Wir leben heute in einer Zeit, in der die
Fundamente wanken und die Orientierung fehlt. Wir sind oft unsicher und wissen
nicht mehr, wie wir uns verhalten sollen. Die meisten spüren, dass wir uns
wieder auf die Grundwerte des Lebens besinnen müssen. Diese Grundwerte des
Lebens aber finden sich in den Zehn Geboten...
INHALT
Das vierte Gebot fordert die Ehrfurcht der Kinder vor Vater und Mutter
und verweist damit auf die rechte Beziehung der Kinder zu den Eltern.
Das vierte Gebot bezieht sich aber auch auf die Familie als ganze: Es
fördert die Entfaltung der Familie und schützt sie vor gewissen Gefahren. Um
nun das vierte Gebot in seiner ganzen Tragweite zu begreifen, ist es
notwendig, zunächst das Wesen und die Aufgaben der Familie zu beschreiben.
Das Wesen der Familie besteht in der Gemeinschaft von Mann, Frau und
Kindern. Zur Gemeinschaft der Familie gehören nicht selten auch die
Großeltern, Verwandte und Hausgenossen. Die Familie ist auch die Stätte, an
der neue Menschen ins Leben treten. Die Familie hat die Aufgabe, die
jungen Menschen zu erziehen und auf das Leben vorzubereiten. Die Familie ist
aber auch die Zelle der Gesellschaft und muss den jungen Menschen jene
Haltungen vermitteln, die als Mitglieder der Gesellschaft brauchen. Die
Familie ist schließlich auch die Zelle der Kirche und bildet als
"Hauskirche" die Kirche im kleinen.
Die Familie ist zunächst eine Gemeinschaft von Vater, Mutter und Kindern.
Es ist nun aber keineswegs selbstverständlich, dass die verschiedenen
Familien-Mitglieder auch schon eine Gemeinschaft bilden. Zur Bildung einer
echten Familien-Gemeinschaft bedarf es einer außergewöhnlichen Liebe und
Kraft. Eine solche Gemeinschaft verlangt eine ständige Anstrengung und
Bekehrung jedes einzelnen. Sie ist eine echte Herausforderung für alle
Familien-Mitglieder und lässt sich nur durch den guten Willen aller
Beteiligten verwirklichen.
a) Die persönliche Begegnung
Die Bildung einer echten Hausgemeinschaft setzt vor allem eine
regelmäßige persönliche Begegnung der Familienmitglieder voraus. Bei den
meisten Familien besteht nur am Abend oder am Wochenende die Möglichkeit zu
längeren Zusammenkünften. Aber auch dann muss sich jeder bewusst für die
Familie Zeit nehmen! Da wird der Fernseher abgeschaltet und die Zeitung
beiseite gelegt; da wird bewusst auf Gasthaus und Fitness-Center verzichtet;
es gibt auch keine Computer-Spiele und keine Lektüre von Krimis und Romanen.
Die Familie setzt sich nach dem Abendessen gemütlich zusammen. Es kommt zu
gemeinsamen Gesprächen, bei denen jeder von seinen Erlebnissen sowie
von seinen Freuden und Sorgen berichtet Es werden gemeinsame Spiele
veranstaltet, die dem Alter der Kinder entsprechen. In manchen Familien wird
auch gemeinsam musiziert, gezeichnet und gebastelt. Es werden Pläne
geschmiedet, man redet über einen Ausflug und über den Urlaub.
Spannend wird es auch, wenn über die Fußballmeisterschaft und über ein
Tennismatch diskutiert wird. Bei den Familien-Gesprächen geht es aber
auch um die Umstellung der Küchenmöbel und des Kinderzimmers, um
die Reparatur des Autos und der Waschmaschine. Natürlich wird
auch über die "dumme Schule", die "blöden Hausaufgaben" und die
"verrückten Schularbeiten" geredet. Manchmal muss auch über die
Finanzen gesprochen werden, weil die vielen unvorhergesehenen Extras ein
familiäres "Sparpaket" erforderlich machen... In einer normalen Familie gibt
es eigentlich immer Themen, über die man gemeinsam reden kann und reden muss.
Freilich gibt es auch Familien, die aus lauter "stummen Fischen"
bestehen: Keiner macht den Mund auf, jeder brütet vor sich hin, alles ist fad
und öde, man findet einander langweilig oder geht sich auf die Nerven. Aber
wenn in einer solchen "Stockfisch"-Familie jemand die Themen anspricht,
die die einzelnen Familienmitglieder interessieren, dann kommt
plötzlich Leben in die Bude! Der Vater interessiert sich für "Bayern
München" und Schifahren, die Mutter für biologisches Gemüse
und Aerobic, der Sohn für Michael Schumacher und Mopeds,
die Tochter für Steffi Graf und Michael Jackson, das Nesthäkchen
für Leonardo di Caprio, die "Backstreet-Boys" und die "Spice
Girls". Wenn diese Themen angetippt werden, dann beginnen die "stummen
Fische" plötzlich zu reden und sind oft gar nicht mehr zu stoppen. Und wenn
erst einmal das Eis gebrochen ist, dann kann man auch über andere Themen
weiterreden. Und über die diversen Themen kommt man schließlich zum
Eigentlichen: nämlich zu den einzelnen Personen der Familie! Durch
die verschiedenen Gespräche und Erzählungen erfahren alle in der Familie, wie
es den anderen Familien-Mitgliedern geht. Sie wissen dann um die Freuden
und Sorgen und um die Hoffnungen und Ängste der anderen.
Auf diese Weise kommen die einzelnen Familien-Mitglieder einander näher und
leben nicht aneinander vorbei. Sie nehmen Anteil am Leben der anderen,
sie freuen sich mit und helfen sich gegenseitig. Sie erleben die anderen als
Personen und bilden mit ihnen eine Gemeinschaft von Personen. - Viele
Familien haben deshalb eine ganz bestimmte Zeit für ihr Familien-Treffen
reserviert. Gewöhnlich setzen sie sich einmal in der Woche zusammen.
Alle freuen sich auf dieses gemeinsame Beisammensein!
b) Das gemeinsame Feiern
Für die Gemeinschaft der Familie ist auch das Feiern von großer Bedeutung.
In jeder Familie gibt es immer wieder Anlässe zum Feiern: "Namenstage,
Geburtstage, den Hochzeitstag, Weihnachten, Advent, das gute Schulzeugnis, den
Sonntag..." (Herbert Madinger) Die gemeinsamen Feiern sind zunächst eine
Herausforderung für die ganze Familie: Sie mobilisieren die verschiedenen
Begabungen und Kräfte in der Familie, die aufeinander abgestimmt werden
müssen. Bei der Vorbereitung eines Festes geht es um die Auswahl der
Geschenke, um schmackhafte Kochrezepte, um ein paar geeignete
Spiele, eine passende Musik, ein prächtiges Plakat,
vielleicht sogar um ein paar Verse oder eine kurze Ansprache. In einer
christlichen Familie wird auch das geistliche Programm nicht fehlen:
ein kurzes Gebet, ein besonderer Dank an Gott, ein religiöses
Lied. Weiters gilt es, liebe Freunde einzuladen, ein paar Blumen
zu besorgen, die Fotokamera und den Videoapparat parat zu halten
und die Kleider herzurichten... Alle müssen mithelfen, jeder muss seine
besonderen Begabungen in den Dienst der Familie stellen. Nach den gemeinsamen
Vorbereitungen kann dann das Fest in aller Fröhlichkeit und Besinnlichkeit
gefeiert werden. Beim gemeinsamen Essen und Trinken, beim
gemeinsamen Spielen und Lachen kommen sich alle
Familienmitglieder näher. Die ernsten und heiteren Worte, die Klänge
der Musik, die Gespräche mit Verwandten und Freunden - das alles
stärkt das Familien- und Gemeinschaftsbewusstsein. Nach dem Fest sollten dann
auch alle fest zusammen helfen, um alles wieder aufzuräumen. Auch das
gemeinsame Tellerwaschen und Ordnung machen stärkt das
Gemeinschaftsbewusstsein.
c) Die gegenseitige Dienstbereitschaft
Neben diesen festlichen Höhepunkten sind es aber vor allem die vielen
großen und kleinen Dienste füreinander, die zur Vertiefung des
Familienbewusstseins führen. Die Besorgung des Haushalts, die mühevolle
Arbeit zur Erhaltung der Familie, die Erziehung der Kinder, die
Betreuung der kleineren Geschwister, die Pflege der Alten und
Kranken usw. sind auf die Dauer nur möglich, wenn jedes Familienmitglied
in Liebe an seine Angehörigen denkt. Diese Dienstbereitschaft zeigt sich
meistens in kleinen alltäglichen Dingen: Der Vater hat bei der Jacke
einen Knopf verloren und bittet die Mutter um das Annähen eines neuen
Knopfes. Die Mutter ist mit dem Saubermachen überfordert und ersucht den
Vater, dass er mit dem Staubsauger einspringt. Die Tochter liegt mit
Fieber im Bett und braucht eine Tablette, der Sohn hat sich beim Fahren
mit dem Mountainbike geschrammt und benötigt ein Pflaster. Das
Nesthäkchen kommt mit der Mathematikaufgabe nicht zurecht und braucht
Hilfe. Der Opa hat kalte Füße und bedarf einer Wärmflasche; die Oma
kann nicht mehr die schwere Schachtel aufheben und braucht jemand, der
ihr hilft. Nach dem Großeinkauf im Supermarkt müssen alle die Waren in
den Keller tragen; nach der Überschwemmung im Badezimmer muss die ganze
Familie beim Aufputzen mithelfen. Diese gegenseitigen Hilfe und
Dienstbereitschaft wirkt sich sehr positiv auf die Gemeinschaft aus und
festigt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Familie.
d) Die Bereitschaft zur Versöhnung
Die Gemeinschaft in der Familie verlangt aber auch die ständige Überwindung
alles Trennenden. In jeder Familie kommt es immer wieder zu Vorfällen, die die
Gemeinschaft in Frage stellen: Der eine geht nur seinen eigenen Interessen
nach und kümmert sich nicht um die Familie, der andere ist bequem
und lässt sich von den anderen bedienen, der dritte ist eifersüchtig
und möchte ständig im Mittelpunkt stehen. Oft kommt es auch zu Vorurteilen
und Missverständnissen, gelegentlich rutscht uns ein bissiger Kommentar
oder ein böses Wort aus dem Mund! Nicht selten sind es auch die
verschiedenen Schwächen der anderen, die uns auf die Nerven gehen: Die
ständige Unpünktlichkeit des Mannes, die ewigen Telefonate der
Frau, die hoffnungslose Schlampigkeit des Sohnes, die coole
Kratzbürstigkeit der Tochter... Alle diese Faktoren führen früher oder
später zu Konflikten in der Familie! Dann herrscht natürlich dicke Luft
und jeder zieht sich in seinen Schmollwinkel zurück. Aber nach einiger
Zeit wird uns doch bewusst, dass wir zusammengehören und uns eigentlich gern
mögen. Wir gehen auf den anderen zu und bitten ihn um Entschuldigung.
