wir zu dem Geschenk an die anderen, das Gott von
Ewigkeit her als Berufung für uns vorgesehen hat.
Wir werden gelernt haben zu vergeben - allen und in allem. Endlich
nicht immer dieselben quälenden Gedanken, das Kreisen um erlittenes
Unrecht! Endlich auch ein offener Blick für die Schönheit und den Wert
der anderen Menschen! Kein Konkurrenzkampf mehr, wer der Bessere, der
Schönere, der Fähigere ist. Jeder wird als besonders wichtig, wertvoll,
unersetzbar in den Augen aller offenbar. Kein Neid, kein Geiz, keine
Mißachtung.
Weil wir erkennen, wie sehr Gott jeden einzelnen liebt, werden auch wir
entdecken, wie liebenswert wir selbst und wie liebenswert jeder
einzelne ist. Damit wird endlich Gerechtigkeit herrschen: Jedem wird von
jedem anderen zuteil, was ihm zusteht. Schluß mit dem Kampf um
Lebenschancen.
Keine Spur von langweiliger Idylle, sondern faszinierendes Abenteuer
der Entdeckung der wunderbaren Pläne Gottes mit Seiner Schöpfung und
Offenbarwerden der unauslotbaren Tiefe Seiner Liebe zu uns. All das
spielt sich nicht im luftleeren Raum, in einer Geisterwelt , sondern in
einer erneuerten Schöpfung ab. Von ihr wissen wir ja, daß sie in Wehen
liegt und “sehnsüchtig" auf “das Offenbarwerden der Söhne Gottes" wartet
(Röm 8,19).
Eine ähnlich strahlende Schönheit, die Seher an der Gottesmutter bei
ihren Erscheinungen bewundern, wird auch unseren Auferstehungsleib
zieren. Diese Schönheit wird alle Wunden, Narben, Verstümmelungen
verklären, die uns das irdische Leben zugefügt hat. Mit all unseren
Sinnen werden wir genießen, was die erneuerte Schöpfung uns an Schönheit
und Früchten darbieten wird - und wir werden Jesus sehen!
Diese Beschäftigung mit dem Leben bei Gott ist keineswegs eine Flucht
aus dem Diesseits. Denn eines ist ja unverkennbar: Unser ewiges Leben
hat ja schon längst begonnen. Daher erfahren wir schon jetzt
bruchstückhaft, was uns später in Fülle erwartet: Die Freude an der
Schönheit, an der erwiesenen und geschenkten Liebe, an der erkannten
Wahrheit, die Hoffnung selbst dort, wo alles hoffnungslos erscheint...
Ich gestehe sofort, daß diese Perspektive keinerlei Anspruch erhebt,
die Lehre der Kirche umfassend wiederzugeben. Diese Vorstellung ist
Ergebnis meiner Beschäftigung mit dem Thema in den letzten Wochen. Ich
denke aber, daß es gut wäre, wenn wir über die Phase der Sprachlosigkeit
in dieser so wichtigen Frage unseres Lebens bei Gott hinauskämen. Es
könnte dazu beitragen, daß wir damit aufhören, über die - zweifellos
äußerst besorgniserregenden - Zeitläufe nur zu klagen. Zwar sollen wir
all die Zeichen sehen, aber bei ihrem Anblick nicht in Resignation
verfallen, sondern im Gegenteil die Häupter erheben. Wir haben ja eine
wunderbare Perspektive!
Famille chretienne
Komm bald, Herr Jesus!
Die
tiefe Sehnsucht danach, daß Jesus kommen möge, daß Er rasch kommen
möge, ist Zentrum der Offenbarung und des Lebens der Kirche. Sie muß
auch zentral für unser Leben sein. In der Apokalypse sagt Jesus: “Meine
Ankunft ist nahe", was oft mit “Ich komme bald" (3,11; 22,20) übersetzt
wird. Die richtige Übersetzung müßte “Ich komme!" lauten. Dieser Ausruf
des Herrn “Ich komme" ist der Ruf des Bräutigams, der die Kirche liebt,
eine Antwort auf den nicht enden wollenden Appell: “Komm, Herr Jesus!"
Wir leben in einer dramatischen und außergewöhnlichen Zeit. Eine ihrer
Gnaden ist die Dringlichkeit des Bedarfs nach Heil, das der Herr wirkt
und nach dem wir Hunger und Durst haben müssen. Statt uns von
Untergangspropheten, von realen oder erdachten Katastrophen der Endzeit
beeindrucken zu lassen, müssen wir mit der Kirche und allen Heiligen
herbeisehnen, daß Jesus mehr gekannt, geliebt, bezeugt wird und daß Er
durch Sein Kommen endlich die Fülle des Heils bringt.
Wer Christus wirklich liebt, muß sich dieses “Amen, komm, Herr Jesus!"
der Kirche (Apk 20,22) zu eigen machen. Darauf antwortet Jesus voll
Liebe “Ich komme!" In diesen Dialog müssen wir eintreten und begreifen,
daß einer der Existenzgründe der Kirche darin besteht, das Kommen Jesu
zu beschleunigen, zu erleben, daß sich Sein Reich der Liebe und des
Friedens ausweite, daß Er endlich gekannt und geliebt werde.
Diese Offenbarung des Herrn hängt nicht von uns ab - genaugenommen
doch, denn sie hängt von unserem Gebet, unserem Eifer, das Evangelium zu
verkünden ab. Aber es ist nicht unsere Sache, über “den Tag und die
Stunde" zu befinden. Je größer unsere Liebe zu Jesus, umso größer auch
unsere Sehnsucht nach Seinem Kommen, umso größer auch unsere Gewißheit
Seiner Ankunft, umso größer auch unser Wachstum in der Liebe,
Albert-Marie de Monléon OP
Der Autor ist Bischof von Meaux/Frankreich. Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 23.3.95
In den Himmel will ich kommen!
Nicht das eigentliche Ziel unseres unseres Lebens aus den Augen verlieren (Von P. Karl Wallner OCist)
Wer
Genuß des Heute in den Vordergrund stellt, will nur ja nicht an das
Ende denken. Auch Christen sind heute stark gefährdet, sich allzu
häuslich in der heutigen Welt des Wohlstands einzurichten.
Das Christentum ist eine “eschatologische" Religion, das heißt, sie ist
auf “das Letzte" (griechisch: eschaton) hingerichtet, und das ist die
Ewigkeit bei Gott. Christentum ist Hinordnung des Lebens auf die letzte
Zukunft, die Gott uns bereiten will (“eschatologische Religion").
Die zweite Bitte des Vater-Unser ist zentral: “Dein Reich komme!" So
wie das letzte Wort des Neuen Testamentes lautet: “Maranatha! Komm bald,
Herr Jesus!" Aber würden wir heute nicht lieber beten: “Bleib weg Herr
Jesus!" “Laß uns möglichst lange auf Erden leben!" Und: “Belästige uns
bitte nicht mit dem Gedanken daran, daß wir sterben müssen!"
Meine Diagnose lautet: Wir sind auch als Christen in Gefahr, uns in
dieser Welt allzusehr beheimatet zu fühlen: Wir leben so, daß uns die
Ewigkeit bei Gott egal ist. Verständlich ist diese “präsentische"
Weltanschauung ja. An den Tod denkt man dann nicht gerne, wenn es einem
gut geht, wenn einem nichts fehlt, wenn man es sich gemütlich
eingerichtet hat in diesem irdischen Leben.
Berühmt ist der Leitspruch der Antike: “Carpe diem!" Pflücke den
Augenblick, genieße die Gegenwart wie den zarten Duft einer Blume.
Hinter dieser Parole steht zugleich die Auffassung: Genieße jetzt, denn
morgen könntest Du tot sein... Berüchtigt ist der griechische Denker
Epikur (341-270 v. Chr.), der den einzigen Sinn des Lebens in der Lust
(griechisch: hedone) sieht. Daher nennt man die lustvolle Anbetung der
Gegenwart, das egozentrische Verliebtsein in den Genuss des Lebens auch
“Hedonismus".
