Die
Hoffnung wird im Alten Testament durch Ijob veranschaulicht, der in der
Gewissheit seiner Integrität und seiner Unschuld vor Jahwe sein Vertrauen
bewahrt. Sein Vertrauen und seine Hoffnung auf die göttliche Gerechtigkeit
schenken ihm all seine Güter zurück.
INHALT
Das Evangelium offenbart uns die Hoffnung Gottes auf
den Menschen; es zeigt sie uns durch diesen Vater, der täglich auf die
Rückkehr seines verlorenen Sohnes wartet, um ihm zu vergeben und ihm wieder
sein Haus zu öffnen. Gott hofft unablässig auf die Bekehrung des Menschen,
weil er ihn unendlich liebt und ihn mit seiner ewigen Liebe vereinen will. Er
erinnert jeden Menschen daran, sich bereit zu halten, «denn der Menschensohn
kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet» (Mt 24, 44). Wie der
Vater sich bereithält und oft auf den Gipfel des Hügels geht, um zu sehen, ob
sein Sohn zurückkehrt, so soll auch der Mensch unablässig Gott entgegengehen
und sich mit ihm versöhnen, um seine ewige Liebe zu erhoffen und zu teilen.
1. Gründe für die Hoffnung
Jesus lehrt uns die Hoffnung, und der Grund für diese
Tugend beruht auf ihm. In der Tat: er ist gekommen, den Menschen zu retten und
ihm die Pforten des Himmels von neuem zu öffnen. Daher soll sich jeder Sünder
Gott anheimstellen und glauben, dass sein Heil im Kreuz und in der
Barmherzigkeit Christi liegt, die der aufrichtigen Reue des Sünders immer
gewährt wird. Jesus bestätigt dies der hl. Katharina von Siena: «Ich habe dem
Menschen den Beistand der Hoffnung gegeben. Sobald er im heiligen Licht des
Glaubens den Preis des Blutes betrachtet, der für ihn bezahlt wurde, muss
dieses Schauen eine feste Hoffnung und die Gewissheit seines Heils in sein Herz
legen» (Dialoge, 136. Hauptstück).
Die christliche Hoffnung beinhaltet auch das Wissen, sich selbst zu misstrauen
und seine Hoffnung auf die Verdienste Christi zu setzen, die die vertrauende
Seele bedecken und sie in Seinem Reich erstrahlen lassen. Das sagt er der hl.
Gertrud, die sich sehr unwürdig und wenig vorbereitet fand, um den
eucharistischen Jesus zu empfangen: «Du hast durch dein Gebet erwirkt, dass du
den Bewohnern des Himmels bereits mit all dem Schmuck erscheinst, um den du
gebeten hast. Warum misstraust du mir, der ich der allmächtige und allgütige
Gott bin, als ob ich nicht das tun könnte, was jeder Mensch auf der Erde tun
kann, der, wenn er ein Kleidungsstück oder einen Schmuck besitzt, seinen
Freund damit bekleiden oder schmücken kann und der damit bewirkt, dass sein
Freund in demselben Glanz erstrahlt wie er selbst? (Buch 3 ihres Lebens, 31.
Hauptst.).
Die Hoffnung ist auch diese Tugend, die an die Gerechtigkeit des Herrn glaubt,
die aber zugleich weiß, dass der Herr die Gerechtigkeit auf Erden in seine
Barmherzigkeit einschließt, die immer bereit ist, uns zu vergeben und uns in
seiner Liebe neues Leben zu schenken. Da sagte er zur hl. Gertrud, die nicht
mehr wagte, sich Jesus in der Hostie zu nähern, weil sie über den Sinn der
göttlichen Gerechtigkeit bestürzt war: «Betrachte wenigstens mit den Augen
deines Leibes und schau, wie ich in einem engen Kelch eingeschlossen bin, um
zu dir zu kommen; und sei gewiss, dass die Strenge meiner Gerechtigkeit
ebenfalls durch die Weite meiner Barmherzigkeit, von der ich der Menschheit in
der Spendung dieses Sakramentes ein so frappierendes Beispiel gebe, völlig
eingeschlossen ist» (Buch 3, 17. Hauptst.).