In der Familie müssen wir immer wieder den ersten Schritt tun und dem anderen
signalisieren, dass wir zur Versöhnung bereit sind. Wir müssen uns aber auch
immer wieder fragen, wo wir für die anderen ein Anlass zum Konflikt sind. Und
in der Folge müssen wir uns um mehr Altruismus und Hilfsbereitschaft
und um mehr Selbstbeherrschung und Geduld bemühen. Wir müssen
aber auch alles daran setzen, unsere Schwächen und Untugenden zu
überwinden. Auf diese Weise ist also auch die Bereitschaft zur
Versöhnung und zur eigenen Umkehr eine ganz wesentliche
Voraussetzung für die Gemeinschaft der Familie.
e) Der Geist der Liebe
Das tiefste Fundament der Gemeinschaft ist aber der Geist der Liebe,
der von Gott kommt. Alle Mitglieder der Hausgemeinschaft müssen sich bemühen,
einander so zu lieben, wie Christus selbst die Menschen geliebt hat.
Das ist dann freilich nicht jene menschliche Liebe, die oft so schnell am Ende
ist. Diese Liebe bemüht sich, die menschliche Begrenztheit zu überwinden, und
orientiert sich an der unendlichen Liebe Gottes. Der hl. Paulus
beschreibt diese Liebe mit einmaligen Worten: "Die Liebe ist langmütig,
die Liebe ist gütig, die Liebe ist nicht eifersüchtig. Sie prahlt nicht,
überhebt sich nicht, sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht das Ihre,
kennt keine Erbitterung, trägt das Böse nicht nach. Am Unrecht hat sie kein
Gefallen, mit der Wahrheit freut sie sich. Alles erträgt sie, alles glaubt
sie, alles hofft sie, alles duldet sie. Die Liebe hört niemals auf."
(Paulus, 1 Kor 13,4-8) Eine solche Liebe schützt die Familie vor allen
Gefahren der Uneinigkeit: Statt Egoismus herrscht dann Altruismus,
statt Individualismus Gemeinschaft, statt Streit und Zank herrschen
Friede und Eintracht. Die christliche Liebe verliert auch nach
Enttäuschungen nie das Vertrauen in den anderen und gibt nie die
Hoffnung auf, dass der andere sich bessert. Sie ist auch bereit, manche
Schwächen des anderen zu ertragen, um ihm eine Chance zu geben.
f) Die Quelle des Gebets
Diese Liebe im Geist Christi ist aber aus rein menschlicher Kraft
unmöglich. Sie setzt vielmehr das Gebet voraus, durch das Gott der
Familie seinen Geist und seine Liebe schenken kann. Im Gebet kommt es zu einer
tiefen Gemeinschaft zwischen Gott und der Familie, die sich dann auch
auf die Gemeinschaft der Familienmitglieder auswirkt. Das Gebet führt dazu,
dass sich die Familien-Mitglieder mehr darum bemühen, nach dem Willen
Gottes zu leben. Sie spüren in ihrem Inneren, dass sie ihre Angehörigen
im Sinne Gottes lieben sollen. Sie erhalten im Gebet aber auch die Kraft,
manche Schwierigkeiten in der Familie zu überwinden. Weiters ist das
gemeinsame Gebet für die Familie auch eine Gewissenserforschung: Die
einzelnen Familien-Mitglieder merken in ihrem Gewissen, ob ihr Verhalten in
der Familie den Geboten Gottes entspricht oder nicht. Jeder einzelne
muss sich in seinem Gewissen auch die Frage stellen, ob er vielleicht jemanden
gekränkt hat und ihn um Verzeihung bitten muss. Auf diese Weise ist das
gemeinsame Gebet auch eine Orientierungshilfe und eine Reinigung
für die Familie. Das Gebet lässt die Familie spüren, ob sie vor Gott auf dem
richtigen Weg ist, oder ob es eine Umkehr braucht.
Das Gebet ist für die Familie aber auch die Möglichkeit, sich mit allen
Sorgen und Nöten an Gott zu wenden. Die Familie kann Gott im Gebet
ihre verschiedenen Bitten vortragen: Sie betet um einen neuen
Arbeitsplatz für den Vater, um die baldige Genesung der Mutter, um eine
gute Note für den Sohn, um eine glückliche Heimkehr der Tochter,
um das gute Gelingen einer Operation, um den vorteilhaften Verkauf
eines Hauses usw. usf. Die Familie soll aber auch nicht vergessen, dem
himmlischen Vater ihren Dank abzustatten: Sie soll sich stets an die
verschiedenen Erhörungen erinnern, die ihr von Gott zuteil geworden sind und
ihm für seine väterliche Liebe und Hilfe danken. Das gemeinsame Gebet der
Familie soll schließlich auch ein Lobpreis Gottes sein: Mit eigenen
Worten soll die Familie Gott loben und preisen. Am besten und einfachsten geht
es oft mit einem Lied.
Wir alle wissen, wie schwierig es heute ist, das gemeinsame Gebet in
der Familie zu verwirklichen. Aber ohne dieses Gebet geht es nicht, weil uns
sonst einfach der geistige Atem fehlt. Wenn uns unsere Familie wirklich etwas
bedeutet, werden wir uns zum gemeinsamen Gebet durchringen müssen. Wenn wir
unsere gefährdete Familie retten wollen, dann werden wir zum Gebet unsere
Zuflucht nehmen müssen.
Es wäre wichtig, dass sich die jungen Ehepaare gleich zu Beginn
ihrer Ehe zum gemeinsamen Gebet entschließen würden. Auf diese
Weise würde das Familiengebet von Anfang an zu einem festen Bestandteil ihrer
Ehe werden. Sie können mit ganz einfachen Gebeten beginnen, etwa mit
einem "Vater unser" und "Gegrüßt seist du, Maria" sowie mit einem Tischgebet.
Sie sollen auch versuchen, für ganz konkrete Dinge zu bitten und zu
danken. Mit der Zeit wird es ihnen gelingen, immer tiefer in den Geist des
Gebets einzudringen. Ihre Gebete werden immer lebendiger und
persönlicher. Allmählich wird das Gebet zu einer inneren Haltung,
das ihr ganzes Leben und ihre Ehe prägt. Diese Eltern werden dann auch
imstande sein, mit ihren Kindern zu beten. Sie werden das nötige Gespür
haben, die richtigen Gebete für ihre Kinder auszusuchen.
Wesentlich schwieriger ist es, das Familiengebet dort einzuführen, wo schon
seit Jahren nicht mehr gebetet wird. Entweder ist der Mann dagegen,
oder es sind die Kinder, die meckern. "Schon wieder beten!",
heißt es dann. Wer kennt nicht den Missmut, die langen Gesichter, die bissigen
Kommentare! Da ist es dann verzweifelt schwer, ein solches Anliegen zu
verwirklichen. Zuerst versucht man vielleicht noch zu kämpfen, aber dann
verzweifelt man und resigniert. Es hat doch keinen Sinn, es ist eh umsonst!
Aber auch in solchen Fällen dürfen wir nicht aufgeben. Es genügt am Anfang,
wenn wir allein beten und unser stilles und beharrliches Gebet Gott
aufopfern. Gott hört unsere verborgenen Seufzer und sieht auch unsere
heimlichen Tränen. Durch unser schmerzliches Gebet dringt der Geist Gottes
allmählich in unsere Familie ein. Unser verlassenes Gebet prägt bereits
das geistliche Klima in unserer Familie. Und früher oder später kommt die
Zeit, da wir nicht mehr allein beten werden. Haben wir Mut und
Zuversicht! Gott ist mit uns und mit unserer Familie und will auch in unserer
Familie wirken.
ZUSAMMENFASSUNG:
DIE GEMEINSCHAFT
a) Die persönliche Begegnung
b) Das gemeinsame Feiern
c) Das gegenseitige Dienen
d) Die Bereitschaft zur Versöhnung
e) Der Geist der Liebe
f) Das gemeinsame Gebet
Die zweite Aufgabe der Familie besteht in ihrem Dienst am Leben. Die
Eheleute haben die Pflicht, in großherziger Weise neuen Menschen das Leben
zu schenken. Sie müssen dafür sorgen, dass die nötigen materiellen,
sozialen und gesundheitlichen Voraussetzungen für die neuen Erdenbürger
gegeben sind. Sie haben aber vor allem die Aufgabe, für die menschliche,
kulturelle, soziale und religiöse Entfaltung ihrer Söhne und Töchter Sorge
zu tragen.
Wir wollen uns nun fragen, welche Schwerpunkte und Grundsätze eine
christliche Erziehung aufweisen muss, damit sie dem jungen Menschen helfen
kann, das Leben richtig zu gestalten und zu meistern.
a) Das Beispiel der Eltern
Die christliche Erziehung beginnt mit dem christlichen Beispiel der
Eltern. Das Vorbild der Eltern ist die unmittelbarste und
überzeugendste Art, den Kindern eine christliche Lebens-Einstellung zu
vermitteln. Diese gelebte "Botschaft" prägt das Kleinkind schon lange,
bevor es den Gebrauch der Vernunft erlangt: Das Beispiel der Eltern ist in
diesem Alter die unbewusste Orientierung, ja das unbewusste Ideal des Kindes.
Aber auch in späteren Jahren ist das Beispiel der Eltern entscheidend.
Die junge Generation muss erleben, dass sich die christlichen
Haltungen bei der älteren Generation bewähren: Sie müssen erfahren,
dass Liebe, Treue, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Vergebung usw. die tragenden
Säulen eines harmonischen Zusammenlebens sind. Das glückliche und gelungene
Leben der Eltern ist der beste Beweis für die Gültigkeit ihrer
christlichen Grundsätze.
b) Liebe und Geborgenheit
Die christliche Erziehung baut weiters auf Liebe und Geborgenheit auf. Das
Kind kann nur dann in seelischer Gesundheit heranwachsen, wenn es sich
angenommen und geliebt weiß. Dabei kommt vor allem "der
frühkindlichen Mutter-Kind-Beziehung schicksalhafte Bedeutung" (K.