Für satte Menschen ist der Gedanke an die Zukunft unangenehm! Der Satte
empfindet es geradezu als eine Bedrohung für den Genuß der Gegenwart,
wenn er an die Zukunft denken soll! Warum soll man sich den Augenblick
nicht vermiesen lassen, und an das Unverfügliche denken? Die Zukunft
kann ja Krankheit, Leiden und Tod bringen? Und vor allem: nur nicht ans
Sterben denken. Und das gilt auch für uns Christen!
Unser gegenwärtiger Zustand ist geprägt von einer Sättigung, alle
Grundbedürfnisse sind über und über befriedigt. Ich meine, daß wir
“erdgesättigt" sind und daher die große Dynamik, die doch das Wesen des
Christentums ausmacht, wegfällt: die Sehnsucht nach der herrlichen
Zukunft bei Gott, die Christus uns in seiner Auferstehung eröffnet hat.
Wenn man die Macht der ersten Worte, mit denen der Herr seine
Verkündigung begonnen hat: “Kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe"
beachtet, so erschrickt man, wie klein der Horizont unserer kirchlichen
Verkündigung heute geworden ist!
Wenn die eschatologische Hoffnung auf Ewigkeit ausfällt, dann reduziert
sich die Kirche auf eine “Wertevermittlungsinstitution", auf eine
“moralische Weltinstanz" oder auf einen “Gegenwartsbewältigungsverein".
Das ist vielleicht ganz nett und psychologisch hilfreich, ist aber
zuwenig.
Natürlich: Der Gedanke an unsere Sterblichkeit ist auch für einen
Christen ein beunruhigender Gedanke. Auch wenn wir gläubig sind und
Morgen für Morgen und Tag für Tag Gott die Treue halten: Die
urmenschliche Angst vor dem Sterben wird uns nicht genommen. Schon
deshalb nicht, weil Gott selbst diese Todesangst am Kreuz auskosten
wollte. Paulus schreibt im Römerbrief: “Wir sind gerettet, doch in der
Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine
Hoffnung." (Röm 8,24)
Und es gehört eben zum Wesen der Hoffnung, daß unser Leben ein
schwindelerregender Seiltanz über den Abgründen der Sinnlosigkeit
bleibt: “Wenn aber Tote nicht auferweckt werden, sind wir erbärmlicher
dran als alle anderen." (1 Kor 15,19) Das gilt übrigens besonders für
die Gottgeweihten, also jene, die um des Herren willen “Haus oder Frau,
Brüder, Eltern oder Kinder verlassen haben" (Lk 18,28).
Sterben müssen wir alle. Der christliche Glaube fordert von uns eine
Orientierung hin auf den Tod. Nein, falsch. Eine Orientierung hin auf
das, was uns durch den Tod hindurch erwartet: das ewige Leben. Unser
zeitliches Leben ist Vorbereitung auf Leben durch den Tod hindurch. Von
uns heutigen Christen würde der Apostel Paulus wohl sagen: “Irdisches
haben sie im Sinn!" (Phil 3,19).
Wenn Kirche nur mehr schaut, wie wir uns im Jetzt behaupten, dann darf
es nicht wundern, daß es schon seit Jahrzehnten nur mehr dieses
ungustiöse Taktieren und Feilschen und Schachern gibt, wie wir die
Radikalität des Evangeliums vielleicht doch nicht so ernst nehmen
müssen.
Wenn es keinen “neuen Himmel und keine neue Erde" gibt, dann müssen wir
uns halt billig auf der alten Erde einrichten. Das Christentum ist eine
eschatologische Religion, und wenn wir das Letzte aus den Augen
verlieren, verdienen wir nicht mehr, den Namen dessen zu tragen, der
gesagt hat: “Suchet zuerst das Reich Gottes, alles andere wird euch
dazugegeben." (Mk 6,33; Lk 12,31)
Wir Christen sind schwach geworden. Vielleicht deshalb, weil wir keine
wirkliche Ewigkeitshoffnung mehr haben. Ist es nicht gerade diese starke
Orientierung auf die herrliche Zukunft, die Kraft gibt für die
Bewältigung der schrecklichen Gegenwart? War es nicht die Hoffnung auf
Himmel, die die christlichen Märtyrer gestärkt hat, ihr Leben aus Liebe
hinzugeben?
Als 150 Jahre vor Christus, der griechisch-heidnische König Antiochus
Epiphanes IV. die Juden zwingen will, Schweinefleisch zu essen, lesen
wir bereits im Alten Testament, daß sieben Brüder mit ihrer Mutter
lieber Folter und Tod auf sich nahmen, als Gott zu verraten. “Lieber
sterben als sündigen!" lautet ihre Parole; und ihre Festigkeit
resultiert aus ihrer Hoffnung: “Gott hat uns die Hoffnung gegeben, daß
er uns wieder auferweckt." (2Makk 7,1-42)
Solche Charakterstärke können nur Menschen haben, die auf die Ewigkeit
hoffen. Nein, Wladimir Iljitsch Lenin, du hattest wahrlich nicht recht,
als du unsere christliche Hoffnung auf den Himmel “Opium des Volkes"
genannt hast! Wenn wir Christen an das Leben nach dem Tod glauben, an
die Herrlichkeit des Himmels, dann betäubt uns das nicht. Im Gegenteil:
Die Jenseitshoffnung macht uns verantwortungsvoll und sensibel gegenüber
der Gegenwart. Ein ewigkeitsgläubiger Christ ist kein opiumbetäubtes
Schaf und kein stoischer Dulder, im Gegenteil: Mutig und stark blicken
wir dem Falschen und Bösen, dem Billigen und Widerwärtigen in die Augen.
Nicht mit uns!
Der Glaube an die Auferstehung verpflichtet uns, an der Revolution
Gottes gegen die finsteren Mächte teilzunehmen. Unser Sieg freilich -
und eben hier widersprechen wir den linken und rechten Utopien, die
soviel unsägliches Leid in diese Welt gebracht haben - liegt nicht in
diesem Leben, sondern in der Ewigkeit bei Gott.
Der heilige Klemens Maria Hofbauer, dem wir das religiöse Erwachen
Wiens am Beginn des 19. Jahrhunderts verdanken, sollte durch
josephinisch-staatskirchliche Kreise des Landes verwiesen werden. Ein
infames Gericht, bestehend aus aufgeklärten Liberalen, verkündete das
Urteil. Danach blieb der einfach gekleidete Redemptoristenpater stehen
und rührte sich nicht. “Ist noch etwas?" fragte einer seiner Gegner.
Klemens Maria Hofbauer antwortete: “Ja, es ist noch etwas: das Gericht!"
“Ja,
es ist noch etwas!" Der Blick auf das Eigentliche, zu dem uns Gott
befreit, gibt uns Kraft: jedem persönlich und der Kirche insgesamt. Der
heilige Don Bosco hat seinen Schülern das Sprüchlein mitgegeben: “Nur
Mut, ein Stückchen Himmel macht alles wieder gut!" Mut, das brauchen wir
heute, um überhaupt Christen zu sein. Himmelslust, das brauchen wir, um gute
Christen zu sein. Oder, um noch einmal mit dem Römerbrief zu sprechen:
“Keine Angst, die Leiden der gegenwärtigen Zeit bedeuten nichts im
Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll." (Röm
8,18)
Im Kindergarten hatte ich das Glück, gute geistliche Schwestern zu
haben. Die haben uns nicht nur viele biblische Geschichten erzählt,
sondern auch so manches Gebetchen und Sprüchlein beigebracht. Eines
davon ist mir noch jetzt besonders wertvoll geworden. Es lautet: “In den
Himmel will ich kommen, fest hab ich mir's vorgenommen. Mag es kosten,
was es will, für den Himmel ist mir nichts zuviel."