Die Hoffnung des Sünders besteht in der immerwährenden Opferung Jesu an seinen
Vater, damit er die beständige Vergebung seiner Verfehlungen empfängt, wenn er
wahre Zerknirschung zeigt und das lebendige Verlangen nach Wiedergutmachung
hat. Das teilte Jesus der hl. Gertrud mit: «Sehr nutzbringend für die Menschen
ist es, ihnen diese Erkenntnis zu vermitteln: Das Heilsamste ist und wird für
sie sein, wenn sie sich allezeit daran erinnern, dass ich, der Sohn der
Jungfrau, zum Heil des Menschengeschlechtes vor Gott dem Vater stehe. Und
sooft sie aus menschlicher Schwachheit mit dem Herzen fehlen, werde ich Gott
dem Vater mein unbeflecktes Herz zur Wiedergutmachung darbringen; sooft sie
mit dem Mund sich vergehen, meinen unschuldigsten Mund. Wenn sie aber mit den
Händen fehlen, dann zeige ich meine durchbohrten Hände; und worin und womit
sie sich auch immer vergehen, meine Unschuld versöhnt Gott den Vater sogleich,
so dass sie durch Reue und Buße Vergebung erlangen werden. Daher will ich,
meine Auserwählten sollen, sooft sie die erbetene Vergebung der Sünden
empfangen haben, mir allezeit danken, weil ich für sie diese nachsichtige
Vergebung erwirkt habe.» (Buch 3, 36. Hauptst.).
Die wahre christliche Hoffnung besteht darin, die Zukunft, die in der
göttlichen Vorsehung ruht, nicht zu fürchten. Als die hl. Teresa von Avila
angesichts der Schwierigkeiten, denen sie bei ihren Stiftungen begegnete, sehr
unentschlossen war, sagte Jesus ihr: «Was fürchtest du? Wann hat dir jemals
etwas gefehlt? Ich bin heute derselbe, der ich immer bin. Unterlasse es nicht,
diese zwei Stiftungen vorzunehmen.» (Klosterstiftungen, 29. Hauptst.).
2. Hoffen ist
eine Verpflichtung
für den Christen, weil er weiß, dass Gott sein Herr ist
und dass er so handeln soll, dass er Ihm gefällt und er den Lohn seiner
väterlichen Liebe empfängt. Unglücklich ist, wer an Gott zweifelt, wer nicht
auf seine Liebesmacht hofft, sondern sein Vertrauen und seine Hoffnung allein
auf sich setzt. Jesus zeigt der hl. Katharina den großen Unterschied an Leben
auf, der zwischen zwei Seelen besteht: die eine hofft auf sich und die andere
vertraut auf Gott: «Die Seele soll auf mich hoffen und mir dienen oder auf
sich selber und auf die Welt hoffen und ihr dienen. Sie dient der Welt, die
außerhalb von mir ist, in dem Maße, in dem sie die Sinnlichkeit liebt und ihr
gehorcht… Ihre Hoffnung, die sie in eine endliche Sache setzt, ist vergeblich
und vergänglich. Die Seele täuscht sich und erreicht nicht das Ziel, das sie
ersehnt. Solange sie auf sich selber und auf die Welt hofft, hofft sie nicht
auf mich, da ich die Welt, das heißt: das eitle Verlangen des Menschen hasse.
Die Seele, die hingegen auf mich vertraut und mir von ganzem Herzen dient,
verweigert notwendigerweise der Welt ihr Vertrauen und setzt es nicht in ihre
eigene Schwachheit. Ihre Hoffnung ist mehr oder weniger vollkommen, je nach
dem Grad ihrer Liebe zu mir und in demselben Maß verkostet sie meine
Vorsehung.» (Dialoge, 136. Hauptst.).
Die Hoffnung ist eine Tugend, die das menschliche Herz erfreut und beruhigt,
das immer geneigt ist, Gott nicht zu gefallen. Aber wehe dem Anmaßenden, der
nur an sich selber glaubt und auf sich selber hofft und der die Finsternis für
Licht hält. Jesus sagte zur hl. Katharina: «Diejenigen, die auf mich hoffen,
dienen mir mit dem einzigen Ziel, mir zu gefallen; sie verkosten meine
Vorsehung besser als jene, die es wegen des Vorteils tun, den sie daraus
ziehen, oder wegen des Glückes, das sie in mir finden.