Hörmann) zu. Aber auch das größere Kind gedeiht nur "im Schoß warmer
mütterlicher und väterlicher Güte" (H. Madinger). Nur im warmen Nest der
Familie lernt das Kind "das Urvertrauen, Vertrauen auf Autorität, Vertrauen in
den Sinn des Lebens, Vertrauen in die Gemeinschaft und Fähigkeit zur Liebe."
(H. Madinger) Jede Erziehung braucht daher ein ganz persönliches
Vertrauens-Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Ein solches Verhältnis
kann aber nur zustande kommen, wenn die Eltern ganz persönlich und Tag für Tag
am Leben ihrer Kinder teilnehmen. Nur wenn sie wissen und fühlen, wie
es ihren Kindern geht, können sie ihnen beistehen und sie erziehen. Nur wenn
die Jugendlichen spüren, dass man für sie Zeit und Verständnis
hat, werden sie den Eltern ihre Freuden und Nöte mitteilen. Dann werden sie
von ihnen auch einmal ein "Nein!" akzeptieren: Sie wissen, dass die
Eltern in jedem Fall nur ihr Bestes wollen. Auf diese Weise ist also die
Liebe der Eltern die Grundvoraussetzung für das gute Verhältnis zu
ihren Kindern. Sie ist aber auch die Grundvoraussetzung für die Kinder,
dass sie zum Leben und seinen Spielregeln ein frohes "Ja"
sagen können.
c) Grenze und Korrektur
Die Eltern müssen dem Kind und dem Jugendlichen auch klare und
eindeutige Grenzen setzen. Beim Kleinkind geht es dabei um das
Spielen und das Schlafengehen, die Zündhölzer und das scharfe Messer usw.,
beim Jugendlichen geht es hingegen um das Fernsehen, die Schulaufgaben,
das Rauchen und die Disco usf. Die vernünftig gesetzten Grenzen bewahren
den jungen Menschen vor vielen Schäden und Enttäuschungen und
entwickeln in ihm das Empfinden für Gut und Böse. Die Eltern müssen
auch ständig als Hüter dieser Grenzen auftreten und die Kraft zum
Widerstand aufbringen. Die Kinder werden immer wieder ausprobieren, wie
weit sie gehen können. Sie werden die Schwächen der Eltern ausnützen
und versuchen, sie gegeneinander auszuspielen. Sie holen nicht zum großen
K.o.-Schlag aus, ihre Taktik sind vielmehr die psychologischen "Punkte-Siege".
Die Eltern müssen deshalb viel Wachsamkeit, Beharrlichkeit und
Einigkeit aufbringen.
Jede Erziehung muss immer auch mit der nötigen Ermahnung und Korrektur der
Jugendlichen verbunden sein. Christliche Eltern sind verpflichtet, in
kluger Weise "die Fehler ihrer Kinder ernstlich zu bessern. Wenn die Unreife
des Kindes es verlangt, dürfen sie auch vor Strafmaßnahmen nicht
zurückschrecken, müssen sich dabei freilich auch vor unnötiger Härte hüten.
Weichliche permissive (= zuviel erlaubende) Erziehung ist ebenso
abzulehnen wie ein starr autoritärer Erziehungsstil." (K.
Hörmann) Nach Möglichkeit müssen die Eltern auch alles ausschalten, was
ihren Kindern "seelisch schaden kann (schlechte Gesellschaft, schlechte
Lektüre, Gefahren in Schulen, an Arbeits- und Vergnügungsstätten)." (K.
Hörmann). Nur wenn die Eltern ständig mit Behutsamkeit und Festigkeit
eingreifen, hat der junge Mensch heute eine Chance, ohne allzu große Schäden
erwachsen zu werden.
d) Forderung und Pflicht
Zu einer christlichen Erziehung gehört auch wesentlich die Forderung. Die
zukünftige Lebenstüchtigkeit eines Menschen hängt weitgehend von den
Forderungen ab, die in der Jugendzeit an ihn gestellt wurden. Das
Rüstzeug für den zukünftigen Lebenskampf kann nur durch gesunde Forderungen
vermittelt werden. Das Kind soll schon in den ersten Schuljahren erfahren,
dass es der Anstrengung bedarf, um gewisse Ziele zu erreichen. Es soll
auch begreifen, dass viele Dinge im Leben nur durch Einsatz erworben
und verdient werden können. Deshalb sollen die Eltern den Kindern auch
bestimmte Ziele setzen und sie zur Erfüllung ihrer kleinen Pflichten
anhalten: Die Gestaltung der Spiele soll auch gewisse denkerische oder
körperliche Anstrengungen vorsehen. Die Schulaufgaben müssen
gewissenhaft und ordentlich gemacht werden. Es gibt nicht jederzeit etwas zum
Essen und Trinken. Für das Taschengeld werden kleine
Hilfen im Haus verlangt... Solche angemessene Forderungen fördern die
Entwicklung und Lebenstüchtigkeit unserer Kinder. Jede Verhätschelung aber
schadet ihnen und uns.
e) Die Charakterbildung
Entscheidend für eine gute christliche Erziehung ist auch die
Charakterbildung. Das Ziel dieser Bildung ist der grundsatztreue und
gefestigte Mensch. Die Charakterbildung muss sich darum bemühen, dem
jungen Menschen bestimmte Haltungen zu vermitteln. Der junge Mensch
muss lernen, unter allen Umständen wahrhaftig und treu, verlässlich und
pflichtbewusst zu sein. Er muss sich auch darum bemühen, ehrfürchtig,
bescheiden und mäßig zu sein. Nur die feste innere Haltung lässt ihn später
die großen Prüfungen des Lebens bestehen. Nur der charaktervolle Mensch
kann im Kampf mit sich selbst siegreich sein. Ohne einen geläuterten
Charakter wird der Mensch nicht mit seinen Launen und Stimmungen fertig, ohne
eine feste innere Haltung wird er zum Spielball seiner Triebe und
Leidenschaften. Die reißenden Wogen der verschiedenen Versuchungen tragen
ihn fort, die unsichtbaren Strudel seiner finsteren Leidenschaften ziehen ihn
in die Tiefe.
f) Die Herzensbildung
Ein zentrales Anliegen der christlichen Erziehung ist auch die
Herzensbildung, deren Ziel der liebende Mensch ist. Dazu bedarf es
allerdings großer und langwieriger Anstrengungen. Der junge Mensch muss
nämlich erst lernen, was es heißt, zu lieben. Seine Liebe muss erst langsam
wachsen. Wirkliche Liebe bedeutet, auf den Mitmenschen einzugehen und
ihm zur Verfügung zu stehen. Wahre Liebe heißt, den anderen in seinem
Wesen anzuerkennen und ihn zu fördern. Echte Liebe zeigt sich auch
darin, die Sorgen des Nächsten wahrzunehmen und ihm zu helfen, seine
Lasten zu tragen. Liebe erfordert auch Taktgefühl und feinen
Anstand; sie weiß die richtigen Worte zu wählen und kann auch
schweigen. Liebe zeichnet sich aus durch besondere Rücksicht und
Geduld; sie fühlt sich zu Anerkennung und Dankbarkeit
verpflichtet. Liebe äußert sich im Einsatz für die Armen und Alten, für
die Behinderten und Betrübten. Liebe, das ist rastloser Dienst an allen
Menschen, die uns begegnen. Wir können uns leicht vorstellen, wie weit für
einen jungen Menschen der Weg bis zum wahrhaft liebenden Menschen ist. Wie
viel Egoismus, Gemeinheit und Gleichgültigkeit müssen erst überwunden werden!
Wie viel Gewalt, Brutalität und Grobheit müssen erst gebändigt sein! Überall
gibt es Kanten und Ecken. Überall muss man hobeln und feilen. Auf diese Weise
ist die Herzensbildung der jungen Leute eine jahrelange erzieherische
Schwerarbeit!
g) Die Gewissensbildung
Von entscheidender Wichtigkeit ist auch die Gewissensbildung. Die Eltern
müssen ihre Kinder von klein auf zur Beobachtung des Gewissens
anleiten. Die Kinder sollen möglichst früh die "innere Stimme" des
Gewissens entdecken. Daher werden der Vater und die Mutter ihre Kinder
immer wieder fragen, ob ihr Verhalten vor Gott in Ordnung war. So etwa,
wenn ein Kind gelogen hat oder frech war, aber auch wenn es sich brav
verhalten hat und fleißig war. Als besonders wertvoll erweist sich auch eine
kleine Gewissenserforschung am Abend vor dem Einschlafen.
Mit zunehmendem Alter erfordert die Gewissensbildung auch eine
entsprechende Begründung der christlichen Gebote. Die Eltern müssen den
Kindern klare Richtlinien mitgeben. Die Jugendlichen wollen und sollen wissen,
warum sie am Sonntag in die Messe gehen sollen, warum gewisse Filme
abzulehnen sind, warum eine Disco auch gefährlich sein kann. Die
Burschen und Mädchen sollen erfahren, warum Liebe und Freundschaft
an bestimmte moralische Grundsätze gebunden ist, warum die Wahrhaftigkeit
auch in schwierigen Augenblicken Gültigkeit hat, warum Alkohol und
Nikotin zu meiden sind. Nur wenn die Eltern den jungen Leuten klare und
begründete Richtlinien mitgeben, wird das Gewissen die jungen Menschen richtig
anleiten.
h) Gebet und Heilige Schrift
Die christliche Erziehung hat aber auch die Aufgabe, die jungen Menschen
zur religiösen Praxis anzuleiten. Dazu gehört zunächst die
Einführung in das Gebet. Den erste Zugang zum Gebetsleben bilden die
Kindergebete, die meistens ein Gebetsschatz und eine "eiserne Reserve" für
das ganze Leben bleiben. Später ist es das gemeinsame Familiengebet,
das die Kinder und Jugendlichen daran gewöhnt, regelmäßig mit Gott in
Verbindung zu treten. Die Kinder und Jugendlichen sollen aber auch lernen, am
Morgen und am Abend ihr Herz zu Gott zu erheben und auch bei
Tisch zu Gott zu beten. Das gemeinsame Gebet lehrt die Kinder und
Jugendlichen, in verschiedenen Anliegen Gott zu bitten und ihm für
alles Gute zu danken. Das Gebet in der Familie ist für sie auch eine
Schule für den Lobpreis Gottes. Neben dem Gebet zu Gott sollen die
Jugendlichen in der Familie auch die Gebete zu Maria, zu den Engeln
und Heiligen lernen. Dabei sollte der Rosenkranz einen besonderen
Ehrenplatz einnehmen. Aber auch die Gebete zu den Engeln und Heiligen als
Beschützern und Fürbittern sind von großer Wichtigkeit.
