In einem der letzten Gespräche, die der Papst-Biograph Peter Seewald
aus München mit Benedikt XVI. führen konnte, hat er ihn zum Abschied
gefragt: „Sind Sie nun das Ende eines Alten oder der Beginn eines
Neuen?“ Die Antwort des Papstes war kurz und bestimmt: „Beides“ – Der
Recorder war wohl schon ausgeschaltet. Darum taucht dieser letzte
Dialog in keinem Buch Peter Seewalds auf, auch nicht in dem berühmten
„Licht der Welt“, sondern nur in einem Interview mit dem Corriere
della Sera, bei dem der Biograph sich nach der Verzichtserklärung
Benedikts XVI. an diese Schlüssel-Worte erinnerte, die jetzt
gewissermaßen als Motto über dem Werk Roberto Regolis stehen, das wir
heute hier in der Gregoriana vorstellen dürfen.
Und knapper lässt sich das Pontifikat von Benedikt XVI. vielleicht
kaum fassen, muss ich gestehen, der diesen Papst ja in all diesen
Jahren aus nächster Nähe als einen klassischen „homo historicus“ erleben
durfte, als einen Abendländer schlechthin, der den Reichtum der
katholischen Tradition des Westens verkörperte wie kein Mensch sonst,
der mir in den Sinn kommt – und der doch gleichzeitig so überaus kühn
das Tor für einen neuen Abschnitt jener Zeitenwende geöffnet hat, wie es
sich vor 5 Jahren noch kaum einer vorstellen konnte. Seitdem leben wir
in einer historischen Epoche, die in der 2000-jährigen Kirchengeschichte
ohne Beispiel ist. Wie seit den Tagen des Petrus kennt die eine,
heilige, katholische und apostolische Kirche zwar auch heute immer noch
nur einen einzigen rechtmäßigen Papst. Doch heute leben wir seit drei
Jahren mit zwei lebenden Nachfolgern Petri unter uns – beide
konkurrenzlos untereinander, doch beide mit einer außerordentlichen
Präsenz! Hinzufügen dürfen wir noch, dass der Geist Joseph Ratzingers
davor ja auch schon das lange Pontifikat des heiligen Johannes Paul II.
entscheidend geprägt hat, dem er für fast ein Vierteljahrhundert treu
als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre diente. Viele
empfinden diese neue Situation heute immer noch als eine Art göttlichen
Ausnahmezustandes.
Doch ist es jetzt schon Zeit für eine Bilanz des Pontifikats von
Benedikt XVI.? Päpste im Allgemeinen können wohl nur im Nachhinein der
Kirchengeschichte sinnvoll bewertet und eingeordnet werden. Als Beispiel
dafür führt Roberto Regoli selbst an einer Stelle Gregor VII. an, den
großen Reform-Papst des Mittelalters, der am Ende seines Lebens im Exil
in Salerno starb – gescheitert nach dem Urteil vieler Zeitgenossen. Doch
gerade er – Gregor VII. – war es, der das Gesicht der Kirche in den
Streitfragen seiner Zeit für Generationen, die nach ihm kamen,
entscheidend geprägt hat. Umso wagemutiger erscheint deshalb heute
Professor Regoli bei seinem Versuch, eine Einschätzung des Pontifikats
Benedikts XVI. schon zu dessen Lebzeiten vorzunehmen.