Diese Vollkommenen und diese Unvollkommenen sind Gegenstand meiner
zärtlichsten Fürsorge, unter der Bedingung, dass sie nicht auf sich selbst
hoffen, denn die Anmaßung, diese Hoffnung der Eigenliebe, verdunkelt den
Verstand und lässt ihn das heilige Licht des Glaubens entbehren. Die
Vermessenen halten das Licht für Finsternis und die Finsternis für Licht, und
weil sie ihre Hoffnung und ihre Aufmerksamkeit der Finsternis widmen, murren
sie und verfallen der Ungeduld.» (Dialoge, 136. Hauptst.).
Der wahre Christ soll nicht an Gott zweifeln; es gibt kein größeres Unrecht,
das man Gott zufügen kann als ihm zu mißtrauen, an seiner Liebe und an seiner
Güte zu zweifeln. Zu Mutter Clément sagte der Herr: «Ich bin deine sichere
Hoffnung. Du sollst nie misstrauisch sein. Die Seelen, die mich lieben, hoffen
immer und die Treue, mit der sie alles von meiner Liebe erwarten, lässt sie
nicht zuschanden werden.» (3. Teil, 25. Hauptst.)
Denen, die die Hoffnung bewahren, macht Gott tröstliche Verheißungen. Erinnern
wir uns an die Worte Jesu, der den 40 Märtyrern von Sebaste erschien: Ihr habt
begonnen, trachtet nun danach, es gut zu vollenden. Haltet bis zum Ende durch,
die Krone wird nur denen gegeben, die ausdauernd sind. Wer an mich glaubt,
wird leben, auch wenn er stirbt. Habt Vertrauen und fürchtet die Drangsale
nicht, die nur kurze Zeit währen: kämpft tapfer, um gekrönt zu werden (Petits
Bollandistes: 10. März).
Das Gedenken an unsere Verfehlungen und das Bewusstsein unserer Schwäche sollen
unsere Hoffnung auf Gott nicht beeinflussen oder verringern. Jesus liebt uns
trotz unserer Armseligkeit und steht uns unablässig mit seiner Gnade bei. Das
bestätigt er Margareta von Cortona: «Keiner der Heiligen hätte die Kraft
gehabt, seine Drangsale auszuhalten, wenn meine Gnade ihm nicht beigestanden
wäre. Warum solltest du daher zweifeln, dass ich dir gegenüber nicht genauso
handle und das Gefäß deiner Seele inmitten der Schmerzen und Drangsale, die du
erleiden musst, unzerbrechlich mache?» (4. Hauptst., §17).
Leben heißt, die Hoffnung in jedem Augenblick zu bewahren, selbst angesichts
der Schwächen unserer Natur, in dem Bewusstsein, dass der Herr ergänzt, was uns
fehlt. Man muss nur mutig ans Werk gehen und seiner Gnade vertrauen. Agnes von
Langeac, die sehr betrübt darüber war, dass es ihr mit ihren Novizinnen nicht
so gelang, wie sie es wollte, gab er folgenden Rat: «Bemühe dich, bemühe dich,
bemühe dich und ich werde alles ergänzen» (2. Teil der Werke, 10. Hauptst.).
Die wahre Hoffnung braucht Zeit, um erhört zu werden und Gottes Stunde ist
nicht auch unbedingt unsere Stunde. Das bestätigt er der hl. Gertrud, die für
manche Personen gebetet hatte und die dann der Heiligen gesagt hatten, dass sie
nicht erhört worden seien: «Derjenige, dem der König nicht durch Boten,
sondern höchstpersönlich seine Beschlüsse bekanntgeben will, für den geziemt
es sich zu warten, bis dem König die Zeit günstig erscheint: Ich selbst und
ich allein setze fest, welcher Zeitpunkt der geeignete ist, an dem jene die
Wirkung deiner Gebete erfahren sollen» (Buch 3, 66. Hauptst.).
Die hartnäckige Hoffnung sichert den Sieg; wer am Triumph zweifelt, ist
bereits besiegt. Der Herr sagte zur hl. Brigitta: «Wer kämpfen will, mache
sich mutig ans Werk. Wenn er fällt, vertraue er nicht auf seine eigenen
Kräfte, sondern auf meine Barmherzigkeit. Wer den geistlichen Kampf
unterstützen will, vertraue sich mir an, er soll darauf hoffen, seine Vorhaben
mit Hilfe meiner Gnade zu vollbringen und er sei entschlossen, das Gute zu
tun, das Böse zu meiden und so oft er gefallen ist, wieder aufzustehen.» (Buch
4, 89. Hauptst.)