Zur Einführung in die religiöse Praxis gehört dann auch das Lesen und Erklären
der Heiligen Schrift. Für die kleineren Kinder braucht es dazu eine gut
bebilderte Kinderbibel, die es heute in verschiedensten Ausgaben in
jeder Buchhandlung zu kaufen gibt. Für die Jugendlichen und Erwachsenen eignet
sich am besten das Neue Testament oder eine "Auswahl-Bibel", in
der die wichtigsten "biblischen Geschichten" enthalten sind. (Die Praxis hat
inzwischen gezeigt, dass die "Vollbibel" zwar weit verbreitet ist, aber kaum
gelesen wird.) Mindestens an einem Abend in der Woche sollte in der
Familie eine "biblische Geschichte" aus dem Alten oder Neuen Testament
vorgelesen werden. Vor allem die kleinen Kinder sind sehr interessiert an
diesen "biblischen Geschichten"! Sie stellen viele Fragen und merken sich die
Namen und Ereignisse mit großer Leichtigkeit! Mit den größeren Kindern kann
man auch über die Schriftstellen sprechen, die bei der Sonntagsmesse
drankamen. Eine solche Beschäftigung mit der Heiligen Schrift ist oft nicht
einfach. Aber es ist die einzige Möglichkeit, den heranwachsenden Kindern eine
gewisse Vertrautheit im Umgang mit der Bibel zu vermitteln. Nur so
können wir verhindern, dass unsere Kinder nicht zu Analphabeten des
Evangeliums werden.
i) Die Sakramente
Die religiöse Erziehung muss sich auch darum bemühen, den Kindern eine
tiefe innere Beziehung zu den Sakramenten zu vermitteln. Christliche Eltern
werden ihre Kinder regelmäßig zur heiligen Messe mitnehmen und ihnen
allmählich das Geschehen am Altar erklären. Die Kinder müssen
allmählich in die Bedeutung der einzelnen heiligen Handlungen eingeführt
werden, sie müssen aber auch dazu angeleitet werden, die Gebete während der
heiligen Messe mitzusprechen. Gleichzeitig soll bei der Messe auch die
Erlebnisfähigkeit der Kinder angesprochen werden: Es gilt, ihren Sinn für die
feierlichen Ausdrucksformen der liturgischen Feier zu wecken. Sie
sollen empfänglich werden für die Symbolik der liturgischen Gaben und Geräte,
und auch die Schönheit der Gewänder, der Lieder und der Musik wahrnehmen. Die
Kinder sollen schließlich auch begreifen, dass die Eucharistie eine Feier
der Gemeinschaft ist. Auf diese Weise lernen sie, mit der ganzen Gemeinde
mitzubeten, mitzusingen und mitzufeiern.
In einer christlichen Familie wird auch die Erstkommunion und die
Firmung feierlich begangen. Die Eltern tragen die Vorbereitung für
den Empfang der Erstkommunion und der Firmung mit und begleiten die jungen
Menschen mit ihrem Gebet. Sie weisen die Buben und Mädchen auch auf das
Geschenk und auf die Verpflichtung dieser Sakramente hin. Sie
erinnern sie aber auch an den regelmäßigen Empfang des Bußsakraments,
das für die Erlösung des Menschen von größter Wichtigkeit ist. Durch diese
Einführung in die verschiedenen Sakramente werden diese für die Kinder und
Jugendlichen zu echten Heilsmitteln Gottes, die ihnen die Gegenwart und
die Kraft Gottes vermitteln.
j) Die Kontinuität
Die Eltern müssen sich schließlich um die Kontinuität der religiösen
Erziehung bemühen. Sie dürfen nicht meinen, dass nach der Firmung die
religiöse Erziehung abgeschlossen sei und dass nun der junge Mensch allein
für seine religiöse Praxis verantwortlich sei. Die Eltern haben die Pflicht,
auch den heranwachsenden Jugendlichen an seine religiösen Pflichten zu
erinnern. Die Eltern können und sollen den Jugendlichen nicht an die
Hundeleine nehmen, aber sie dürfen auch nicht kampflos aufgeben und
sich mit dem "Selbstbestimmungsrecht" des Jugendlichen rechtfertigen. Es
braucht oft einen sanften Druck, damit der Jugendliche merkt, dass er
gewisse religiöse Verpflichtungen hat. In der Zeit der Pubertät ist der junge
Mensch oft recht labil und braucht daher eine gewisse Unterstützung für
seinen Willen. Die religiöse Praxis erfordert im allgemeinen eine
Einübung und Gewöhnung, die die ganze Jugendzeit andauert. Die
religiöse Erziehung muss daher mindestens bis zum Ende der Pubertät
weitergehen. Erst wenn der Jugendliche auch in religiöser Hinsicht die
Pubertät gut überstanden hat, ist sein Glauben einigermaßen gefestigt. Dann
ist die Religion für ihn ein sicheres Fundament für sein zukünftiges
Leben.
k) Der selbständige Mensch
Das Ziel jeder Erziehung ist schließlich der selbständige Mensch.
Der junge Mensch soll lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und das Leben in
Freiheit und Verantwortung zu meistern. Daher ist die Erziehung der
Eltern "eine abnehmende Größe, die das Kind in einen immer größer
werdenden Raum der Freiheit und Eigenverantwortung entlässt, den
es seiner Entwicklung gemäß zu bewältigen vermag, und wo es in Erfolg und
Versagen Erfahrungen sammeln kann. Dazu gehören von Seiten der Eltern Mut zu
einem wohlüberlegten Risiko. Das Ziel der Erziehung ist ja der
selbständige Mensch, der fähig ist, in eigener Verantwortung aus einem wohl
gebildeten Gewissen heraus das Gute zu erkennen und zu tun." (K.
Hörmann)
ZUSAMMENFASSUNG:
DIE SCHULE FÜR DAS LEBEN
a) Das Beispiel der Eltern
b) Liebe und Geborgenheit
c) Grenzen und Korrektur
d) Forderung und Pflicht
e) Die Charakterbildung
f) Die Herzensbildung
g) Die Gewissensbildung
h) Gebet und Heilige Schrift
i) Die Sakramente
j) Die Kontinuität
k) Der selbständige Mensch
Die Familie trägt auch maßgeblich zur Entwicklung der Gesellschaft bei. In
ihr wird jene tiefe Menschlichkeit entfaltet, die dann auch die ganze
Gesellschaft prägt. Die Familie ist die Hohe Schule der Liebe, die
ununterbrochen für die menschliche Erneuerung der gesamten Gesellschaft sorgt.
Ohne die Hohe Schule von vielen Millionen Familien wäre unsere Gesellschaft
auf die Dauer nicht lebensfähig. Ohne diese Menschlichkeit der Familie würden
verschiedene Auswüchse der modernen Gesellschaft nie korrigiert und
ausgeglichen werden.
a) Die Rettung der Person
Die Familie trägt entscheidend dazu bei, dass in unserer Gesellschaft der
Mensch als Person erhalten bleibt. Die gewaltige Maschinerie der modernen
Technik und Verwaltung hätte uns schon längst in mechanische
Teilchen und verwaltete Nummern verwandelt, wenn uns nicht die
persönliche Liebe unseres Ehegatten und unserer Angehörigen davor bewahrt
hätte. Der Programmierer vor dem Computer, der Arbeiter am Fließband,
die Näherin in der Fabrik, der Beamte am Bankschalter, die
Kassierin im Supermarkt würden durch ihre Arbeit selbst zu Computern
und Automaten. Der Tankwart auf der Autobahnraststätte, der
Pizzaiolo in der Pizzeria, der Kumpel im Bergwerk, der
Straßenarbeiter mit dem Presslufthammer, der Lenker des Lastwagens würden
durch ihre Tätigkeit zu unpersönlichen Maschinen. Für diese Arbeiter und
Arbeiterinnen ist die Familie oft die einzige Stätte, an der sie
wieder zu Menschen werden. Durch die persönliche Beziehung im
Familienkreis wird der entfremdete Mensch wieder eine Person. In der Familie
zählt nicht die Leistung und das Tempo, sondern das Menschsein. Da ist
der Einzelne nicht mehr das kleine Rädchen des großen Betriebs, sondern eine
Person mit menschlicher Würde. Durch die Ehe und Familie wird "die
Entartung der Gesellschaft zum geistlosen Kollektiv" (Bernhard Häring)
verhindert. Durch die Ehe und Familie kommt es zu einer ständigen "Entmassung"
(Helmut Schelsky) der Gesellschaft und zur Rettung der Person.
b) Die Erneuerung der Herzen
Die Liebe in der Familie gibt uns die Kraft, auch im öffentlichen Leben
Menschen mit Herz und Gefühl zu sein. Der harte Lebenskampf, die
erbarmungslose Konkurrenz, die gnadenlose Hetze, der ständige Stress würden
alle zarteren Regungen unseres Herzens abwürgen, wenn uns nicht die Familie
immer wieder zur Liebe zurückrufen würde. Ohne diese Liebe der Familie wäre
unser Inneres schon längst hoffnungslos verhärtet und versteinert. Die
Liebe zu unseren Angehörigen lehrt uns, die Menschen mit herz-lichen Augen zu
sehen. In der Familie sehen wir, dass der andere verstimmt oder
niedergedrückt ist. Wir hören ihm zu, wenn er uns sein Leid klagt. Wir bringen
ihm eine Tablette, wenn er Kopfweh hat... Diese Übung in der Familie wirkt
sich auch im öffentlichen Leben aus: Wir stützen eine alte Frau und
begleiten einen Blinden über die Straße, wir haben mehr Geduld im
Verkehr und zeigen Verständnis für die gehetzte Verkäuferin. Wir
trösten eine Mitarbeiterin im Büro und entschuldigen uns, wenn wir
einem Passanten in der Straßenbahn auf die Hühneraugen treten. Die
Familie erhält unser Herz jung und läßt uns die anderen als Menschen
behandeln.