Bei der grassierenden Unwissenheit muß man vielleicht noch darauf
hinweisen, daß wir unter “Himmel" nicht irgendetwas hinter den Wolken
meinen, sondern die Gemeinschaft mit dem ewigen unsichtbaren und
heiligen Gott. Der Himmel ist für uns nicht eine zu belächelnde
Phantasie, sondern der Zustand der herrlichsten und beglückendsten
Wirklichkeit. Auf den Himmel darf ich mich wirklich freuen. Paulus
beschreibt ihn als den Zustand, “was kein Auge gesehen und kein Ohr
gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das
Gott denen bereitet hat, die ihn lieben." (1 Kor 2,9)
Der Autor ist Dekan der Theologischen Fakultät in Heiligenkreuz bei Wien.
Unvorstellbar wunderbar - und was für ein Genuss!
Keine vorschnellen Urteile
Wie
nahe sind wir dem Ende? - eine meist ängstlich gestellte Frage. Sie
verstellt die Sicht auf die Herausforderung der Gegenwart und das
Wunderbare, das uns erwartet. Gespräch mit dem Autor des Buches Der
Geist der letzten Tage.
An
welcher Stelle des Dramas der Weltgeschichte befinden wir uns Ihrer
Ansicht nach in unserer Zeit? Am Anfang oder eher am Ende?
Jean-Marc Bot:
Seit der ersten Ankunft Christi in der Geschichte befinden wir uns in
der Endzeit. Aber wie lange diese dauert, das weiß Gott, der Vater,
allein. Unser Zeitalter hat vieles mit anderen Epochen der
Weltgeschichte gemeinsam. Das Besondere an ihr ist, daß erstmals - und
zwar seit den beiden Weltkriegen - Gut und Böse miteinander auf
Weltebene konfrontiert sind. Die Krise ist weltweit geworden, sowohl was
ihre Ausdehnung wie auch ihre Intensität betrifft.
Aber es geht doch immer noch um denselben Einsatz?
Bot:
..., der das Heil der Menschen und der Welt, der Geschichte und der
Zeit ist - für die Ewigkeit. Und es ist stets derselbe Kampf zwischen
Satan, der als Herrscher der Welt regieren, alle Macht an sich reißen
will, und Christus.
Sollte man da nicht ein christliches Machtzentrum einrichten, um die Macht des Bösen zu bekämpfen?
Bot:
Davon träumen einige Katholiken - die einen unter dem Banner von Krone
und Kreuz, die anderen unter dem von Hammer und Sichel. Jedes Zeitalter
wollte Jesus zu einem zeitlichen Herrscher umfunktionieren. Aber dieser
wiederholt, was Er schon Pilatus gesagt hat: “Mein Reich ist nicht von
dieser Welt." Seit Paul VI. haben die Päpste übrigens nicht mehr von der
“Christenheit" gesprochen, sondern von der “Zivilisation der Liebe".
Manche Katholiken haben das noch nicht wahrgenommen, andere wollen es
nicht wahrhaben.
Warum hat man da zurückgesteckt?
Bot:
Weil “gute Strukturen" - vorausgesetzt sie sind gut - nicht
notwendigerweise eine Bekehrung zum Evangelium erzeugen. Weil man die
Zivilisation der Liebe zunächst nicht durch politische Mittel
herbeiführen kann, sondern vor allem durch die ansteckende Kraft der
Liebe und das Feuer von Pfingsten. Daher setzen sich die Päpste ohne
Unterlaß für die massive spirituelle Erneuerung der Basis ein, in der
Hoffnung, daß dies langfristig auch die Mächtigen “anstecken" werde. Man
kann hoffen, daß wir eine Periode vor uns haben, in der die Kultur, das
geistige Klima im Gefolge einer gottgewirkten Evangelisation christlich
durchstrahlt werden.
Sie
erwähnen eine Reihe von Gesetzmäßigkeiten, von denen Jacques Maritain
gesagt hat, daß sie die geschichtliche Entwicklung prägen...
Bot:
Ja. Das zentrale und wichtigste Gesetz ist das des gleichzeitigen
Fortschritts von Gut und Böse. Genau das ist der Grund, warum Christen
nicht von einem idealen Zeitalter der Geschichte oder der
gesellschaftlichen Herrschaft des Guten träumen dürfen, in der es
gelingen würde, das Böse allgemein auszumerzen. Alle Ideologien des
Fortschritts und alle Traditionalismen sind diesem Traum gefolgt. Die
Verheißung Christi hingegen ist, daß dieses Reich zwar kommt - aber erst
am Ende der Geschichte. Der Realismus der Hoffnung verlangt von uns,
auf die Wiedererlangung des irdischen Paradieses innerhalb der
Geschichte zu verzichten. Dieser Traum endet immer mit einem Albtraum.
Woher läßt sich dieses Gesetz ableiten?
Bot:
Aus dem Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut. Es erteilt uns drei
weitere entscheidende Lehren: Die erste betrifft die Verzögerung des
Gerichts: Dem ungeduldigen Wunsch nach Gerechtigkeit stellt Jesus
Vorsicht, Geduld und Respekt entgegen. Träumen wir also nicht zu schnell
von einer Endlösung, die auf menschlicher Gerechtigkeit beruht. Diese
ist zu unscharf, um vor Irrtümern gefeit zu sein...
Zweite Lehre: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß ein Schleier des
Nichtwissens unser Urteilen behindert. Die Demut verbietet uns,
letztgültige Urteile aufgrund trügerischen Scheins zu fällen. Die Achsen
des Guten und des Bösen liegen anders, als wir spontan annehmen. Auf
diesem Gebiet ist allein Gott unfehlbar.
Die dritte Lehre betrifft die “Söhne des Reichs" und jene des Bösen.
Gott bleibt es vorbehalten, den guten Weizen vom Unkraut im Hinblick auf
die ewige Bestimmung zu unterscheiden. Bis zum Endgericht bleiben die
Karten gemischt. Wir haben wirklich keine Ahnung, wer verlorengeht und
wer gerettet wird... Also richten wir nicht, damit wir nicht gerichtet
werden!
Ein
weiteres Gesetz wird als das der Intensivierung des Konflikts bis zu
seinem Höhepunkt am Ende der Zeiten bezeichnet. Das ist ja ein richtiges
Programm...
Bot:
Da Gut und Böse gleichzeitig wachsen, erhöht sich die geistige Spannung
im selben Maß. Die ganze Welt befindet sich in einer Dauerkrise,
stürmische Zeiten und Flauten wechseln einander ab. Weltweit kann man
beobachten, wie der Spieleinsatz in allen Bereichen anwächst. Je weiter
die Zeit voranschreitet, umso höher die Spannung zwischen dem Wort und
dem Anti-Wort. Der Fortschritt im Bereich der Kommunikationsmittel gibt
den Takt an.
Wir gehen auf den “Endkampf" zu, um ein von den Kommunisten gebrauchtes
Wort zu verwenden. In diesem Kampf stehen einander nicht klar
unterscheidbare Lager von Guten und von Bösen gegenüber, sondern die von
Augustinus unterschiedenen zwei Reiche: jenes, das auf der Liebe zu
sich selbst bis zur Verachtung Gottes aufbaut, und jenes, das auf der
Liebe zu Gott bis zur Selbstverachtung gründet. Zwei Haltungen, die tief
im Inneren des Menschen miteinander ringen, und nicht zwei soziale oder
religiöse Blöcke, die von außen erkennbar wären. Die beiden Reiche
nenne ich den Christus- und den Antichristenpol. (...) Nur Gott kann die
Tiefe und Echtheit des Glaubens erforschen. Je größer der Druck wird,
umso mehr werden die Leute dazu gedrängt, sich in der Tiefe zu
offenbaren. Das wird wie ein Vorgriff auf das Endgericht sein - das, was
Jesus die “Ernte" nennt. Zug um Zug wird der Schleier über die
Zugehörigkeit der einen und der anderen zu den jeweiligen Polen
gelüftet.