3. Die grosse
Kraft der Hoffnung
In der Heilsgeschichte sieht man, dass Gott diejenigen,
die ganz auf ihn hoffen, niemals enttäuscht. Und alle, die ihn um das Wunder
des Unmöglichen gebeten haben, hat Gott es gewährt, weil sie nicht an seiner
allmächtigen Liebe gezweifelt haben. Jesus belohnt das vollkommene Vertrauen.
Zur hl. Mechthild sagte er: «Wahrlich, ich sage dir, es gefällt mir sehr, dass
die Menschen mir völlig vertrauen, in der Hoffnung, dass sie von mir Großes
empfangen. Und wenn jemand glaubt, dass ich ihn nach dem Leben mit Wohltaten
überhäufe, die weit über seine Verdienste hinausgehen und er mir schon im
Voraus dafür dankt, ist er mir so wohlgefällig, dass ich ihn, so sehr er
glauben oder vermuten kann — und noch mehr — weit über seine Verdienste
belohnen werde, denn es ist unmöglich, dass der Mensch nicht empfängt, was er
geglaubt und gehofft hat. Daher ist es für den Menschen nützlich, viel von mir
zu erhoffen und sich mir ganz anzuvertrauen.» (Buch 3, 5. Hauptst.).
Gott verweigert den Heiligen, die ein unbedingtes Vertrauen auf seine
väterliche Liebe haben, niemals irgendetwas. Als die hl. Gertrud in mehreren
Anliegen zum Herrn betete, vernahm sie folgende Antwort: «Wisse, dass alle
deine Bitten erhört sind» (Buch 1, 13. Hauptst.).
Der hl. Gerhard Majella füllte in Italien im Dienst von Bischof Albini einen
Wasserkrug. Als er am Brunnen angekommen war, neigte er sich, um das Seil zu
ergreifen, aber in diesem Augenblick glitt der Schlüssel des bischöflichen
Hauses aus seiner Tasche und fiel in den Brunnen. Der erschrockene Heilige
betete und es kam ihm ein Gedanke in den Sinn. Er ging und holte eine kleine
Statue des Jesuskindes aus der Sakristei und befestigte sie an einem Seil.
Dann sprach er, bevor er sie in den Brunnen herabließ, zu Jesus: «Du allein
kannst mir aus dieser misslichen Lage helfen. Ich flehe dich an, hilf mir, den
Schlüssel wiederzufinden.» Dann ließ er das Seil hinab und zog es sofort
wieder herauf… Das Jesuskind hielt den Schlüssel des bischöflichen Hauses in
seiner Hand.
4. Die echte
Hoffnung ist Quelle von Bekehrungen
Maria rettete ein Dorf vor der Lava des Vesuv. 1906
war der Krater des Vesuv geöffnet und spie große, glühende Lavamassen aus, die
sich wie ein Feuerstrom auf den Abhängen des Berges verteilten und in Richtung
des kleinen Dorfes Torre Annunciata strömten, das in Gefahr stand, völlig
verschüttet zu werden. Angesichts dieser unmittelbar bevorstehenden
Katastrophe flüchtete der Pfarrer in die Kirche, ergriff die Statue der
Muttergottes und stellte sie dem glühenden Strom entgegen. Dabei rief er aus:
«Heilige Jungfrau, rette uns, rette uns, sonst werden wir alle mit unserem
Dorf verbrennen.» In diesem Augenblick hielt die Lava zu Füßen der
Himmelskönigin inne. Sie umfloss die Häuser und ergoss sich in das Meer, ohne
irgendeinen Schaden anzurichten. Angesichts des Glaubens dieses Priesters und
des Wunders, das sich ereignet hatte, belebte sich der Glauben der
Menschenschar und es kam zu zahlreichen Bekehrungen.
Die Hoffnung ist das Vertrauen in der Erwartung, die Geduld in der Liebe und
die Gewissheit, dass Gott alles vermag, aber stets zu der Stunde, die er zu
seiner Ehre, zu unserem Heil und unserer Heiligung festgesetzt hat.
Hoffen heißt, im Frieden des wahren Vertrauens auf Gott zu verharren, der die
Vorsehung ist und der uns durch Jesaja sagt: «Selbst wenn eine Mutter ihr Kind
vergisst, vergesse ich dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in
meine Hände.» (vgl. Jes 49, 15f)
François Marie
Herr uns
Gott!
Wir hoffen auf dich!
Amen.
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