Die Menge des kritischen Materials, die er dafür gesichtet und
ausgewertet hat, ist überwältigend und einschüchternd. Denn ungeheuer
präsent ist und bleibt Benedikt ja auch in seinem eigenen Schrifttum,
sei es als Papst, der drei Bücher zu Jesus Christus und 16 (!) dicke
Bände von „Insegnamenti“ allein in seinem Pontifikat hinterlassen hat,
oder sei es als Kardinal oder Professor Ratzinger, dessen Werke eine
kleine Bibliothek füllen könnten. So mangelt es auch nicht an Fußnoten
in diesem Werk Roberto Regolis und noch weniger an Erinnerungen, die er
in mir wach ruft. Denn ich war ja dabei, als Benedikt XVI. am Ende
seiner Amtszeit seinen Fischerring ablegte, wie es nach dem Tod eines
Papstes üblich ist, obwohl er in diesem Fall selbst noch lebte! Ich war
dabei, als er entschied, seinen Namen hingegen nicht mehr zurück zu
geben. Er ist nicht mehr zu Joseph Ratzinger geworden, wie Papst
Coelestin V., der am 13. Dezember 1294 nach wenigen Monaten im Amt
wieder zu Pietro di Morrone wurde.
Seit dem 11. Februar 2013 ist das Papstamt deshalb nicht mehr, was es
vorher war. Fundament der katholischen Kirche wird es bleiben. Doch
diesen Grund hat Benedikt XVI. nachhaltig verändert in seinem
Ausnahmepontifikat, von dem der nüchterne Kardinal Sodano gleich nach
der überraschenden Rücktrittserklärung in einer ersten Reaktion überaus
bewegt und fast fassungslos ausrief, die Nachricht habe „wie ein Blitz
aus heiterem Himmel“ unter den versammelten Kardinälen eingeschlagen.
Das war am Morgen jenes Tages, an dessen Abend tatsächlich ein
kilometerlanger Blitz mit unglaublichem Getöse in die Spitze der Kuppel
des Petersdoms über dem Grab des Apostelfürsten einschlug. Dramatischer
ist wohl selten eine Zeitenwende aus dem Kosmos begleitet worden. Doch
am Morgen dieses 11. Februar beendete Kardinaldekan Angelo Sodano seine
Antwort auf die Erklärung Benedikts XVI. auch schon mit einer ersten und
ähnlich kosmischen Einschätzung von dessen Pontifikat, als er am Ende
sagte: „Gewiss, die Sterne des Himmels werden immer weiter funkeln und
so wird auch immer der Stern Ihres Pontifikats unter uns leuchten.“ „Certo,
le stelle nel cielo continuano sempre a brillare e così brillerà sempre
in mezzo a noi la stella del suo pontificato“.
Ähnlich leuchtend und erhellend ist die wohlrecherchierte Darstellung
Don Regolis der verschiedenen Phasen des Pontifikats. Vor allem von
dessen Anfang im Konklave vom April 2005, aus dem Joseph Ratzinger nach
einer der kürzesten Wahlen der Kirchengeschichte nach nur vier
Wahlgängen als Papst hervorging – und zwar nach dem dramatischen Ringen
einer so genannten „Salz-der-Erde-Partei“ (Salt of Earth Party)
um die Kardinäle López Trujíllo, Ruini, Herranz, Rouco Varela oder
Medina und der so genannten „Sankt Gallen-Gruppe“, um die Kardinäle
Danneels, Martini, Silvestrini oder Murphy-O’Connor, die Kardinal
Danneels von Brüssel erst kürzlich noch amüsiert „als eine Art
Mafia-Club“ bezeichnet hat. Die Wahl folgte freilich auch einem Ringen,
dem der Kardinaldekan Ratzinger seine historische Predigt vom 18. April
2005 in Sankt Peter quasi als Notenschlüssel voran gesetzt hatte, wo er
„der Diktatur des Relativismus, die nichts als definitiv erachtet und
als letztes Maß nur das eigene ich und seinen Willen gelten lässt, als
anderes Maß wahrer Menschlichkeit den Sohn Gottes und wahren Menschen“
entgegen setzte. Dieser Teil der klugen Analyse Roberto Regolis liest
sich teilweise heute schon wie ein spannender Krimi aus gar nicht so
fernen Tagen – während sich die „Diktatur des Relativismus“ heute längst
überwältigend auf vielen Kanälen der neuen Medien manifestiert, an die
im Jahr 2005 noch kaum zu denken war.