Hat man davon nicht schon eine gewisse Vorahnung heute?
Bot:
Meiner Ansicht nach besteht da noch keine Klarheit. Denn die beiden
Pole sind noch nicht geeint. Der Christuspol ist weiterhin uneins:
einerseits sind die Christen untereinander gespalten; andererseits haben
Christen und Juden nicht zusammengefunden. Eines der wichtigsten
Kennzeichen der Periode des Endes ist die Vereinigung dieses
Christuspols. (...)
Ein anderes Gesetz behauptet, man könne das Ende der Zeiten “beschleunigen".
Bot:
Durch unsere Heiligung und unsere Evangelisation. Der Heilige Petrus
spricht ausdrücklich davon, “die Ankunft des Herrn zu beschleunigen".
Wie? Indem man zur Reifung der Ernte beiträgt, die Heiligkeit in der
Welt mehrt - in Qualität und Quantität. Tag und Stunde sind das
Geheimnis Gottes. Aber sie hängen von Faktoren ab, die wir zum Teil
beeinflussen: die Verstärkung der Heiligkeit. Das Martyrium erscheint
als eine der Formen besonderer Heiligkeit. Und die Mehrung der Zahl der
Geretteten: Die Apokalypse spricht vom Ende, wenn die Erwählten
vollzählig sind. Eines ist sicher: Je näher das Ende kommt, umso
wichtiger wird eine tiefe spirituelle Verankerung - und Mut.
Sie
nennen eines Ihrer Bücher “Vivement le Paradis!" (Das Paradies, aber
rasch!) Warum nicht “Vivement le Ciel!" (Den Himmel, aber rasch)?
Bot:
Das Wort Paradies ist konkreter. Es ist dringend notwendig, unsere
Vorstellungen über das Jenseits zu beleben, davon bin ich überzeugt.
Ohne Bilder, wird die Hoffnung abstrakt - und oft leer. Daher greife ich
das Wort Paradies auf, so wie Dante, so wie Jesus, der dem guten
Schächer sagt: “Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein." Ich
versuche Woody Allen Lügen zu strafen, der gesagt hat: “Die Ewigkeit
dauert lange, besonders gegen Ende." Denn wir werden eine Überraschung
nach der anderen, ein wunderbares Staunen nach dem anderen erleben...
Wird uns die selige Schau über jede Vorstellung hinaus erfüllen?
Bot:
Und zwar genau weil sie nicht nur eine Schau sein wird, sondern ein
Hören, Berühren, Schmecken, Riechen, ein Baden in Glückseligkeit! Nicht
nur unsere Intelligenz, unser Herz, unsere Gefühle, unsere fünf Sinne
werden erfüllt sein. Es wird die höchste Erfahrung umfassenden Genusses
sein!
Der Autor ist
Dompfarrer von Saint Louis, der Kathedrale von Versailles und Autor von
“L'esprit des derniers temps", einem Buch über die Frage des Endes der
Zeiten. Das Gespräch führte Luc Adrian in “Famille Chrétienne" v. 20.-26.3.2004
Er wird alle Tränen abwischen
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Sehnsuchtsbilder des himmlischen Jerusalem (Von P. Johannes Lechner fj)
Was
sagt die Apokalypse über das Ende? Weit verbreitet ist die Vorstellung,
sie male Bilder des Schreckens. Aber ist sie nicht vielmehr ein Buch,
das unsere Hoffnung endgültig festigen kann?
Sehnsuchtsbilder des Himmels
Bilder haben Macht. Sie leiten uns, prägen Haltungen und aus Haltungen
folgen Handlungen. Welche Bilder verbinden wir mit dem Ende unseres
Lebens, mit dem Ende der Welt? Im prophetischen Buch der Offenbarung
gibt uns der Seher von Patmos einen Einblick in den Himmel. Das 21. und
22. Kap. sind ein Höhepunkt biblischer Offenbarung. Diese Bilder gehören
zum Schönsten, was der Mensch sich vorstellen kann; sie reinigen und
erneuern die christliche Phantasie durch eine alternative Sichtweise der
Welt, die sich nicht auf die jetzige Erfahrung beschränkt, sondern in
der Öffnung zur Transzendenz ihre Vollendung findet.
Der Glaube an den Himmel ist nicht fromme Jenseitsvertröstung und
Weltverdrängung, sondern Widerstandskraft gegen die Vergöttlichung von
militärischer oder politischer Macht (das Tier) und wirtschaftlichem
Wohlstand (Babylon), und damit auch von erheblicher politischer Brisanz.
An den Himmel zu glauben, ist der Anfang einer alternativen Kultur. Die
geoffenbarten Bilder des Himmels befreien uns aus der Fixierung auf das
Geschöpfliche, geben uns den Elan der Hoffnung für unseren Auftrag in
dieser Welt und üben in ihrer Schönheit eine stark heilende Wirkung auf
unser Inneres aus.
“Seht, ich mache alles neu"
Mit welchen Bildern spricht die Offenbarung vom Himmel? Zuerst: Im Ende
ist der Anfang - die neue Schöpfung Gottes. Ein neues Schöpfungswort
Gottes erneuert und verwandelt die alte Schöpfung. Was wird anders? Vor
allem die Gottesbeziehung. Die Schöpfung wird zur vollkommenen Wohnung
Gottes. Gottes Herrlichkeit wohnt in allen Dingen und verklärt sie, eine
Transformation der zeitlichen und sterblichen Schöpfung zu einer
ewigen, unsterblichen Schöpfung. Vernichtet wird nicht die Schöpfung,
sondern nur ihre sündige, zeitliche und sterbliche Gestalt. Wir selbst
sind im “alles neu" inkludiert. Auf ganz Neues können wir uns also
gefaßt machen, das macht den Himmel spannend. Endlich etwas wirklich
Neues! Dieses Neue ist die Gnade der Auferstehung.
Die alternative Stadt Gottes
Zwei Bilder gehen hier ineinander: die Stadt ist gleichzeitig Braut,
die Frau des Lammes. Die Bilder sind voll hochzeitlicher Mystik. Die
Braut steht für die Erwählung, die Liebe, das Einswerden, die
Lebensfreude. Der Traum von einer idealen Stadt als Ort der vollkommenen
menschlichen Gemeinschaft und der vollkommenen Gemeinschaft mit Gott
ist alt wie die Menschheit. Das himmlische Jerusalem ist die Erfüllung
dieser Sehnsucht. Wir sind für die Vereinigung mit Christus in der Liebe
geschaffen. Der Strom des Lebens und der Baum des Lebens für die
Heilung der Völker von all den Wunden der Geschichte sind in ihr. Die
Stadt kommt vom Himmel herab, sie wird uns geschenkt. Wir können sie uns
nicht machen.
Die Beschreibung des neuen Jerusalems verwebt verschiedenste Stränge
des Alten Testaments in ein starkes Bild von einem Ort, an dem die
Menschen in der unmittelbaren Gegenwart Gottes leben. Der Garten des
Paradieses wird mit der vollendeten Stadt kombiniert. Das äußere
Erscheinungsbild dieser Stadt mit ihren zwölf Toren und ihrer Mauer,
ihre Maße, ihr kostbares Material, ihre innere Herrlichkeit und ihr
paradiesisches Wesen wird zum Symbol der Herrlichkeit Gottes, die diese
Stadt, die erlöste Menschheit, erfüllen wird. Herrlichkeit bedeutet Sieg
der Liebe.