c) Der Einsatz für die Gemeinschaft
Die Familie erzieht den Menschen dazu, sich für die Gemeinschaft
einzusetzen. Unsere Gesellschaft würde wohl zum größten Teil aus
Individualisten, Egoisten und Vereinsamten bestehen, wenn uns nicht die
Familie immer wieder in die Gemeinschaft zurückholen würde. In der Familie
lernt der Mensch immer wieder neu, sich für die Belange der Gemeinschaft
einzusetzen. Ein solcher Mensch wird sich dann auch in der Gesellschaft für
das Gemeinwohl einsetzen: Er meldet sich als Kandidat für den Betriebsrat,
er wird Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, er arbeitet als
ehrenamtlicher Funktionär beim Schiklub und ist freiwilliger Helfer
beim Roten Kreuz. Ein solcher Mensch wird sich auch für die
Wohngemeinschaft im Haus einsetzen: Er ist gerne bereit, dem Nachbarn eine
kaputte Lampe zu reparieren; er leiht der Familie nebenan ein Stück
Margarine und ein Kilo Mehl; er versorgt das kranke Mütterchen
und ruft den Arzt; er besorgt das Hundefutter für Nachbars Dackel;
er betreut den Kanarienvogel und gießt die Blumen, während
Maiers verreist sind.
d) Die Vermittlung der Moral
Die Familie ist auch die sittliche Schule der Gesellschaft. Sie
vermittelt den Menschen die moralischen Grundsätze und Werte,
die dann auch die Moral der Gesellschaft bestimmen. Angesichts des riesigen
moralischen Verfalls unserer Gesellschaft kommt heute der Familie eine
enorme Aufgabe zu: Im Schoß der Familie muss es zur Wiederentdeckung
der tragenden Grundsätze und Werte kommen, die zur moralischen Erneuerung der
Gesellschaft unbedingt erforderlich sind. Zu diesen Grundsätzen und Werten
gehören die Achtung vor dem Leben, die Wertschätzung der Ehe,
die Ehrlichkeit bei der Arbeit, die Schonung des gemeinsamen
Eigentums. Dazu gehören weiters die Verteidigung der Wahrheit und
der Freiheit sowie die Integrität der Kultur.
Alle diese moralischen Werte können heute fast nur mehr von der Familie
vermittelt werden. Die Familie ist heute fast das einzige Gegengewicht
gegen den Zeitgeist und die öffentliche Meinung, die alle diese Werte
radikal in Frage stellen. Nur durch die eindeutige moralische Haltung von
vielen christlichen Familien haben wir heute im Kampf gegen die Abtreibung
und Euthanasie, die Scheidung und Wiederverheiratung, die
Korruption in der Wirtschaft, die Ausnützung der sozialen
Einrichtungen, die Manipulation der Medien und die Verseuchung
der Kultur eine Chance. Die Familien müssen heute den jungen Leuten ein so
klares christliches Werte-Bewusstsein mitgeben, dass sie auch der
perversen Unmoral unserer Zeit widerstehen können.
e) Die Grundlegung der Kultur
Die Familie ist auch die Keimzelle der Kultur unserer Gesellschaft. In der
Familie werden jene Lebensformen gepflegt, die dann weitgehend auch die
gesellschaftlichen Lebensformen bestimmen. So werden Ess- und Trinkkultur,
Kleidungs- und Wohnkultur, aber auch Sprach- und Geisteskultur
einer Gesellschaft zunächst im Bereich der Familie gepflegt und vermittelt.
Auch die meisten gesellschaftlichen Umgangsformen wie Benehmen,
Anstand und Höflichkeit werden in der Familie beigebracht. In der
Familie werden auch viele kulturelle Interessen gepflegt: Da wird
musiziert und gespielt, gezeichnet und gemalt,
gelesen und geschrieben, gehandarbeitet und gebastelt,
erklärt und diskutiert... Die Familien-Kultur ist der Nährboden
der Gesellschafts-Kultur.
Wir erleben heute immer wieder, dass die öffentliche Kultur ohne die Kultur in
der Familie kaum etwas erreicht. Ohne Familien-Kultur bleibt jedes kulturelle
Bemühen von Seiten der Schule und der Vereine meistens nur sehr oberflächlich.
Der Mensch hat dann wohl einen Anstrich von Kultur, Bildung und Benehmen, aber
seine tieferen Schichten sind davon kaum berührt. Er isst dann die feinsten
Speisen, hat aber keine Tischmanieren. Er kleidet sich nach der
neuesten Mode, bewegt sich aber wie ein Trampeltier. Er besucht das
Theater, spricht aber ein vulgäres Tiefdeutsch. Er wohnt in einem Haus
mit Stilmöbeln, hat aber überall eine chaotische Unordnung. Er besitzt
die "Gesammelten Werke" der Weltliteratur, nimmt aber nie ein Buch zur
Hand. Er ist Direktor und Hofrat, hat aber keine Umgangsformen. Er
verfügt über ein großes Wissen, hat aber keine Herzensbildung... Ohne
eine entsprechende Grundlegung der Kultur in der Familie ist es kaum möglich,
die Kultur in der Gesellschaft zu heben. Ohne eine Erneuerung der Kultur in
der Familie riskieren wir, in die Barbarei zurückzufallen.
f) Die Heilung des Menschen
In der Familie kommt es auch zur Heilung des Menschen. Die Familie gleicht
oft einem großen Spital, in dem die seelischen Krankheiten der
Gesellschaft kuriert werden. Die moderne Gesellschaft fügt dem einzelnen
ständig innere Verwundungen zu. Schauen wir uns dazu eine ganz normale
Familie an: Der Mann arbeitet schon seit siebzehn Jahren im Büro bei
den E-Werken, und doch hat man einen viel jüngeren Kollegen zum
Abteilungsleiter ernannt. Die Frau hat das Bügeleisen in Reparatur
gegeben, und nun ärgert sie sich, weil der Elektriker so viel für die
Reparatur verlangt hat. Der Sohn Martin kommt frustriert nach Hause,
weil ihn der Lehrer vor der ganzen Klasse einen "Obertrottel" geheißen hat.
Die kleine Agnes klagt weinend, dass ihr im Kindergarten von der
Annemarie das Jausebrot mit der guten Salami weggenommen wurde... So ähnlich
ergeht es auch uns. Jeder von uns wird in der Gesellschaft gekränkt und
verwundet. Für uns alle ist dann die Familie oft die einzige Rettung. Unsere
Angehörigen hören uns an und versuchen dann mit vereinten Kräften,
unser angeschlagenes Gleichgewicht wiederherzustellen. So geschieht es
auch in der ganz normalen Familie von oben: Die Frau versucht die
Lebensgeister ihres Mannes wieder in Schwung zu bringen und kocht ihm ein
gutes Schnitzel. Der Mann zieht ein verstecktes Kuvert aus der Schublade, um
die gesalzene Rechnung zu bezahlen. Die Mutter tröstet ihren Martin und geht
am nächsten Tag in die Schule, um mit dem Lehrer zu reden. Der Vater ruft die
Kindergartentante an und bittet sie, in Zukunft mehr auf die Jausenbrote mit
Salami zu achten... So wird jeder aufgerichtet und gestärkt.
Die Seele wird verbunden und das Herz verpflastert. Bald ist jeder
wieder seelisch gesund und kann erneut in die Gesellschaft entlassen
werden. Durch die Familie bleibt die ganze Gesellschaft gesund.
g) Die staatsbürgerliche Erziehung
Die Familie vermittelt den jungen Menschen auch die staatsbürgerlichen
Grundhaltungen. Es ist eine altbekannte Tatsache, dass die Familie ist der
Staat im kleinen ist. In einer intakten Familie begreift der junge Mensch
auf ganz natürliche Weise, dass es in einer Gemeinschaft bestimmte
Spielregeln geben muss. In der Familie erfährt der heranwachsende Mensch
die Bedeutung der Ordnung und Autorität, des Gemeinwohls
und der Solidarität, der Moral und der Normen, der
Achtung und der Toleranz. Auf diese Weise begreift er auch die
Notwendigkeit der staatlichen Ordnung, der nationalen Solidarität, der
öffentlichen Moral und der politischen Toleranz. In der Familie lernt der
junge Mensch, dass jeder seinen Beitrag für das Allgemeinwohl leisten
muss, und wird dann später auch seinen Beitrag für das staatliche
Allgemeinwohl leisten. Im Kreis der Familie begreift er, dass er sich mit den
diversen Angelegenheiten der Gemeinschaft auseinandersetzen muss. Er
wird sich dann später auch mit der politischen Entwicklung in seinem Land
auseinandersetzen: Er wird sich fragen, ob die Entscheidungen der Politiker
richtig oder falsch sind, und ob ihre Programme zielführend sind oder nicht.
Ein solcher Bürger fühlt sich persönlich für den Staat verantwortlich.
Ganz anders ist die staatsbürgerliche Einstellung eines Menschen, der in
seiner Familie diese Grundhaltungen nicht mitkriegt. Für diesen Menschen
gelten keine Gesetze und keine Ordnung. Für ihn gibt es auch
keine Autorität und keine Verpflichtung. Er hat keinen Sinn
für das Allgemeinwohl und drückt sich vor jeder Verantwortung.
Er sieht im Staat nur ein Sozialleistungsunternehmen, das es
auszunützen gilt. Er kennt auch keine Achtung und Toleranz
gegenüber den Vertretern anderer Ideologien und Parteien. Auf diese Weise
zeigt sich, dass die Familie in entscheidender Weise das staatsbürgerliche
Verhalten der Menschen prägt. Aber auch die parteipolitische Einstellung wird
meistens in der Familie grundgelegt. Ein Großteil der Menschen übernimmt die
politische Einstellung des Elternhauses.
h) Der soziale Einsatz der Familie
Die Familie ist schließlich auch die wichtigste soziale Institution der
Gesellschaft. Die Familie übernimmt auch in der heutigen Gesellschaft eine
Menge sozialer Aufgaben. Die Familie interessiert sich für den Kindergarten
und die Schule, die ihre Kinder besuchen: Sie nimmt am Geschehen im
Kindergarten teil und gestaltet auch das Leben in der Schule mit. Die Familie
nimmt auch fremde Kinder auf und adoptiert sie als ihre eigenen Söhne
und Töchter: Auf diese Weise erhalten viele Kinder eine Chance, sich in einer
normalen Familie zu entfalten. Die Familie macht sich auch viele Gedanken über
die Freizeitgestaltung der jungen Leute: Sie bemüht sich um eine gute
und vernünftige Gestaltung der Freizeit und verhindert oft, dass skrupellose
Profitmacher die Jugend verderben. Die Familie pflegt auch die Kranken
und Behinderten: Wenn jemand in der Familie erkrankt und behindert ist,
dann setzt die Familie alles daran, diesen Mitgliedern zu helfen. Die Familie
fangt auch die Alkoholiker und Drogensüchtigen auf und bemüht
sich um ihre Rehabilitierung. Sie kümmert sich aber auch um die Mitglieder,
die vom rechten Weg abkommen: Wenn jemand aus der Familie im Gefängnis
landet, dann besucht sie ihn und steht zu ihm. Die Familie öffnet auch ihre
Türen für Menschen, die Probleme haben: Sie ladet eine Gastarbeiterfamilie
ein, die sonst keinen gesellschaftlichen Anschluss hat; sie nimmt sich einer
Person an, die unter Depressionen leidet; sie hilft einer
geschiedenen Frau, die von ihrem Ehemann verlassen wurde; sie tröstet ein
Ehepaar, nach dessen Kind an Leukämie gestorben ist. Die Familie
kümmert sich um die Alten und Alleinstehenden: Sie schaut, wie
es den alten Eltern geht und sorgt sich um die alleinstehende Tante.