Schon der Name, den sich der neue Papst unmittelbar nach seiner Wahl
gab, war danach ein Programm. Joseph Ratzinger wurde nicht zu Johannes
Paul III., wie es sich viele vielleicht gewünscht hätten. Sondern er
knüpfte an Benedikt XV. an, den glück- und erfolglosen großen
Friedenspapst aus den Schreckensjahren des 1. Weltkriegs – und an den
heiligen Benedikt von Nursia, den Mönchsvater und Vater Europas. Für die
Jahre davor könnte ich als Kronzeuge dafür auftreten, dass sich Kardinal
Ratzinger niemals nach dem höchsten Amt der katholischen Kirche gedrängt
hatte – sondern schon lebhaft von einem Lebensabend träumte, wo er
beschaulich noch einige letzte Bücher schreiben wollte. Alle Welt weiß,
dass es anders kam. Bei der Wahl wurde ich dann in der Sixtinischen
Kapelle Zeuge, wie er die Wahl als einen „wahren Schock“ und „Schrecken“
erlebte, oder wie ihm „schwindlig“ wurde, als er „die Guillotine“ der
Entscheidung auf sich herabstürzen sah, womit ich kein Geheimnis
verrate, seit Benedikt XVI. dies selbst schon bei seiner ersten Audienz
vor deutschen Pilgern öffentlich gemacht hat. So verwundert nicht, dass
er auch der erste Papst war, der gleich nach seiner Wahl um das Gebet
der Gläubigen für ihn bat, woran wir in diesem Buch noch einmal erinnert
werden.
Faszinierend und berührend ist, wie Regoli die verschiedenen
Amtsjahre skizziert und dabei noch einmal die Souveränität der
Amtsführung wach ruft, mit der Benedikt XVI. gleich zu Anfang schon
seinen erbitterten alten Widersacher Hans Küng ebenso zum Gespräch nach
Castel Gandolfo einlud wie Oriana Fallaci, die agnostische und
kämpferische jüdische Grande Dame der säkularen Medien Italiens, oder
wie er den protestantischen Schweizer Nobelpreisträger Werner Arber zum
ersten nichtkatholischen Präsidenten der Päpstlichen Akademie der
Wissenschaften berufen hat, wobei Regoli auch nicht die mangelnde
Menschenkenntnis verschweigt, die dem genialen Theologen in den Schuhen
des Fischers oft vorgeworfen wurde, der schwierige Texte und Bücher so
genial zu beurteilen wusste und vor Peter Seewald im Jahr 2010
gleichwohl freimütig einräumte, dass er Entscheidungen über Personen so
schwierig finde, weil „keiner dem anderen ins Herz schauen“ könne. Wie
wahr!
Zutreffend bezeichnet Regoli aber eben jenes Jahr 2010 als ein
„schwarzes Jahr“ für den Papst, und zwar im Zusammenhang mit dem
tragischen Unfalltod Manuela Camagnis, einer der vier Memores aus der
kleinen „päpstlichen Familie“. Das kann ich nur bestätigen. Gegen diesen
Schicksalsschlag waren die medialen Aufreger jener Jahre – von der
Affäre um den traditionalistischen Bischof Williamson bis zu einer Welle
immer gehässigerer Angriffe gegen ihn – zwar nicht nichts, doch sie
erreichten das Herz des Papstes nicht so sehr wie der Tod Manuelas, die
so urplötzlich aus unserer Mitte fortgerissen wurde. Benedikt war kein
Papstdarsteller und noch weniger ein gefühlloser Papstautomat, er war
und blieb auch auf dem Thron Petri ganz und gar Mensch – oder in den
Worten Conrad Ferdinand Meyers: er war „kein ausgeklügelt Buch“, er war
ein „Mensch mit seinem Widerspruch“. So habe ich ihn tagtäglich erlebt
und geschätzt. Und das hat sich bis heute nicht geändert.