Juwelen der Heiligkeit
Das neue Jerusalem ist aus den Edelsteinen des Paradieses gebaut. Die
Liste der Edelsteine ist identisch mit den ersten neun der zwölf
Edelsteine, die der Hohepriester als Schmuck seiner Brusttasche und
Zeichen des Bundes trug (Ex 28,15-21). Jerusalem ist eine priesterliche
Tempelstadt. Diese 12 Edelsteine zeigen, daß die vollendete Menschheit
ein priesterliches Volk ist. Die himmlische Liturgie wird das Feuerwerk
der Heiligkeit sein, in der Unterschiedlichkeit der Menschen aller
Sprachen und Nationen. Die Gemeinschaft der Heiligen ist wesentlich
Zelebration unserer von Gott verwandelten Geschichte. Unsere von Liebe
verklärte Lebens-Geschichte wird das Wesen selbst der himmlischen
Liturgie.
In der Bibel wird die Herrlichkeit Gottes vor allem in den Bildern von
Feuer, Gold und Juwelen geschildert. Off 4,3 beschreibt den Thronenden
mit dem kostbaren, anziehenden Licht des Jaspis (der heutige Diamant)
und des Karneol ohne menschliche Züge. Nun geht diese Gestalt Gottes auf
die heilige Stadt über. Damit ist die Vergöttlichung der neuen
Schöpfung gemeint. Was der Mensch am Anfang in der Urversuchung an sich
reißen wollte (sein wollen wie Gott), wird ihm jetzt als Gnade zuteil.
Gigantische Ausmaße
Die Ausmaße des himmlischen Jerusalems drücken das vollendete Mysterium
der Kirche aus, die an seiner Gottheit teilhat. Die Stadt ist
würfelförmig wo Länge, Breite und Höhe gleich sind. 12000 Stadien (2400
km, ca. von Sizilien bis Dänemark!) sind eine symbolische Zahl: Damit
ist angedeutet, dass es sich um gigantische Ausmaße handelt. Der Himmel
sprengt alle Vorstellungen und Maße. Das Gottesvolk ist zu einer
unendlichen Großartigkeit herangewachsen. Die enorme, kubische
Ausdehnung legt dar, daß kein Mensch seine Hand darauf legen kann. Es
sprengt alle menschlichen Dimensionen und Vorstellungen. Shanghai,
Mexiko City oder Paris sind Kuhdörfer im Vergleich! In diese Größe tritt
nur Demut ein. Es ist in keines Menschen Sinn gekommen, was Gott denen
bereitet, die ihn lieben.
Vom Garten zur Stadt
Im Anfang hat Gott für die Menschheit einen Garten als Lebensraum
geschaffen. Am Ende wird er ihm eine Stadt geben. Das neue Jerusalem ist
mehr als das wiedergewonnene Paradies. Als Stadt erfüllt das neue
Jerusalem die Sehnsucht aus der Natur einen Raum für menschliche Kultur
und Gemeinschaft zu bilden. Von Gott gegeben kommt sie vom Himmel, aber
Stadt meint wesentlich den menschlichen Beitrag des Bauens. Biblisch
bedeutet Stadt Wohnung, Sicherheit und Schutz, Kultur, Gemeinschaft
unter den Menschen. Menschliche Geschichte und Kultur vollendet sich
hier in bräutlicher Vereinigung mit Gott.
Der Mensch kann seine Erfüllung nur in Gemeinschaft finden. Himmel ist
keine Privatbeziehung zu Gott, sondern eine soziale Größe. Himmel ist
unmöglich individualistisch. Der Himmel ist vollendete Liebe und
Gemeinschaft. Unser Herz wird sich nicht nur zu den Dimensionen des
Herzens Gottes erweitern, sondern sich auch für alle Menschen in der
Liebe Gottes öffnen. Es ist klar, daß wir nicht in der vollkommenen
Gottesliebe sein können, wenn wir auch nur eine einzige Person im
Paradies nicht wiederfinden wollen. Es ist ein Zeichen, daß man selbst
nicht im Himmel sein kann, wenn man auch nur einen vom Himmel
ausschließen möchte. Der Himmel ist Liebe zu allen Menschen. Führen Sie
diese Himmelfahrt-Reifeprüfung einmal durch!
Das neue Jerusalem: göttliche Gegenwart
In der Stadt gibt es keinen Tempel. Auf ersten Blick für das Judentum
undenkbar. Doch Gott und das Lamm ist der Tempel. Die Bedeutung des
Tempels wird nicht negiert, sondern erfüllt. Die Stadt braucht keinen
besonderen Platz von Gottes Gegenwart mehr, weil die gesamte Stadt mit
seiner Gegenwart erfüllt ist. Das klarste Indiz dafür sind die perfekten
kubischen Ausmaße, wie das Allerheiligste im Tempel zu Jerusalem, das
als die Wohnung Gottes galt. Die ganze Stadt gleicht dem Allerheiligsten
im Tempel. Die Trennwand zwischen Gott und Mensch ist aufgehoben. Gott
ist unmittelbar gegenwärtig.
Gottes Gegenwart meint Leben im Vollsinn des Wortes. Leben jenseits all
dessen, was Leben jetzt einengt, bedroht und widerspricht: ewiges
Leben. Gott gibt das Wasser des Lebens, das von Seinem Thron ausgeht.
Mühsal, Klage, Trauer und Tod sind ausgeschlossen. Diese Verheißung ist
direkt mit Seiner liebenden und zärtlichen Gegenwart verbunden, durch
das wunderschöne Bild, daß Gott selbst alle Tränen von ihren Augen
abwischen wird. Es ist das zärtlichste Bild der ganzen Bibel.
Nichts ist zärtlicher, als wenn jemand die Tränen vom Gesicht eines
Menschen abwischt. So zärtlich ist Gott. Es wird die Stunde in unserem
Leben kommen, wo Gott alle unsere Tränen für immer abwischen wird. Das
Leiden wird für immer zu Ende sein. Die schlimmste Angst, die Angst vor
dem Tod, ist für immer überwunden. Was bleibt ist ewige Liebe und Freude
im Schauen seines Angesichts.
Der Autor ist Bruder der Johannes-Gemeinschaft in Marchegg, deren Prior er bis 2006 war.
Zu jeder Zeit zutreffend
Über den Stellenwert der Apokalypse
Die Apokalypse wird von der Verkündigung gemieden. Und dennoch: Das
Buch, auf das die Heilige Schrift hinausläuft. Es zeigt uns Jesus in
Seiner Herrlichkeit. Gespräch mit einem der großen Theologen des 20.
Jahrhunderts.
Hat der heilige Johannes für eine bestimmte Zeit geschrieben?
P. Marie-Dominique Philippe OP:
Für alle Zeiten. Die Apokalypse ist wahr für alle Perioden der
Kirchengeschichte. Johannes hat kein mehr oder weniger chiffriertes
Geschichtsbuch geschrieben. Man sagt, er habe für die große Verfolgung
zur Zeit Neros geschrieben. Stimmt - aber nicht nur für sie! Die
Apokalypse ist jenseits einer rein historischen Betrachtung anzusiedeln.
Sie muß als Wort Gottes gesehen werden, das Johannes in der Ekstase
erfahren hat, um unseren Verstand zu erleuchten, unsere Hoffnung zu
stärken und um uns zu mehr Liebe zu verhelfen. Die Apokalypse ist wahr
zum Zeitpunkt, da sie der Jünger empfangen hat, wahr, als der heilige
Thomas sie kommentiert hat, und sie ist heute wahr. Ich hätte fast
gesagt: Sie wird wahrer, weil wir uns dem Ende nahen - und sie ist ja
für das Ende geschrieben. Ich glaube, sie ist tatsächlich in besonderer
Weise für uns geschrieben, denn wir leben in Auseinandersetzungen
solcher Intensität, daß wir überhaupt nichts mehr verstehen würden, wenn
uns die Apokalypse nicht erleuchtete.
Inwiefern erleuchtet sie uns heute?
P. Philippe:
Sie zeigt uns Jesus in Seiner Herrlichkeit - die einzige Vision, die
wir besitzen. In den eschatologischen Kämpfen verdanken wir ihr den
Blick auf den großen Sieg des Kreuzes.