Sie kümmert sich um die verwitwete Nachbarin und betreut sie, wenn es
ihr nicht gut geht. Die Familie steht schließlich auch den Sterbenden
bei und harrt bei ihnen aus bis zum letzten Atemzug. Die Familie leistet also
in sozialer Hinsicht oft Unglaubliches! Ihr vielfältiger Einsatz kann durch
keine öffentlichen Institutionen ersetzt werden. Das zeigt sich vor allem
dann, wenn eine Familie aus verschiedenen Gründen ihre sozialen Aufgaben und
Verpflichtungen nicht wahrnimmt. Dann kommen die Gesellschaft und der Staat
sehr rasch in Schwierigkeiten. Dann fehlt es an Personal, an Einrichtungen und
vor allem am Geld. Die Familie ist und bleibt deshalb die wichtigste soziale
Institution in Gesellschaft und Staat. Es ist deshalb höchst kurzsichtig, wenn
der Staat die Familie nicht entsprechend fördert. Es kommt dem Staat in vieler
Hinsicht billiger, wenn er die Familie unterstützt, als wenn er die Familie
ersetzt.
i) Die Gefährdungen der Familie
Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Familie und Gesellschaft führen
auch zu verschiedenen Gefährdungen der Familie. Beginnen wir mit der Arbeit:
Die weit entfernten Arbeitsplätze zwingen viele Männer und Frauen zum Pendeln,
die Wochenend- und Schichtdienste vieler Berufe stimmen nicht mit dem
Rhythmus der Familie überein, viele Saisonarbeiten erlauben überhaupt
kein Familienleben mehr. Das bedeutet, dass sich die Familie in der Früh
und zu Mittag kaum sieht und bestenfalls am Abend zusammenkommt. Dann sind
aber alle erschöpft und glotzen oft nur noch in den Fernseher. Wir können
feststellen, dass vor allem die Berufstätigkeit zu einer Vernachlässigung
der Kinder führt. Die Frauen haben zu wenig Zeit für die Kinder, sie sind
oft nervös und gereizt. Es fehlt die Zeit zum Gespräch, es fehlt die Ruhe und
die Geborgenheit. Wenn die Frau ständig aus dem Haus ist, fehlt das
menschliche Zentrum der Familie. Eine weitere Gefährdung der Familie ist auch
das ständige Fernsehen, das jedes Gespräch in der Familie blockiert.
Das Fernsehen unterbindet aber auch gemeinsame Tätigkeiten und Spiele und
verhindert nicht selten das Familiengebet. Eine große Gefahr für die Familie
ist heute auch das Überangebot im Unterhaltungs- und Freizeitbereich:
Der Vater ist ein begeisterter Bergsteiger, Schifahrer und Tennisspieler, die
Mutter ist im Fitnesscenter und fährt mit dem Mountainbike, der Sohn ist bei
der Fußballmannschaft und spielt in einer Band, die Tochter macht Judo und
hört stundenlang ihre Pop- und Rockstars. Jeder geht seinen eigenen Hobbies
nach und hat keine Zeit mehr für die Familie. Eine große Gefahr ist auch, dass
die Familie immer weniger eigenständige und gemeinsame Tätigkeiten
entfaltet: Statt dem gekochten Essen gibt es Dosen-Menüs und Fastfood, statt
dem Gespräch gibt es den Fernseher, statt den Spielen die Videogames. Das
Musizieren wird durch Kassetten ersetzt, das Wandern wird durch Autofahrten
verdrängt, an die Stelle der selbstgemachten Geschenke treten
Supermarkt-Geschenke. Die Familie ist also nicht mehr selbst aktiv, sondern
nur mehr ein Konsum-Verein ohne Eigeninitiative.
j) Die Aufsplitterung der Familie
Wir können auch feststellen, dass die Familie heute immer mehr auseinander
bricht: Die meisten Eltern sind durch ihre Arbeit von der Früh
bis am späten Nachmittag außer Haus. Die Kinder kommen bereits mit
einigen Monaten in die Kinderkrippe, ab dem 3. Lebensjahr gehen sie in
den Kindergarten. Ab dem 6. Lebensjahr besuchen sie die Grundschule
und anschließend die weiterführenden höheren Schulen. Immer mehr Kinder
und Jugendliche verbringen auch den Nachmittag als Tagesheimschüler
außerhalb der Familie. Viele Kleinkinder werden von den Großeltern
betreut, die als Gratis-Babysitter die berufstätigen Eltern vertreten. Am
Abend ist die Familie häufig durch verschiedene Interessen und
Freizeittätigkeiten getrennt. Am Wochenende sind die Kinder und
Jugendlichen oft mit Vereinen unterwegs, im Sommer werden sie in ein
Ferienlager geschickt. Die Spaltung der Familie zeigt sich auch bei den
Alten und Kranken: Wenn die Alten nicht mehr selbständig sind,
werden sie in ein Altersheim abgeschoben. Wenn jemand ein wenig krank
oder behindert ist, kommt er ins Krankenhaus oder in eine
Spezialanstalt. Auf diese Weise führen die Berufstätigkeit der
Eltern, die verschiedenen Interessen der einzelnen Familienmitglieder
und die immer weiter reichenden Bildungs- und Sozialeinrichtungen zu
einer zunehmenden Aufsplitterung der Familie. Was auf den ersten Blick oft als
eine Unterstützung der Familie aussieht, erweist sich bei näherem Hinsehen oft
als eine riesige Gefährdung der Familie.
k) Der familienfeindliche Zeitgeist
Neben den praktischen Gefährdungen erleben wir heute auch einen
ausgesprochen familienfeindlichen Zeitgeist, der die verschiedenen
Voraussetzungen der Familie radikal in Frage stellt. Dazu gehören die
egozentrische Philosophie der Selbstverwirklichung, das persönliche
Genussleben, die Überbetonung der Karriere, das freie Zusammenleben
von Mann und Frau, die Scheidung und Wiederverheiratung, die
Kinderfeindlichkeit, die Abtreibung, die Verhütungsmittel,
die Anerkennung homosexueller Verbindungen, die mangelnde
Unterstützung durch den Staat. Alle diese Faktoren führen zu einer
kolossalen Abwertung der Familie. Letztlich führt dieser Zeitgeist zu einer
regelrechten Demontage (= Zerlegung) der Familie. Diese Demontage ist
nicht rein zufällig. Hinter ihr steckt vielmehr eine gezielte Strategie: Durch
die Demontage der Familie wird nämlich die Gleichschaltung der Gesellschaft
erleichtert. Durch die Zerstörung der Familie kommt es nicht mehr zum
kritischen Gespräch im kleinen Kreis, durch die Zerschlagung der Familie wird
der einzelne entwurzelt und kann leichter in das Kollektiv integriert
werden. Und wenn alle in der Familie nur mehr die gleichen Fernsehprogramme
anschauen, dann kann man mit einem einzigen Satelliten 300 Millionen Menschen
geistig fernsteuern.
l) Die Wiederentdeckung der Familie
Aber inzwischen beginnen wir zu merken, dass die Zerstörung der Familie
auch zur Zerstörung der Gesellschaft führt. Wir stellen fest, dass es
durch die Single-Mentalität immer weniger Eheschließungen gibt. Die
Kinderfeindlichkeit und die Abtreibung führten zu einem katastrophalen
Geburtenrückgang. Die Scheidungen führten zu Millionen von zerbrochenen
Ehen und Familien. Die kaputten Ehen und Familien stürzten
Millionen Menschen in eine unheimliche Einsamkeit und Haltlosigkeit.
Die Selbstverwirklichung der Frauen führten einem erschreckenden
Erziehungsdefizit. Der individuelle Egoismus und der Egoismus der Paare
erfordert neue Sozialinstitutionen für Kinder, Behinderte, Kranke und
Alte, die gigantische Summen verschlingen. Die Defizite in menschlicher,
sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht sind bereits so
spürbar, dass es so nicht weitergehen kann. Es wird uns bewusst, dass es ohne
Familie kein Überleben unserer Gesellschaft geben kann. Und so wachen
jetzt immer mehr Menschen auf und erkennen, dass sie sich für die
Erneuerung der Familie einsetzen müssen.
Alle diese Überlegungen über die Beziehung von Familie und Gesellschaft haben
uns erkennen lassen, wie entscheidend die Familie für die Entwicklung der
Gesellschaft ist. Die Familie ist und bleibt das Fundament der
Gesellschaft! Alle anderen Initiativen sind nur die Fortsetzung und
Ergänzung dessen, was in der Familie grundgelegt wurde. Die Familie kann durch
nichts ersetzt werden. Mit der Familie steht und fällt die Gesellschaft.
ZUSAMMENFASSUNG:
DIE ZELLE DER GESELLSCHAFT
a) Die Rettung der Person
b) Die Erneuerung des Herzens
c) Die Erziehung zur Gemeinschaft
d) Die Vermittlung der Moral
e) Die Grundlegung der Kultur
f) Die innere Heilung des Menschen
g) Die staatsbürgerliche Erziehung
h) Der soziale Einsatz der Familie
i) Die Gefährdungen der Familie
j) Das Auseinanderbrechen der Familie
j) Der familienfeindliche Zeitgeist
k) Die Wiederentdeckung der Familie
Die christliche Familie hat schließlich auch die Aufgabe, an Leben und
Sendung der Kirche teilzunehmen. Sie kann diesen Auftrag sowohl innerhalb der
Familie als auch in der Pfarre und in der Diözese erfüllen.
a) Das Mitfeiern des Kirchenjahres
Jede christliche Familie wird sich zunächst darum bemühen, auch zuhause das
Kirchenjahr mitzufeiern. Advent und Weihnachten, Fasten- und
Osterzeit, Pfingsten und Fronleichnam usw. werden jeweils den Geist und
die Atmosphäre in der Familie bestimmen. Aber auch die Marien- und
Heiligenfeste sowie die Feste der Diözesan- und Pfarrpatrone sind
für die christliche Familie feierliche Gedenktage. Auf diese Weise wird das
Kirchenjahr auch in der Familie spürbar und erfahrbar.
b) Die Verbundenheit mit Papst und Bischof
Eine katholische Familie wird sich auch in besonderer Weise mit dem
heiligen Vater verbunden fühlen. Sie ist daran interessiert, an
Weihnachten und Ostern seine Fernsehansprachen an die Gläubigen in
aller Welt zu hören. Sie verfolgt auch mit Interesse die verschiedenen
Reisen des Papstes. Sie bemüht sich, aus den kirchlichen Zeitungen seine
Stellungnahmen zu den verschiedenen Problemen zu erfahren. Sie ist
schließlich auch gerne bereit, für den Papst und seine Anliegen zu beten.