Nach der letzten Enzyklika „Caritas in veritate“ vom 4. Dezember 2009
will Regoli dann aber beobachten, wie ein in liturgischer, ökumenischer
und kirchenrechtlicher Hinsicht dynamisches, innovatives und
antriebstarkes Pontifikat plötzlich „entschleunigt“ erscheint, wie
blockiert, als würde es in einem Sumpf stecken. Das kann ich so nicht
bestätigen, auch wenn der Gegenwind in den nachfolgenden Jahren
zugenommen hat. Seine Reisen ins Vereinigte Königreich (2010), nach
Deutschland und in die Lutherstadt Erfurt (2011) oder in den brennenden
Nahen Osten zu den beunruhigten Christen des Libanon (2012) in diesen
letzten Jahren waren allesamt ökumenische Meilensteine. Sein
entschiedenes Vorgehen in der Aufarbeitung der Missbrauchsproblematik
ist und bleibt wegweisend. Und wann hat es je einen Papst gegeben, der
neben seinem überschweren Amt auch noch Bücher über Jesus von Nazareth
schrieb, die vielleicht noch einmal als seine wichtigste
Hinterlassenschaft gelten werden?
Danach muss ich hier nicht ausführen, wie er, den der plötzliche Tod
Manuela Camgagnis so getroffen hatte, auch später an dem Verrat Paolo
Gabrieles litt, der ja auch derselben „päpstlichen Familie“ angehört
hatte. Und doch, das muss ich hier einmal in aller Deutlichkeit sagen,
ist Benedikt am Schluss nicht wegen des armen und fehl geleiteten
Kammerdieners zurückgetreten oder wegen der Schmankerln aus seinem Haus,
die in der so genannten Vatileaks-Krise wie Falschgeld in Rom in den
Verkehr kamen und im Rest der Welt wie wahre Goldstücke gehandelt
wurden. Es war kein Verräter oder „Rabe“ oder irgendein Journalist, der
ihn zu dieser Entscheidung hätte bewegen können. Dafür war dieser
Skandal dann doch etwas zu klein und dieser wohl bedachte
Jahrtausendschritt Benedikts XVI. um so vieles größer.
Respekt verdient Regolis Darstellung dieser Vorgänge auch deshalb,
weil er erst gar nicht den Anspruch erhebt, diesen letzten rätselhaften
Schritt ganz erklären und ergründen zu wollen, und er bereichert die
wuchernde Legendenbildung auch nicht mit neuen Spekulationen, die mit
der Wirklichkeit kaum etwas zu tun haben. Und ich muss gestehen, dass
auch mir, als einem Zeugen aus nächster Nähe, für diesen spektakulären
und unerwarteten Schritt Benedikts XVI. nur immer wieder neu jene
berühmte und geniale Formel einfällt, mit der Johannes Duns Scotus im
Mittelalter Gottes Ratschluss für die Unbefleckte Empfängnis der
Gottesmutter begründete:
„Decuit, potuit, fecit„.
Das heißt auf Deutsch: Es geziemte sich, weil es sinnvoll war. Er
(Gott) konnte es, also tat er es. – Übertragen auf den Entschluss zum
Rücktritt lese ich diese Formel so. Es geziemte sich, weil Benedikt XVI.
gewahr wurde, dass ihm die nötige Kraft für das überschwere Amt abhanden
kam. Er konnte es, weil er die Möglichkeit emeritierter Päpste für die
Zukunft schon seit langem theologisch grundlegend durchdacht hatte. So
tat er es dann.