Sie sprechen von besonders intensiven Kämpfen in unserer Zeit. Was meinen Sie damit?
P. Philippe:
Ich denke, wir erleben derzeit jene äußersten Angriffe, von denen die
Apokalypse spricht. Äußerst im Sinne von den “letzten" wie auch im Sinne
von dem “was extrem ist, was weit über alles hinausgeht". Ich frage
mich allerdings, ob es nicht eher äußerst im Sinne von den “letzten"
ist. Jedenfalls ist es das Ende einer Generation, die Liquidierung einer
ganzen Kultur, die christlich war, aber heute in keiner Weise mehr ist.
Paul VI. sprach von “apokalyptischen Erschütterungen"! Wir stehen
mitten in einem eschatologischen Zeitalter. Das letzte Zeichen, das dem
Ende nächstgelegen, ist die Angst. Und unsere Periode ist von Angst
erfüllt. Erinnert sei an das Wort von Johannes Paul II. bei seinem
ersten Frankreichbesuch: Die Menschheit erlebt eine bisher nicht
gekannte Versuchung, eine “Meta-Versuchung", also eine über andere
Versuchungen hinausgehende: jene, daß der Mensch sich selbst rettet.
Können Sie das näher ausführen?
P. Philippe:
Ich sehe heute zwei große Angriffe des Dämons. Der erste wendet sich
gegen unsere Vernunft. Sie wird auf den Verstand, die Logik reduziert.
Keine Rede von Metaphysik, von "Warum?": Nützlich ist nur die Frage nach
dem "Wie", nach der Effizienz. Mathematik und Wissenschaften
beherrschen alles. Die Vernunft wurde vom Sein selbst, das die
religiösen Traditionen Gott nennen und das sie selbst entdecken könnte,
abgekoppelt. Wenn der Mensch seinen Schöpfer entdeckt, reagiert er in
zweifacher Weise: Er zieht seine Schuhe aus wie Mose und legt - wie die
Hochbetagten in der Apokalypse - seine Krone ab, um seine Armut zu
bekennen und anzubeten. Heute krönt sich der Mensch selbst, denn sein
Verstand erkennt sich nicht mehr als gottesfähig an, wie Thomas dies
ausgedrückt hat. Satan unternimmt alles, damit unser Verstand einzig und
allein auf technische Effizienz ausgerichtet bleibt, auf die
Beherrschung der Welt - und nur ja nicht auf die Suche nach der Wahrheit
und letztlich auf Betrachtung und Anbetung.
Sie sprachen von einem zweiten Angriff.
P. Philippe:
Er setzt am Geheimnis der Fruchtbarkeit an. In der Apokalypse zeigt uns
der heilige Johannes, daß der bösartigste Angriff des Teufels gegen die
Frau, die das Geheimnis der Liebe und der Fruchtbarkeit symbolisiert,
gerichtet ist. Satan fällt über die Frau her - man sieht das ja gut mit
der Abtreibung, den genetischen Manipulationen, dem Überhandnehmen von
Leihmutterschaft... Er hat es erreicht, daß die Frau Männlichkeit
einfordert, um ihr eigenes Geheimnis zu vernachlässigen. Da die Frau
Hüterin des Innersten im Herzen des Menschen ist, hat ihre Zerstörung
gleichzeitig die Zerstörung der Menschheit zur Folge. Die Zeugung ist
der fundamentalste Ausdruck des Bundes, den Gott mit dem Menschen
geschlossen hat: Gottes Geschöpfe, der Mann, die Frau, sind Quelle des
Lebens. Sie nehmen selbst an der Schöpfung durch Gott teil. Das erträgt
Satan nicht. Diese grundlegende Allianz, dieses Geheimnis der
Fruchtbarkeit, greift er mit aller Gewalt und aller “Intelligenz" an.
Auf allen Ebenen: auf biologischer, spiritueller...
P.
Marie-Dominique Philippe OP war Professor für Philosophie an der Uni
Freiburg und Gründer der Johannes-Gemeinschaft und ist im August 2006
gestorben. Mit ihm sprach Luc Adrian in "Famille Chrétienne" v. 2.3. 95.
Mach' etwas Schönes aus Deinem Leben
Die Sonntagskultur: ein Vorgriff auf das Schöne, das uns erwartet (Von Urs Keusch)
Mir ist in den vergangenen Jahrzehnten als Seelsorger immer wieder
aufgefallen, wie sehr die sensiblen Menschen, die tief empfindenden und
religiösen Menschen an den Kränkungen, der Mißachtung, der
Geringschätzung, der Zerstörung der Natur und der Schöpfung leiden und
mitleiden - eine Zerstörung, die vor allem mit der technischen und
Industriellen Revolution seit über 200 Jahren globale und gigantische,
ja, apokalyptische Ausmaße angenommen hat. Die Welt ist eine andere
geworden. Max Thürkauf sagte einmal: “Das Antlitz des Materialismus ist
die Häßlichkeit."
Wie oft haben mir Menschen - meistens waren es Frauen - gesagt: “Die
Natur, die Schöpfung ist für mich der Ort, wo ich auftanken kann, wo ich
Gottes zärtliche Liebe und Nähe erfahren kann, wo mir Kraft geschenkt
wird für den Alltag. Nirgends kann ich besser zu Gott finden als in der
Natur."
Warum ist das so? Warum ist die Schöpfung ein Ort der zärtlichen
Begegnung mit dem Geheimnis der schöpferischen Liebe Gottes? Eine große,
eine sensible Frau, die Jüdin Simone Weil, hat darüber nachgedacht -
und es wurden ihr wunderbare Einsichten geschenkt. Sie schreibt in einem
ihrer Werke: “Die Schönheit der Welt ist Christi zärtliches Lächeln für
uns durch den Stoff hindurch. Er ist wirklich gegenwärtig in der
Schönheit des Alls." Ein anderes Zeugnis eines Naturwissenschaftlers:
“Die Schönheit der Schöpfung ist ein Spiegel für das Antlitz Gottes"
(Max Thürkauf).
Warum ist das so? Weil die Schöpfung durch Ihn und auf Ihn hin
geschaffen ist (Kol 1,15-20). Weil Er das All trägt und erhält durch
sein machtvolles Wort (Hebr 1,3).
In der Schönheit der Natur, der Schöpfung, des ganzen Universums
leuchtet die Schönheit und Herrlichkeit des Antlitzes Christi auf. “Es
gibt gleichsam eine Art Inkarnation Gottes in der Welt, deren Merkmal
die Schönheit ist", fährt Simone Weil fort. Sie geht noch weiter und
nennt die Schönheit der Schöpfung ein Sakrament: “Das Schöne ist
wirklich die Gegenwart Gottes im Stoff, die Berührung mit dem Schönen im
vollen Sinne des Wortes ein Sakrament."
Das Erlebnis der Schönheit in der Schöpfung ist darum eine wirkliche
Kommunion mit dem Geheimnis der Liebe Gottes: mit Seinem Leben, mit
Seiner Schönheit, mit Seiner Wahrheit, mit Seiner Güte und Weisheit. Die
Schöpfung in ihrer unbeschreiblichen, herrlichen Schönheit trägt die
göttliche Schönheit des Antlitzes Christi. Denn “Er ist der Schönste von
allen Menschen" (Ps 45,3).
Man kann heute die Menschen nicht genug ermutigen, sich bewußt dem
Schönen zuzuwenden, es aufzusuchen, es selber in ihrem Leben zu pflegen.
Denn “das Häßliche wirkt depressiv, es ist der Ausdruck einer
Depression. Es nimmt die Kraft, es verarmt, es drückt..." (Friedrich
Nietzsche)
Gerade sensible Menschen, die in ihrer Lebensfreude und Vitalität durch
das Häßliche, das sie umgibt - in den Medien, in der Depressivität der
Massen, in den Betonwüsten etc. - stark angefochten sind: ihnen kann
nicht genug angeraten werden, sich ganz bewußt und entschieden dem
Schönen hinzugeben, nicht nur in der Kunst, vor allem der Musik, sondern
vor allem in dem ursprünglich Schönen der Natur, der Schöpfung Gottes.