Weiters fühlt sich eine katholische Familie auch dem Bischof der
eigenen Diözese verbunden. Sie interessiert sich für seine Hirtenbriefe
und liest seine Stellungnahmen in der Kirchenzeitung. Sie freut sich,
wenn der Bischof zur Firmung in die eigene Pfarrei kommt. Sie wird auch
den Bischof in ihr Gebet einschließen.
c) Die Veranstaltung von Haustreffen
Eine katholische Familie wird auch bereit sein, im eigenen Haus einen
Gebetsabend oder eine Bibelrunde zu veranstalten. Sie kann aber
auch ihr Haus für eine Familienrunde oder für eine Jugendgruppe
zur Verfügung stellen. Zu diesen Treffen können auch interessierte Freunde und
Nachbarn eingeladen werden. Durch ihre "offene Tür" und ihre
Gastfreundschaft werden diese Familien zu kleinen Zentren der
Evangelisierung und zu Außenstellen der Pfarre. Auf diese Weise
kommt es zum Aufbau von kirchlichen Zellen, die über das ganze
Pfarrgebiet verstreut sind.
d) Die Dienste in der Pfarre
Die Familie hat dann auch die Möglichkeit, verschiedenste Dienste in der
Pfarre zu übernehmen. Zu diesen Diensten zählt der Einsatz als Ministrant,
Jungscharführer, Tischmütter, Firmhelfer, Lektor und Pfarrgemeinderat. Zu
diesen Diensten kann aber auch das Mitwirken im Kirchenchor,
Wohnblockapostolat, Pfarrbrief, Pfarrkaffee und bei der
Kirchenreinigung gehören... Da ist bestimmt für jedes Familienmitglied
etwas dabei! Wichtig ist aber, dass jedes Familienmitglied nur einen Dienst
übernimmt und diesen dann ordentlich und verlässlich ausführt. Die Dienste in
der Pfarre müssen aber so ausgewählt werden, dass das Familienleben nicht
darunter leidet. Es gibt nämlich nichts Schlimmeres als Väter und Mütter,
die ständig irgendwo für die Pfarre unterwegs sind, dabei aber ihre Kinder
vernachlässigen. Zuerst kommt die Familie und dann erst die Pfarre!
e) Die Teilnahme an Pfarrveranstaltungen
Die katholische Familie ist dann auch dazu aufgerufen, an den verschiedenen
geistlichen und weltlichen Feiern der Pfarre teilzunehmen. Eine solche Familie
wird sich darum bemühen, wenigstens ein oder zwei Mitglieder zum Rorate
oder zur Maiandacht zu schicken. Sie wird gemeinsam bei der
Fronleichnamsprozession und bei der Familienwallfahrt mitgehen. Sie
besucht wenigstens fallweise die Vorträge des "Katholischen Bildungswerks".
Sie erscheint natürlich beim Weihnachtsbazar und hilft auch bei der
Organisation des Pfarrballs. Die Familien sind die lebendigen Steine
einer Pfarrei. Überall dort, wo die Familien mitmachen ist Leben!
f) Die Mitarbeit in den Laien-Bewegungen
Viele Familien sind heute auch in den kirchlichen Laien-Bewegungen im
Einsatz: Bei den Focolarini, bei der Charismatischen Erneuerung,
im Katholischen Familienverband. Manchmal sind die einzelnen
Familienmitglieder auch bei verschiedenen Gruppen aktiv: Der Vater ist bei der
Katholischen Männer-Bewegung oder beim Cursillo, die Mutter bei
der Marianischen Kongregation oder bei Legion Mariens, die
Jugendlichen bei der Katholischen Jugend. Alle diese Menschen tragen
dazu bei, dass die einzelnen Bewegungen auch mit Hilfe der Familien lebendig
bleiben und die Sendung der Kirche mittragen.
g) Der Einsatz im Sozialbereich
Für die Familie gibt es auch im kirchlichen Sozialbereich viele Aufgaben zu
erfüllen. Da erfährt der Vater im Pfarrgemeinderat, dass ein Mitglied der
Pfarrgemeinde eine Arbeit sucht. Nun wird in der Familie gemeinsam überlegt,
ob man nicht einen Betrieb kennt, der diese Person anstellen könnte. Dann
erfährt die Mutter in der "Marianischen Frauenkongregation", dass eine Frau
eine Wohnung sucht. Wieder wird in der Familie gemeinsam nachgedacht, wo diese
Frau eine Wohnung finden könnte. Der Pfarrer bittet die Eheleute, ob
sie nicht mit einem jungen Ehepaar in Krise sprechen könnten, das sich
scheiden lassen möchte. Der pfarrliche Arbeitskreis für Soziales ersucht die
Familie, sich um eine Flüchtlingsfamilie zu kümmern, die von der Pfarre
aufgenommen wurde. Die Caritas bittet um gebrauchte Kleider für arme
Leute, und die Familie bringt gut erhaltene Kleidungsstücke zur Sammelstelle.
Der Vinzenzverein sammelt für bedürftige Mitbürger, und die Familie
gibt gerne eine großzügige Spende... Auf diese Weise hat also die Familie
viele Möglichkeiten, auch im Sozialbereich tätig zu sein.
h) Die Unterstützung der Mission und der Dritten
Welt
Eine christliche Familie wird sich schließlich auch für die Mission und die
Entwicklungshilfe interessieren. Die meisten christlichen Familien kennen
persönlich einen Missionar oder eine Missionsschwester. Viele
kennen auch einen Entwicklungshelfer. Manche Familien schreiben sogar
regelmäßig an einen Missionar oder einen Entwicklungshelfer. Andere Familien
erklären sich bereit, jeden Monat die Missionszeitschriften
auszutragen. Wieder andere organisieren einen Bazar mit Waren aus der
Dritten Welt oder beteiligen sich an einer Selbst-Besteuerungs-Gruppe
zugunsten der Entwicklungsländer... Auf diese Weise können auch die Familien
entscheidend dazu beitragen, unsere Missionare und Entwicklungshelfer geistig
und materiell zu unterstützen.
i) Die Förderung von geistlichen Berufungen
Die christliche Familie ist schließlich auch die Stätte, in der geistliche
Berufungen gedeihen können. Die meisten Priester und Ordensleute kommen aus
Familien, in denen ein konsequenter Glaube praktiziert wurde. Die Erfahrung
im Elternhaus vermittelt den jungen Menschen, wie schön und erfüllend ein
gelebter Glaube ist. Sie werden dann auch für eine Berufung empfänglich und
sind bereit, dem Ruf Gottes zu folgen. Meistens werden solche junge
Menschen dann auch von den eigenen Eltern auf ihrem geistlichen Weg
unterstützt und mit viel Gebet begleitet. Häufig stehen auch die
Geschwister diesen berufenen Menschen zur Seite und helfen ihnen in den
schwierigen Momenten ihres Lebens. Auf diese Weise sind die christlichen
Familie auch in unserer Zeit das wichtigste Reservoir der geistlichen
Berufungen und eine wesentliche Stütze der Priester und Ordensleute.
Diese wenigen Hinweise haben uns sicher schon bewusst machen können, dass die
Familien auch für das Leben und die Sendung der Kirche unentbehrlich sind.
ZUSAMMENFASSUNG:
DIE ZELLE DER KIRCHE
a) Die Mitfeier des Kirchenjahres
b) Die Verbundenheit mit Papst und Bischof
c) Die Veranstaltung von Haustreffen
d) Die Dienste in der Pfarre
e) Die Teilnahme an Pfarrveranstaltungen
f) Die Mitarbeit in den Laien-Bewegungen
g) Der Einsatz im Sozialbereich
h) Der Unterstützung der Mission und der Dritten Welt
i) Die Förderung von geistlichen Berufungen
Für die Ehrfurcht der Kinder gegenüber den Eltern gibt es mehrere
gewichtige Gründe: Die Eltern haben den Kindern das Leben geschenkt, sie haben
sie mit vielen Mühen und Opfern erzogen und haben vor Gott und der
Gesellschaft auch die Verantwortung für sie.
a) Die Eltern haben den Kindern das Leben geschenkt
Der erste Grund für die Ehrfurcht der Kinder vor den Eltern ist darin zu
sehen, dass die Eltern ihren Söhnen und Töchtern das Leben geschenkt
haben. Die Eltern sind der menschliche Ursprung der Kinder, die Mutter
hat sie neun Monate unter ihrem Herzen getragen und sie unter Schmerzen zur
Welt gebracht. Vater und Mutter sind die wichtigsten Bezugspersonen für die
Identität der Kinder.
b) Die Eltern haben die Kinder mit vielen Opfern
erzogen
Ein zweiter Grund für die Ehrfurcht der Kinder vor den Eltern ist darin zu
erblicken, dass die Eltern die Kinder mit vielen Mühen und Opfern
erzogen haben. Die Eltern haben das kleine Kind Tag und Nacht gehegt und
gepflegt, sie haben das heranwachsende Kind umsorgt und erzogen und den
Jugendlichen geführt und begleitet. Sie haben dieses Kind geliebt und
getragen, sie haben ihm Geborgenheit und Sicherheit geschenkt
und ihm bleibende Grundwerte vermittelt. Die Eltern haben für dieses
Kind gearbeitet und auf vieles verzichtet, sie haben es ermahnt und getröstet,
sie haben sich mit ihm gefreut und seine Leiden geteilt. Das Kind verdankt
sich selbst zum allergrößten Teil seinen Eltern.
c) Die Eltern haben für die Kinder die Verantwortung
vor Gott und den Eltern
Ein weiterer Grund für die Ehrfurcht der Kinder ist auch die
Verantwortung der Eltern für ihre Kinder. Den Eltern wurden die Kinder von
Gott anvertraut und deshalb tragen sie auch vor Gott die Verantwortung
für ihre Kinder. Die Eltern tragen aber auch vor der Gesellschaft die
Verantwortung für ihre Kinder, solange diese nicht volljährig sind. Aus dieser
Verantwortung ergibt sich aber, dass die Eltern von Gott und von der
Gesellschaft her eine bestimmte Autorität gegenüber ihren Kindern
haben. Und diese Autorität verlangt wiederum eine bestimmte Ehrfurcht
der Kinder gegenüber ihren Eltern.