Im Wesentlichen war der epochale Rücktritt des Theologenpapstes
deshalb ein Schritt nach vorn, als er am 11. Februar 2013 auf Lateinisch
vor den überraschten Kardinälen die neue Institution eines „Papstes
emeritus“ in die katholische Kirche mit den Worten einführte, dass seine
Kräfte nicht mehr ausreichten, „den Petrusdienst in angemessener Weise
auszuüben“. Das Schlüsselwort dieser Erklärung ist der Begriff Munus
Petrinum, das hier – wie meistens – als Petrusdienst übersetzt
wurde. Doch das lateinische Munus hat eine vielfältige
Bedeutung. Es kann Dienst, Aufgabe, Leitung, oder Geschenk heißen – bis
hin zu Wunderwerk. Als Teilhabe an einem solchen „petrinischen Dienst“
aber verstand und versteht Benedikt seine Aufgabe vor und nach dem
Rücktritt bis heute. Er hat seinen Stuhl geräumt, doch diesen Dienst hat
er mit seinem Schritt vom 11. Februar 2013 eben nicht verlassen.
Er hat das personale Amt stattdessen ergänzt um eine kollegiale und
synodale Dimension, als einen quasi gemeinsamen Dienst, als wollte er
damit auch noch einmal die immanente Einladung jenes Mottos wiederholen,
das Joseph Ratzinger sich schon als Erzbischof von München und Freising
gab und als Bischof von Rom natürlich beibehalten hat: „cooperatores
veritatis„. Das heißt auf Deutsch „Mitarbeiter der Wahrheit“. Denn
es ist kein Singular, sondern eine Pluralform, entnommen dem 3.
Johannesbrief, wo es im Vers 8 heißt: „Darum sind wir verpflichtet,
solche Männer aufzunehmen, damit auch wir zu Mitarbeitern für die
Wahrheit werden.“
Seit der Wahl seines Nachfolgers Franziskus am 13. März 2013 gibt es
also keine zwei Päpste, aber de facto ein erweitertes Amt – mit einem
aktiven und einem kontemplativen Teilhaber. Darum hat Benedikt XVI.
weder den weißen Talar noch seinen Namen abgelegt. Darum ist seine
korrekte Anrede auch heute noch „Heiliger Vater“ (in Italiano: Santità),
und darum zog er sich auch nicht in ein abgelegenes Kloster zurück,
sondern in das Innere des Vatikans – als sei er nur beiseite getreten,
um seinem Nachfolger und einer neuen Etappe in der Geschichte des
Papsttums Raum zu geben, den er mit diesem Schritt bereichert hat um das
Kraftwerk seines Gebets und Mitleidens in den Vatikanischen Gärten.
Es war der „am wenigsten erwartete Schritt im zeitgenössischen
Katholizismus“, wie Regoli schreibt, als eine Möglichkeit freilich, die
Kardinal Ratzinger schon am 10. August 1978 in München in einer Predigt
aus Anlass des Todes Pauls VI. öffentlich reflektiert hatte. 35 Jahre
später ist er dann selbst vor dem Petrus-Amt nicht geflohen, was ihm
nach seiner irreversiblen Annahme des Amtes im April 2005 völlig
unmöglich gewesen wäre. Er hat dieses Amt stattdessen erneuert und in
einem Akt außerordentlichen Wagemutes (auch gegen wohl meinende und
durchaus kompetente Berater), und mit letzter Kraft, potenziert, wie ich
hoffe. Dies kann aber nur die Geschichte erweisen. Doch das wird bleiben
in der Kirchengeschichte, in der der weltberühmte Theologe auf dem Stuhl
Petri im Jahr 2013 zum ersten „Papa emeritus“ der Geschichte wurde.
Seitdem ist seine Rolle – schon wieder – auch völlig anders als etwa die
des heiligen Papstes Coelestin V., der nach seinem Rücktritt im Jahr
1294 wieder Eremit werden wollte und stattdessen Gefangener seines
Nachfolgers Bonifaz VIII. wurde (dem wir heute die Einführung der
Jubeljahre in der Kirche verdanken). Einen Schritt wie den von Benedikt
XVI. hat es eben noch nie gegeben. Darum wundert wieder nicht, dass er
darum von manchen als revolutionär empfunden wurde oder aber als überaus
evangeliumsgemäß, während andere das Papsttum dadurch säkularisiert
sehen wie nie zuvor und damit kollegialer und funktionaler oder auch
einfach menschlicher und weniger sakral. Wieder andere sind der Ansicht,
dass Benedikt XVI. das Amt mit diesem Schritt – theologisch und
historisch-kritisch gesprochen – quasi entmythologisiert hat.