Das zarte Erlebnis der Schönheit in der Natur weckt die Liebe, es weckt
die Lebensfreude, es weckt die Kraft, diese Welt und das eigene Leben
zu lieben als ein herrliches Geschenk aus dem Geheimnis der Liebe
Gottes. Und dieses Erlebnis befähigt uns, uns selbst für die Bewahrung
der Schöpfung einzusetzen und selbst zu meiden, was die Natur, was die
Schöpfung kränkt. “Wirklich, die Welt ist schön. Sind wir im Freien
allein und aufmerksam, so bringt uns irgend etwas dazu, unsere Umwelt zu
lieben." (Simone Weil)
Mutter Teresa hat immer wieder jungen Menschen und Paaren gesagt:
“Machen Sie aus dem Leben etwas Schönes!" Was könnte das heißen?
Gib vor allem dem Sonntag wieder ein schönes Gesicht! Bereite Dich
(zusammen mit Deiner Familie, wo das möglich ist) schon am Samstag
darauf vor. Bereite Dich aufmerksam auf die Begegnung mit dem Herrn in
der Heiligen Kommunion vor. Räume die Wohnung auf, mach sie sauber, mach
sie schön. Zünde eine Kerze an, denn jeder Sonntag ist ein Ostermorgen.
Ziehe Sonntagskleider an. “Zum Haus Gottes wollen wir ziehen in
festlicher Schar, mit Jubel und Dank in feiernder Menge" (Ps 42,5).
Wo der Sonntag im Leben der Menschen und der Familie sein schönes
Gesicht zurückerhält, dort ersteht die Freude am eigenen Leben wieder
auf, dort grünen und blühen Alt und Jung, dort gießt der Himmel aus
goldenen Schalen überfließend seinen Segen über die Menschen und
Familien aus.
Mach aus Deinem ganzen Leben etwas Schönes, ob Du alt bist oder jung,
allein oder verheiratet, gesund oder krank oder behindert. “Mit Gott
fang an, mit Gott hör auf, das ist der schönste Lebenslauf." Gib Gott
den ersten und bevorzugten Platz in Deinem Leben. Denn “Die Augen des
Herrn ruhen auf denen, die ihn lieben." (Ps 34,19)
Mach Deinen Ort, wo Du lebst: deine Wohnung, dein Haus, dein Büro, dein
Heim... zu einem Ort, der Wohnlichkeit ausstrahlt, Reinlichkeit,
Ordnung, Harmonie. Stell ein Blümlein auf den Tisch!
Kleide Dich selbst schön und würdevoll: die Frau als Frau, der Mann als
Mann. Meide alles Häßliche, Mondäne, Nachlässige in der Kleidung.
Vergiß nie: Du bist nach dem Bild Gottes geschaffen. Du bist ein Bruder
Jesu, Seine Schwester. “Halt an diesem stolzen Bewußtsein fest!" (vgl
Hebr 3,6).
Du gehörst zur Familie Gottes. Du repräsentierst Deinen Glauben:
nämlich Jesus Christus, die wahre Schönheit Gottes, den “schönen"
Hirten, wie es im griechischen Urtext heißt. “Ich für meinen Teil
wünsche, daß der fromme Mann, die fromme Frau stets die bestgekleideten,
aber am wenigsten auffallenden und aufgeputzten in ihrer Umgebung
seien" (Hl. Franz von Sales)
Simone Weil sagt einmal auch: “Die Schönheit ist für die Dinge, was die
Heiligkeit für die Seele ist." Heiligkeit ist darum auch Schönheit und
Schönheit liebt Heiligkeit und sie will zu ihr hinführen. Darum kann uns
die ganz bewußte Hinwendung zum Schönen, die bewußte Aufmerksamkeit und
Pflege des Schönen im eigenen Leben bewahren vor dem Ersticken in den
Fluten des Häßlichen, Gemeinen und Dämonischen, die uns heute so
ungehindert, frech und dunkel umspülen. “Fluten auch hohe Wasser heran,
ihn werden sie nicht erreichen. (Ps 32, 6).
Noch ein wichtiger Gedanke: Der russische Philosoph Nikolai Berchiajew
schrieb vor über 70 Jahren: “Der technische und ökonomische Fortschritt
der modernen Zivilisation macht die menschliche Persönlichkeit zu seinem
Werkzeug. Er fordert von ihr eine unaufhörliche Aktivität, will jeden
Augenblick ihres Lebens für seine Zwecke ausnützen... Das bedeutet aber,
daß der Mensch zu beten aufhört, die Schönheit nicht mehr schauen, nach
der Wahrheit nicht mehr dürsten kann, - daß seine Beziehung zu Gott
gelöst wird. Denn in der Kontemplation (Gebet) tritt der Mensch in
Berührung mit der Sphäre der höheren Mächte und Werte. Wird die
Kontemplation endgültig beseitigt, so muß der Mensch die geistigen
Inhalte seines Lebens einbüßen, er wird in seinem Schaffen gelähmt und
in seiner Existenz bedroht."
Dieses Wort kann nicht ernst genug genommen werden! Ohne Gebet können
wir den dunklen zerstörerischen Mächten in unserer Welt nicht
standhalten, sie nicht erkennen, sie nicht durchschauen und
durchbrechen. Ohne Gebet erlahmen wir in der göttlichen Hoffnung, der
Glaube verliert sein Licht, die Liebe bricht ein und mag sich nicht mehr
zu erheben.
Das Gebet aber öffnet ein Oberlicht am Himmel. Durch dieses fließen uns
Licht und Tröstung zu und alle Kräfte der Zuversicht. Im Gebet werden
uns die Gaben der Erkenntnis geschenkt, tiefere Einsichten in die
geistigen und verborgenen Hintergründe unserer Zeit, und wir vermögen
die Zeichen der Zeit so zu deuten, daß wir von ihnen nicht übermäßig
geängstigt werden.
Wer betet, der glaubt. Er glaubt dem Herrn, daß Er wiederkommt, daß Er
herrlich im Kommen ist. Er glaubt, daß auch unsere verwundete Welt an
der Auferstehung des verwundeten Leibes Christi Anteil hat und neu und
herrlich und noch viel schöner geschaffen wird.
Er glaubt, daß alles, wirklich alles, auch das Böse in der Welt, einem
verborgenen wunderbaren göttlichen Plan dienen und zur Verherrlichung
der Barmherzigkeit unseres Vaters beitragen muß. “Alles jeglicher Art
wird gut werden"¸ sagt Christus in den mystischen Schriften zur Hl.
Juliana von Norwich. Und ihre Ermahnung gilt daher auch uns: “Unsere
Seele soll beruhigt sein und in Frieden und in der Liebe bleiben und
nicht all der Stürme achten, die uns an der wahren Freude in Gott
hindern können."
Im Gegenteil: Wir wollen beten und hoffen, daß der Herr bald wiederkomme! Maran ata! Komm, Herr, Jesus! Komm!
Wir können die Ankunft beschleunigen
Die
Vielzahl der Marienerscheinungen heute verwundert mich nicht. Dazu
kommen die Ikonen, die wunderbar Tränen vergießen oder aus denen Öl
fließt, und die zu Orten der Verehrung werden. Das, was diese
Erscheinungen der Gottesmutter verbindet, sind die Schönheit, die
Sanftheit, die Mahnung zur Eile, sind Zeichen der Trauer und der
bittenden Erwartung.
Da tritt eine Mutter in die Bresche, um ihre Kinder in Zeiten starker
geistiger Kämpfe - die äußeren Konflikte sind nur deren Widerhall - zu
retten.
Maria ist die Frau der Apokalypse, die in Wehen liegt. Sie wird ihrem
Titel “Mutter der Kirche" in dieser Krisenzeit von Kirche und Welt in
staunenswerter Weise gerecht.