ZUSAMMENFASSUNG:
DIE EHRFURCHT VOR DEN ELTERN
a) Die Eltern schenkten den Kindern das Leben
b) Die Eltern brachten viele Opfer
c) Die Eltern haben die Verantwortung
Die Ehrfurcht der Kinder gegenüber den Eltern zeigt sich in verschiedenen
Formen: Sie kommt in der Achtung, im Gehorsam und in der Unterstützung der
Eltern zum Ausdruck.
a) Die Achtung gegenüber den Eltern
Die Ehrfurcht gegenüber den Eltern zeigt sich zunächst in einem
achtungsvollen Ton und in einem achtungsvollen Umgang. Das Kind
sollte gegenüber seinen Eltern nicht ausfällig und frech sein. Es darf seine
Eltern nicht beschimpfen und beleidigen. Auch bei Meinungsverschiedenheiten
ist es einem Kind nicht erlaubt, Eltern persönlich anzugreifen und zu kränken.
Das Kind darf also auch in einem kritischen Augenblick den Eltern nicht
den Respekt versagen. (Die Eltern müssen allerdings wissen, dass das Kind
seine Gefühle und seine Sprache oft noch nicht unter Kontrolle hat. Vor allem
in der Pubertätszeit reagieren Jugendliche oft recht heftig und
temperamentvoll. Dennoch müssen die Eltern ihre heranwachsenden Söhne und
Töchter nach einer Entgleisung darauf aufmerksam machen und von ihm verlangen,
dass sie sich zusammennehmen).
b) Der Gehorsam gegenüber den Eltern
Die Ehrfurcht gegenüber den Eltern kommt auch im Gehorsam zum
Ausdruck. Da das Kind zunächst noch nicht imstande ist, sein Leben selbst zu
gestalten, braucht es klare Anweisungen und Grenzen. Diese Anweisungen
haben aber nur dann einen Sinn, wenn sie vom Kind befolgt werden. Zur
Befolgung dieser Anweisungen braucht es den Gehorsam des Kindes. Je älter das
Kind wird, desto mehr Freiheiten können ihm gewährt werden. Dennoch
braucht auch der heranwachsende Jugendliche noch ganz klare Grenzen. Diese
Grenzen müssen aber von den Eltern einsichtig gemacht werden, weil
es dadurch dem Jugendlichen leichter fällt, sie anzunehmen. Der Jugendliche
ist seinerseits verpflichtet, den Anordnungen der Eltern zu gehorchen. Der
Jugendliche sollte auch dann seinen Eltern gehorchen, wenn er einmal nicht mit
ihren Anordnungen einverstanden ist: Wenn er merkt, dass die Eltern auch nach
einer Aussprache, bei der sie seine Gründe angehört haben, auf ihrer Forderung
bestehen, dann muss er die Demut haben, dieser Anordnung zu gehorchen.
Der Jugendliche sollte das Vertrauen haben, dass die Eltern nur sein
Bestes wollen und in seinem Interesse entscheiden. (Die Eltern müssen sich
natürlich fragen, ob ihre Anordnungen im Interesse des Kindes sind. Sie müssen
sich als Christen auch fragen, ob ihre Forderungen vor Gott gerechtfertigt
sind.)
c) Die Unterstützung der alten Eltern
Die Ehrfurcht der Kinder zeigt sich auch in der Unterstützung der
alten Eltern. Die erwachsenen Kinder sind verpflichtet, ihren Eltern in
schwierigen Situationen beizustehen. Das kann bei einer Krankheit
der Fall sein, das kann aber auch bei finanziellen Schwierigkeiten
erforderlich sein. Bei manchen Eltern stellen sich körperliche Gebrechen
und psychische Verwirrungen ein, die dann eine ständige Hilfe von
seiten der Kinder verlangen. Die Ehrfurcht verlangt auch, dass Kinder ihre
Eltern trotz einer geistigen Verwirrtheit und körperlicher Gebrechen und
Fehlfunktionen achten und lieben. Durch ihre Liebe und Unterstützung können
die Kinder ihren Eltern einen kleinen Teil von dem zurückgeben, was sie im
Verlauf ihres Lebens von den Eltern erhalten haben.
ZUSAMMENFASSUNG:
DIE FORMEN DER EHRFURCHT
a) Die Achtung vor den Eltern
b) Der Gehorsam gegenüber den Eltern
c) Die Unterstützung der Eltern
Zu allen Zeiten hat es auch Konflikte zwischen Eltern und Kindern gegeben.
Solche Konflikte können verschiedene Ursachen haben: Meistens sind es
bestimmte Fehlhaltungen der Kinder und Jugendlichen; manchmal sind aber auch
falsche Verhaltensweisen der Erwachsenen. Die Bewältigung der Konflikte
erfordert zunächst eine klare Erkenntnis der Ursachen. Dann muss überlegt
werden, wie man die aufgetretenen Konflikte beilegen kann.
a) Die Fehlhaltungen der Jugend
Die meisten Konflikte kommen dadurch zustande, dass Jugendliche einen Weg
gehen, der sie menschlich und moralisch gefährdet: Wenn die Eltern merken,
dass ihre Kinder einen falschen Umgang haben, ihre Pflichten in
der Schule nicht erfüllen, maßlos rauchen und trinken, sich in
der Nacht herumtreiben und in verrufenen Lokalen und
Diskotheken verkehren, dann müssen sie eingreifen und ihre Kinder ermahnen
und rügen. Wenn die Eltern feststellen, dass ihre Söhne und Töchter die
religiöse Praxis aufgeben und extremen Ideologien oder okkulten
Praktiken anhängen, dann müssen sie ihre Kinder zur Rede stellen.
b) Die Fehlhaltungen der Eltern
Es gibt aber auch Fehlhaltungen von Eltern, die zu Konflikten führen
können. Wenn Eltern ganz bestimmte Schwächen haben (z. B. Alkoholismus,
Jähzorn, Gewalttätigkeit, Geiz, Pedanterie, Zynismus, unmoralischer
Lebenswandel) und sich nicht um die Ablegung dieser Fehlhaltungen bemühen,
dann werden diese Schwächen zu einem Ärgernis für die Kinder. Aber auch wenn
Eltern allzu autoritär ihre Forderungen stellen, kann es zum Protest
der Kinder kommen. Manche Eltern sind wiederum zu nachgiebig in ihrer
Erziehung und dürfen sich dann nicht wundern, wenn sich die Kinder später
alles erlauben und frech sind. Alle diese Fehlhaltungen können zu großen
Spannungen und Konflikten führen
c) Möglichkeiten der Konfliktbewältigung
Zur Bewältigung der Konflikte braucht es zunächst ein offenes Gespräch.
Dabei darf es aber auch bei großen Meinungsverschiedenheiten nicht zu
persönlichen Angriffen und Beleidigungen kommen. Das Gespräch muss trotz
aller Deutlichkeit der Aussagen von Wohlwollen bestimmt sein. Es müssen
vernünftige Argumente vorgebracht werden, es müssen aber auch die
Gefühle berücksichtigt werden. Schließlich darf ein Gespräch auch nach
einem großen Fehler nicht zu einer Bloßstellung des Jugendlichen
führen. Zur Konfliktbewältigung brauchen die Eltern auch die nötige
Festigkeit und die Kraft zum Widerstand. Sie dürfen sich auch durch
das Aufbegehren ihres Kinder nicht in ihrer erzieherischen Linie beirren
lassen. Sie müssen sich mit viel Geduld wappnen und dürfen hoffen, dass
die Krisenzeit früher oder später zu Ende geht. Wichtig ist auch, dass es die
Eltern trotz schwerer Fehler ihrer Kinder nie zu einem völligen Bruch
kommen lassen, denn dann haben sie überhaupt keine Chance mehr! Für die Eltern
gilt in besonderer Weise das Gleichnis vom verlorenen Sohn: So wie Gott
auch den größten Sünder aufnimmt, so müssen auch die Eltern ihre gefallenen
Söhne und Töchter immer wieder aufnehmen. Wenn Eltern ihre Kinder
fallenlassen, dann fallen diese meistens ins Bodenlose! Die Eltern müssen
alles tun, was in ihrer Macht steht, um die Kinder auf den rechten Weg zu
führen. Wenn dann Kinder trotzdem einen ganz anderen und falschen Weg gehen,
können sich die Eltern ruhigen Gewissens sagen, dass sie alles zur Rettung
ihrer Kinder versucht haben. In vielen Fällen aber erhört Gott das unablässige
Gebet der Eltern für ihre Kinder. Ein Beispiel dafür ist der hl.
Augustinus: Dieser Mann war in seiner Jugend das große Sorgenkind seiner
Mutter, der hl. Monika. Diese große Mutter betete Tag und Nacht für ihren
Sohn. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich einmal an den Bischof ihrer
Diözese, der sie mit folgenden Worten tröstete: „Ein Sohn Sophieleer Tränen
kann nicht verloren gehen.“ Das Gebet der Mutter hat entscheidend dazu
beigetragen, dass aus dem Lebemenschen Augustinus einer der größten Heiligen
wurde.
ZUSAMMENFASSUNG: KONFLIKTE MIT JUGENDLICHEN
a) Fehlhaltungen der Jugendlichen
b) Fehlhaltungen der Erwachsenen
c) Konfliktbewältigung
ALLGEMEINER ÜBERBLICK:
VIERTES GEBOT: DU SOLLST VATER UND MUTTER EHREN!
1) Wesen und Aufgabe der Familie
2) Die Gemeinschaft
3) Die Schule für das Leben
4) Die Zelle der Gesellschaft
5) Die Zelle der Kirche
6) Die Ehrfurcht vor Vater und Mutter
7) Die Formen der Ehrfurcht
8) Konflikte zwischen Eltern und Kindern
Herr, lass uns
Deine Gebote beachten und verstehen damit ich am Ende meiner Tage zu Dir
gelange.
Amen.
Weiterführende
Themen:
Die Schöpfung
/
Die Liebe Gott Vaters
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