All dies legt Roberto Regoli in seinem Panorama des Pontifikats auf
eine Weise frei wie noch kein Autor vor ihm. Der bewegendste Teil meiner
Lektüre des Werkes von Professor Regoli war aber vielleicht die Stelle,
wo er in einem ausführlichen Zitat an jene letzte Generalaudienz
Benedikts XVI. am 27. Februar 2013 erinnert, wo der scheidende Papst
auf dem Petersplatz sein Pontifikat zum Abschied unter unvergesslich
makellosem, blauem Himmel in folgenden Worten zusammen fasste:
„E’ stato un tratto di cammino della Chiesa che ha avuto momenti
di gioia e di luce, ma anche momenti non facili; mi sono sentito come
san Pietro con gli Apostoli nella barca sul lago di Galilea: il Signore
ci ha donato tanti giorni di sole e di brezza leggera, giorni in cui la
pesca è stata abbondante; vi sono stati anche momenti in cui le acque
erano agitate ed il vento contrario, come in tutta la storia della
Chiesa, e il Signore sembrava dormire. Ma ho sempre saputo che in quella
barca c’è il Signore e ho sempre saputo che la barca della Chiesa non è
mia, non è nostra, ma è sua. E il Signore non la lascia affondare; è Lui
che la conduce, certamente anche attraverso gli uomini che ha scelto,
perché così ha voluto. Questa è stata ed è una certezza, che nulla può
offuscare.“
Persönlich, muss ich gestehen, könnten mir bei diesen Worten jetzt
noch die Tränen kommen, zumal ich aus nächster Nähe bezeugen kann, wie
unbedingt Papst Benedikt die Worte des heiligen Benedikt für sich und
seinen Dienst übernommen hat, gemäß denen der „Liebe zu Christus nichts
vorzuziehen ist“ (nihil amori Christi praeponere), wie es in
jener Regel heißt, wie sie uns von Papst Gregor dem Großen überliefert
wurde. Als Zeitzeuge aber bin ich jetzt noch fasziniert von der
Präzision dieser letzten Analyse auf dem Petersplatz, die so poetisch
klang und doch nichts anderes als prophetisch war. Denn es sind ja
Worte, die heute auch Papst Franziskus ohne weiteres sofort
unterschreiben könnte und würde. Nicht die Päpste, sondern Christus, der
Herr selbst und kein anderer ist der Besitzer des Schiffleins Petri in
den sturmgepeitschten Wellen, wo wir immer wieder neu befürchten, der
Herr sei eingeschlafen und er nehme keinen Anteil an unserer Not – der
doch jeden Sturm mit einem einzigen Wort zum Verstummen bringen kann, wo
uns allerdings mehr als die hohen Wellen und das Heulen des Windes wohl
vor allem unser Unglaube, unser Kleinglaube und unsere Ungeduld immer
wieder neu in Panik versetzen.
So gibt dieses Buch noch einmal einen tröstenden Blick frei auf die
ruhige Unbeirrtheit und Gelassenheit Benedikts XVI. am Steuer des
Schiffes Petri in den dramatischen Jahren von 2005 bis 2013.
Gleichzeitig hat Don Regoli mit dieser aufklärenden Chronik nun aber
auch selbst Anteil genommen an dem oben erwähnten munus Petri.
Wie vor ihm schon Peter Seewald und andere ist auch Roberto Regoli
hiermit nun als Priester, Professor und Gelehrter mit eingetreten in
jenen erweiterten petrinischen Dienst um die Nachfolger des Apostels
Petrus, wofür wir ihm heute und hier von Herzen danken wollen.