*
Noch niemals waren so viele “Söhne und Töchter ... Propheten" und
hatten “junge Männer ... Visionen" im Zusammenhang mit den
Marienerscheinungen, um einen Ausdruck des Propheten Joel (3,1) zu
gebrauchen. Das ist die große Besonderheit eines Zeitalters, das meinte,
die christliche Eschatologie zu Grabe getragen zu haben.
*
Dem heiligen Augustinus, dem heiligen Bernhard und anderen Mystikern
zufolge kommt das Ende, wenn die Zahl der Erwählten, die den Platz der
gefallenen Engel einnehmen werden, vollzählig ist - wobei Gott
selbstverständlich will, daß “alle Menschen gerettet werden" (1Tim 2,4).
Diese Stunde weiß allerdings nur der Vater. Wir können die Ankunft
jedoch beschleunigen, in dem wir bitten: “Maranatha! Komm, Herr Jesus!"
Man muß Gott anflehen, das Ende der Zeiten zu beschleunigen.
Es macht mich betroffen, daß selbst die Christen die Sehnsucht nach dem
Himmel verloren haben. Wir sind ungläubig geworden, hier auf Erden zu
häuslich eingerichtet: Das Ende der Zeiten erscheint uns wie eine
Katastrophe. Es geht um die Erneuerung unseres Strebens zu Christus hin,
unserer Erwartung der Parusie, der Wiederkunft.
Patrick de Laubier
Der
Autor ist Professor für Religionssozilogie an der Uni Genf und Autor
von “Le temps de la fin des temps" (Die Zeit der Endzeit) Der Text ist
ein Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 23.2.95.
Freue mich, in den Himmel zu gehen!
Ich
freue mich darauf, in den Himmel zu gehen! Ich bin ganz ruhig und
zufrieden damit, jetzt zu sterben. Sagt meinen Freunden, daß ich auf sie
warte in der anderen Welt!"
Worte des seligen Franzisco Castello:
ein 22jähriger Spanier, Chemiker in einer Kunstdüngerfabrik, verlobt,
apostolisch sehr engagiert, der von einem marxistischen Militärkomitee
im spanischen Bürgerkrieg gefangengenommen und am 29. September 1936 zum
Tode verurteilt und erschossen wurde.
Ich fühle mich leicht, leicht... und jede Angst ist für den Moment von
mir abgefallen. Ich bin nicht allein, mein Gott ist mit mir. Nur mehr
fünf Stunden zu leben. In fünf Stunden werde ich Jesus sehen..."
Worte von Jacques Fesch:
27jähriger Franzose, zum Tode verurteilter Polizistenmörder, der
während seiner Haft eine wunderbare Bekehrung erlebt und auf Begnadigung
verzichtet hat und dessen Seligsprechungsprozeß läuft.
Ein Gebet gelernt
In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg kam in Amerika eines Tages ein
ärmlich gekleideter Mann in das deutsche Konsulat und bat um
Unterstützung und Hilfe. Seit früher Kindheit habe er in diesem Land
gelebt. Nun gehe es ihm schlecht, und er sei in großer Not. Da er
Deutscher sei, bitte er, ihm zu helfen.
“Aber
Sie sprechen ja nicht einmal Deutsch und können sich auch nicht
ausweisen," entgegnete der Beamte. “Wie wollen Sie uns überzeugen, dass
sie Deutscher sind? Wissen Sie vielleicht etwas aus Ihrer Kindheit?"
Da ging ein Leuchten über die Augen des Mannes. “Doch", sagte er, “ich
habe von meiner Mutter ein Gebet gelernt." “Sagen Sie es uns", forderte
ihn der Beamte auf. Der Mann faltete die Hände und sprach: “Die Eltern
mein, empfehl' ich Dir, behüte, Gott, sie mir." Der Konsulatsbeamte war
tief berührt und von der Ehrlichkeit des Mannes überzeugt.
Aus “lebe" 82/06
Gib mir Deine Freude!
Beruflich
war ich ja oft mit belasteten Menschen konfrontiert und bekomme in der
Begegnung mit ihnen einiges aufgeladen. Dann passiert es immer wieder,
daß ich von dieser Last müde werde. Nur allzu leicht stellt sich
Freudlosigkeit ein, eine Bedrückung, eine gewisse innere Dunkelheit. In
solchen Situationen haben mir die Worte aus den Abschiedsreden im
Johannes-Evangelium sehr geholfen. Besonders stark berührte mich immer,
daß Jesus - schließlich wußte Er, daß Er in wenigen Stunden verhaftet
werden würde - so oft von der Freude spricht: “Dies habe ich gesagt,
damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird."
(Joh 15,11)
Im Laufe der Zeit wurde mir bewußt: Jesus brennt förmlich darauf, uns
Seine Freude zu schenken. Und daher ist es naheliegend, Ihn um diese
Freude zu bitten. Sobald wir Ihn nämlich darum bitten, öffnen wir unser
Inneres und Jesu Freude kann in uns einziehen.
Daher ist es mir, wann immer ich bedrückt bin, zur selbstverständlichen
Gewohnheit geworden, Jesus zu bitten: “Herr, gib mir Deine Freude!" Und
ich kann bezeugen: Er gibt diese Freude immer - und zwar auf der
Stelle. In solchen Situationen habe ich fast den Eindruck, Jesus wartet
nur darauf, daß Er mich mit Seiner Freude beschenken kann.
Und das Besondere an dieser Freude ist: Sie birgt eine enorme
Lebenskraft in sich, eine Kraft, die durch Schatten einfach nicht zu
vertreiben ist. Durch diese Freude schmilzt die Traurigkeit weg wie der
Schnee in der Frühlingssonne. Die innere Beglückung, die da ausgelöst
wird, läßt sich schwer beschreiben. Jesus wird in mir gegenwärtig. Er
läßt mich in der Not, die mich bedrückt, nicht allein. Vielmehr kommt er
mit Seiner Freude in meine menschliche Not.
Maria Loley
Plötzlich wird deutlich: Gott sieht!
Die
Menschen reden in einer allgemeinen Art und Weise von der Güte Gottes,
Seinem Wohlwollen, Seinem Erbarmen und Seiner Langmut; aber sie stellen
sich das als eine Art Flut vor, die sich über die ganze Welt ergießt,
nicht als das ununterbrochen wiederholte Handeln eines verständigen und
lebendigen Geistes, der überlegt, wen Er heimsucht, und der
beabsichtigt, was Er wirkt.
Folglich können sie, wenn sie in Schwierigkeiten kommen, nur sagen: “Es
gereicht alles zum besten - Gott ist gut" und dergleichen; und das
alles fällt wie ein kalter Trost über sie und verringert ihr Leid nicht,
weil ihre Gemüter nicht gewohnt sind, zu fühlen, daß Er ein
barmherziger Gott ist, der sie persönlich ansieht, und nicht eine bloß
allumfassende Vorsehung, die nach allgemeinen Gesetzen handelt.
Und dann bricht vielleicht mit aller Plötzlichkeit die wahre
Vorstellung über sie herein, wie über Hagar, Mitten in ihrer Prüfung
dringt ein besonderes Zeichen der Vorsehung zutiefst in ihr Herz und
bringt ihnen in einer Weise, die sie nie zuvor erfahren haben, zum
Bewußtsein, daß Gott sie sieht.
Kardinal John Henry Newman
Aus Wochentagsschott, Zeit im Jahreskreis, 12. Woche, Donnerstag
Weiterführende Themen:
Familie unter Beschuss
/ Fürchtet euch nicht / Kinder sind ein Segen
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Jeder Atemzug sei Anbetung!
"Gott liebt dich.
Er ist die Liebe. Rede es dir vor, schreibe es auf, singe davon,
dann wird dein Herz von der Liebe Gottes überflutet und du LEBST".
Zähler und Statistik
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